Gut. Dann haben wir unter uns den Paterculus´schen Großkrieg als Motiv für die Gründung von Anreppen schonmal ausgeschlossen. Ich lese immer wieder Aussagen, die Anreppen genau mit diesem Tiberius-Feldzug in Verbindung bringen.Du hast möglicherweise Recht, wenn Du den immensum bellum als reine Huldigung des Tiberius durch VP siehst. Wie schon oben formuliert, eignet sich Anreppen aufgrund seiner Lage nicht wirklich als Nachschublager, von dem aus längere Feldzüge nach Innergermanien oder gar nach Böhmen unternommen werden sollen, da es am Ende der schiffbaren Lippe liegt, die Quelle ist kaum 20 km weiter östlich.
Das ist in der Tat denkbar. Ich halte es aber für unwahrscheinlich. Anreppen hat eindeutig militärischen Charakter. Die Rohstoffgewinnung haben die Römer aber gern "privatisiert". Zudem erscheint es wenig sinnvoll, tief im Inneren Germaniens riesige Mengen an Rohstoffen zuerstmal zentral zu sammeln, um sie dann nach und nach mit langen Schiffsgeleitzügen abzutransportieren. Ein Sammelplatz an einem Fluss war für den Abtransport sicher zweckmäßig, und mit Sicherheit gab es solche Sammelplätze. Dort wurde aber sicherlich nur solange Material aufgehäuft, bis genug für eine oder meinetwegen auch vier Schiffsladungen zusammengekommen war.Wozu also die großen Lagerkapazitäten? Ich behaupte, um Rohstoffe (Holz, Blei) und germanische Produkte (in Form von Handelswaren und Tributen) zu sammeln und mit den Prahmen, die zur Lebensmittelversorgung nach Anreppen kommen an den Rhein zu bringen. Kneblinghausen und damit die Verbindung zu den Bleierzminen bei Brilon lag 30 km südlich von Delbrück. Die Ruhrroute war zum damaligen Zeitpunkt nur bis Mülheim, vielleicht bis Essen schiffbar (sagt Wikipedia, belastbare Quellen habe ich nicht bemüht).
Wir müssen also möglicherweise umdenken, Anreppen war kein Verteilerzentrum sondern eine Sammelstelle.
Für den Abtransport von Waren aus Germanien wäre ein Horten von Rohstoffen kontraproduktiv gewesen: Es hätte riesige Schiffskapazitäten erfordert, das gesammelte Zeug dann wegzuschaffen. Mehr Schiffskapazität, als die Lippe hätte aufnehmen können. Bedenke den Zusammenhang zwischen Transportkapazität und Lagerkapazität. Wenn die Transportkapazität begrenzt, der Warenbedarf an einem gegebenen Punkt aber gleichzeitig groß ist, dann errichtet man ein Sammellager, das man laufend füllt. Das Lager liegt also sinnvollerweise am ZIEL der Nachschubkette, nicht am Ausgangspunkt. Am Ausgangspunkt genügt ein Sammellager, in dem nur so viel Material aufgehäuft wird, wie nötig ist, um die vorhandene Transportkapazität zu bedienen. Am Ausgangspunkt muss man die Sammelstelle auch nicht aufwändig militärisch sichern, da er sich sinnvollerweise auf eigenem Territorium befindet. Dass Anreppen militärisch gesichert war und große Lagerkapazität hatte, deutet also darauf hin, dass dort Material bereitgestellt werden sollte, um es von dort aus weiter zu verteilen.
Auch das ist denkbar. Aber auch das ist unwahrscheinlich. Aliso - mutmaßlich Haltern - konnte mit sehr viel geringeren Lagerkapazitäten eine Monate dauernde Belagerung überstehen. In Anreppen überschreitet das Ausmaß der Lagerbereiche im Verhältnis zur restlichen Lagergröße jedes Maß. Dort hätte man ein Mehrfaches dessen unterbringen können, was die Legionäre, für die noch Platz war, zusammen an Gewicht auf die Waage bringen konnten.Auf der anderen Seite kann man auch sagen, dass Anreppen, als weitestes vom Rhein entferntes Großlager vielleicht auch schlicht lang genug Belagerungen standhalten sollte.
Ganz genau. Legionen, die im Bereich der Elbe operieren sollten, aber im Bereich des Rheins ihre Nachschubbasis hatten, hätten eine Menge an Material mitführen müssen, die jedes Maß gesprengt hätte. Schließlich dauerten solche Operationen damals Wochen, wenn nicht Monate. Hatten sie hingegen ein Nachschublager von den Ausmaßen Anreppens in vertretbarer Nähe, mussten sie nicht Getreide für Monate mitschleppen, sondern nur genug für ein paar Tage. Lag ein Versorgungspunkt von der Größe Anreppens in relativer Nähe, musste auch nicht die gesamte Streitmacht zurückkehren, um Nachschub zu fassen. Es reichte, eine starke Versorgungseinheit zurückzuschicken.Zur Versorgung ihrer Legionen brauchten die Römer Flüsse, ansonsten hätten sie Maultiertrosse organisieren müssen, die sie unbeweglich gemacht hätten.
Das Urteil ist mir zu pauschal. Sowohl Anreppen als auch Marktbreit ließen sich über die Flüsse relativ leicht mit großen Mengen an Material beliefern. Zumindest das haben sie gemeinsam.Eine Vergleichbarkeit von Anreppen und Marktbreit ist von der Lage her nicht gegeben.
Man kann ja noch darüber diskutieren, welche Funktion Anreppen hatte, da dieses Lager "im Kriegsgebiet" lag. Aber wie ist das mit Marktbreit? Auch ein Lager, in dem Bodenschätze gesammelt wurden? Warum wurde es dann nie wirklich benutzt und noch vor der eigentlichen Fertigstellung wieder aufgegeben?
MfG