Afrikafeldzug und die Ausgangssituation Italiens - Sept40/Feb41

Die Italienische Armee war nicht sooo schlecht ausgestattet, hatte jedoch ein Großteil ihrer Ressourcen im Äthiopienkrieg und im Spanischen Bürgerkrieg verpulvert. Nach 1939 fehlten vor allem die Finanzmittel um das verschlissenen und verlorene Material zu ersetzen. In Spanien verwendete man modernes, eigen entworfenes und gebautes Material, in Nordafrika Österreichisch-Ungarisches Beutematerial aus dem 1 WK.
Mit Finanzmittel meinst Du vorhandenes Material, das aber nicht der Truppe zur Verfügung stand?

In Anbetracht der Aufgaben in Libyen und der Verstärkung der 10 Armee durch Material der 5. finde ich den Mangel an Transportmitteln dennoch erstaunlich. Es gab ja auch im Land Fahrzeuge und Tiere, konnten die nicht genutzt werden?

Was mich verwundert, in den Aufstellungen der Einheiten für das Jahr 1939 sind Ausrüstungsmängel nicht vermerkt. War die nominelle Ausstattung schon so schlecht?

Die Moral war zudem sehr unterschiedlich. Neben einiger hochmotivierten und gut trainierten Eliteeinheiten war die Masse unlustig und schlecht ausgebildet.
Das hatten wir an anderer Stelle schon, es lag wohl vor allem am Offizierskorps...
 
Mit Finanzmittel meinst Du vorhandenes Material, das aber nicht der Truppe zur Verfügung stand?

nein, damit meine ich das Geld um den Ersatz für die Ausrüstung zu Bezahlen, die in diesen beiden Kriegen abhanden kam, sei es durch Verlust, Verschleiss oder weil es an das nationalistische Spanien gespendet wurde.

Mussolini versuchte z.B. seinen Einfluss in Spanien zu zementieren. Ursprünglich liess man sich die Hilfe gut bezahlen (Anfangs von einem balearischen Unternehmer und britischen Geldgbern finanziert).
Um dann jedoch die Konkurrenz mit dem Deutschen Reich zu bestehen, verschenkte man später viel Material an die spanische Armee, was sich Italien eigentlich gar nicht leisten konnte, weil das Land zutiefst verschuldet war. Die Spaniern waren davon nicht sehr beeindruckt, weil sowohl das deutsche wie auch das erbeutete sowjetische Material deutlich moderner war, vor allem die Panzer und die Artillerie.

In Anbetracht der Aufgaben in Libyen und der Verstärkung der 10 Armee durch Material der 5. finde ich den Mangel an Transportmitteln dennoch erstaunlich. Es gab ja auch im Land Fahrzeuge und Tiere, konnten die nicht genutzt werden?

Doch, aber es war knapp und ein Teil davon verblieb wie erwähnt in Spanien. Die Italienische Industrie war zwar qualitativ recht hochwertig, quantitativ war sie sehr leistungsschwach. Die entwarfen einige der besten Flugzeuge des Krieges, bauten davon jedoch lächerliche zahlen.

...

Das hatten wir an anderer Stelle schon, es lag wohl vor allem am Offizierskorps...

Nicht nur. Auch an politischen, sozialen und regionalen Spannungen.
 
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Für mich ist die Kernfrage, warum waren die italienischen Kräfte so dermaßen schlecht ausgestattet? Es geht ja nicht nur um einen Angriffsbefehl an eine nicht fertige Truppe (vgl. das Fiasko in den französischen Alpen), es geht um eine längerfristig aufgestellte große Steitmacht..

Das Thema ist recht komplex.

Wenn Du eine sehr gute, kompakte Darstellung dazu suchst, würde ich den Beitrag von MacGregor Knox empfehlen, einer der Experten auf dem Gebiet und für Italien (und eine komprimierte Darstellung seines Buches zu den Italian Armed forces 1940-1943). Enthalten in Millett/Murray, Military Effectiveness, Vol. III (Second World War), S. 136-180.

Einfache Antworten gibt es da nicht, so zB in der Finanzfrage. Diese war einerseits von der Priorisierung der Luftwaffe im Spanischen Bürgerkrieg mit geprägt (bis zu 30% des Gesamtbudgets), während andererseits hier bereits ein geringerer Teil des gesamten Militärbudgets an den gesamten Staatsausgaben, und ein relativ geringer Anteil der Staatsausgaben am GDP vorlag (rd. 10%). Die Armee, Anfang 1943 mit 3 Mio. Mann quantitativ stark, lag damit etwa 1938/39 "nur" bei 4% des GDP. Hinzu kamen besondere Ausmaße von Chaos und Korruption in der italienischen Rüstungsindustrie.

Getrennt davon sind die operativen Katastrophen zu betrachten, bei denen weitere Faktoren hinzutraten. Für Nordafrika insbesondere die unzureichende Logistik, ausgehend von Tripolis, und unter der Nebenbedingung der Gefährdung der Seewege durch die Royal Navy (hier: speziell Situation 1940) und der Berücksichtigung von improvisierten Transportwegen von 1500 km wüstennaher Küstenstraße Tripolis/Front.

Sehr viel mehr kann aufgezählt werden. "Organisationsgrad bis zum Realitätsverlust" (deutsches militärisches Urteil), "spirit" (wenn man das zynischerweise an Korpsverlusten in Griechenland von bis zu 30 % in 6 Tagen messen mag), deutsche Mythen über italienische Schwächen und Feigheit (geprägt von den ersten afrikanischen Erfahrungen, und auch Russland 1942/43 mit der 8. ital. Armee), Zusammensetzung aus ländlicher Bevölkerung, eine schmale "Elite" als Grundlage des Offizierskorps, die Demobilisierung von 50% der Armee 1940 durch Mussolini, die Unabkömmlichkeit technischer Kräfte wegen der schmalen und ohnehin ineffizienten Rüstungsindustrie, usw. usf.

Von daher kann man sich operativen Niederlagen wie im Dezember 1940 eigentlich nur im Detail mit Erklärungsversuchen nähern.
 
Oder auch noch mal in Kennedy, Aufstieg und Fall der großen Mächte schauen. Kennedy äußert sich recht detailliert über den frühen Aufbau einer recht modernen italienischen Streitmacht in den frühen Dreißigern, die dann bei Beginn des Krieges schon wieder veraltet war. Auch weil die industrielle Basis fehlte, um das erreichte zu verbessern (viele italienische Konstruktionen waren sehr fehleranfällig), zu modernisieren und im Kriegsfall dann in ausreichender Zahl zu produzieren.
 
@Bdaian: Sicher wurde einiges Material in Spanien verschenkt, aber hat das wirklich die Ausstattung aller Divisionen in Libyen betroffen? Eine "Divisione Autotrasportabile" sollte doch eigentlich anders als eine reine Infanteriedivision aufgestellt sein.

@Silesia: Du beschreibst ja richtig die zwei Ursachen: Insgesamt zu wenig Material und die unzureichende Logistik von Tripolis aus. Letzteress scheint mir der Knackpunkt für meine Eingangsfrage zu sein. Warum wurde dort Material gehortet und nicht ausreichend verteilt? Hat sich Mussolini überhaupt für Logistik interessiert? Und hätte Balbo hier etwas verändert? Wenn nicht, worauf bezieht sich dann sein Ruf?

Millett/Murray versuche ich mal aufzutreiben.

@Steffen: Dein Argument geht in Richtung nachlassende Qualität, ich bin noch bei der Quantität, vor allem beim Transport.
 
@Bdaian: Sicher wurde einiges Material in Spanien verschenkt, aber hat das wirklich die Ausstattung aller Divisionen in Libyen betroffen? Eine "Divisione Autotrasportabile" sollte doch eigentlich anders als eine reine Infanteriedivision aufgestellt sein.
...

Gerade der Fahrzeugpark war ein kritischen Thema, dort war die Ausstattung sehr gering im Vergleich zu anderen Ländern (ca. 374.000 zivile Kraftfahrzeuge in ganz Italien gegenüber ca. 2.500.000 in Frankreich oder Italien) und gerade davon hatte man einiges in Spanien gelassen.

Daneben war Nordafrika ja nicht das einzige bzw. ersteinmal nicht das Hauptgeschehen: Vor Kriegsbeginn war geplant, die Italienische Armee sollte sich defensiv gegen Frankreich halten und offensiv gegen Jugoslawien vorgehen.

Als es dann losging disponierte man kurzfristig um und griff zuerst Frankreich an. Dort wurde z.B. die Panzerdivision Littorio eingesetzt, mit 200 der moderneren Kampfpanzer, darunter 70 M11/39 (in Nordafrika gab es davon insgesamt ca. 40 Stück). Daneben die Trieste und Torino (Motorisiert) und zahlreiche Alpiniregimenter, also einige der besten italienischen Einheiten, sowohl vom Training wie der Ausstattung. Insgesamt waren dort 32 Divisonen im Einsatz, an der Jugoslawischen Grenze verblieben andere und in Albanien ebenso. In den Alpen waren auch tausende von Maulesel im Einsatz.

Ich denke nicht, dass zwischen Juni/Juli und September vieles davon nach Nordafrika gelang. Sowohl Balbo wie nach seinem Tod am 15 Juli, sein Nachfolger Graziani, beklagten die mangelnde Ausrüstung ihrer Truppen. Balbo äusserte sich sogar konkret, dass es unnütz wäre weitere Männer zu schicken, wenn man sie nicht ausreichend austatten und versorgen könne und verlangte Eintausend Lastwagen, hundert Tankwagen und mehr moderne Artillerie. Graziani informierte dann als erstes, dass seine Kräfte nicht geeignet wären für einen Vormarsch auf Ägypten, Mussolini befahl ihn jedoch trotzdem anzugreifen.

Zeitgleich bereitete man auch den Angriff auf Griechenland vor und zog in Albanien Truppen und Material zusammen. Auch dort fehlte es jedoch massiv an Fahrzeugen. Von planmäßig vorgesehenen 1700 Lastwagen konnte man im August knapp über 100 organisieren. Als die Offensive dann ab Oktober in Gang kam, gingen mehr Ressourcen der Italienischen Armee nach Griechenland als nach Nordafrika.
 
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Das sind wie schon gesagt deutsche Legenden, gepflegt beim Afrikakorps und aufgrund der Ereignisse in Russland 1942/43.
Mittlere Don-Operation ? Wikipedia


Die Situation in Nordafrika 1940 war durch die logistischen Aspekte beherrscht (nicht durch theoretisch vorhandene Materialkapazitäten), das Desaster ab Dezember 1940 durch die überlegene Beweglichkeit der britischen Truppen, qualitativ überlegenes Material (sehr vorausschauend insbesondere mit dem 2nd und 7th RTR kurzfristig seit Juli 1940 verlegt - übrigens unter Entblößung der Home Front in Großbritannien trotz Invasionsbefürchtungen nach Dünkirchen) und - hier noch nicht erwähnt - durch die in Nordafrika überlegen agierende RAF.

Da die Stärken gepanzerter Streitjkräfte bei den Italienern erwähnt wurden, per November 1940:
145 M13/40 (über die Hälfte in noch in Ausbildung, Rest ein paar Wochen ungenügend ausgebildet)
70 M11/39
339 CV33 Tanketten (minderwertig).

Die Luftstreitkräfte, auch aufgrund rückwärtiger Stationierungen und fehlender Vorne-Versorgung, operierten nur von ungünstigen Standorten aus, und wurden von der RAF sowie durch die Rückzüge überwiegend ausgeschaltet.

Zur Logistik ein Vergleich, der die Dimensionen verdeutlicht: als das DAK im Februar/März 1941 verschifft wurde, ging man von 220.000 Tonnen aus. Das ließ die Seekriegslage in 1940 nicht zu, im Wesentlichen deswegen, weil der entscheidende Eingriff der Luftwaffe von Sizilien aus erst ab 1/1941 erfolgte. Die Italiener transportierten die Masse nach Tripolis, dann küstennaher Seeweg nach Benghasi, dann Landweg. Von großen Verlegungen in Italien verfügbarer Verbände konnte da keine Rede sein.

Dieser Transportweg hatte sich bei Eingreifen des DAK 1941 wegen der Rückzüge "halbiert", die Situation ist so nicht vergleichbar. Auch Rommel war dann mit Rückeroberung der Cyrenaika mit den gleichen Problemen ab Frühjahr 1941 konfrontiert.

Ebenfalls zur Anschauung: die "Mission Thoma" im Sommer 1940: der ging nach deutschen Massstäben davon aus, dass man erst Unterstützungen überhaupt schicken könne, wenn man den Hafen Marsa Matruh unter Kontrolle und gesichert haben würde. Er beschreibt hier das gleiche Problem, welches Graziani anmerkte. An der langlaufenden Logistik und der frontnahen "Beweglichkeit" hing alles.

Hier wird dann die Verschickung auch von ein paar mehr Panzern oder LKW ein Problem. Übrigens erbeuteten anfangs die Briten bis Dez40/Jan41 über 1500 italienische LKW (inkl. der Eroberung von Bardia), wovon zahlreiche den 800 km-Vormarsch bis El Agheila mitmachten und dabei ordentliche Dienste leisteten. Die Grenzschlachten gingen am Boden wegen der weit überlegenen Beweglichkeit der britischen Verbände gegen die zunächst ausmanövrierten, schwachen 5 italienischen Divisionen verloren, zusätzlich wegen der RAF und der Präsenz der RN im mittleren und östlichen Mittelmeer (ab Sidi Barani 12/1940 und Sollum/Bardia/Tobruk waren das dann "Dominoeffekte", die nacheinander schließlich die ganze 10. italienische Armee kosteten).

Der schon zitierte Balbo hatte übrigens in Nordafrika ausschließlich eine Defensivstrategie im Blick, und sah keine Chancen in einer Offensivoperation. Die wurde aber unter völlig unzureichenden logistischen Umständen von oben angeordnet.

___
noch nachgetragen:
Neal Dando: The impact of terrain on British operations and doctrine in North Africa 1940-1943 (mit einigen Details zu Operation Compass), 2014
http://pearl.plymouth.ac.uk/pearl_jspui/bitstream/10026.1/3035/1/2014dando734777phd.pdf
 
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silesia schrieb:
Übrigens erbeuteten anfangs die Briten bis Dez40/Jan41 über 1500 italienische LKW (inkl. der Eroberung von Bardia), wovon zahlreiche den 800 km-Vormarsch bis El Agheila mitmachten und dabei ordentliche Dienste leisteten. Die Grenzschlachten gingen am Boden wegen der weit überlegenen Beweglichkeit der britischen Verbände gegen die zunächst ausmanövrierten, schwachen 5 italienischen Divisionen verloren,
Wie kann man denn 1.500 fahrtüchtige LKW an den Feind verlieren? Dann ist natürlich auch die Feststellung "weit überlegene Beweglichkeit" der Briten so auch eine Folgewirkung des Verlusts der italienischen Transportkapazitäten. Ich will ja noch akzeptieren, dass man mangels Sprit Fahrzeuge zurücklassen muss. Das war bei anderen Nationen auch wiederholt der Fall. Aber kann man nicht erwarten, dass solche Fahrzeuge mit einer Handgranate zerstört oder halt durch Feuer mittels Kameldung angezündet werden? Irgendwie ergibt sich für mich dieses Bild "auf der Flucht befindliche Italiener unter Zurücklassen von einsatzbereitem Material" für den ganzen II. Weltkrieg. Ist dann an einem solchen Punkt nicht die Frage nach der soldatischen Einstellung berechtigt?
 
Wie kann man denn 1.500 fahrtüchtige LKW an den Feind verlieren? Dann ist natürlich auch die Feststellung "weit überlegene Beweglichkeit" der Briten so auch eine Folgewirkung des Verlusts der italienischen Transportkapazitäten. Ich will ja noch akzeptieren, dass man mangels Sprit Fahrzeuge zurücklassen muss. Das war bei anderen Nationen auch wiederholt der Fall. Aber kann man nicht erwarten, dass solche Fahrzeuge mit einer Handgranate zerstört oder halt durch Feuer mittels Kameldung angezündet werden? Irgendwie ergibt sich für mich dieses Bild "auf der Flucht befindliche Italiener unter Zurücklassen von einsatzbereitem Material" für den ganzen II. Weltkrieg. Ist dann an einem solchen Punkt nicht die Frage nach der soldatischen Einstellung berechtigt?

Ist doch logisch: Man will schliesslich nicht zu Fuß ins Gefangenenlager!

Mythen hin oder her, die Italienische Marine ist die einzige, der im 2 WK ein Großkampfschiff geentert worden ist.
 
Wie kann man denn 1.500 fahrtüchtige LKW an den Feind verlieren? Dann ist natürlich auch die Feststellung "weit überlegene Beweglichkeit" der Briten so auch eine Folgewirkung des Verlusts der italienischen Transportkapazitäten. Ich will ja noch akzeptieren, dass man mangels Sprit Fahrzeuge zurücklassen muss. Das war bei anderen Nationen auch wiederholt der Fall. Aber kann man nicht erwarten, dass solche Fahrzeuge mit einer Handgranate zerstört oder halt durch Feuer mittels Kameldung angezündet werden? Irgendwie ergibt sich für mich dieses Bild "auf der Flucht befindliche Italiener unter Zurücklassen von einsatzbereitem Material" für den ganzen II. Weltkrieg. Ist dann an einem solchen Punkt nicht die Frage nach der soldatischen Einstellung berechtigt?

Ist alles eine Frage des Kollabierens ganzer Truppenteile im Bewegungskrieg oder in der Einkesselung.

So auch bei der Wehrmacht im Rückzug 1944 (Bagration), oder ein anderes kräftiges Beispiel: 200-300 Panzer der Wehrmacht auf einen Schlag bei hastiger Aufgabe der Instandsetzung in Uman 1943 (Rückzug Dnjepr) oder die Rote Armee 1941 mit tausenden von brauchbaren und dann verwendeten Geschützen oder nutzlosen aufgegebenen Panzern.

Hat dann wenig mit der soldatischen Einstellung zu tun. Die Hartnäckigkeit und Standfestigkeit sowjetischer Soldaten war auch 1941 unbestritten.
 
Dann ziehe ich mir Pizza Marinara rein, und Du kannst britische Propaganda vorlesen.:devil:

Wenn ich dazu ein Glas guten Grappa bekomme, kein Problem.

Spaggethi Vongole wären noch ein mögliches Gericht.

Aber bezüglich Propaganda: Tatsache ist doch, dass die Briten ein italienischen Kreuzer enterten und ihn dann versenkten weil sie ihn nicht abschleppen konnten.
Für die restlichen Geschichten von mehr oder weniger alkoholisierten und unbekleideten Seeleuten gibt es verschiedenen Erklärungen bis hin zur Propaganda. Der erste Teil ist jedoch unbestritten, oder nicht?
 
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solwac schrieb:
Am 28. Juni verloren die Italiener ihren Oberkommandierenden Balbo, die Nachfolger setzten den Angriffsbefehl von Mussolini für den 8. August erst am 9. September um.
Nach nur einer Woche wurde die Offensive aufgegeben, die Ziele wurden nur bruchstückhaft erreicht.

Ich frage mich, ob Graziani überhaupt marschieren wollte. Jedenfalls war er nicht sonderlich engagiert und die Prämissen für den Bewegungskrieg waren ihm wohl auch nicht so geläufig. Ansonsten hätte er seine motorisierten Verbände mit entsprechender Artillerie zusammengefasst und wäre gegen die keineswegs starken Briten zügig vorgegangen. Stattdessen ließ Graziani wertvolle Zeit verstreichen. Er schob immer neue Gründe, es sei zu heiß etc., vor um die "schwierige" Offensive zu beginnen. Als er noch in Rom saß, hatte Graziani noch ganz anders geredet.
 
Ich denke Graziani hatte keine große Lust anzugreifen. Er suchte zuerst nach Ausflüchten, griff dann nach erheblichen Druck Mussolinis verspätet und mit nur vier Infanterie-Divisionen an, von denen zwei noch schlechter ausgerüstete Kolonialeinheiten waren plus einigen zusammengefassten mechanisierten Truppen. Er hielt dafür ein Teil seiner Einheiten an der Westgrenze zurück, von der eigentlich nach der Französischen Kapitulation keine Gefahr mehr ausging.

Wahrlich keine taktische Glanzleistung. Hätte er lediglich seine moderneren, mobileren Einheiten gegen den Feind geführt, und die Infanterieeinheiten als Reserve und Sicherung gelassen, hätte er deutlich mehr Chancen gehabt etwas zu bewirken.
 
Aber bezüglich Propaganda: Tatsache ist doch, dass die Briten ein italienischen Kreuzer enterten und ihn dann versenkten weil sie ihn nicht abschleppen konnten. ...
Der erste Teil ist jedoch unbestritten, oder nicht?
silesia schrieb:
Bei der bewegungsunfähigen Pola war die Selbstversenkung bereits eingeleitet, als britische Seeleute enterten. Sie verließen daher auch wieder schnell das sinkende Schiff.
Teilweise.


Ich denke Graziani hatte keine große Lust anzugreifen. ...Er hielt dafür ein Teil seiner Einheiten an der Westgrenze zurück, von der eigentlich nach der Französischen Kapitulation keine Gefahr mehr ausging.

Läßt wieder die Logistik Tripolis-Bardia völlig außer Acht. Solche Verlegungen gehen nur flott auf kleinen Karten mit großen Pfeilen von der Hand. Ich habe schon versucht, die von den Vorstellungen abweichende Realität zu skizzieren.

Ein paar Fakten:

1. Bereits Juni/Dez. 1940 waren die Italiener logistisch so eng, dass dringend benötigter Treibstoff und Flak (Störangriffe der RAF gegen die ohnehin unzureichenden Häfen Tobruk, Bardia, Benghasi) per UBoot und Zerstörer kleckerweise nach Tobruk verschifft wurde.

2. Benghazi und Tripolis wiesen nur 3/4 der Aufnahmekapazitäten der neben sonstigen Auslastungen verfügbaren Verladekapazitäten in Italien auf. Engpass lag auch hierbei in Nordafrika, unabhängig von verfügbarer Tonnage.

3. Ein Drittel der italienischen Handelsmarine ging mit Kriegseintritt verloren (1,2 Mio. BRT), es blieben 2/3 mit 600 Schiffen (2,3 Mio. BRT) > 500 BRT (davon rd. 250 mit 2-/5.000 BRT). Für die Albanien-Verschiffungen mussten 700.000 to. auf den Weg gebracht werden, für Afrika Juni/Dez rd. 250.000 to.

4. Allein 45.000 Moto war der Zivilbedarf für die Kolonie 1940, ohne "militärische Operationen". Was an Verschiffungen geschafft wurde, deckt kaum den Grundbedarf ab: Juni bis September: 13.619 Mann mit 149.000 to, Monatsschnitt 37.000 to, Oktober 1940: 29.000 to, 2823 Mann, November: 61.000 to, 3157 Mann.

5. Die ohnehin langsamen Geleite 1940 (nur wenige Frachtschiffe schafften 10 Knoten und liefen separat) wurden jeweils massiv gedeckt, was erhebliche Probleme brachte. Engpass: Ölvorräte der italienischen Marine, damit wurde die Deckung begrenzt, damit wiederum das Frachtaufkommen.

6. Verlegungen von der tunesischen Grenze/Tripolis: in Kombination mit den über die Küstenschifffahrt abfließenden Versorgungsgütern Tripolis->Benghasi schaffte es Graziani lediglich, die 61. Division "Sirte" an die östliche Front zu verlegen, die bis Tobruk verbracht wurde (XXII. Korps), und dort Kräfte ablöste, die an die ägyptische Grenze gingen. Straßen-/Landseitige Verlegungen kamen wegen der Treibstoff- und KfZ-Ladeengpässe nicht in Frage. Aus dem Fakt "keine sonstigen Verlegungen West-Ost" ist daher nichts weiter über angebliche Unlust von Graziani ableitbar. Was logistisch verlegt werden konnte, wurde auch verlegt. Mehr ging offensichtlich nicht.

7. Grazianis angebliche "Unlust" angesichts der logistischen Basis ist daher verständlich. Die "Unlust" wurde auch wie schon ausgeführt durch den deutschen Generalstab in der Sache voll geteilt, der im Sommer auf Grundlage des nach Nordafrika entsandten Thoma zu dem Schluss kam, dass deutscherseits eine Offensive überhaupt erst unterstützt werden könnte, wenn der Hafen Marsa Matruh eingenommen und gesichert sei. Die unternehmungslustige Wehrmacht sah daher die Lage im Kern nicht anders als Graziani, der mit 5 Divisionen plus einer mobilen Gruppe und ohne ausreichenden Nachschub nicht an der ägyptischen Grenze gegen (Lagewahrnehmung: ) 3 voll bewegliche, jeweils den italienischen Gegenstücken deutlich überlegene britische Divisionen in einen bewegliche Kriegführung antreten konnte.

Das alles kann man natürlich noch erheblich detaillierter aufwalzen. Zu den Zahlen:
Sadkovich, Italian Navy in World War II
Bragadin, Italian Navy in World War II
Playfair, The Mediterranean and the Middle East, Vol. I
Forty, The First Victory (Operation Compass)
Adalbert von Taysen: Tobruk 1941 (die Frühjahrstransporte nach Tripolis wurden auf 220.000 to. in zwei Monaten hochgeschraubt, dies aber erst nach Verlegung des X. Fliegerkorps nach Sizilien)
 
Zuletzt bearbeitet:
Dann hätte er es komplett sein lassen sollen. Er hat jedoch Angegriffen und auch in Hinblick auf die gegebenen Konditionen die schlechtesten Ergebnisse erzielt. Nicht zuletzt die absurde Disposition der befestigten Stellungen die er anlegen liess, die so weit voneinander entfernt waren, dass die Briten sie einen nach der anderen Einnahmen, ohne dass diese sich gegenseitig unterstützen konnten.
 
Na Gott Sei Dank gibt es auch deutschsprachige Literatur zum Thema. Beispielsweise wird im international viel beachteten Reihenwerk Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg recht ausführlich über Italiens abenteuerliche Feldzüge informiert. Des Weiteren beispielsweise
Reuth: Entscheidung im Mittelmeer
Baum/Weichold: Der Krieg der Achsenmächte im Mittelmeeraum
Gundelach: Die deutsche Luftwaffe im Mittelmeer 1940-1945
Schröder: Kriegsaustritt Italiens
 
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