Historische Verantwortung

Es ist schwierig hier nicht in die Gegenwart abzugleiten.
Ich will mal versuchen ein paar Gedanken auf dem schmalen Grat zu platzieren.

Anfang der 50er scheitert die „Europäische Verteidungsgemeinschaft“.
Kern-Europa wird sich wirtschaftlich zusammenschließen, jedoch keine gemeinsame Militär- und Außenpolitik zustande bringen.
Damit überträgt Europa seine internationalen Anliegen in großen Teilen unvermeidlich an die USA.
Diese werden die Rolle annehmen.
Wohl auch deshalb, weil sich Europa vorher selbst zweimal selbst durch den Fleischwolf drehte, und es, aus amerikanischer Sicht, daher als sehr unzuverlässig gesehen werden musste.

In der Folge werden auch die USA ihre eigene Stärke wahrnehmen.
Und dies mit einer erheblichen Zeitverzögerung.
Denn bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jhds. werden sie ungefähr soviele Schienen- und Telegrafenkilometer (oder von mir aus auch „Meilen“) verlegen wie der Rest der Welt.
In den 30ern der 20. Jhds. wird bereits die Massenmotorisierung eine Realität sein, von der andere Nationen nur träumen können.
Amerika strotzt geradezu vor Kraft, während der Rest der Welt entweder in Bürgerkriegen versinkt (Fernost und Afrika) oder keine gemeinsame Linie in ihren Außenbeziehungen findet (Europa).

Gleichzeitig gewinnt das Phänomen, das man „Globalisierung“ nennt, dadurch an Bedeutung, als sich die Räume durch gesteigerte Kommunikations- und Transportfähigkeiten immer schneller verkürzen. Und hierfür sind die USA in besonders guter Weise vorbereitet und werden, wie andere Nationen auch, versuchen diese Situation im Sinne eigener Interessen zu nutzen.

Fragt man im Zusammenhang mit dem betrachteten Zeitraum nach dem zweiten Weltkrieg nach internationaler historischer Verantwortung, dann wird man auch nach der Verantwortung jener fragen müssen, die, wenn auch verstehbaren Gründen, keine Verantwortung übernehmen wollten oder sich dazu nicht in der Lage sahen.
 
Ein Bush jr., eine Rice, ein Rumpsfeld etc. haben ihre Memoiren über diese Periode vorgelegt und sie somit der Historisierung überantwortet. [...] Nur indem man diese Erklärung von Bush berücksichtigt kann man die unterschiedlichen historischen Phasen im Selbstverständnis der USA nach 1945 ausreichend darstellen. Zumal diese historisierende Darstellung bis 2002 bzw. 2003 der Link ist, um die aktuelle Außenpolitik überhaupt erst erklären zu können. Was dann ja nicht der Gegenstand der Darstellung in dem GF sein kann.

Ich bin trotzdem nicht ganz sicher, ob das mit der Popularisierung der Militärbasen als Problem zeitlich so hinhaut, und ob wir der Tagespolitik bei diesem Thema entkommen können.

Soweit ich weiß, war das Buch, das den Forschungsboom über diese Basen-Infrastruktur eingeleitet hat, Chalmers Johnson's "The Sorrows of Empire" von 2004 - was dann auch gleich das Jahr des Abu Ghraib-Folterskandals ist, was die ganze Information über den Militärbasen direkt sehr stark politisch aufgeladen hat. Ich kommentiere jetzt absichtlich nicht, ob zu recht oder zu unrecht - aber schon daran, dass ich mir diesen Kommentar gerade bewusst verkneifen muss, erkennt man schon im Ansatz das Problem. Ich denke auch nicht, dass Obamas Außenpolitik gerade in puncto Terrorismus so stark von der Bush jr-Administration abweicht, dass man da von einer "hier geschichtlichen-da tagespolitischen" Zeitenwende sprechen kann oder sollte.

Ich stimme Thane in einem zu: Wir müssen im Blick behalten, dass wir uns augenblicklich in einem historischen Zeitraum befinden, in dem so viel im Flux ist, dass jede Äußerung zum Thema Militärbasen erstmal klarstellen muss, wo im Spektrum der aktuellen Perspektiven sie steht. Aber ich bin nicht sicher, ob das ein Thema für Debatten im Geschichtsforum sein sollte. Es wird definitiv politisch hier.
 
Ich stimme Thane in einem zu: Wir müssen im Blick behalten, dass wir uns augenblicklich in einem historischen Zeitraum befinden, in dem so viel im Flux ist, dass jede Äußerung zum Thema Militärbasen erstmal klarstellen muss, wo im Spektrum der aktuellen Perspektiven sie steht. Aber ich bin nicht sicher, ob das ein Thema für Debatten im Geschichtsforum sein sollte. Es wird definitiv politisch hier.

Ja, ich gebe Euch Recht,da diese Entwicklung noch im vollen Gange ist, macht es wenig Sinn nur einen Teilbereich herauszulösen,um dabei den historischen Charakter der Diskussion zu behalten.
Soll die Moderation entscheiden, ob dieses Thema bestehen bleibt oder nicht.
 
Die Frage der Verantwortung ist eigentlich falsch gestellt. Hätte eine Nation/ein Staat eine irgendwie geartete histoische Verantwortung, muß nach dem gesellschaftlichen Konsens gefragt werden.

Hier ist aber in den USA so etwas nicht gegeben bzw dieser Konsens wurde durch massive Fehlinformation durch Regierende (und andere) erzeugt.

Im Fall Bush junior ist das ja nachzuweisen, bei Pearl Harbour wird´s vermutet un d auch im Fall Allende handelten Regierende und nachfolgende Stellen sicher nicht im Sinne der Bevölkerung.

So "historische Verantwortung" tendiert in Richtung "Kollektivschuld", und da kann man jetzt nun nicht von ausgehen.

Bin Laden wurde ja von den USA massiv unterstützt, bis hin zu medizinischer Behandlung in einem Militärkrankenhaus und dann angeblich provoziert, in dem man ein von ihm gespendetes Krankenhaus im Sudan bombardierte. Sicher war das garantiert nicht im Sinne der USA, im Sinne der US Fundamentalisten vielleicht, im Sinne der US Banken sicher, da sein Geschäftsmodell der gewinnbeteiligten Kredite den US Banken Kunden entzog. Etlichen Israelgläubigen dürfte auch seine Unterstützung der Palestinenser nicht gefallen haben. Hier greift dann eine Intressenmelange, die schwer zu durchschauen ist.

Das man da jetzt "den USA " eine "historische Verantwortung" aufbürden kann, wäre sicher falsch.
 
Wie konnte die USA sich dieser außenpolitischen historischen Verantwortung aus dem Monroe Doktrinen so in diese Weltmacht Position in den von niemanden gewünschten Vordergrund stellen?

Es ist ein sehr ernsthaftes Thema und ich möchte die Punkte von "Dog Soup" vertiefen. Folgt man Mearsheimer (ein Vertreter des „offensiven Realismus“), dann geht es einzig um „Macht“ im Verhältnis der Staaten untereinander. Sie ist die „Währung“ im Rahmen internationaler Beziehungen (IR), wie Geld es für die Märkte ist. Aber vermutlich ist die Antwort ein wenig komplizierter. Zumal, so Mann: „Left, Liberals and conservatives all agree, this is the Age of American Empire.“, also die Zeit der „Pax Americana“ [4, S. S. 12].

John J. Mearsheimer ? Wikipedia

Die "Story" der "historischen Verantwortung" läßt sich im Einzelnen wie folgt nachvollziehen. Nach der starken isolationistischen Sicht zwischen den zwei Weltkriegen löste F.D. Roosevelt (kurz FDR) die USA gegen starke republikanische Widerstände aus dieser außenpolitischen Situation. Im Rahmen der „Quarantäne Rede“ positionierte er die USA neu und formulierte die allgemeine Richtung, die sie dann von ca. 1947 bis ca. 2002 einnehmen sollte.

http://www.geschichtsforum.de/279227-post36.html

Von FDR wurde die internationale Situation, ausgehend vor allem vom 3. Reich und von Italien, mit ihrer aggressiven Außenpolitik (spanischer Bürgerkrieg (mit ihrer starken Tendenz zur Abschottung von Ländern (Stichwort: autoritäre Regime) und von Märkten (Stichwort: Autarkie) als bedrohlich für das gesellschaftspolitische Modell der demokratischen USA und ihrer liberalen, weltmarktorientierten Wirtschaft eingestuft, wie beispielsweise bei Junker dargestellt [10].

Die politische Beurteilung der Situation um 1937 durch FDR speiste sich dabei bereits zu dem Zeitpunkt aus der tief verwurzelten Vorstellung des amerikanischen „Exceptionalismus“, wie Dunn es ausführt. [vgl. z.B. 8]. Diese Vorstellung der – angeblichen - „Einzigartigkeit“ des demokratischen und des wirtschaftlich USA war bereits durch de Tocqueville formuliert worden und bildet als Selbstbild die Basis des nationalen Selbstverständnisses [1]. Kritischer sieht es F.J. Turner, der bereits vor hundert Jahren feststellte, dass es nicht die Verfassung gewesen sei, die die USA zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten gemacht hatte, sondern der Überfluß an Land und Naturschätzen [3, S. 33]. Dieser Perspektive folgte 50 Jahre später der Historiker D. Potter, der eine enge Symbiose aus Wohlstand und Freiheit für die USA diagnostizierte, die er als „American way of life“ treffend benannte. Noch deutlicher hat W. Williams diese Sichtweise beschrieben, indem er bemerkte: „ Für die Amerikaner war Freiheit Wohlstand und Wohlstand war Freiheit“. [3, S. 34].

Und diese Sicht wurde am Ende des WW 2 durch einen deutlichen Anstieg des BIP erkennbar und für die US-Amerikaner real merklich. Zudem wurde die soziale Ungleichheit reduziert (vgl. C. Adams: The best War ever, 1994, S. 114&131]. Vor diesem zeitlichen Hintergrund des „Goldenen Zeitalters“ für die amerikanische Mittelschicht entwickelte sich die Sicht auf das zerstörte Europa und gab dem Selbstbild der Einzigartigkeit eine gewisse materielle Substanz und Überzeugungskraft.

Mit der Vernichtung des NS-Regimes 1945 stellte sich für die westlichen Länder, primär die USA und GB, die Frage der Neuordnung von Europa, Afrika und Asien. Vor diesem Hintergrund wurde der amerikanische Außenpolitik zunächst durch FDR, dann durch Trumann die Rolle zugeteilt, das erfolgreiche amerikanische Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell in anderen Ländern zu implantieren. Und man verfolgte damit das Ziel einer friedfertigen, demokratischen und wirtschaftsliberalen Zukunftsgesellschaft.

Wie stark die Idee der Neugestaltung der Gesellschaften, primär in Deutschland, Italien und Japan, relevant war, wird durch die Arbeiten von Lipset deutlich, der die Zielvorgaben des US-amerikanischen Prototyp einer anzustrebenden Gesellschaftsordnung am prägnantesten zusammen gefaßt hatte [9 und vgl. auch folgende Darstellung]. Und noch Anfang 1960 kommt die komparative Studie von Almond und Verba (Civic Culture, S. 3, S. 64) noch zu einer kritischen Einschätzung der politischen Kultur für Deutschland und Italien, da sich die Bewohner mit den politischen Institutionen nur in einem geringen Umfang identifizieren, anders wie in den USA oder GB.

The Democratic Century - Seymour Martin Lipset, Jason M. Lakin - Google Books

Bekannt wurde diese Ausrichtung der amerikanischen Außenpolitik als „Truman-Doktrin“ und eines der zentralen Instrumente war der „Marshall-Plan“. Der Beitrag zur Nato war dabei innerhalb der USA durchaus kontrovers diskutiert worden und führende Republikaner wie Senator Taft sahen keine reale sowjetische Bedrohung und befürchteten, die Nato würde in die Kolonialkriege der europäischen Mächte hineingezogen werden [6, S. 10]. Ähnlich kritisch äußerte sich beispielsweise später Senator Fullbright zur Intervention der USA.

Mit Bierling (Geschichte der amerikanischen Außenpolitik) kann man dabei das Agieren der USA in deutlich unterschiedliche Phasen unterteilen. Von 45 bis 50 die Entwicklung hin zum „Kalten Krieg“, von 50 bis 62 (Kuba – Krise) die Eskalation der Konfrontation mit der UdSSR, zwischen 62 und 79 der Aufstieg und Fall der Entspannungspolitik und von 81 bis 91Verschärfung des Kalten Krieges und seine Überwindung.

In dieser Periode wurden die NSC 68 in 1950 formuliert und von Eisenhower die „Domino-Theorie“ in 1954. Dabei forderte die NSC 68 in der Konsequenz, dass sich die USA bei der Budgetierung „wie im Kreigszustand“ verhielten [12, S. 208]. Es gibt dabei natürlich eine Reihe markanter Ereignisse, wie der Korea-Krieg, Vietnam etc., die sich auf die außenpolitische Haltung der USA markant ausgewirkt haben, aber zumindest noch der Korea – Krieg den amerikanischen Exceptionalismus nicht beeinträchtigt hatte [6, S. 14].

Aber vor allem ein Ereignis bildete einen tiefen Einschnitt. In der Folge des Ölpreisschock 1973 wurde die Bedeutung der weltweiten Rohölreserven und ihrer Kontrolle für das Funktionieren der westlichen Wirtschaften sehr deutlich und fokussierte ab diesem Zeitpunkt vor allem die US-Außenpolitik auf diese Region in „Nah Ost“ [vgl zur Historie 1]

Ölkrise ? Wikipedia

Und diese Entwicklung traf auch den „American way of life“ direkt, da die USA in dieser Periode zunehmend an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit einbüßte und die Handelsbilanz sich ins negative „drehte“.

In dieser Situation hielt Carter am 15, Juli 1979 eine zentrale programmatische Rede, die den Amerikaner deutlich machte, dass die Nation am Wendepunkt in ihrer Geschichte stehen würden und sie entweder zwischen „Zersplitterung und Selbstsucht“ oder nach der Wiederherstellung der „amerikanischen Werte“ . Dass er durchaus ernsthaft an einer moralischen Stärkung der Menschenrechte weltweit interessiert war, hatte er durch die NSC 30 in 1978 deutlich gemacht [6, S. 24].

Mit dieser „Malaise“-Rede hatte Carter den Fehler begangen, die Ursachen der Krise in den USA im Inneren zu suchen. Reagan antwortete ihm am 13. 11. 1979 ihm, indem er der USA, im sehr deutlichen Gegensatz zu Carter, noch mehr Macht und den Bürgern noch mehr Wohlstand versprach.

Und Reagan greift seinerseits das Thema der „exceptionellen USA“ auf, indem er T. Paine anführt, dass die USA fähig seien, mit der Welt noch einmal von vorne zu beginnen, oder er stimmt J. Winthrop zu, der vermutet, dass Gott den Amerikanern befohlen hätte, „eine Stadt auf den Hügeln“ zu errichten und bezieht sich zudem implizit auf FDR, und fordert, dass die USA an der Vorstellung festhalten sollten, sie hätten „ein Rendevous mit dem Schicksal“ [3, S. 49].

Ein weiteres Merkmal der Entscheidungsstrukturen in Washington kommt als problematisch hinzu. Im Rahmen des „Schweinebucht-Debakels“ wurde deutlich, dass Kennedy sowohl durch das „National Security Comittee“(NSC), die CIA und vor allem durch die „Joint Chiefs of Staff“ (JCS) aus einer Reihe von egoistischen bzw. rivalisierenden Interessen schlecht beraten worden ist. JFK selber hatte es, als „hereingelegt“ bezeichnet. Das verweist auf die problematische und teils ineffektive Organisationsstruktur der „Power Elite“ hin, wie von Mills benannt.

The Power Elite - Wikipedia, the free encyclopedia

In der Folge nach JFK bis Bush jr. ging die Entscheidung bei außenpolitischen Themen stark auf kleine, teils informelle Entscheidungs-Zirkel (Executive Comittee / ExCom)über, bei denen die Rolle und die ideologischen Positionen der „Neo-Cons“ die stärkste Aufmerksamkeit erfahren hat. Und in dem Dreiecksverhältnis zwischen Präsidentenberatern, Think-Tanks und konservativen Massenmedien wurde für die entsprechende Unterstützung durch die Bevölkerung geworben.

Gleichzeitig bedeutete diese Entwicklung für die USA auch, die bereits unter Truman eingesetzt hatte, dass die Legislative zunehmend der Möglichkeit beraubt wurde, die Außenpolitik – sprich die militärischen Interventionen - der Exekutive einer effektiven demokratischen Kontrolle zu unterziehen [6, S. viii].

Das Problem der ineffizienten Entscheidungsstrukturen, als Lehre aus dem Vietnam-Krieg, wurde dennoch versucht im Rahmen der Weinberg-Powell-Doktrin 1984 zu begrenzen und es sollte verhindert werden, dass Kriege geführt werden, die militärisch nicht zu gewinnen waren [3, S. 153 ff].

Mit den von Fukuyama formulierten Thesen zum „Ende der Geschichte“ in 1992 wird die Mission der NSC 68 mit dem Zusammenbruch der UdSSR als erreicht, wahrgenommen. Dennoch, so Gaddis in seinem Ausblick zum Resumee des „Kalten Krieges“ werden auch weiterhin u.a. soziale Ungleichheit und die Fähigkeit zur – auch demokratischen - Umgestaltung für neue Konflikte sorgen und Staaten zum handeln zwingen (5, S. 295). Diese neuen Konfliktlinien vermutet Huntington im Bereich religiöser Konflikte und erkennt aber auch, dass die militärische Intervention in andere Zivilisationen die gefährlichsten globalen Konflikte nach sich zieht.

Die Schlussfolgerung von Clinton war, dass er in 1993 das „Containment“ beerdigte und durch ein „Enlargement“ ersetzte, das die ursprünglich Idee des wirtschaftlichen Wohlstands als Weg zu Demokratisierung wieder aufgriff und er dehnte es auf die früheren Länder des Warschauer Pakts aus [6, S. 34].

Um dann in 2002 nach dem relativ orientierungslosen „Interregnum“ eine neue und wesentlich aggressivere Neuausrichtung zu erfahren. Die NSS von Bush aus dem September 2002 beinhaltet dabei Elemente der traditionellen amerikanischen Sicht der „Exceptionalität“, aber erweitert sie durch sehr ungewöhnliche Elemente der Außenpolitik. Neu sind vor allem der Verzicht auf koordiniertes Agieren mit den Verbündeten, indem das Recht zur einseitigen Handlungsfreiheit durch die USA betont wird. Und neu ist ebenfalls der Anspruch Präventivkriege führen zu dürfen [6, S. 37ff].

War die amerikanische Hegemonie bis 2002 akzeptiert und legitimiert in weiten Teilen der Welt, so zerbröselte sie in der Folge, da ihre Legitimation auf „a barrel of a gun“ [4, S. 252] basierte.

Mit dieser Neuausrichtung der Außenpolitik hatte Bush die USA nicht nur im Umfeld ihrer Verbündeten isoliert, vielmehr hatte sie gegen drei Prinzipen der Außenpolitik verstoßen. 1. Gegen die seit dem Westpfälischen Frieden geltende staatliche Souveränität und die Nichteinmischung in innere staatliche Angelegenheiten. 2. Gegen die UN-Charta, die den Einsatz von Waffen nur zum Zwecke der Selbstverteidigung erlaubt und 3. Gegen die während der Nürnberger Prozesse definierte Rechtsnorm, dass Präventivkriege verbrecherisch sind [6, S. 42].

Unter dem Strich ist die „historische Verantwortung“ der USA verwässert worden. Folgt man beispielsweise R. Niebuhr, einem frühen „Realisten“, dann hat er Staatskunst als die Bestimmung des Gleichgewichts definiert, an dem die Interessen der Gesellschaft, die nationalen Sicherheits-Interessen und die internationalen Interessen - also die Interessen anderer Staaten - übereinstimmen. Jede Nation muss ihre Interessen wahrnehmen, aber auch die Interessen anderer Nationen gelten lassen. Andererseits erzeugt Politik sonst das , was C. Johnson als „Blowback“ für die US-Politik bezeichnet und führt dazu, dass durch Außenpolitik keine Problemlösung erzeugt wird, sondern nur neue Kriegsschauplätze durch einen überzogenen Einsatz von Militär erzeugt werden[11]. Auch wenn die Absicht vielleicht "ehrenhaft" gewesen sein sollte.

Dieses Kant`sche Imperativ ist den USA offensichtlich verloren gegangen, wie man leicht zeigen könnte, aber das ist Tagespolitik.

1. F. Halliday: The Middle East in International Relations, 2005, bes. S. 75 ff „History“
2. C. W. Mills & A. Wolfe: The Power Elite. 1963
3. A. Bacevich: Grenzen derMacht. 2009
4. M. Mann: Incoherent Empire, 2003
5. J.L. Gaddis: We now know. Rethinking Cold War History. 1997
6. A. A. Offner: Liberation or Dominance? The ideology of US National Security Policy, in: A. Bacevich: The Long War. 2007, S. 1 ff
7. I. Parmar, L. Miller & M. Ledwidge: New Directions in US Foreign Policy. 2009
8. C.W. Dunn: American Exceptionalism. The Origins, History and Future of the Nations`s greatest Strength. 2013
9. S.M. Lipset: Political Man. The Social Bases of Politics. 1963
10. D. Junker: Der unteilbare Weltmarkt. Das ökonomische Interesse in der Außenpolitik der USA 1933-1941. 1975
11. C. Johnson: Blowback. The Costs and Consequences of American Empire. 2001
12. D. Engermann: Die USA und die Ökonomie der Kalten Krieges. in: B.Greiner, C.Müller, C. Weber (Hrsg.) Ökonomie des Kalten Krieges. 2008, S. 194 ff (ähnlich Krugmann bei der Analyse der Kosten des Iraq-Krieges)
 
Zuletzt bearbeitet:
Thane, mal wieder ein ganz wunderbarer Beitrag! Ich finde es sehr sinnvoll, dass du diese ganzen historischen Abläufe bis in die dreißiger Jahre zurückverfolgst; hier entstehen entscheidende Weichenstellungen für die spätere Außenpolitik, speziell im Bezug auf die westliche Welt als identifizierbare "Kultur," in deren Verantwortung man steht und die man dementsprechend auch verteidigen muss. Das ist ja eine Prämisse, auf der sowohl Fukuyamas als auch Huntingtons Theorien basieren. Da stimme ich dir völlig zu.

Besonders interessant ist hier die Idee vom "American Way of Life", den du immer wieder als roten Faden in deinem Beitrag hervorhebst, und der sich dafür auch wirklich gut eignet. Und natürlich ist der "American Way of Life" ein direktes Produkt der 1930er Jahre. Du verweist mit Recht auf die früheren Theorien von Frederick Jackson Turner, die einen besonderen Nationalcharakter bereits im späten 19. Jahrhundert herleiten, aber der "American Way of Life" als Schlagwort erscheint erst in den 30ern und besteht meiner Ansicht nach darin, dass er zwei Ideen untrennbar miteinander verschränkt, die vorher mehr oder weniger separat nebeneinander her gedümpelt sind: nämlich die Idee nationaler Identität einerseits, und und universelle Verantwortung bestimmten Werten gegenüber andererseits. Das Beschützen universaler Werte wird nun als eine spezifisch amerikanische Aufgabe gesehen. Der Begriff "American Way of Life" ist in den 30ern dementsprechend stark mit den universalistischen Gedanken von Zivilisation und Menschenwürde verknüpft.

Du hebst das Thema Wohlstand hervor, und hier wäre sicher auch die Frage zu stellen, inwiefern der New Deal (gerade in seiner ersten Phase) nicht auch zur amerikanischen Formulierung dieser Prämissen beigetragen hat, da hier v.a. innenpolitisch das "Recht" auf würdiges Leben sehr konkret formuliert worden ist und daher gewissermaßen außenpolitisch ableitbar wurde.

Kurze Frage in dem Zusammenhang - du verweist auf einen "D. Potter", ist das David M. Potter? Wenn ja, welches Buch/welcher Essay ist das genau? Das würde ich gern mal nachlesen.
 
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