Gandolf
Aktives Mitglied
Frankreich und Deutschland haben ein unterschiedliches Verständnis von der Nation entwickelt. Worin diese Unterschiede bestehen, wie sich diese entwickelt haben und welche Folgen sie haben, zeigt sich anschaulich am Beispiel Elsaß-Lothringen.
1.
Die Franzosen definieren die Zugehörigkeit zur Nation auf der Grundlage von Jean-Jacques Rousseaus „contract social“ (Gesellschaftsvertrag). Zu ihr gehört, wer dem Gesellschaftsvertrag beitritt. Die französische Nation versteht sich als Staats-Nation. Das Sprechen der französischen Sprache ist keine Voraussetzung für den Beitritt zur Nation.
2.
Die deutschsprachigen Elsässer nahmen an der ersten Phase der französischen Revolution engagiert teil. Sie gehörten fortan zur französischen Nation. In dieser Phase der Revolution wurden die Beschlüsse der Nationalversammlung und der Regierung für die deutschsprachige Bevölkerung des Elsasses übersetzt. Das französische Nationalgefühl war natürlich in der bürgerlichen Oberschicht, die den Adel stürzte, stärker ausgeprägt als in der einfachen Landbevölkerung. Unter Napoleon Bonaparte nahmen die Elsässer an dessen Feldzügen teil. Deren Glanz vertiefte und verbreitete das französische Nationalgefühl im Elsaß ganz erheblich.
3.
In der zweiten Phase der Französischen Revolution (Jakobinerherrschaft) fühlte sich die Nation von „innen“ und von „außen“ bedroht. Um sich von den deutschsprachigen Feinden der Revolution – man führte ab 1793 Krieg mit Preußen und Österreich-Ungarn - entstand das Dogma von der Nationalsprache („une nation – une langue“). Von den elsässischen Bürgern Frankreichs wurde nun als Folge ihrer Zugehörigkeit zur französischen Nation gefordert, französisch zu sprechen. Die Übersetzungsbüros wurden geschlossen. Die Terrorherrschaft der Jakobiner richtete sich auch gegen die deutschsprachigen Elsässer. Das war der Beginn der elsässischen Identitätskrise. Die Elsässer fühlten sich zwar als Franzosen, aber wegen ihrer deutschen Sprache als schlechte Franzosen. Jedenfalls wussten sie, dass sie so von den anderen Franzosen betrachtet werden.
4.
Die französische Auffassung, wo ein Staat ist, dürfe nur eine Sprache gesprochen werden, zog im staatlich zersplitterten Deutschland die Ansicht nach sich, wo eine Sprache gesprochen wird, dürfe es nur einen Staat geben. Die deutsche Nation versteht sich als Kultur-Nation. Zur deutschen Nation gehört, wer die deutsche Sprache spricht. Das Sprechen der deutschen Sprache ist eine Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur deutschen Nation.
5.
Der französische Irrweg, von allen Staatsbürgern das Sprechen der französischen Sprache zu verlangen, und der deutsche Irrweg, alle Deutschsprachigen zur deutschen Nation zu zählen, führte schließlich dazu, dass das Elsaß zum Zankapfel zweier Nationen wurde.
6.
Zum Schicksal von Elsaß-Lothringen im Deutschen Kaiserreich (1871-1919) erlaube ich mir den Verweis auf folgenden Beitrag: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=6431
1.
Die Franzosen definieren die Zugehörigkeit zur Nation auf der Grundlage von Jean-Jacques Rousseaus „contract social“ (Gesellschaftsvertrag). Zu ihr gehört, wer dem Gesellschaftsvertrag beitritt. Die französische Nation versteht sich als Staats-Nation. Das Sprechen der französischen Sprache ist keine Voraussetzung für den Beitritt zur Nation.
2.
Die deutschsprachigen Elsässer nahmen an der ersten Phase der französischen Revolution engagiert teil. Sie gehörten fortan zur französischen Nation. In dieser Phase der Revolution wurden die Beschlüsse der Nationalversammlung und der Regierung für die deutschsprachige Bevölkerung des Elsasses übersetzt. Das französische Nationalgefühl war natürlich in der bürgerlichen Oberschicht, die den Adel stürzte, stärker ausgeprägt als in der einfachen Landbevölkerung. Unter Napoleon Bonaparte nahmen die Elsässer an dessen Feldzügen teil. Deren Glanz vertiefte und verbreitete das französische Nationalgefühl im Elsaß ganz erheblich.
3.
In der zweiten Phase der Französischen Revolution (Jakobinerherrschaft) fühlte sich die Nation von „innen“ und von „außen“ bedroht. Um sich von den deutschsprachigen Feinden der Revolution – man führte ab 1793 Krieg mit Preußen und Österreich-Ungarn - entstand das Dogma von der Nationalsprache („une nation – une langue“). Von den elsässischen Bürgern Frankreichs wurde nun als Folge ihrer Zugehörigkeit zur französischen Nation gefordert, französisch zu sprechen. Die Übersetzungsbüros wurden geschlossen. Die Terrorherrschaft der Jakobiner richtete sich auch gegen die deutschsprachigen Elsässer. Das war der Beginn der elsässischen Identitätskrise. Die Elsässer fühlten sich zwar als Franzosen, aber wegen ihrer deutschen Sprache als schlechte Franzosen. Jedenfalls wussten sie, dass sie so von den anderen Franzosen betrachtet werden.
4.
Die französische Auffassung, wo ein Staat ist, dürfe nur eine Sprache gesprochen werden, zog im staatlich zersplitterten Deutschland die Ansicht nach sich, wo eine Sprache gesprochen wird, dürfe es nur einen Staat geben. Die deutsche Nation versteht sich als Kultur-Nation. Zur deutschen Nation gehört, wer die deutsche Sprache spricht. Das Sprechen der deutschen Sprache ist eine Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur deutschen Nation.
5.
Der französische Irrweg, von allen Staatsbürgern das Sprechen der französischen Sprache zu verlangen, und der deutsche Irrweg, alle Deutschsprachigen zur deutschen Nation zu zählen, führte schließlich dazu, dass das Elsaß zum Zankapfel zweier Nationen wurde.
6.
Zum Schicksal von Elsaß-Lothringen im Deutschen Kaiserreich (1871-1919) erlaube ich mir den Verweis auf folgenden Beitrag: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=6431
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