Huhu,
nochmal dazu, dass Tacitus mit seinem "haud procul" von Lippe/Ems zu weit von Kalkriese weg sei usw.
(Ich habe mir auch den thread zu "haud procul" angesehen.)
Ich denke, "jein".
- Ja nur, wenn man davon ausgeht, dass Kalkriese der einzige/eigentliche/zentrale Ort der Varusschlacht gewesen sein sollte (was ich persönlich für unwahrscheinlich halte).
- Nein, falls das mehrtägige Schlachtereignis eben schon sehr, sehr viele Kilometer süd- bzw. südöstlich von Kalkriese begann und in Kalkriese eben nur am letzten Tag die Reste des arg dezimierten römischen "Heerzugs" ihr Ende fanden.
Dafür dass die Römer, die in Kalkriese aufgerieben wurden, von Süd-Osten gekommen sein dürften, sprechen die vielen Funde entlang der östlichen Ausläufer des Kalkrieser Bergs. Spätestens ab Ostercappel lässt sich der Weg recht gut nachvollziehen. Und von dort bis zur Hauptausgrabungsstelle sind es rund 10 Kilometer Fußweg.
Jetzt aber zu Tacitus und seinem "haud procul".:
Es ist klar, dass wir heute nicht sicher sein können, wo sich Germanicus befand als er entschied, dass er das "haud procul" gelegene Schlachtfeld besuchen will.
Aber Tacitus schreibt (habe leider nur die dt. Übersetzung), dass Germanicus sein Heer weiter bis zu den äußersten Grenzen der Bructerer in das ganze Gebiet zwischen Ems und Lippe führte (von wo es nicht weit zum Schlachtfeld wäre).
Wenn man "weiter" und "äußerste Grenzen der Bructerer" aus "römischer" Sicht, d. h. vom Rhein her kommend interpretiert, so ist wohl eher die östliche bzw. nördliche "Stammesgrenze" als ein weiter westlich gelegener Ort gemeint. - Warum nicht eine Region in der Nähe der Oberläufe von Ems und Lippe?
Ich nehme das für ein Gedankenexperiment mal an, dass es so sei.
Ok, wilde Spekulation:
Spätsommer 15 n. Chr. - Germanicus hat die römischen Truppen in verschiedenen Abteilungen ins Stammesgebiet der Bructerer geschickt, wo die Römer einige Zeit lang ordentlich gewütet haben. Von den Bructerern selbst wird wohl kaum noch großer Widerstand zu erwarten sein. Weiter zeigt sich niemand, den er aktuell überfallen könnte.
Er selbst ist mit seinem Heerteil von Westen her kommend in der Region zwischen den Oberläufen von Lippe und Ems angekommen - vielleicht eher im nördlichen Teil zwischen den Flüssen. Da wird zunehmend erzählt, dass die Überreste der Varuslegionen "nicht weit von hier" liegen. Er fragt nach der Entfernung und erhält zur Antwort: " Och, so ein bis anderthalb Tagesmärsche." (Gemeint ist damit aber nur der Teil der Schlacht, der am nächsten liegt.)
Er beschließt: OK, wenn das so ist, will ich da hin.
Wenn er sich von dort nun nach Norden wendet, ist er in ein bis anderthalb Tagesmärschen durchaus im Bereich des heutigen Teutoburger Waldes (aber eben eher in der Ecke um Bielefeld/Steinhagen als um Detmold.)
Wahrscheinlich trifft man dort irgendwo auf Schlachtreste des ersten(?) Tages. Diejenigen, die sich auskennen, da sie irgendwie davongekommen sind, meinen: "Hier war nur der Beginn, das wurde immer schlimmer, je weiter wir nach Westen wollten. " Man folgt jetzt dem damaligen Weg des Varus-Heerzugs quasi chronologisch von Osten nach Nord-Westen. An Stellen, an denen sehr viele unbestattete Sklette herumliegen, bestattet man sie und legt dabei unter anderem auch den vieldiskutierten Tumulus an. Da sich das Schlachtfeld über sehr viele Kilometer erstreckt und das Schlachten-Sightseeing wohl ebenfalls mindestens drei bis vier Tage dauerte, wird man neben dem repräsentativen Tumulus auch viele einfache Flachgräber angelegt haben, u. a. wohl auch auf dem heutigen Ausgrabungsgelände.
Es ist sicher die Frage, wie weit die Varus-Truppen + Tross tatsächlich in drei Tagen Marsch mit ständigen Angriffen kamen. Von Bielefeld bis zum Museumspark Kalkriese sind es knapp 60 Kilometer Fußweg. Für ein geübtes Heer ist das unter "normalen Umständen" locker zu packen - aber unter den den Umständen der Varusschlacht?
Was hier zusätzlich bedacht werden muss (und weshalb ich es nicht für unwahrscheinlich halte) ist, dass der Heerzug des Varus selbst - zumindest zu Beginn - sehr viele Kilometer umfasst haben muss. Wie lang erstreckt sich ein Heerzug von ca. 20.000 Leuten, die in ungeeignetem Gelände mehr hinter- als nebeneinander marschieren können? 10 Km, 15 km oder noch mehr?
Schon wenn man von 10 km ausgeht, war die Vorhut bereits zwei Stunden unterwegs als die letzten losliefen.
Wenn man nun davon ausgeht, dass anfangs wohl nicht gerade die Vorhut und außerdem nicht der gesamte Zug ständig als Ganzes angegriffen wurde, so können durchaus ganz unterschiedliche Geschwindigkeiten und Marschleistungen einzelner Abschnitte möglich sein (gerade bei zunehmender Panik und Auflösung in den letzten Tagen).
Also ich persönlich halte es schon für möglich, dass sich das ganze Schlachtgeschehen über mind. 50 - 60 km Strecke verteilt haben könnte.
Falls in Kalkriese am Ende nur dem "schnelleren" Rest der 'ömer der Garaus gemacht wurde, halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass die ersten Angriffe (eher auf die Nachhut bzw. Teile weiter hinten im Zug) bereits in einer Ecke standfanden, die durchaus mit dem "haud procul" des Tacitus in Einklang zu bringen sein könnte.
Ist - wie geschrieben - nur ein Gedankenexperiment.
So, nun nehmt mich auseinander
Nur mal so
VG
Nemetona
nochmal dazu, dass Tacitus mit seinem "haud procul" von Lippe/Ems zu weit von Kalkriese weg sei usw.
(Ich habe mir auch den thread zu "haud procul" angesehen.)
Ich denke, "jein".
- Ja nur, wenn man davon ausgeht, dass Kalkriese der einzige/eigentliche/zentrale Ort der Varusschlacht gewesen sein sollte (was ich persönlich für unwahrscheinlich halte).
- Nein, falls das mehrtägige Schlachtereignis eben schon sehr, sehr viele Kilometer süd- bzw. südöstlich von Kalkriese begann und in Kalkriese eben nur am letzten Tag die Reste des arg dezimierten römischen "Heerzugs" ihr Ende fanden.
Dafür dass die Römer, die in Kalkriese aufgerieben wurden, von Süd-Osten gekommen sein dürften, sprechen die vielen Funde entlang der östlichen Ausläufer des Kalkrieser Bergs. Spätestens ab Ostercappel lässt sich der Weg recht gut nachvollziehen. Und von dort bis zur Hauptausgrabungsstelle sind es rund 10 Kilometer Fußweg.
Jetzt aber zu Tacitus und seinem "haud procul".:
Es ist klar, dass wir heute nicht sicher sein können, wo sich Germanicus befand als er entschied, dass er das "haud procul" gelegene Schlachtfeld besuchen will.
Aber Tacitus schreibt (habe leider nur die dt. Übersetzung), dass Germanicus sein Heer weiter bis zu den äußersten Grenzen der Bructerer in das ganze Gebiet zwischen Ems und Lippe führte (von wo es nicht weit zum Schlachtfeld wäre).
Wenn man "weiter" und "äußerste Grenzen der Bructerer" aus "römischer" Sicht, d. h. vom Rhein her kommend interpretiert, so ist wohl eher die östliche bzw. nördliche "Stammesgrenze" als ein weiter westlich gelegener Ort gemeint. - Warum nicht eine Region in der Nähe der Oberläufe von Ems und Lippe?
Ich nehme das für ein Gedankenexperiment mal an, dass es so sei.
Ok, wilde Spekulation:
Spätsommer 15 n. Chr. - Germanicus hat die römischen Truppen in verschiedenen Abteilungen ins Stammesgebiet der Bructerer geschickt, wo die Römer einige Zeit lang ordentlich gewütet haben. Von den Bructerern selbst wird wohl kaum noch großer Widerstand zu erwarten sein. Weiter zeigt sich niemand, den er aktuell überfallen könnte.
Er selbst ist mit seinem Heerteil von Westen her kommend in der Region zwischen den Oberläufen von Lippe und Ems angekommen - vielleicht eher im nördlichen Teil zwischen den Flüssen. Da wird zunehmend erzählt, dass die Überreste der Varuslegionen "nicht weit von hier" liegen. Er fragt nach der Entfernung und erhält zur Antwort: " Och, so ein bis anderthalb Tagesmärsche." (Gemeint ist damit aber nur der Teil der Schlacht, der am nächsten liegt.)
Er beschließt: OK, wenn das so ist, will ich da hin.
Wenn er sich von dort nun nach Norden wendet, ist er in ein bis anderthalb Tagesmärschen durchaus im Bereich des heutigen Teutoburger Waldes (aber eben eher in der Ecke um Bielefeld/Steinhagen als um Detmold.)
Wahrscheinlich trifft man dort irgendwo auf Schlachtreste des ersten(?) Tages. Diejenigen, die sich auskennen, da sie irgendwie davongekommen sind, meinen: "Hier war nur der Beginn, das wurde immer schlimmer, je weiter wir nach Westen wollten. " Man folgt jetzt dem damaligen Weg des Varus-Heerzugs quasi chronologisch von Osten nach Nord-Westen. An Stellen, an denen sehr viele unbestattete Sklette herumliegen, bestattet man sie und legt dabei unter anderem auch den vieldiskutierten Tumulus an. Da sich das Schlachtfeld über sehr viele Kilometer erstreckt und das Schlachten-Sightseeing wohl ebenfalls mindestens drei bis vier Tage dauerte, wird man neben dem repräsentativen Tumulus auch viele einfache Flachgräber angelegt haben, u. a. wohl auch auf dem heutigen Ausgrabungsgelände.
Es ist sicher die Frage, wie weit die Varus-Truppen + Tross tatsächlich in drei Tagen Marsch mit ständigen Angriffen kamen. Von Bielefeld bis zum Museumspark Kalkriese sind es knapp 60 Kilometer Fußweg. Für ein geübtes Heer ist das unter "normalen Umständen" locker zu packen - aber unter den den Umständen der Varusschlacht?
Was hier zusätzlich bedacht werden muss (und weshalb ich es nicht für unwahrscheinlich halte) ist, dass der Heerzug des Varus selbst - zumindest zu Beginn - sehr viele Kilometer umfasst haben muss. Wie lang erstreckt sich ein Heerzug von ca. 20.000 Leuten, die in ungeeignetem Gelände mehr hinter- als nebeneinander marschieren können? 10 Km, 15 km oder noch mehr?
Schon wenn man von 10 km ausgeht, war die Vorhut bereits zwei Stunden unterwegs als die letzten losliefen.
Wenn man nun davon ausgeht, dass anfangs wohl nicht gerade die Vorhut und außerdem nicht der gesamte Zug ständig als Ganzes angegriffen wurde, so können durchaus ganz unterschiedliche Geschwindigkeiten und Marschleistungen einzelner Abschnitte möglich sein (gerade bei zunehmender Panik und Auflösung in den letzten Tagen).
Also ich persönlich halte es schon für möglich, dass sich das ganze Schlachtgeschehen über mind. 50 - 60 km Strecke verteilt haben könnte.
Falls in Kalkriese am Ende nur dem "schnelleren" Rest der 'ömer der Garaus gemacht wurde, halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass die ersten Angriffe (eher auf die Nachhut bzw. Teile weiter hinten im Zug) bereits in einer Ecke standfanden, die durchaus mit dem "haud procul" des Tacitus in Einklang zu bringen sein könnte.
Ist - wie geschrieben - nur ein Gedankenexperiment.
So, nun nehmt mich auseinander
Nur mal so
VG
Nemetona