Das katalanische Referendum 2017, Gründe und historisierende Narrative

Ich erinnere mich nicht, dass Spanien von Brüssel einen empörten Rüffel erhalten hätte a la "so nicht, ihr argen Toreros! Es hagelt Sanktionen, wenn ihr Minderheiten unterdrückt oder schikaniert" - kurzum, Spanien hat von der EU keine Sanktionen wegen 2017 erhalten.
Das sagt freilich nicht viel aus, da es eher mit politischen als mit objektiven formal-rechtlichen Erwägungen zu tun hat, ob und wie die EU Mitgliedstaaten „rüffelt“ (oder auch nicht).

Friedliche Demonstranten und Teilnehmer an einem Unabhängigkeitsreferendum (mag es auch nach den innerstaatlichen Vorschriften illegal abgehalten werden) brutal niederzuknüppeln dürfte trotzdem nicht ganz den "europäischen Werten" entsprechen. (Würde das in Ungarn oder im Polen der PiS-Regierung geschehen, würde die EU vermutlich ganz anders reagieren.)
 
Eine demokratische Verfassung sollte eine ausreichende Form von Minderheitenschutz vorsehen.

Was im Übrigen denn auch zu der Frage führen würde, wie es die Katalanen damit halten, die mit dem aktuellen Grad von Autonomie nicht zufrieden sind, Minderheitenschhutz ist ja keine Einbahnstraße und müsste dann für die katalonische Meinderheit in Spanien genau so gelten, wie für die spanische Minderheit innerhalb Kataloniens.

Bemühen um Berücksichtigung derselben habe ich allerdings in der Argumentationsweise von katalanischer Seite her zugegebenermaßen eher selten wahrgenommen.


Im Übrigen auf Minderheitenschutz im Allgemeinen, können sich natürlich nicht nur ethnische Gruppen berufen.

Tut sie es nicht, sollte man sie durchaus auch in Frage stellen können.
An welcher Stelle tut sie das deiner Meinung nach nicht?

Frag mal im Baskenland oder eben auch in Katalonien nach, ob sie sich durch die Zentralregierung ausreichend geschützt fühlen.
Was ist das für eine Argumentation?

Die subjektive Gefühlslage von irgendwem sagt nichts darüber aus, ob der Minderheitenschutz in Katalonien objektiv betrachtet den in der EU gängigen Standarts widerspricht oder nicht.
 
Natürlich hat Spanien mehr als einen "Rüffel" verdient. Es gibt genug Leute, die Spanien als "failed democracy" einstufen.
Ich werde hier allerdings nicht näher darauf eingehen, das ist dann doch Tagespolitik.
Wenn wir etwas mehr in die Vergangenheit gehen - staatliche Terrororganisationen (Stichwort GAL) gegen die baskische Minderheit, Pegasus-Überwachung gegen Katalanen, ein skandalöses Justizurteil nach dem anderen (viele im Nachhinein (zu spät!) von der europäischen Justiz kassiert, etwa der Fall Arnaldo Otegi), das Verbot demokratischer aber nicht genehmer Parteien im Baskenland, Polizeigewalt in Katalonien.
Die Nicht-Aufarbeitung des Massakers von Gasteiz (dieses fand noch zu Franco-Zeiten statt, aber die Verantwortlichen machten später Karriere).
Es ließe sich lange fortsetzen.
 
Die subjektive Gefühlslage von irgendwem sagt nichts darüber aus, ob der Minderheitenschutz in Katalonien objektiv betrachtet den in der EU gängigen Standarts widerspricht oder nicht.

Bitte lass diesen Quatsch und versuche nicht wieder, das Ganze in eine Diskussion über Formalien zu lenken. Es gibt selbstverständlich keinen "objektiven" Minderheitenschutz und es kann immer nur darum gehen, ob die Menschen dort, und um Menschen geht es, sich in diesem Staat subjektiv gut aufgehoben fühlen.

Du möchtest das jetzt wieder in eine Elfenbeinturmdiskussion abdriften lassen, das wird aber der Sache nicht gerecht.
 
Das sagt freilich nicht viel aus, da es eher mit politischen als mit objektiven formal-rechtlichen Erwägungen zu tun hat, ob und wie die EU Mitgliedstaaten „rüffelt“ (oder auch nicht).

Friedliche Demonstranten und Teilnehmer an einem Unabhängigkeitsreferendum (mag es auch nach den innerstaatlichen Vorschriften illegal abgehalten werden) brutal niederzuknüppeln dürfte trotzdem nicht ganz den "europäischen Werten" entsprechen. (Würde das in Ungarn oder im Polen der PiS-Regierung geschehen, würde die EU vermutlich ganz anders reagieren.)

Wir müssen uns sicher nicht darüber unterhalten, dass dieses Vorgehen dermaßen überzogen war, dass das definitiv einen Rüffel verdient gehabt hätte, unbewaffnete, fiedliche Demonstranten in dieser Form anzugehen geht überhaupt nicht.

Ich stelle mir allerdings die Frage, inwiefern dass explizit unter "Minderheitenschutz" laufen würde, ist ja nicht so, dass beim damaligen Vorgehen die Polizeikräfte Katalanen angegangen wären, zeitglich andere Demonstranten aber unbehelligt gelassen hätten, oder wahllos gegen Katalanen vorgegangen wären, egal ob sie sich daran beteiligten oder nicht.

Ich würde das eher im Allgemeinen unter dem Thema unangemessener Polizeigewalt sehen, was das ganze Land, nicht nur Minderheiten etwas angeht.
 
Ich möchte in diesem Zusammenhang an Südtirol erinnern: Dort wurde so lange gegen die römische Zentralregierung gebombt, bis die Südtiroler eine weitgehende Autonomie bekamen. Seitdem ist dort Ruhe und alle sind zufrieden.
Katalanen wollten Ähnliches erreichen, aber als es fast so weit war, also ein Kompromiss zwischen der damaligen Regierung und den Katalanen erzielt worden war, zog die konservative Partei Spaniens das ebenso konservative Verfassungsgericht aus dem Ärmel und die Chance war dahin.
 
Bitte lass diesen Quatsch und versuche nicht wieder, das Ganze in eine Diskussion über Formalien zu lenken.
Das ist kein Quatsch.
Wenn ich daran denke, wie oft radikale politische Splittergruppen (auch das sind Minderheiten) damit lamtentieren, dass sie hier gefühlt in einer Quasidiktatur leben würden, die ihre Rechte (oder was auch immer sie dafür halten mögen) systematisch mit Füßen treten würden, womit sie gewöhnlich Spielregeln meinen, die extremistischem Verhalten Grenzen setzen, dann halte ich es für eine sehr schlechte Idee diese artikulierte Gefühlslage losgelöst von den tatsächlichen Verhältnissen, zum Gradmesser dafür machen zu wollen, ob der Staat sich in Sachen Minderheitenschutz angemessen verhält.
 
Ich stelle mir allerdings die Frage, inwiefern dass explizit unter "Minderheitenschutz" laufen würde, ist ja nicht so, dass beim damaligen Vorgehen die Polizeikräfte Katalanen angegangen wären, zeitglich andere Demonstranten aber unbehelligt gelassen hätten, oder wahllos gegen Katalanen vorgegangen wären, egal ob sie sich daran beteiligten oder nicht.

Das meine ich mit Diskussion im Elfenbeinturm. Es waren in einer katalanischen Volklabstimmung zufälligerweise nur Katalanen zur Abstimmung gegangen.
Leider haben keine Syrer, Patagonier, Finnen oder Neuseeländer an dieser Abstimmung teilgenommen, wodurch wir ein statistisches Mittel bilden könnten, ob überwiegend Katalanen angegriffen wurden.
Eine Diskussion im luftleeren Raum.
 
Katalanen wollten Ähnliches erreichen,

Hier muss man nochmals den absolut friedlichen Charakter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung unterstreichen.
Es gab keine Bomben. Es gab keine Anschläge. Nichts.
Außer Spanischer Polizei- und Justizgewalt. Und selbst die erzeugte keine Gegenwalt.
Für mich absolut beeindruckend!
 
Das meine ich mit Diskussion im Elfenbeinturm. Es waren in einer katalanischen Volklabstimmung zufälligerweise nur Katalanen zur Abstimmung gegangen.
Und dass sich in Katalonien lebende Spanier nicht daran beteiligten, ist evident?
Wusste gar nicht, dass du damals vor den Wahllokalen gestanden und die Ausweise kontrolliert hast.

So weit ich mich erinnere, lief das damals so ab, dass Wahlurnen, an diversen öffentlichen Plätzenn, teilweise wohl aber auch in stark frequentierten Geschäfte o.ä aufgestellt wurden, wodurch nur schwer nachvollziehbar sein wird, wer genau da eigentlich wählte.

Mal davon abgesehen, dass ja das Vorgehen der Polizei nicht nur Teilnehmer an dem Referendum traf, sondern auch Demonstranten, die sich am Referendum selbst möglicherweise nicht beteiligten, sondern einfach nur mit dem Kippen des Autonomiestatuts durch das Verfassungsgericht oder die Gangart der spanischen Zentralregierung Großaufgebote an Polizisten wegen des Referendums aufzufahren nicht einverstanden waren.

Diese Standpunkte werden sicherlich nicht nur Katalanen eingenommen haben, sondern auch Spanier, die die Autonomie als vernünftige Lösung beführworteten.

Leider haben keine Syrer, Patagonier, Finnen oder Neuseeländer an dieser Abstimmung teilgenommen, wodurch wir ein statistisches Mittel bilden könnten, ob überwiegend Katalanen angegriffen wurden.

So einfach kann man sich das nicht machen.
Wenn man das ganze unter Minderheitenschutz laufen lassen wollte, müsste schon evident sein, dass da ganz gezielt eine Minderheit drangsaliert wurde.
- Heißt, es müsste erstmal ein gewisses Maß an Planung zur Anwendung von Gewalt nachweisbar sein
- Und es müsste nachweisbar sein, dass sie sich von vorn herein gegen eine bestimmte Gruppe richtete.

Wenn es zu unangemessener Gewalt durch Polizeikräfte kommt, trifft es in der Regel immer bestimmte Gruppen sehr stark. Nämlich diejenigen, die im Umkreis des Schauplatzes leben und deswegen dort überproportional verteten sind.
In der Regel werden die irgendeine Form von Regionalidentität haben.

Das ist aber kein Nachweis dafür, dass gezielt diese Gruppe repressiert werden sollte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich möchte in diesem Zusammenhang an Südtirol erinnern: Dort wurde so lange gegen die römische Zentralregierung gebombt, bis die Südtiroler eine weitgehende Autonomie bekamen. Seitdem ist dort Ruhe und alle sind zufrieden.
Katalanen wollten Ähnliches erreichen, aber als es fast so weit war, also ein Kompromiss zwischen der damaligen Regierung und den Katalanen erzielt worden war, zog die konservative Partei Spaniens das ebenso konservative Verfassungsgericht aus dem Ärmel und die Chance war dahin.

Die Thematik Südtirol ist insofern noch eine andere, als dass da die deutsche Besatzung Italiens ab 1943 noch mit hinein spielen dürfte.

Da dürfte im Besonderen in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg, noch einmal ein besonderes Sentiment gegenüber der deutschsprachigen Bevölkerung in Südtirol auch in der breiten italienischen Bevölkerung vorhanden gewesen sein, das Antonomieregelungen sicher nicht unbedingt günstig war.
Darin dürfte ein deutlicher Unterschied zu Katalonien liegen, dessen Bevölkerung von dem meisten Spaniern sicherlich eher nicht in irgendeiner Form mit einer Besatzungssmacht oder einem sonstigen Feind identifiziert wird.

Insofern die meisten Spanier mit den Katalanen selbst kein Problem haben dürften und der spanische Staat nach Franco sich grundsätzlich mit dem Thema Autonomie durchaus angefreundet hat, halte ich diese beiden Fälle für schwer vergleichbar.
 
Und dass sich in Katalonien lebende Spanier nicht daran beteiligten, ist evident?
Oh ja, da sprichst du ein großes Problem an. Wie ist es mit Katalanen mit spanischem Elternteil? Zählen die nur halb? Oder mit Eltern aus ganz anderen Nationen? Und wenn nun der spanische Polizist Katalanen war, wie viele Punkte vergeben wir da? Gibt es für irgendwas Zusatzpunkte? Und ab wie vielen Punkten zählt das ganze als Gewalt gegen Minderheiten?
 
Oh ja, da sprichst du ein großes Problem an. Wie ist es mit Katalanen mit spanischem Elternteil? Zählen die nur halb? Oder mit Eltern aus ganz anderen Nationen? Und wenn nun der spanische Polizist Katalanen war, wie viele Punkte vergeben wir da? Gibt es für irgendwas Zusatzpunkte? Und ab wie vielen Punkten zählt das ganze als Gewalt gegen Minderheiten?

Ich sehe eigentlich keinen Grund das ins Lächerliche zu ziehen.

Großveranstaltungen, die auf Großaufgebote von Polizei- und Sicherheitskräften treffen, sind immer explosive Mischungen, bei denen es reicht, wenn sich ein paar Leute daneben benehmen oder die Nerven verlieren, dann entwickeln sich sehr schnell Gewaltszenen.

Gerade deshalb sollten sich Regierungen sehr gut überlegen, wie viel Polizei bei Massenveranstaltungen notwendig ist, denn natürlich können gerade bei politischen Veranstaltungen große Polizeiaufgebote provokant wirken und zu Anfeindungen führen, was solche Situationen nicht unbedingt entschärft.

Der Spanischen Regierung und den vernatwortlichen Behörden wird man jedenfalls vorwerfen können es in Sachen Aufgebot der Sicherheitskräfte übertrieben und darüber hinaus unnötig provokante Anordnungen, wie das Beschlagnahmen von Wahlurnen und Stimmzetteln getroffen zu haben, was sicherlich vollkommen unnötiges Konfliktpotential schuf.

Wenn Madrid den Standpunkt einnahm das Ergebnis des Referendums, ohnehin irrelevant war, weil illegitim, hätte es dieses an und für sich ignorieren können.

Die katalanische Regionalregierung nachdrücklich vor dem Versuch einer verfassungswidrigen Abspaltung zu warnen und außerhalb Kataloniens Sicherheitskräfte und ggf. Militär zusammen zu ziehen für den Fall, dass deren Einsatz zur Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen Verhältnisse notwendig würde, hätte ausgereicht.

Insofern wird die Zentralregierung da um die Verantwortung für die Ausschreitungen nicht herum kommen, die Frage ist nur, war das gezielte gewalttätige Repression oder schlicht Inkompetenz mit unerfreulichen Folgen?
Für mich sieht das ohne es abschließend beurteilen zu wollen, eher nach letzterem aus.


Das unnötig provokante Anordnungen gegeben werden und Einsätze von Polizei und Sicherheitskräften aus dem Ruder laufen, kommt (leider ) vor.
Ist aber kein Nachweis dafür, das ausufernde Gewalt von Anfang an genau so von seiten der Behörden oder der Regierung geplant worden wäre.


Das es eine bestimmte Gruppe besonders heftig trifft (nämlich die in dern Gebiet/Umfeld das stattfindet), da wiederhole ich mich, ist bei überzogener Polizeigewalt immer der Fall.
Das ist aber für scih genommen kein Nachweis für eine Unterdrückungsabsicht gegenüber bestimmten Gruppen.

Das ist leider nicht richtig.
Auch die PP oder das Spanische Verfassungsgericht, hatten durchaus kein grundsätzliches Problem mit Autonomie für Katalonien, sondern lediglich eine andere Auffassung davon, wie weit diese gehen sollte.
Insofernn ist das durchaus richtig.
 
Hier muss man nochmals den absolut friedlichen Charakter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung unterstreichen.
Es gab keine Bomben. Es gab keine Anschläge. Nichts.
Außer Spanischer Polizei- und Justizgewalt. Und selbst die erzeugte keine Gegenwalt.
Für mich absolut beeindruckend!

Bei aller Differenz zwischen Stilicho und mir: Die Regierung Rajoy hat viel zu überzogen reagiert. Aber die PP hatte auch schon vorher, als sie in der Opposition war, einem Rechtsruck (und sie war schon vorher in der Parteienfamilie der EVP rechts) hingelegt. Das hat hat zur Polarisierung in der ganze Sache erheblich beigetragen und zu dieser toxischen links-rechts-Dichothomie, die selbst unsere Diskussion hier vergiftet beigetragen: wer gegen die Separation Kataloniens ist oder die Argumente der Separatisten in Zweifel zieht, ist rechts. Auch das ist ein Narrativ, der Leute verstummen lassen soll, die nicht ins rechte Lager gehören.

Was nun die Separatisten und Minderheiten in Katalonien anbelangt, so muss man ganz klar sagen, dass auch viele inner- wie extranationale Migrantennachkommen (also Kinder andalusischer oder kastilischer oder lateinamerikanischer Eltern) die Segregation unterstützen, auch Leute, die kein Català sprechen.

Was allerdings die Erzählung anbelangt, es habe keine Gegengewalt gewesen, das stimmt nicht. Es sind auch etliche Polizisten verletzt worden. Weniger als Demonstranten, aber eben auch. Wenn ich mich recht erinnere waren die Verhältnisse der Verletzten etwa 2:1. Wie es mit Hospitalisierungen aussah, weiß ich nicht, vermutlich stellen dieser der Polizei vom demokratischen Standpunkt her ein schlechtes Zeugnis aus.

Polizeigewalt ist in Spanien immer mal wieder ein Problem, löst dann aber auch breite Debatten aus, die medial ausgebreitet werden. Das findet in etwa auf dem Niveau statt, wie in Dtld., wo wir ja auch unsere Polizeiskandale haben (Oury Jalloh, rechte Chatgruppen etc.). Nichtsdestotrotz haben Kastilien und Madrid rechte Regierungen (PP, toleriert von VOX)
 
Ich will mich jetzt nicht streiten, aber es gab keine nennenswerte Gegengewalt, nur vereinzelte Vorkommnisse. Allerdings ein paar abstruse Anzeigen der Guardia Civil.
Auf der anderen Seite mehrere Menschen, die durch Gummigeschosse ein Auge verloren haben, obwohl Gummigeschosse in Katalonien eigentlich verboten sind. Die Guardia Civil hat sich nicht an das Verbot gehalten.
Die spanische Seite hat Dinge wie brennende Mülltonnen unter Gewalt aufgezählt.
 
Es gibt selbstverständlich keinen "objektiven" Minderheitenschutz und es kann immer nur darum gehen, ob die Menschen dort, und um Menschen geht es, sich in diesem Staat subjektiv gut aufgehoben fühlen.
Wie Bitte? Das versteh ich nicht.
Es genügt bereits der Vorstellung unterdrückt zu sein anzuhängen?
Eine objektiv feststellbare Unterdrückung ist also gar nicht notwendig und es genügt zu behaupten man sei unterdrückt?
 
Bei aller Differenz zwischen Stilicho und mir: Die Regierung Rajoy hat viel zu überzogen reagiert.
Ich denke das ist insgessamt durchaus konsensfähig oder?
Auch wenn ich mich oben einigen Auffassungen von @Stilicho nicht angeschlossen habte, möchte ich meine Äußerungen zu dem Thema durchaus nicht als Päldoyer für das Handeln der Zentralregierung und der Polizei- und Sicherheitskräfte verstanden wissen, ich sehe nur den postulierten Vorsatz von ausufernder Polizeigewalt als explizit antikatalanische Unterdrückungsmaßnahme nicht hinreichend belegt.

Das hat hat zur Polarisierung in der ganze Sache erheblich beigetragen und zu dieser toxischen links-rechts-Dichothomie, die selbst unsere Diskussion hier vergiftet beigetragen: wer gegen die Separation Kataloniens ist oder die Argumente der Separatisten in Zweifel zieht, ist rechts. Auch das ist ein Narrativ, der Leute verstummen lassen soll, die nicht ins rechte Lager gehören.
Wobei es natürlich außerhalb eines Landes in dem es separatistische Bewegungen gibt, leicht skurril erscheint, jemandem, der eine nationalistische Agenda nicht unterstützt dem Vorwurf zu machen in irgendeinem rechten Lager zu stehen.
Weswegen mich im Übrigen das hineinziehen dieses Narrativs in die Diskussion hier im Form irritiert.
Dieser Diskurs mag ja innerhalb der katalanischen (und ggf. Teilen der Spanischen) Gesellschaft funktionieren, außerhalb davon dürfte die Vorstellung dass zentrifugaler Nationalismus, wie der in Katalonien eine linke Agenda vertrete, das Modell eines multinationalen spanischen Staates unter Einschluss von Basken und Katalanen demgegenüber, in irgendeiner Form rechtsgerichtet sei, eher für Irritationen sorgen.

Was nun die Separatisten und Minderheiten in Katalonien anbelangt, so muss man ganz klar sagen, dass auch viele inner- wie extranationale Migrantennachkommen (also Kinder andalusischer oder kastilischer oder lateinamerikanischer Eltern) die Segregation unterstützen, auch Leute, die kein Català sprechen.
Es würde mich im Übrigen nicht mal wundern, wenn es in Katalonien auch größere Gruppen von Personen gäbe, die sich keinesfalls als Katalanen, sondern dezidiert als Spanier verstehen und die Unabhängigkeitsbewegung aus taktischen Gründen unterstützen, um größere Autonomierechte, von denen sie als Bewohner der Provinz auch profitieren würden, als Kompromissvorschlag salonfähig zu machen.

Das Problem, was ich im Verlauf der Diskussion hier bisher in diese Richtung wahrgenommen habe (nicht bei dir), ist vor allem der Umstand, dass Katalonien hier sehr oft mehr oder weniger als kulturell einheitliche, sich in ethnischer/sprachlicher Hinsicht von Spanien unterscheidende Region wahrgenommen wird.
So weit mir bekannt, spricht aber ein durchaus beachtlicher Teil der Bewohner Kataloniens selbst überhaupt kein Català, eine andere Gruppe spricht es wohl, aber nicht als Muttersprache und inwiefern, diejenigen, die es überhaupt nicht sprechen oder es zwar sprechen, im Alltag aber bevorzugt spanische Mundarten verwenden sich en gros selbst als Katalanen idntifizieren, wäre wohl durchaus zu hinterfragen.

Um da nicht falsch verstanden zu werden, ich möchte angehörigen der bezeichneten Gruppen diese Selbstidentifikation sicher nicht absprechen nur werden sich in Katalonien selbst, sehr wahrscheinlich durchaus nicht völlig marginale Anteile an der Bevölkerung finden, die sich gerade nicht als angehörige einer katalanischen Nation definieren.

Und wenn die Frage des Selbstbestimmungsrechts für die Katalanen in Spanien aufgemacht wird, kann man die sich gleichzeitig aufdrängende Frage des Selbstbestimmungsrechts der Spanier und anderer Gruppen in Katalonien natürlich nicht ausklammern.

Oder anders ausgedrückt, wenn jemand ein Recht auf Sezession beansprucht, müsst er ja konsequenter Weise auch Gruppen, die das nicht mittragen wollen das Recht auf Sezession von der Sezession zugestehen.


Insofern, denke ich, wenn man das Thema Autonomie und Selbstbestimmung ausschließlich aus katalanischer Sicht betrachtet und die Rechte der Nichtkatalanen in Katalonien aus der Diskussion aber ausklammert, nimmt man eine Position ein, die auf einem Auge blind ist, und Minderheitenschutz exklusiv für eine Gruppe reklamiert obwohl auch andere darauf Anspruch haben könnnten.


Daher der Hinweis in die Richtung der Frage, was denn die katalanischen Separatisten kataloniens Minderheiten bisher so an Minderheitenschutz anzubieten bereit waren, in ihren Agenden.
 
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Die spanische Seite hat Dinge wie brennende Mülltonnen unter Gewalt aufgezählt.

Was genau ist denn daran die mutwillige Beschädigung oder Zerstörung fremden Eigentums, (es sei öffentliches oder privates) als Akt von Gewalt zu beurteilen so abwegig?
Auch wenn es sich dabei nicht um Gewalt gegen Personen, sondern "lediglich" gegen Gegenstände und (fremdes) Eigentum handelt, Gewalt ist das in meinen Augen schon.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was allerdings die Erzählung anbelangt, es habe keine Gegengewalt gewesen, das stimmt nicht. Es sind auch etliche Polizisten verletzt worden. Weniger als Demonstranten, aber eben auch. Wenn ich mich recht erinnere waren die Verhältnisse der Verletzten etwa 2:1. Wie es mit Hospitalisierungen aussah, weiß ich nicht, vermutlich stellen dieser der Polizei vom demokratischen Standpunkt her ein schlechtes Zeugnis aus.

Das kann ich einfach nicht so stehen lassen.
2:1 ?? Woher hast du die Zahlen? Aus El Pais?

Die Zeit (nicht gerade linksradikal verdächtig) schrieb seinerzeit: Bloody Sunday
Ein Video des Guardian: Catalan Referendum
Der Artikel des Guardian sprich von mehr als 700 Verletzten Wählern, 10 Polizisten hätten sich gemeldet.
Der BBC-Artikel spricht von mehr als 800 verletzten Wählern, und zitiert das spanische Innenministerium mit 11 Verletzten Polizisten
Die Regierung von Katalonien (Generalitat) sprach von mehr als 1000 Verletzten Wählern.

Über den Umfang der Verletzungen der 10 oder 11 schwer gepanzerten Polizisten werden keine Angaben gemacht.
Schockierendes Bildmaterial über teils erhebliche Verletzungen von Wählern gibt es im Netz mehr als genug.
Human Rights Watch brachte ebenfalls einen detaillierten Bericht dazu.
 
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