Der Rassebegriff biologisch und politisch

Wir sollten das Thema "Rassismus" nicht im Kontext wissenschaftlicher Theorien betrachten, denn das nimmt ihm alle Aktualität und gerät sehr dünnblütig. Hier wären vielmehr aktuelle Formen des realen Rassismus zu durchleuchten, wie sie uns konkret im Alltag oder in Medienberichten tagtäglich begegnen.

OK, welchen theoretischen Bezugrahmen hat Deine Sichtweise und wie führst Du beispielsweise Deine Inhaltsanalyse von Publikationen durch, oder wie ist Dein Design im Rahmen von teilnehmenden Beobachtungen aufgebaut?

Wir sind doch dabei einer Meinung, dass "Objektivität", "Reliabilität" und "Validität" weiterhin die zentralen Größen sind, anhand denen Aussagen über Rassismus zu überprüfen sind.

Ansonsten, deine Vermutung, dass es nicht ausreichend aktuelle Studien zum Rassimus gibt, kann ich nicht nachvollziehen.

Unabhängig davon, dass die historische Sichtweise in diesem Forum unsere eigentliche Sichtweise sein sollte.
 
Die Definition/Fragestellung von Erik ist unbrauchbar.

Ihr fehlt nämlich der thematische Bezug, wie aus der Diskussion ersichtlich ist. Das haben thanepower und ElQ mit ihren Beiträgen gezeigt.

Was sich hier vermischt, ist

- das eher umgangssprachliche, moralische, soziologisch-wissenschaftliche mit dem politischen und juristischem Verständnis von Rassismus

- aktuelles und vergangenes Verständnis, wie am Beispiel der Literatur.

- Aussage zu und Wahrnehmung von Rassismus

Um das auf die Aktualität, und das der "umgangssprachlichen" Diskussion de lege lata entzogene juristische Verständnis von Rassismus aufzugreifen: dieses ist durch UN-Menschenrechtserklärungen, EU-Proklamationen und Strafrecht definiert:

"Jede auf der Hautfarbe, Abstammung, nationalem Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beinträchtigt wird."

Das Strafrecht ergänzt Rassismus um die "öffentliche Aufstachelung" nach Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung, nationale oder ethnische Herkunft, Geschlecht, körperliche Beeinträchtigung usw. Dazu muss Vorsatz treten, mindestens billigende Inkaufnahme solcher Diskriminierungen.

Diese Einschränkungen entfallen selbstverständlich für nicht-rechtliche Betrachtungen, bei denen Rassismus nicht unter dem Aspekt der Straffolge zu betrachten sind, es also nicht auf subjektives Wissen oder "Absichtlichkeit" ankommt (Vorsatz), sondern auf die Eignung zur Diskriminierung an sich, sozusagen auf die "Sächlichkeit" rassistischer Äußerungen.

Der guten Ordnung halber ist anzumerken, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffs der "Rasse" keinesfalls der Vorstellung beitritt, dass eine solche Unterscheidung nach Rassen besteht. Vielmehr wird nur auf die strafrechtlich relevante Verwendung der Unterscheidung nach Rasse abgestellt, man greift den Begriff auf, ohne dass eine solche Unterscheidung damit akzeptiert ist.

Der Hinweis soll, da die Diskusison ohnehin verschwimmt, und auch "umgangssprachliches" Verständnis eingemischt wird, die Breite der Betrachtungsmöglichkeit aufzeigen. ME ist also glasklar zu positionieren, unter welcher Rubrik Rassismus diskutiert werden soll.

Thanepower hat das nachvollziehbar und plausibel unter einer wissenschaftlich-soziologischen Sichtweise getan, ElQ hat das unter einer moralischen Betrachtung erweitert (bei der es auf "Bewusstsein" des Rassismus nicht ankommen kann). Ich habe die juristische Seite ergänzt. Alle drei Ansätze sind aktuell gefasst, nach dem heutigen Stand der Beurteilung. Scorpio hat darüber hinaus den Hniweis gegeben, dass man die Thematik auch literarisch und mit Vergangenheitsbezug diskutieren kann (fraglich: nach den Maßstäben welcher Zeit?), und dass sie in der Gefahr steht, von Befürwortern oder Vertretern des Rassismus "instrumentalisiert" zu werden, insbesondere unter dem juristischen Aspekt "freier Meinungsäußerung" oder mit der moralischen Keule der P.C. (damit ist man beim politisch-moralischem Kampf gegen Rassismus).

Wenn man das Thema aber quasi "Bezugs-frei" diskutiert, wie in der Fragestellung geschehen, gibt man es der Beliebigkeit Preis.
Beliebigkeit nach der Machart "Meinungsumfrage" (wer hält was für Rassismus) führen hier nicht weiter, sondern sind ein gefährliches Terrain.
 
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Eventuell bietet es sich ja an, den "Rassismus" aus einer sozialpsychologischen Sicht zu betrachten. Denn dort ist er erst einmal nur eine Erscheinungsform von Vorurteilen und daraus resultierender sozialer Diskriminierung. (Das die anderen Aspekte, wie Ausprägung, Form, Gestallt, usw. auch eine Rolle spielen, die nicht zu verachten sind, steht dabei ausser Frage.)

Rassismus beruht demnach ja erst einmal auf Vorurteilen bzw. Stereotypen, die sowohl Positive als auch Negative haben ( z.B Sportlichkeit, Religiösität, Aggressivität, Fleiß, usw.). Solche Stereotypen erleichten uns Menschen einfach das Handeln und Denken.
Ich denke darin ruhen auch viele der latenten oder unbewussten Aussagen, die dann zum Streit führen, ob das. was gesagt wurde, nun rassistisch ist oder aber eben nicht.

Dazu kommt jedoch noch eine zweite Komponente, die nun stark von jedem einzelnen abhängig ist. Die sogenannte Stereotypenakzeptanz oder Überzeugung. Sie beeinflußt ganz stark ob ich ein Vorurteil glaube oder nicht. Denn glaube ich das, was mir mein Stereotyp sagt, so übertrage ich das auf die gesamte Gruppe und diskriminiere damit. Damit wird aus meinem Vorurteil ein "echte" Vorurteil, denn ich bin ja nun der Überzeugung, dass meine stereotypischen Aussagen stimmen und damit weniger offen gegenüber logischen und rationalen Argumenten.

Feinere Abstimmungen in beiden Bereichen beinhalten das "sich bewusst sein" von Stereotypen oder den Wunsch, vorurteilsfrei zu agieren oder aber die Möglichkeit, sich selbst zu kontrollieren ob man solchen Stereotypen aufsitzt.

Auf die Vermischung, bzw. die vielschichtigen Aspekte von Rassismus hat ja silesia schon hingewiesen. Unter den oben genannten Aspekten ist es also eine Frage der Kontrolle von Vorurteilen und der Rücksicht im Umgang mit Mitmenschen. Dies soll jedoch in keiner Weise den Begriff relativieren oder eine Entschuldigung sein, dass man sich nicht einmischt, wenn aus seiner eigenen Sicht rassistische Formulierungen fallen. Zwar hat jeder Mensch wohl eine eigene Grenze ab wo Rassismus beginnt, wie auch die Beispiele hier zeigen, aber grundsätzlich gilt sicherlich, dass man keinem anderen Menschen das absprechen sollte, was man selbst für sich als richtig und gut empfindet. Sollte man eine andere Meinung vertreten, so gilt es darüber zu reden. Denn dazu sind wir hoffentlich alle in der Lage.
 
Dann können wir das auch gleich zu Ende denken und sagen: Rassismus fängt immer im Kopf an. Aber eigentlich logisch. Natürlich wenn Du nicht laut denkst, oder niemand im Zimmer ist, der Dich hört, weiß es natürlich niemand.
Ich glaub das geht am Thema vorbei.

Dieses "Gegenargument" ist doch reines Derailing. Im ganzen Post predige ich "RASSISMUS HAT MIT STRUKTUR ZU TUN, RASSISMUS HAT MIT STRUKTUR ZU TUN..." und du schaffst es, ausschließlich das Beispiel zu zitieren, das du noch irgendwie aus dem Kontext reißen und nach deiner eigenen Logik umdeuten kannst ("siehste, ich hab doch gesagt es ist ein individuelles Problem!").

Also nochmal ganz langsam: Ich habe dieses Beispiel angebracht um zu verdeutlichen, dass es bei Rassismus eben nicht darum geht, in einer konkreten Situation 1) eine bestimmte Sprechermotivation oder 2) eine bestimmte emotionale Hörerreaktion abzubilden. Ich habe diese Allein-Situation ausschließlich als Beispiel gewählt, um zu zeigen, dass Rassismus nicht im Gespräch geboren wird, sondern bereits in den uns zur Verfügung stehenden Kategorien des Denkens angelegt ist - und dass es diese darzustellen und zu problematisieren gilt.

Buchtipp für Interessierte zu diesem Thema: Toni Morrison's Essay "Playing in the Dark. Whiteness and the Literary Imagination."

Rassistisch ist, wer glaubt auf Grund seines Äußeren und seiner Volkszugehörigkeit besser als andere zu sein. Also, kann jemand ohne rassistisches Gedankengut nicht rassistisch sein.

Das könnte man durchaus so sagen, wenn man den Gedanken dabei einbezieht, dass dieser "Glauben" nicht nur aus einer quasi geniehaft-einzigartigen persönlichen Entwicklung beruht sondern eben genau auf "Gedankengut" - und das auf wesentlich breiterer Ebene, als du offenbar bereit bist zuzugeben. Rassismus speist sich durchaus vor allem aus historisch gewachsenen Kategorien, die entsprechenden Wertigkeiten bei ihrer Benutzung sofort suggerieren. In solchen Meta-Debatten wie dieser hier passiert Rassismus gern ohne dass der Sprecher das merkt, weil er oft einfach nicht derjenige ist, der durch diese strukturellen Wertungen herabgesetzt wird. Ein entscheidendes Merkmal struktureller Diskriminierung ist es ja, dass sie in der Regel als "so ist eben die Welt" kulturell unsichtbar gemacht wird - zumindest für diejenigen, die ohnehin privilegiert sind.

Aber ging es ... nicht darum, dass "Nigger" nicht in jedem Falle als abwertend zu verstehen sei?

Judith Butler nennt sowas Resignification. Ein rassistisches Wort wie "Nigger" würde in dem Fall von Schwarzen gekapert und in seiner Benutzung umgedeutet (etwa als provokanter Witz oder als Synonym für "Kumpel"), um dem Wort seine verletzende Wucht zu nehmen und seinen Zweck (pauschale Herabsetzung) mit dem Erschaffen einer Alternativbedeutung zu unterlaufen. Also: ja, es gibt Wortbenutzungen, die nicht rassistisch sind - sie sind aber direktes Resultat der Tatsache, dass der inhärente Rassismus dieses Worts genau verstanden und als herabwürdigend wahrgenommen worden ist. Von daher wäre es absolut zynisch, aus der Existenz subversiver Positivbeispiele zu folgern, das Wort wäre ja gar nicht rassistisch. Das Gegenteil ist der Fall.

Im Zuge der political correctness verschwand auch der bekannte Sarotti-Mohr, die "Negerküsse" wurden zu "Schaumküssen" usw.

Ich will damit sagen, dass man zuweilen auch über das Ziel hinausschießen kann, wobei mir in diesem Zusammenhang die amerikanische Begriffsmutation vom Neger zum Schwarzen bis aktuell zum Afro-Amerikaner einfällt. Demzufolge müsste die "weiße" Bevölkerung sich künftig "Euro-Amerikaner" nennen.

Und ich will dazu nur anmerken, dass der generationenübergreifende Antisemitismus in der amerikanischen Durchschnittsbevölkerung nach dem 2. Weltkrieg schlagartig und empirisch messbar zurückgegangen ist, weil Amerikaner nach dem Holocaust sprachliche Wendungen wie "to jew someone" (jnd übervorteilen) etc. nicht mehr ungestraft verwenden konnten. Auch wenn die ältere Generation vielleicht so dachte, hat sie ihren Antisemitismus nicht mehr in der gleichen Weise sprachlich am Leben halten können, wodurch die nächste Generation wesentlich weniger antisemitisch eingestellt war. Das hat zumindest in der Otto-Normalbevölkerung große Verschiebungen mit sich gebracht (Robert Putnam, "American Grace" 2010)

Lieber mehr von diesen Verschiebungen als weniger, sage ich.

Wir sollten das Thema "Rassismus" nicht im Kontext wissenschaftlicher Theorien betrachten, denn das nimmt ihm alle Aktualität und gerät sehr dünnblütig. Hier wären vielmehr aktuelle Formen des realen Rassismus zu durchleuchten, wie sie uns konkret im Alltag oder in Medienberichten tagtäglich begegnen.

Ich stimme dir nicht zu, und zwar auf zwei Ebenen.

Erstens habe ich was dagegen, wenn wissenschaftliche Perspektiven so pauschal für sinnlose graue Theorie erklärt werden. Eben gerade weil Rassismus selbst über einen theoretischen Hintergrund, historisch gewachsene Ausprägungen und auch historisch begründete strukturelle Einbindungen verfügt (und nicht zuletzt weil es Rassismus nämlich auch nicht "schon immer" gab) muss man die Sache wissenschaftlich zerlegen und von hier aus das Problem versuchen zu erfassen. Sonst kann man doch gar nicht ermessen, was eigentlich alles unter "aktuelle Formen des realen Rassismus" fällt.

Zweitens, was hast du eigentlich davon, wissenschaftliche Methode und tagespolitische Kritik so gegeneinander auszuspielen? Beides hat ihre Berechtigung, am besten sind sie beide im Wechselspiel miteinander. Ich finde dieses Entweder-Oder störend.

@El Quijote, thanepower: tolle Beiträge! Ich kann euch leider gerade mal wieder nicht positiv bewerten, aber ausnahmsweise behaupte ich auch mal, dass es ja die persönliche Motivation ist, die zählt. ;)
 
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...nicht mehr und nicht weniger marginal, als so genannte Weltliteratur marginal zu sein pflegt für allerlei gesellschaftliche Angelegenheiten...
:winke:

Hi, wollte Dich nicht provozieren, allerdings fand ich es sehr unglücklich, dass Thema "Rassismus" über die Literaturschiene abzuhandeln.

Es wäre durchaus interessant, die Erzeugung und Verstärkung von Stereotypen des Rassismus im Rahmen der "Kulturproduktion" zu betrachten. Ähnliches wurde mal ansatzweise im Rahmen der Diskussion zum "Frontier-Mythos" im Forum diskutiert, wie beispielsweise anhand der medienkritischen Arbeiten von Slotkin

Gunfighter Nation: The Myth of the Frontier in Twentieth-Century America - Richard Slotkin - Google Books

Literatur, neben anderen Medien, ist dabei sicherlich ein wichtiger "Kanal" (sofern man ein Sender-Empfänger-Modell annimmt) zur Verbreitung dieser Stereotype. Allerdings reflektiert die Literatur m.E. dabei auch "nur" politische und gesellschaftlichen Interessen bzw. Werte und Normen und es ist die wechselseitige Beeinflussung zu betrachten. Und das würde sicherlich auch für Mark Twain gelten.

Aber das wäre eine andere Frage und nicht die Frage nach:"Was ist Rassismus?"
 
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Und ich will dazu nur anmerken, dass der generationenübergreifende Antisemitismus in der amerikanischen Durchschnittsbevölkerung nach dem 2. Weltkrieg schlagartig und empirisch messbar zurückgegangen ist, weil Amerikaner nach dem Holocaust sprachliche Wendungen wie "to jew someone" (jnd übervorteilen) etc. nicht mehr ungestraft verwenden konnten.

Ob der amerikanische Antisemitismus überhaupt zurückgegangen ist und ob es angeblich an der geschilderten "Maßnahme" liegt, möchte ich doch sehr bezweifeln.
 
Auch wenn die ältere Generation vielleicht so dachte, hat sie ihren Antisemitismus nicht mehr in der gleichen Weise sprachlich am Leben halten können, wodurch die nächste Generation wesentlich weniger antisemitisch eingestellt war. Das hat zumindest in der Otto-Normalbevölkerung große Verschiebungen mit sich gebracht (Robert Putnam, "American Grace" 2010)

Ob der amerikanische Antisemitismus überhaupt zurückgegangen ist und ob es angeblich an der geschilderten "Maßnahme" liegt, möchte ich doch sehr bezweifeln.

Auf S. 15 der folgenden Präsentation wird die These gestützt, dass es aufgrund der verzögerten Wirkung der Sozialisation eine Generation später, zu einem Rückgang des anti-Semitismus gekommen ist. (1)

http://archive.adl.org/anti_semitism_domestic/ADL-2011-Anti-Semitism_Presentation.pdf

Dewegen: Sprache und somit Kommunikation im allgemeinen, auch Medien, ist ein wichtiger Faktor für den Aufbau und die Persistenz von Vorurteilen und ihrer Kristallisation im Rahmen von Rassismus.

Wie der kurze Hinweis auf die Erklärung von Stereotypen durch die Sozialpsychologie in #40/41 ja auch nahe legt.

Anmerkung: (1) Da ich die Organisatioin nicht kenne und die Art der Datenerhebung nicht einschätzen kann, muss ich in diesem Fall annehmen, dass beides korrekt ist.
 
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Auf S. 15 der folgenden Präsentation wird die These gestützt, dass es aufgrund der verzögerten Wirkung der Sozialisation eine Generation später, zu einem Rückgang des anti-Semitismus gekommen ist.

http://archive.adl.org/anti_semitism_domestic/ADL-2011-Anti-Semitism_Presentation.pdf.

Das beruht - wenn ich das richtig begriffen habe - auf der Befragung von 1700 US-Amerikanern. Das ist für mich nicht repräsentativ.

Dass Sprache und bestimmte Stereotype ein zentrales Transportmittel für fortwährende Diskriminierung und Vorurteile sind, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen.
 
Das beruht - wenn ich das richtig begriffen habe - auf der Befragung von 1700 US-Amerikanern. Das ist für mich nicht repräsentativ.

Sorry, aber das ist einfach als generalisierende Aussage falsch.

1. Repräsentativ ist zunächst lediglich eine Aussage über die Art der Stichprobenziehung. Stichwort Urnenmodell etc.

Zufallsstichprobe ? Wikipedia

2. Der Umfang der Netto-Stichprobe hat einen Einfluß auf den "Punktschätzer" eines Wertes und bestimmt als Konfidenzintervall die Bandbreite der möglichen Werte um den Punktschätzer herum.

Konfidenzintervall ? Wikipedia

3. Ansonsten gibt es viel Faktoren, die die Qualität einer telefonischen Stichprobe beeinflussen können, wie beispielsweise die systematische Auswirkung von Antwortverweigerung etc.. Aber die Größe des Samples von n = 1700 ist sicherlich kein Grund an der Aussage oder der Qualität der Studie zu zweifeln. Und es stellt definitiv eine Größe dar, die beispielsweise in der Politischen Soziologie (z.B. "American Voter") als Grundlage für die Politikberatung bei den Republikanern oder Demokraten mehr als akzeptiert war.

Wie Du mit Hilfe dieses Stichprobenrechners herausfinden kannst.

Stichprobengrößen-Rechner

4. Für Deutschland wurde sehr lange nach dem ADM-Design eine Größe bei der Netto-Stichproben von ca. n = 1100 Probanden als ausreichende Größe betrachtet. Sofern man die Problematik von differenzierten Analysen und der zu geringen Zellenbesetzung außen vor läßt. Und auch diese Größe wurde als völlig ausreichend für die Politikberatung angesehen. Das durchschnittliche Stichproben-Designs z.B. der "Konrad Adenauer Stiftung" für das Bundeskanzleramt bzw. Kohl basierte auf ähnlichen Größen.

ADM-Design ? Wikipedia

Stichproben in Der Umfragepraxis - Google Books

Die durchschnittliche Qualität der Studien hat sich allerdings seit der intensiven Nutzung von Online-Befragungen, die unkontrollierte autoselektive Prozesse bei der Auswahl der Probanden aufweisen, deutlich verschlechtert. Eine Klage, die Du auf jedem einschlägigen Kongress immer wieder häufig hören wirst.

Aber solltest Du da eingehender über Stichprobenziehung und die Qualitätsmerkmale von Stichproben diskutieren wollen, dann können wir gerne (eigentlich nicht gerne, weil es ein langweiliges, aber auch notwendiges Thema ist) einen neuen Thread aufmachen.
 
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Das beruht - wenn ich das richtig begriffen habe - auf der Befragung von 1700 US-Amerikanern. Das ist für mich nicht repräsentativ.

Ich habe da nicht reingeschaut, und Statistik ist lange her, aber ein Stichprobenumfang von 1700 bei einer Grundgesamtheit von 200 Mio. dürfte für 95% Konfidenzniveau und einem für die Aussage vernachlässigbaren Konfidenzintervall von 1 bis 2% ausreichen.

Voraussetzung: die in der Stichprobe befindlichen 1700 Bürger sind repräsentativ für die Gesamtbevölkerung (Alter, Geschlecht, Region, Beruf usw.) ausgewählt.
 
Oh nein - dafür besteht kein Bedarf. :winke:

Allerdings zweifle ich die Aussagekraft der Studie dennoch an.

OK, dann sei es so. :fs:

Aber grundsätzlich scheint es ja auch nicht nötig zu sein, dass du die Beweiskraft der Studie akzeptierst, da du das eigentliche Argument, das mit der Studie untermauert werden sollte, ja durchaus als berechtigt angenommen hast.

Trotzdem fand ich den Exkurs in die Empirie doch ganz spannend.
 
Hi, wollte Dich nicht provozieren, allerdings fand ich es sehr unglücklich, dass Thema "Rassismus" über die Literaturschiene abzuhandeln.
so hab ich das auch garnicht aufgefasst - ich wollte nur darauf hinweisen, dass die Literatur durchaus in der Lage ist, als eine Art je zeitspezifischer gesellschaftlicher Seismograph von hoher Sensibilität zu fungieren bzw. so ausgewertet zu werden; und da ist, wo sie auch (nicht nur) Rassismus thematisiert (z.B. durch Deskription im Zeitkolorit), die Literatur des Realismus und des Naturalismus dank der Sensibilität und Beobachtungsgabe der entsprechenden Literaten (und Twain gehört dazu) durchaus eine relevante Quelle (manchmal wegen ihrer Integration wörtlicher Rede, manchmal eher rezeptions- bzw. wahrnehmungsgeschichtlich)

keineswegs ist Literatur die einzige Quelle für eine Darstellung und gar Untersuchung der Geschichte und Funktionsweise von Rassismus - aber sie kann unter den oben genannten Bedingungen zu den relevanten Quellen (direkt oder indirekt) gezählt werden.

darauf können wir uns sicher einigen (davon geh ich einfach mal aus)
 
@thanepower

Naja, erhellend im Sinne von Licht ins Dunkel bringen, wie sich Rassismus über die Zeit verändert und ob er sich verändert; Pinker; Seite 579:

frei zitiert:

Nach Derrick Bell sei der Rassismus etwas dauerhaftes, aber der Soziologe Lawrence Bobo untersuchte die Einstellung weißer Amerikaner gegenüber schwarzen Amerikanern und kamen zu dem Schluss, dass der offene Rassismus nicht unzerstörbar ist. Er scheint sich aufzulösen.

Als Grund könnte man anführen, dass die "Durchmischung" der Wohnviertel einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, Vorurteile abzubauen, weil man den "Anderen" wohl letztlich auch als Menschen wahrnimmt (mit seinen Stärken und Schwächen).

Hass und Rassismus geht auch oft kurioserweise von (räumlicher) Trennung verschiedener Ethnien aus, wie dies bei "Ghettos" und manchen Stadtvierteln der Fall ist.

Das mag Allerweltsweisheit sein, aber Rassismus kann durchaus auch von einer "ausbleibenden" Begegnung herrühren und dadurch Vorurteile konservieren.

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Ich denke nicht jeder kennt das Buch, daher mein Literaturhinweis.
 
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dass der offene Rassismus nicht unzerstörbar ist. Er scheint sich aufzulösen.

Der Hinweis auf Pinker ist schon hilfreich. Die zentrale Argumentation von "Dog Soup" wird noch zusätzlich durch die Daten von Pinker unterstützt.

So schreibt er: " Seit über 50 Jahren ist man in den vereinigten Staaten damit beschäftigt, sich von der rassistischen Bilderwelt zu trennen, die sich in der volkstümlichen Kultur angesammelt hatte (S. 582)
und schlussfolgert:

"Auf die Rasse gegründete Bevorzugung ... lassen sich in einer Gesellschaft, die sich dazu bekennt, Menschen nicht nach Hautfarbe, sondern nach Charakter zu beurteilen, nur schwer mit rationalen Argumenten rechtfertigen." (S. 582/583).

Und damit wird deutlich, dass die Symbolwelten, transportiert durch die Medien und gespiegelt durch die interpersonelle Kommunikation, einen entscheidenden Einfluss auf die Ausbildung rassistischer Einstellungen haben. Und sie der Hebel sind, um via Sozialisation eine neue Generation heranzuziehen, die nicht mehr in den latenten oder manifesten Symbolwelten unterschiedlicher Formen des Rassismus denkt.

Und die konsequente Vermeidung von stigmatisierenden Stereotypen dazu führt, dass nicht mehr in diesen Kategorien gedacht und geurteilt wird, sondern der Mensch in seiner objektiven Leistungsfähigkeit in den Fokus der Betrachtung gestellt wird.
 
Und die konsequente Vermeidung von stigmatisierenden Stereotypen dazu führt, dass nicht mehr in diesen Kategorien gedacht und geurteilt wird, sondern der Mensch in seiner objektiven Leistungsfähigkeit in den Fokus der Betrachtung gestellt wird.

Das halte ich für einen frommmen Wunsch, der an der Realität völlig vorbeigeht. Die Ablehnung des "Andersartigen", die Ausgrenzung von Minderheiten, die Diskriminierung des "Fremden" und die damit einhergehenden stereotypen Vorurteile werden nicht dadurch beseitigt oder auch nur eingegrenzt, indem man den "Nigger" zum Afro-Amerikaner, den "Zigeuner" zum Sinti oder den "A********" zum Gay macht.

Das alles ist naives und irreales Wunschdenken.
 
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