Vielleicht sollte man dies mal lesen:
http://www.bombenkrieg.historicum.net/themen/luftangriffe.html schrieb:Die Bombardierung von Warschau Ende September 1939 und Rotterdam am 14. Mai 1940 ist ein ähnlich gelagerter Fall wie Guernica. Beide Städte waren verteidigte Festungen, Luftangriffe sollten dazu beitragen, die sich heftig wehrenden Verteidiger zur Aufgabe zu zwingen. In beiden Fällen war die Zivilbevölkerung gewiß nicht das Hauptziel, doch die Luftwaffe betrachtete es zweifellos als willkommenen Nebeneffekt, wenn die Zivilbevölkerung ebenfalls getroffen wurde und sich so der Druck auf die Militärs verstärkte, den Kampf einzustellen.
Im Fall von Rotterdam liegt eine besondere Tragik darin, daß zum Zeitpunkt des Angriffs, die holländische Besatzung bereits kapituliert hatte, aber nur noch ein Drittel der anfliegenden Bomber zurückgerufen werden konnte. Der Rest warf seine tödliche Fracht auf die Innenstadt ab und tötete über 900 Zivilisten.
Von September 1940 bis Mai 1941 flog die deutsche Luftwaffe dann die erste große Luftoffensive der Geschichte gegen feindliche Städte. Symbol dieser Angriffe ist Coventry, das in der Nacht zum 15. November 1940 von deutschen Bomben verwüstet wurde, wobei 554 Zivilisten starben. Hitlers Sportpalastrede vom 4. September 1940, in der er selbstbewußt verkündete, daß man die britischen Städte ausradieren werde und das Goebbelsche Wort vom „Coventrisieren“ einer Stadt wurden bis zuletzt als hinreichende Belege eines ungezügelten deutschen Vernichtungswillens gegenüber der britischen Zivilbevölkerung interpretiert. In der Tat haben die Einwohner der bombardierten Städte, insbesondere von London, die deutschen Luftangriffe als Terrorangriffe wahrgenommen, die unterschiedslos militärische und zivile Ziele trafen. Wie anfangs eingefordert darf man aber auch in diesem Fall die verschiedenen Ebenen der Betrachtung nicht durcheinanderwerfen.
Die Aussagen von Hitler und Goebbels waren geflügelte Worte im Propagandakrieg, die ebenso wenig Rückschlüsse auf die deutschen Intentionen zulassen, wie die Empfindungen der Betroffenen. Das Studium der Quellen ergibt, daß sich Hitler Terrorangriffe als letztes Mittel im Kampf gegen Großbritannien ausdrücklich vorbehalten hatte und diese bis ins Frühjahr 1942 hinein nicht gestattete. Die deutsche Luftoffensive zielte vielmehr auf militärische Ziele, in London vor allem auf das Regierungsviertel und die Docklands, in Coventry auf die Flugzeugmotorenwerke.
Bei der Unzulänglichkeit damaliger Bombenabwürfe - zumal bei Nacht - waren die Angriffe nicht sehr präzise, vernichteten daher weite Areale, die nicht zum Zielgebiet gehört hatten. Freilich kann auch hier nicht von der Hand gewiesen werden, daß die Luftwaffenführung die Zerstörung von Wohnvierteln und die Tötung von Zivilisten billigend in Kauf genommen hat und sich davon quasi als Nebeneffekt erhoffte, daß die Moral der Zivilbevölkerung schwer beeinträchtigt werden würde.
Den letzten großen Luftangriff flog die Luftwaffe am 10. Mai 1941 gegen London. Danach wurde die Masse der Bomberverbände in den Osten verlegt. Bis Anfang 1944 richteten sich schwache Angriffe, die kaum als Nadelstiche bezeichnet werden können, vor allem gegen Hafenstädte. Im April 1942 griff die Luftflotte 3 zur Vergeltung britischer Angriffe auf Lübeck und Rostock zum ersten Mal dezidiert rein zivile Ziele an. Die Bombardierung von historischen Städten wie Bath und Canterbury blieb angesichts der Schwäche der deutschen Luftstreitkräfte jedoch weitgehend folgenlos.
Zur Befriedigung von Hitlers unbeugsamem Drang nach Vergeltung flog die Luftwaffe von Januar bis Mai 1944 mit stärkeren Kräfte eine Luftoffensive vor allem wieder gegen London. Von den Engländern als „Baby-Blitz“ verspottet, blieb dieser Versuch, englischen Städten schweren Schaden zuzufügen angesichts der starken britischen Luftabwehr weitgehend erfolglos. Die am 13. Juni 1944 begonnene Beschießung Londons mit V-1 Raketen, zu der ab September 1944 noch der Einsatz der V-2 hinzukam, markiert den Endpunkt deutscher Angriffe gegen britische Städte, die sich in ihrer Intention nicht mehr von den britischen Angriffen unterschieden.
Die Kriegsparteien waren damit auf derselben Stufe einer unterschiedslosen Kriegführung angekommen, bei der sich freilich die verfügbaren Mittel signifikant unterschieden haben. Insgesamt sind rund 42.000 britische Zivilisten während des Zweiten Weltkrieges deutschen Bomben zum Opfer gefallen. Wie im Ersten Weltkrieg haben die deutschen Luftangriffe den verantwortlichen Politikern und Militärs als moralische Rechtfertigung gedient, ihrerseits die deutsche Zivilbevölkerung zum Ziel von Luftangriffen zu machen. Dies darf jedoch nicht von dem Umstand ablenken, daß die alliierte Luftoffensive gegen Deutschland nicht einem Vergeltungsgedanken entsprang, sondern einer eigenständig entwickelten Luftkriegsdoktrin, die auch ohne die deutschen Angriffen zur Entfaltung gekommen wäre.
Zuletzt bearbeitet: