Karthago besiegt Rom; und dann?

Solche Truppen reichen um stark befestigte Städte wie Rom zu verteidigen, haben aber nur schlechte Aussichten in einer offenen Feldschlacht.
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Deswegen stellten sich Sie auch keiner Feldschlacht und Hannibal stellte sich aus diesem Grund keiner Belagerung Roms, auch die Belagerung von Nola war ja nicht besonders erfolgreich.

Wenn also Rom trotz seiner Niederlagen, weiterhin nicht zu schlagen war, frage ich mich wie den Hannibal siegen hätte können. Er selbst wohl er nicht, aber wären die Erfolge in Spanien ausgeblieben dann wären die Römer zum einlenken bereit gewesen. Aber selbst dann wäre Rom nicht vernichtet gewesen sondern hätte wohl auf Sizilien, Sardinien und Korsika verzichten müssen.

Ist eigentlich bekannt in welchem Zustand die Mauern waren?
 
Ich habe grade gelesen, dass die Servische Mauer in einem guten Zustand war, da sie in jüngerer Zeit wieder frisch in Stand gesetzt worden war. Die Quelle kann ich dir leider spontan nicht nennen; es war vermutlich entweder bei Seibert oder Zimmermann... zuviel gelesen in letzter Zeit, ohne Notizen zu machen, mist. ;)
 
Zur Ausgangsfrage: Der widmet sich Johannes Kromayer in seinem Aufsatz von 1909, "Hannibal als Staatsmann", in Karl Christ (Hg.): Hannibal. Wege der Forschung. Darmstadt 1974.

Er argumentiert (ähnlich wie im selben Band A. D. Fitton Brown), dass bei einem Sieg Hannibals und einem so entstandenen Gleichgewicht Rom-Karthago Karthago selbst kein Interesse an Weltherrschaft gehabt hätte, und der nächstliegende Kandidat für eine weitere Ausdehnung Makedonien gewesen wäre. Die Ausdehnung ist in dem Falle durchaus mindestens ebenso kulturell wie kriegerisch zu verstehen.

Kromayer sieht einen heterogenen Mittelmeerraum, in dem Rom die oskischen und italiotischen Kulturen Süditaliens, die keltischen Spaniens, Norditaliens und Galliens nicht beherrscht hatte, und in denen sich die griechische Kultur problemlos ausgebreitet hätte, wie im 3. Jahrhundert schon abzusehen, aber durch Roms Vormarsch gestoppt. In Karthago hätte diese Kultur vermutlich einen noch fruchtbareren Nährboden gehabt als vor dem 2. punischen Krieg (dies ist meine Vermutung, nicht Kromayers), weil das lange Rivalitätsverhältnis der beiden durch den Vertrag mit Philipp endgültig abgeschächt wäre, so dass auch hier eine weitere Hellenisierung hätte fortschreiten können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Neubewertung Karthagos und der Sicht eines Handelsstaates unternimmt:

Walter Ameling, Karthago. Studien zu Militär, Staat und Gesellschaft.

Für mich war das einigermaßen überzeugend, dass Karthago nicht so sonderlich verschieden war zu den anderen antiken Staaten.


Darin finde ich, S. 186 in der von Thanepower verlinkte Ausgabe Folgendes:

"Die Einführung des karthagischen Söldnerheeres wird meistens mit Vorstellungen vom Händlerstaat oder mit besonderen Charakterzügen der phönizisch-punischen Volksgruppe motiviert. [...] Problematisch ist an diesen Erklärungen, dass sie von Voraussetzungen ausgehen, die eigentlich unbewiesen sind - um von der wissenschaftsgeschichtlichen Ableitung aus deutlich antisemitischen Vorstellungen ganz zu schweigen."
Soweit also Ameling.
 
Zur Ausgangsfrage: Der widmet sich Johannes Kromayer in seinem Aufsatz von 1909, "Hannibal als Staatsmann", in Karl Christ (Hg.): Hannibal. Wege der Forschung. Darmstadt 1974.

Er argumentiert (ähnlich wie im selben Band A. D. Fitton Brown), dass bei einem Sieg Hannibals und einem so entstandenen Gleichgewicht Rom-Karthago Karthago selbst kein Interesse an Weltherrschaft gehabt hätte, und der nächstliegende Kandidat für eine weitere Ausdehnung Makedonien gewesen wäre. Die Ausdehnung ist in dem Falle durchaus mindestens ebenso kulturell wie kriegerisch zu verstehen.

Das habe ich weiter oben (Beitrag # 73) ähnlich formuliert. Wir haben Gelegenheit, die Geschichte Karthagos über einen Zeitraum von rund 600 Jahren zu verfolgen. Weder gibt es in dieser Zeit einen karthagischen Imperialismus noch ist ein Bestreben feststellbar, große Territorien zu erobern und sie zu einer "Weltmacht" zusammenzufügen. Ganz anders Rom, das nach 600 Jahren bereits Vorderasien, Nordafrika und große Teile Europas unter seine Herrschaft gebracht hatte.

Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass Karthago vor allem darauf bedacht war, seine Machtposition im Mittelmeer zu verteidigen und seine Stützpunkte, Handelsfaktoreien und Inseln zu bewahren. Somit war die karthagische Außenpolitik vorwiegend defensiv ausgerichtet, die römische hingegen offensiv oder sogar aggressiv.

Kromayer sieht einen heterogenen Mittelmeerraum, in dem Rom die oskischen und italiotischen Kulturen Süditaliens, die keltischen Spaniens, Norditaliens und Galliens nicht beherrscht hatte, und in denen sich die griechische Kultur problemlos ausgebreitet hätte, wie im 3. Jahrhundert schon abzusehen, aber durch Roms Vormarsch gestoppt. In Karthago hätte diese Kultur vermutlich einen noch fruchtbareren Nährboden gehabt als vor dem 2. punischen Krieg (dies ist meine Vermutung, nicht Kromayers), weil das lange Rivalitätsverhältnis der beiden durch den Vertrag mit Philipp endgültig abgeschächt wäre, so dass auch hier eine weitere Hellenisierung hätte fortschreiten können.

Das sehe ich ähnlich. Ohne Rom hätte sich die griechische Kultur noch stärker ausgebreitet, wobei neue griechische Kolonien im Mittelmeer die Rivalität mit Karthago verstärkt hätten. Bleibt nur noch die Frage, welche Macht schließlich neben Karthago die erste Geige gespielt hätte. Da ist der Spekulation natürlich Tür und Tor geöffnet, denn es ist kaum absehbar, welche Regionalmacht das sein könnte.
 
Soweit also Ameling.

Einen schönen Beitrag, der sich mit Amelings Sicht auf Karthago und dem Stereotyp "Handelsmacht" beschäftigt, findet man hier: http://www.geschichtsforum.de/177685-post95.html

Dass die Phönizier und Punier ganz allgemein ein schlechtes Image im Mittelmeerraum genossen, wird hier ausgeführt:

Das so entschieden negative Bild, das die Karthager bei ihren römischen Nachbarn hervorriefen, teilten sie im übrigen mit ihren Ahnen und Stammesbrüdern, den Phöniziern im Ostmittelmeerraum, in deren Verhältnis zu den Griechen. Aufschlussreich ist der Vergleich mit der verächtlichen Charakterisierung der schon früh im ersten Jahrtausend v. Chr. im Mittelmeerraum aktiven und bekannten phönizischen Kufleute in der "Odyssee" Homers, wo diese als gewinnsüchtige Betrüger und ausdrücklich als Halunken beschrieben werden (14, 288-291; 15,415-422).

Jedenfalls ist festzuhalten, dass die europäischen Nachbarn gleichermaßen die phönizische wie die karthagisch-punische Kultur eher verabscheuten und als feindlich, mindestens aber als durch und durch fremd begriffen haben. Kein Wunder also, dass die Nachrichten über Phönizier und Punier, die sich in der griechischenn und lateinischen Überlieferung finden lassen ... oft genug die tatsächlichen Verhältnisse verzerren. Dies gilt übrigens auch für die Geschichtsbücher im Alten Testament.

(Hans Georg Niemyer, Mythos und Geschichte, Orient und Okzident, in: Hannibal ad portas, Stuttgart 2004, S. 39 f.)
 
Zuletzt bearbeitet:
:lol: Trotzdem guter Punkt. Die Art und Weise, wie die Phönizier und Karthager bei ihren Nachbarstaaten wegkamen, erinnert dann auch stark gegen die jahrhundertelangen Vorurteile gegen Juden...
 
:lol: Trotzdem guter Punkt. Die Art und Weise, wie die Phönizier und Karthager bei ihren Nachbarstaaten wegkamen, erinnert dann auch stark gegen die jahrhundertelangen Vorurteile gegen Juden...

Das müssen ja nicht in jedem Fall Vorurteile gewesen sein. Möglicherweise waren die Phönizier tatsächlich besonders geschickte Händler, sonst hätten sie nicht im Mittelmeer diesen Ruf besessen, der oben im Beitrag # 96 beschrieben wird. Vermutlich werden ihnen griechische Händler kaum nachgestanden haben.

In jedem Fall waren die phönizischen Stadtstaaten - vor allem Byblos, Tyros und Sidon - mit ihren Häfen und Flotten ganz auf den Handel ausgerichtet, wobei sie aus Asien kommende Waren weiter verschifften und auch eigene Erzeugnisse in ihren über das ganze Mittelmeer verstreuten Faktoreien und Stützpunkten anboten. http://www.google.de/imgres?imgurl=...chOUu2FBcSVswbY_YCYCg&ved=0CFUQ9QEwBg&dur=459
 
Dass eine gewisse Volksgruppe - weil ihnen z. B. Handel näher liegt als Krieg, oder, im Falle der Juden, weil ihnen das "schmutzige" Geschäft mit dem Geld erlaubt war - reicher war als eine andere, ist in der Tat kein Vorurteil - dass sie das aber zu schmierigen und feigen Krämerseelen macht, das meinte ich mit Vorurteilen.
 
Dass eine gewisse Volksgruppe - weil ihnen z. B. Handel näher liegt als Krieg, oder, im Falle der Juden, weil ihnen das "schmutzige" Geschäft mit dem Geld erlaubt war - reicher war als eine andere, ist in der Tat kein Vorurteil - dass sie das aber zu schmierigen und feigen Krämerseelen macht, das meinte ich mit Vorurteilen.

Antisemitische Reflexe würde ich bei den zeitgenössischen Urteilen über die Phönizier nicht sehen. Hebräer und Phönizier waren zwei verschiedene Völker, auch wenn eine sprachliche Verwandtschaft der beiden nordwestsemetischen Sprachen besteht. Wenn Griechen auf die Phönizier schimpften, so ist da sicher Konkurrenzneid vorhanden, denn die griechischen und phönizischen Kolonien wandten sich schließlich beim Handel an den gleichen Kundenkreis. In meinem Zitat weiter oben heißt es dazu:

"Das so entschieden negative Bild, das die Karthager bei ihren römischen Nachbarn hervorriefen, teilten sie im übrigen mit ihren Ahnen und Stammesbrüdern, den Phöniziern im Ostmittelmeerraum, in deren Verhältnis zu den Griechen. Aufschlussreich ist der Vergleich mit der verächtlichen Charakterisierung der schon früh im ersten Jahrtausend v. Chr. im Mittelmeerraum aktiven und bekannten phönizischen Kufleute in der "Odyssee" Homers, wo diese als gewinnsüchtige Betrüger und ausdrücklich als Halunken beschrieben werden (14, 288-291; 15,415-422)"
 
Handel, Geldwesen schienen auch in Rom ja teilweise im schlechten Ruf den Senatoren wurde ja offiziell verboten irgendwie anders als durch ihre Latifundrien Geld zu verdienen (was sie über freigelassene Sklaven) ja doch taten.

Dieter: Mir persönlich und Eichelhäher glaube ich auch (wenn es nicht stimmt dann korrigieren), dass Völker welche ihr Geld mit Handel e.t.c. betreiben häufig von ihrer Umgebung verachtet werden, was durch den Neid auf ihren Wohlstand zu erklären ist. Das hat dann nichts mit Antisemitismus zu tun.
 
Eben - von Antisemitismus habe ich nicht gesprochen, nur von Neid und Vorurteilen gegen "reiche Nachbarn". Ich hätte auch das Bundesland Bayern nennen können. ;)
 
Handel, Geldwesen schienen auch in Rom ja teilweise im schlechten Ruf den Senatoren wurde ja offiziell verboten irgendwie anders als durch ihre Latifundrien Geld zu verdienen (was sie über freigelassene Sklaven) ja doch taten.

Sicher. Das galt auch für das christliche Abendland des Mittelalters - und, soweit mir das bekannt ist - ohnehin für Muslime, die nicht einmal Zins nehmen duften. Sie mogelten sich dann irgendwie drumherum.

Dieter: Mir persönlich und Eichelhäher glaube ich auch (wenn es nicht stimmt dann korrigieren), dass Völker welche ihr Geld mit Handel e.t.c. betreiben häufig von ihrer Umgebung verachtet werden, was durch den Neid auf ihren Wohlstand zu erklären ist. Das hat dann nichts mit Antisemitismus zu tun.

Wenn handeltreibende Gruppen reich werden, ist Neid und Missgunst der anderen die Folge. Dennoch haben es einige erreicht, sich diesem schlechten Ruf zu entziehen. So war das antike Athen eine große Handelsmetropole, was auch für Konstantinopel gilt. Die griechischen Kolonien rund um das Mittelmeer lebten wie die konkurrierenden Phönizier (und später Karthager) vom Handel. Ungerechterweise blieb aber der miese Ruf an den Phöniziern und Karthagern haften. Es mag allerdings sein, dass Griechen und Römer ein publizistisches Monopol hatten und es demzufolge leichter fiel, die unliebsamen Konkurrenten zu verleumden und herabzusetzen.
 
Die Frage "warum mochte eigentlich niemand die Karthager" ist nicht leicht zu beantworten. Neben dem Konkurrenzempfinden mag sich da auch genuine Abgestoßenheit von der elitären, exklusiven Gesellschaft, der (für Griechen) schlappen kulturellen Leistung und der (für Römer) widerlichen Geschäftstüchtigkeit hineinmischen.
Nicht zuletzt: die mysteriöse, abgeschiedene, finstere Religion, Kinderopfer.
 
Weil: Kinder im Wald aussetzen und Griechen lebendig begraben ist ja ganz was anderes! ;)

Das gehört nicht hierher. Bin schon still.
 
Na, ich glaube schon, dass es diverse römische "Tugenden" gab, welche eine besondere Entwicklung bevorzugten - und die in den konkurrierenden Staaten nicht gegeben waren.
Diese Tugenden waren m. E. weder Tapferkeit, Standhaftigkeit, Stärke oder gar Treue (spätestens hier würden mich die Senatoren zur Tür rausschmeissen) sondern Adaptivität, bürgerliche Teilhabe, Technokratie und Opportunismus.
Ich kann mich immer noch nicht mit der Annahme einer Besonderheit Roms anfreunden. Über die inneren Verhältnisse der Städte Latiums und Etruriens wissen wir wenig, über die der sonstigen Nachbarn wie der Volsker, Sabiner, Aequer oder Herniker so gut wie gar nichts. Somit halte ich es für unmöglich zu sagen, dass die Römer in ihrer Frühzeit anders als ihre Konkurrenten waren; es spricht auch nichts dafür. Später, als sie die Herrschaft über Italien erlangt hatten, waren sie eigentlich kaum noch zu stoppen, da sie über ein wesentlich höheres Rekrutenpotential als ihre meisten Konkurrenten verfügten und daher auch Niederlagen leichter wegstecken konnten.
Insofern gab es meiner Meinung nach höchstens zwei römische "Tugenden", welche eine besondere Entwicklung bevorzugten: Der Wille auch nach Niederlagen immer noch weiter zu machen, bis man letztlich doch noch siegte, und der Trend, Italien mit einem Netz von Siedlungskolonien zu überziehen, die einen entsprechenden Bevölkerungszuwachs ermöglichten und auch als Stützpunkte zur Gefügighaltung der unterworfenen Völkerschaften dienen konnten.
Ersteres konnten sie sich allerdings nur leisten, weil sie über die entsprechende Mannschaftsstärke verfügten, was die "Tugend" relativiert. Andere Nationen wären vielleicht auch dazu bereit gewesen, nur gingen ihnen die Soldaten oder das Geld zum Anheuern von Söldnern aus.

Adaptivität in der Gabe, sich auf veränderte Verhältnisse mit geändertem Verhalten einzustellen: Notstandsgesetze, Zwangslagen führen nicht zum Zerbrechen des Staates und Übernahme durch "Warlords" sondern selbst die Dictatoren wurden kontrolliert und befristet ermächtigt. Und hatten den Anstand, danach wieder in die zweiten Reihen zurückzutreten (in einer morbiden Version machte das sogar Sulla noch als "Pensionär").
Das hatte allerdings wohl kaum mit "Anstand" zu tun, sondern eher damit, dass ihnen wohl nichts anderes übrigblieb: Es bestand einfach keine hinreichende Bindung der Bürgersoldaten an den Dictator, als dass er sie auch gegen die republikanische Ordnung hätte führen können. Generell führten die befristeten militärischen Kommandos der Konsuln und Dictatoren sowie ihre Aufteilung auf mehrere Feldherrn - so nachteilig die Befristung und Aufteilung aus militärischer Sicht mitunter waren - dazu, dass keine Warlords heranwachsen konnten.
Das war in Karthago allerdings lange Zeit auch nicht viel anders. Zwar gab es oft nur einen Feldherrn für einen großen Feldzug, der oft auch längere Zeit sein Kommando behielt, aber im Fall eines Misserfolgs war er trotzdem erledigt und wurde mitunter sogar hingerichtet. Bomilkars Putschversuch 308 v. Chr. scheiterte ebenso wie diverse legendenumwobene Putschversuche in der frühen römischen Republik.
Die Barkiden hingegen lassen sich durchaus mit Römern wie Sertorius oder Caesar vergleichen, denen es gelang, sich durch den Aufbau einer eigenen territorialen Machtgrundlage Hilfsmittel und die Loyalität ihrer Truppen zu sichern. In Karthago setzte diese Entwicklung nur früher ein.
Ansonsten war das Einstellen auf geänderte Verhältnisse auch in Rom ein langwieriger Prozess: Allein bis zur weitgehenden Gleichstellung der Plebejer brauchte man über zweihundert Jahre.

Zu Teilhabe und Technokratie habe ich schonmal geschrieben; Opportunismus insofern als dass ein exzellentes Geschick darin bestand, Zwangslagen der Gegner und/oder potentiellen Opfer zu erkennen und auszunutzen. Siehe Annektion Sardiniens während sich Hamilkar Barkas mit seinen Ex-Söldnern herumprügelte.
Ich glaube aber nicht, dass das eine römische Besonderheit war.

Noch eins ist mir aufgefallen: der römische Senat hatte 300 Mitglieder, bei einem relativ hohen politischen Gewicht des Einzelnen. Ich habe nicht allzuviele Hinweise auf die Größe der karthagischen Gerusia gefunden, es scheinen ebenfalls 300 gewesen zu sein, aus denen sich aber ein wichtigerer Kreis von 104 rekrutierte; d. h. 2/3 weniger Gehirnmasse und weniger Sozialkontrolle, dafür mehr persönliche Bereicherungsmöglichkeit als in Rom. Das kann eine Nebensache sein, aber trotzdem interessant.
Woraus schließt Du auf ein relativ hohes politisches Gewicht des einzelnen Senators? In der späten Republik waren die meisten Senatoren halb-gescheiterte Politiker, die es über die Quaestur oder allenfalls das Volkstribunat bzw. die Aedilität nicht hinausgebracht hatten. U. a. in Ciceros "Philippica" sieht man eigentlich sehr schön, dass nur maximal ein paar Dutzend Senatoren im Senat wirklich aktiv waren; der Rest waren wohl Hinterbänkler.
Für die frühere, für diesen Thread relevante, Zeit ist zwar unklar, wie man konkret zum Senator bestellt wurde, allerdings waren die Senatoren zumindest relativ hilflos den Censoren ausgeliefert. Ansonsten wissen wir über die Vorgänge im Senat, insbesondere das Rede- und Abstimmungsverhalten, recht wenig. Einen authentischen lebendigen Einblick in den Senatsalltag ihrer Zeit bieten uns eigentlich nur Cicero und Plinius der Jüngere.
 
Die Frage "warum mochte eigentlich niemand die Karthager" ist nicht leicht zu beantworten. Neben dem Konkurrenzempfinden mag sich da auch genuine Abgestoßenheit von der elitären, exklusiven Gesellschaft, der (für Griechen) schlappen kulturellen Leistung und der (für Römer) widerlichen Geschäftstüchtigkeit hineinmischen.
Nicht zuletzt: die mysteriöse, abgeschiedene, finstere Religion, Kinderopfer.

Das sind auch für mich die zentralen Punkte: Konkurrenzneid, die Fremdheit der karthagisch-phönizischen Kultur, unbekannte Götter, der Vorwurf ritueller Opferung von Kindern (obwohl das bis heute entweder widerlegt oder zumindest strittig ist) und die Präsenz punischer Kaufleute im ganzen Mittelmeer, was für bestimmte Zeiträume einem Handelsmonopol nahegekommen sein mag - zumindest im westlichen Mittelmeer.

Ein staatliches Selbstverständnis des karthagischen Staates wird es gegeben haben, doch beschränkte sich das möglichwerweise auf die Stadt Karthago und ihr Umland, wo die Punier konzentriert siedelten. Der Charakter des Stadtstaates bleibt ja trotz der Kolonialgebiete in Spanien und im Mittelmeer unverkennbar und verweist auf das Erbe der phönikischen Stadtstaaten im Osten. Auch auf dem Gipfel seiner Macht war Karthago nie ein imperialer Staat im üblichen Sinn des Wortes. Wenn die phönikischen Kolonien des Westens an Karthago gebunden und von ihm abhängig waren, so geschah es objektiv durch die größere Macht, aber nicht durch eine Politik der Annexion und unmittelbaren Oberherrschaft.

Die Bürger der unterschiedliche Kolonien im Mittelmeer wurden nie als karthagisch angesehen und schlugen ihre eigenen Münzen – auf Sizilien und Ibiza sowie Cadiz. Soviel wir wissen, waren ihre Regierungen autonom; in Malta, Tharros und Cadiz spricht man von Suffeten und eine maltesische Inschrift erwähnt ein Regierungssystem mit Suffeten, Senat und Volk.

Nach dem System der phönikischen Stadtstaaten wie Tyros, Sidon oder Byblos bemühte sich auch Karthago um die Erweiterung des umliegenden Territoriums, doch erreichte dies nicht das Ausmaß, um den wesentlich städtischen Charakter des karthagischen Staates zu wandeln. Zudem ist zu beachten, dass im Innern des so vergrößerten Territoriums Städte wie Utica und Hadrumetum ihre innere Autonomie bewahrt haben.

Berücksicht man all diese Elemente, so erscheint Karthago doch als einmaliges Staatswesen, das sich von der Struktur des römischen Staates und der griechischen Polis deutlich abhebt. Nimmt man dann noch die in den Westen verpflanzte orientalische Religion hinzu, vertieft sich dieser Eindruck.

Das alles sind Gründe, warum die Karthago von Römern und Griechen als Fremdkörper betrachtet wurde, was in zeitgenössischen Quellen zum Ausdruck kommt.
 
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