Heirat zwischen Adel u. Nichtadel

Comtesse

Mitglied
War es zur Zeit des Absolutismus denkbar, dass


a) ein sehr wohlhabender Kaufmann die Tochter eines Adligen (bspw. Baron) heiratete, um so in Adelskreise aufzusteigen oder war eine Verbindung zwischen Adel und Nichtadel kategorisch ausgeschlossen?

b) umgekehrt ein (verarmter) Adliger eine reiche Kaufmannstochter heiratete um an Geld zu kommen?

c) Brauchte man für so eine Verbindung die Einwilligung der Kirche oder des Königs?

Falls es diese Möglichkeit gab, war damit überhaupt ein "Aufstieg in Adelskreise" verbunden; konnte sich der Mann dann nach der Heirat auch Baron nennen, oder hatte er dann ein "de" vor dem Nachnamen? Wie musste man sich das vorstellen?

d) Nannte man die Tochter des Barons "Baronin" oder gab es gar keine derartige Anreden/Bezeichnungen für die Kinder der Adligen?

Ich frage hier speziell für die Zeit Mitte des 18. Jahrhunderts und (am besten) Frankreich.

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Ich recherchiere zurzeit für einen Roman den ich schreibe. Die Handlung ist u.a. angesiedelt im Frankreich des 18. Jahrhunderts (1770er Jahre) sowie in den amerikanischen Kolonien.

Da ich großen Wert auf Authentizität lege und nicht althergebrachte Klischees verbreiten möchte, freue ich mich, dieses großartige Forum gefunden zu haben, wo man Wert auf geschichtliche Genauigkeit und zuverlässige Quellen legt.

Für möglicherweise naive oder abwegige Fragen entschuldige ich mich schon jetzt, man möge mir meine Unwissenheit nachsehen. Jedoch bin ich ja hier um mein Wissen zu erweitern.
 
Falls es diese Möglichkeit gab, war damit überhaupt ein "Aufstieg in Adelskreise" verbunden; konnte sich der Mann dann nach der Heirat auch Baron nennen, oder hatte er dann ein "de" vor dem Nachnamen? Wie musste man sich das vorstellen?
"Adel" orientiert sich grundsätzlich am Mannesstamm, ist also patrilinear.

Nannte man die Tochter des Barons "Baronin" oder gab es gar keine derartige Anreden/Bezeichnungen für die Kinder der Adligen?
Schau dazu mal in diesen Wikiartikel: Adelstitel ? Wikipedia
 
War es zur Zeit des Absolutismus denkbar, dass


a) ein sehr wohlhabender Kaufmann die Tochter eines Adligen (bspw. Baron) heiratete, um so in Adelskreise aufzusteigen oder war eine Verbindung zwischen Adel und Nichtadel kategorisch ausgeschlossen?

b) umgekehrt ein (verarmter) Adliger eine reiche Kaufmannstochter heiratete um an Geld zu kommen?

Also von kategorisch ausgeschlossen würde ich nicht sprechen, es gab sicherlich Ausnahmen. Ersteres Beispiel halte ich für recht unwahrscheinlich, da sich meiner Meinung nach (!) der Adel ganz anders legitimierte. Das Bürgertum tat dies durch Wohlstand, die Oberschicht durch göttliche Legitimation. Gerade in ländlicheren Gegenden war das noch sehr verbreitet. Auf der anderen Seite brauchte man aber auch Geld, um diesen "Unterschied" standesgemäß auszuleben, also scheint letzteres doch nicht unmöglich. :)
Inwiefern das für die Bürgersfamilie aber interessant war, ist eine andere Frage.

c) Brauchte man für so eine Verbindung die Einwilligung der Kirche oder des Königs?
Nein, nur die nicht rechtsverbindliche Einwilligung der Eltern.
 
Vielen lieben Dank für die hilfreichen Informationen. Ihr habt mir sehr weitergeholfen.

Zwar nutze ich Wikipedia auch gerne als Informationsquelle, aber man muss natürlich erstmal bestimmte Begriffe kennen um sie nachzuschauen. Auf "Ebenbürtigkeit" oder "Mannesstamm" wäre ich sicher nie gekommen.

Also so wie es aussieht wird es wohl doch eine Hochzeit zwischen Adligen werden.... Ob ein Baron die Tochter eines Chevalliers heiraten kann?
 
b) umgekehrt ein (verarmter) Adliger eine reiche Kaufmannstochter heiratete um an Geld zu kommen?
Mich wundert es, dass noch niemand auf Madame de Pompadour hingewiesen hat. Bis zu ihrer Heirat mit Charles-Guillaume Le Normant d'Étiolles lautete ihr Name Jeanne Antoinette Poisson. Das wäre schonmal ein Beispiel für Frankreich. Ansonsten könnte dich das Stück "Le Bourgeois gentilhomme" von Molière interessieren. Der Bourgeois will seine Tochter mit dem Sohn eines Adligen vermählen um aufzusteigen.
 
Nach meinen Einschätzungen war es schon möglich, dass es Heiraten zwischen Bürgerlichen und Niederem Adel gab.
Gerade aus finanziellen oder prestigeträchtigen Gründen, die du selbst schon genannt hast :), dürfte dem Ganzen von elterlicher Seite her nichts im Weg gestanden haben, wenn für beide Familien das gewünschte Ziel erreicht werden konnte.
Ich stelle mir gerade bildlich einen "Herren von und zu Dorf um die Ecke" und die Tochter des Wohlhabensten der Ortschaft (neben dem gierigen Verhandeln und Feilschen um die Ausbeute des Heiratsvertrages zur Nutzenmaximierung der jeweiligen Parteien) vor. :D
Schwieriger werden die Angelegenheiten wohl, wenn man den lokalen Raum verlässt.
Viele Häuser hatten ihre Hausgesetze, die strikt eingehalten wurden und eingehalten werden mussten, wenn man die Souveränität nicht unnötig gefährden wollte.
(Anmerkung: Ich habe gerade die deutschen Kleinstaaten vor Augen. Ich hoffe doch, dass man damit auch was in dieser Sache anfangen kann.)
Wenn sich ein Graf dem Ganzen nicht unterwerfen wollte und eine bürgerliche Frau heiratete so passierte es fast automatisch, dass sein "wahrer" Titel flöten ging und er einen Nichtssagenden dafür annehmen musste.
Anstatt also die Frau oder den Mann mit in die "höheren Sphären" ;) zu ziehen, schubste man den eigenen Angehörigen eine Stufe tiefer.
Im Frankreich des 18.Jh. gab es dann ja noch den Unterschied zwischen Alten Adel und den (neuen) Geldadel.
Der Alte Adel nahm sich streng davor in Acht die "Neuen" in seine Kreise einzubinden. - Aber das erklärt der neue Thread von gnlwth besser als ich. :winke:
 
Auch ein deutscher "Dichterfürst" hat sich des Themas angenommen:
Kabale und Liebe ? Wikipedia
Welche Tochter wird denn da in den Adel empor gehoben? Ich würde sagen, bei "Kabale und Liebe" und "Le Bougeois gentilhomme" ist das Thema ein völlig gegensätzliches.
Der Herr Miller will ja eben selber nicht, dass die Tochter die gesellschaftlich-ständische Sphäre verlässt.
Oder ist der Herr Wurm adelig? Ich hielt ihn immer für einen bürgerlichen Federfuchser.
 
War es zur Zeit des Absolutismus denkbar, dass


a) ein sehr wohlhabender Kaufmann die Tochter eines Adligen (bspw. Baron) heiratete, um so in Adelskreise aufzusteigen oder war eine Verbindung zwischen Adel und Nichtadel kategorisch ausgeschlossen?

b) umgekehrt ein (verarmter) Adliger eine reiche Kaufmannstochter heiratete um an Geld zu kommen?

c) Brauchte man für so eine Verbindung die Einwilligung der Kirche oder des Königs?

+)
Falls es diese Möglichkeit gab, war damit überhaupt ein "Aufstieg in Adelskreise" verbunden; konnte sich der Mann dann nach der Heirat auch Baron nennen, oder hatte er dann ein "de" vor dem Nachnamen? Wie musste man sich das vorstellen?

d) Nannte man die Tochter des Barons "Baronin" oder gab es gar keine derartige Anreden/Bezeichnungen für die Kinder der Adligen?
a)
Ist der Baron sehr arm, ließ er das vielleicht zu. Aber ein gesellschaftlicher Aufstieg war damit wahrscheinlich eher nicht verbunden. Denkbarer wäre, dass sich Dein Kaufmann vor der Vermählung einen Titel kauft oder sonstwie durch "Verdienste" geadelt wird. (Oftmals erschlich man sich auch, wenn man genug Geld für langwierige Prozesse hatte, einen Titel, indem man darauf verwies ohnehin einer Adelsfamilie zu entstammen, von der nur eben bis in den eigenen Zweig der Titel irgendwie verloren gegangen ist. Da gab es schon die abenteuerlichsten Versuche, auch sogar über reine Namensähnlichkeit sich bedeutende Verwandtschaft selber anzudichten.)

b)
Das gab es schon eher. Die Kinder waren dann nicht selten auch adelig. Da hat Tekker schon den richtigen Hinweis gegeben. Kommt aber, Vermögen hin oder her, auch auf den familiären Hintergrund des verarmten Adeligen an. Auch ein Reichsgraf kann komplett pleite sein, wäre sich oder seiner Familie wegen dennoch wahrscheinlich eher zu schade eine Bürgerliche zu heiraten als ein armer Ritter, Herr oder Freiherr.

c)
Es geht jetzt um Frankreich, oder?

Da weiß ich es nicht so genau. Oftmals hat das aber mehr mit der Einstellung des Familienoberhauptes zu tun. Tat der eine oder andere Spross gerade etwas gegen die Familieninteressen, so konnte man in Frankreich auch schonmal als Chef des Hauses recht harsch vorgehen, um zu versuchen, wieder über den jungen Mann Gewalt zu bekommen.

In Preußen, vielleicht auch in anderen Staaten, brauchte man bspw. die Genehmigung zu Heiraten, wenn man in der Armee war. Wenn ich mich recht entsinne, konnte da der König sehr ungnädig werden, wenn man da gegen seinen Willen das einfach so tat.

+)
Bezieht sich das jetzt auf a) ? Also wie gesagt, das Erheiraten von Titeln durch einen Mann ist äußerst unüblich.
Das "de" aber auch "du" im Französischen steht schon in der Regel mit dem Adelsprädikat in Verbindung, auch wenn das nicht sein muss. Oftmals wurde das "de" einfach vor den Familiennamen gesetzt. Kamen dann aber Titel auf z.B. schon existierende Grafschaften hinzu (man denke an das Marquisat der Marquise de Pompadour), so wurde der Familienname bisweilen immer mehr in den Hintergrund gedrängt.
Ein vielleicht schönes Beispiel für Titelhäufungen zeigt der französische Ökonom (und Vater von Mirabeau le Tonneur und Mirabeau le Tonneau) Victor Riqueti de Mirabeau: Victor Riqueti de Mirabeau - Wikipédia

d)
Das hängt offenbar auch von der Gegend ab. Der Sohn eines Chevalier scheint auch schon die Bezeichnung Chevalier geführt zu haben, auch wenn das vielleicht nicht ganz korrekt war, bürgerte sich sowas offenbar immer mal ein.
In Frankreich wie in Dtl. verwendete man für Nachgeborene oder die unverheirateten Damen ohnehin oftmals nur die Bezeichnung "Mr. de" oder "Mlle. de", was über den Adelstitel der Eltern keinen Aufschluss bietet.
In Frankreich gibt es noch das Konstrukt "Vicomte" für den Erben eines Comte. Ich habe es bis jetzt immer für unlogisch gehalten, wenn es solche Grafen 2. Grades (richtiger Vizegrafen) gegeben hätte, aber die Töchter den Titel Comtesse geführt hätten.
 
Aus einer regionalen Chronik kenne ich den Fall, dass ein Wirt einen "Adligen" zwingt seine Tochter, die der von Adel wohl in "Unehren" gebracht hatte, zu heiraten.

Die Fälle gab es, sind aber anscheinend doch so bemerkenswert, dass sie 500 Jahre später noch kolportiert werden.
 
Aus einer regionalen Chronik kenne ich den Fall, dass ein Wirt einen "Adligen" zwingt seine Tochter, die der von Adel wohl in "Unehren" gebracht hatte, zu heiraten.

Die Fälle gab es, sind aber anscheinend doch so bemerkenswert, dass sie 500 Jahre später noch kolportiert werden.
War aber einer von "geringem" Adel, gell? Vielleicht stammte er auch aus einer ehem. Ministerialenfamilie. Die verbanden sich schon immer wieder mit den Bürgerlichen.

Wobei es auch wirklich reiche und einflussreiche Wirte gab.:)
 
Ein Jammer ist es natürlich, dass der Adel über die männliche Linie vererbt wird. Hätte meine Urgroßmutter nicht einen Bürgerlichen geheiratet... Tja, futsch, das von.
 
War es zur Zeit des Absolutismus denkbar, dass


a) ein sehr wohlhabender Kaufmann die Tochter eines Adligen (bspw. Baron) heiratete, um so in Adelskreise aufzusteigen oder war eine Verbindung zwischen Adel und Nichtadel kategorisch ausgeschlossen?

b) umgekehrt ein (verarmter) Adliger eine reiche Kaufmannstochter heiratete um an Geld zu kommen?

c) Brauchte man für so eine Verbindung die Einwilligung der Kirche oder des Königs?

Falls es diese Möglichkeit gab, war damit überhaupt ein "Aufstieg in Adelskreise" verbunden; konnte sich der Mann dann nach der Heirat auch Baron nennen, oder hatte er dann ein "de" vor dem Nachnamen? Wie musste man sich das vorstellen?

d) Nannte man die Tochter des Barons "Baronin" oder gab es gar keine derartige Anreden/Bezeichnungen für die Kinder der Adligen?

Ich frage hier speziell für die Zeit Mitte des 18. Jahrhunderts und (am besten) Frankreich.
Bezieht sich Frage c) auf a)?

Die Frage nach dem "Aufstieg in Adelskreise" stellte sich meistens nur beim Hochadel, bzw. die Möglichkeit auch als Bürgerlicher durch so eine Ehe/Verbindungen einen eigenen Titel zu erhalten. In Frankreich kenne ich mich nicht so gut aus, in England erhielt jedoch ein bürgerlicher Gatte einer Adligen suo jure keinen Titel, jedoch durfte sie ihren behalten.

Die Familientitel wurden meist über die männliche Linie vererbt, nicht die weibliche.

Um das Fortbestehen der Familie und des Namens zu sichern, hätte sich ein adliger Erbe (auch ein verarmter) normalerweise nicht mit einer reichen Bürgerlichen vermählt, sondern eher einer der jüngeren Brüder oder eine der Schwestern. Ja, eher eine der Schwestern, da sie ohnehin den eigenen Namen nicht vererben und damit den reinen Stamm nicht vergrößern würde, sondern quasi als "Tochter" in die andere Familie überging.

Eine bürgerliche Tochter brachte also theoretisch die Chance für gesellschaftlichen Aufstieg und eine adlige Tochter würde man eventuell für die Finanzen der Familie "opfern". Dennoch würde man versuchen die Töchter möglichst gut zu verheiraten, durch die Verbindung also den Status zu mehren, oder zu festigen, indem man sie mit entsprechenden Aristokraten vermählte. Manchmal vermählte man sie auch mit politischen Feinden, wenn man sich davon etwas versprach.

Ein veramter Adliger mit entsprechendem Titel und Ansehen konnte ja immer noch eine andere Adlige (reiche Witwe?) ehelichen und damit sein Prestige vergrössern. Die Möglichkeit Prestige, Ansehen und Macht (Verbindungen!) zu vermehren, gab man nicht leichtfertig des Geldes wegen auf, ausser es gab keine jüngeren Geschwister, die das Opfer auf sich nehmen konnten.

d) Ich dachte die Tochter eines Barons nannte man Baroness, solange sie keinen eigenen Titel hatte und wenn sie klein war und/oder man sie mochte "Baroneßchen", zumindest habe ich ähnliches vom Landvolk gehört.
 
Zuletzt bearbeitet:
War aber einer von "geringem" Adel, gell? Vielleicht stammte er auch aus einer ehem. Ministerialenfamilie. Die verbanden sich schon immer wieder mit den Bürgerlichen.

Wobei es auch wirklich reiche und einflussreiche Wirte gab.:)

Ein Bubenhofen, die Familie war zeitweilig sehr reich. Zu dem Zeitpunkt aber nicht mehr.

Ist der Wirt mit seinem Vorhaben letztlich durchgekommen?

Ja. Der adlige Vater "konnte es nicht verhindern".

Die Quelle, falls es interessiert.
Der Landkreis Balingen. Amtliche Kreisbeschreibung, hg. v. Statistischen Landesamt Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Balingen, 2 Bände, Balingen 1960, 1961 (immer noch wichtiges Standardwerk zur Geschichte des Altkreises Balingen und des gesamten Raumes; noch zu beziehen über das Kreisarchiv: 38 €)
 
Fällt mir gerade ein, es gibt doch zwei ganz berühmte Beispiele.

Grimmelshausen, der vom Simplizissimus
und Gutenberg, der vom Buchdruck

von deren Vätern wurde doch der Adel "abgelegt", wobei ich nicht mehr weiß, ob es Eheschließungen oder wirtschaftliche Gründe waren.
 
Wobei Gutenberg nicht der richtige Namen war. Der Vater, angeblich ein Patrizier, der dennoch vom Handel lebte, hieß Friedrich Gensfleisch und die Mutter Elsa Wirich war Krämerin bzw. Tochter eines Krämers. Allerdings war es die zweite Ehe von Friedrich Gensfleisch, da konnte er es sich wohl leisten, nach Gusto zu entscheiden.
 
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