Ich hatte ja oben schon erwähnt, dass Herrscher, die sich gegen den Senat stellten, immer als irrsinnig, unfähig und größenwahnsinnig dargestellt werden.
Vielleicht könntest Du ja einmal hinterfragen, wieso sich eigentlich manche Kaiser offen gegen den Senat stellten. Immerhin repräsentierte der Senat nicht nur die überkommene Ordnung, sondern fungierte (zumindest formal, realpolitisch kaum) auch als Gegengewicht zum Kaiser. Aus ihm rekrutierten sich außerdem die hohen Amtsträger. Daher wurde von Kaisern einfach erwartet, dass sie zumindest so taten, als würden sie den Senat respektieren und mit ihm zusammenarbeiten. (Wie es in der Realität um seine Macht bestellt war, war auch den Senatoren selbst sehr wohl bewusst.) Sogar die Soldatenkaiser im 3. Jhdt. bemühten sich in der Regel noch um die formale Anerkennung durch den Senat.
Was sagt es also über einen Kaiser aus, wenn er mit dieser Ordnung brach und nicht einmal etwas vernünftiges Neues an ihre Stelle setzte, sondern einfach irgendwelchen Günstlingen das Regieren überließ? (Um moderne Ausdrücke zu verwenden: Manche Kaiser wendeten sich weg von einer Art Konstitutionalismus hin zu einer offenen Diktatur.)
Ist es denn so abwegig zu vermuten, dass bevorzugt Kaiser, die glaubten, auf alles pfeifen zu können und über allem zu stehen, diesen Weg beschritten?
Ich hatte ja oben schon erwähnt, dass Herrscher, die sich gegen den Senat stellten, immer als irrsinnig, unfähig und größenwahnsinnig dargestellt werden. Weitere Vorwürfe wie unfähige Ratgeber, Homosexualität, Verschwendung usw. kommen auch stets hinzu.
Und wieder einmal verweise ich auf Hadrian, der in der antiken Geschichtsschreibung relativ gut wegkam, trotz seines belasteten Verhältnisses zum Senat und trotz seiner recht publiken Beziehung mit Antinous.
Anmerken möchte ich außerdem noch, dass Herodian nicht aus dem Senatorenstand stammte. Über den Verfasser der Historia Augusta weiß man im Prinzip nichts.
Sueton gehörte dem Ritterstand an, und die Ritter rivalisierten traditionell eigentlich mit den Senatoren.
Er lobt ihn ja sogar über den grünen Klee, was in so fern interessant ist, da Herodion im Gegensatz zu Dio beschreibt, wie sich Perennis auf Kosten unliebsamer Senatoren bereicherte, dabei zum reichsten Mann Roms aufstieg und gemeinsam mit seinen Söhnen eine Verschwörung plante, um selbst die Herrschaft zu übernehmen.
Dio dagegen macht ihn ja geradezu zu einem Heiligen, was nicht wirklich glaubwürdig erscheint.
Wenn jemand negativ dargestellt wird, ist das unglaubwürdig. Wenn jemand positiv dargestellt wird, ist das unglaubwürdig. Ja was denn nun?
Woher sicher interessant wäre, einmal zu überprüfen, warum eigentlich Augustus' Helfer "würdigere" Erscheinungen waren, die von Commodus aber weniger.
"Würdig" meinte ich nicht im Sinne von individueller Befähigung, sondern dessen, was in Rom erwartet wurde. Augustus setzte noch auf Gehilfen aus dem Ritter- und Senatorenstand, Männer, die über entsprechende dignitas und auctoritas verfügten. Das waren für Römer zentrale Werte. Freigelassene hatten sie nicht, und erst recht nicht Personen, die im Bett des Kaisers Karriere machten.
Ein weiteres Merkmal von "unwürdigen" Ratgeber ist, dass ihnen oft der Ruch eines (meistens fragwürdigen) Aufsteigers anhaftet.
Weil ihn das im römischen Wertesystem unwürdig machte.
Misstrauisch stimmt mich vor allem, dass "unwürdige" Erscheinungen bzw. schlechte Ratgeber immer nur ei negativ besetzten Herrschern auftauchen.
Auch hier meine Anregung, das einmal andersherum zu betrachten: Wie wählte ein Kaiser seine Gehilfen und Ratgeber aus? Was sagt die Auswahl über den Kaiser aus?
Wer würde eher einen "Unwürdigen" auswählen: ein Kaiser, der zumindest den Schein der Beibehaltung der Ordnung zu wahren sucht, oder ein Kaiser, der offen auf alles pfeift? Und wer würde eher seinen Günstlingen das Regieren überlassen: ein Kaiser, der seine Regierungsgeschäfte ernst nimmt, oder ein Kaiser, der sich lieber amüsieren will?
Was aber sagt es über einen Kaiser aus, wenn er auf alles pfeift und sich amüsiert, während seine Günstlinge tun und lassen was sie wollen?