im seit langem geteilten Polen belauerten sich die Großmächte D, Ö-U und R und rüsteten massiv - anders lässt sich im späten 19. und frühen 20. Jh. der gewaltige Festungsbau auf heute polnischem Boden nicht erklären. Das wurde von allen dreien wohl abseits der offiziellen Diplomatie als potenzieller Kriegsschauplatz eingeschätzt.
Die Haltung zu den Großfestungen war in Russland nicht konfliktfrei und hatte massive Auswirkungen sowohl auf die Nutzung der Artillerie insgesamt und auch auf die Verteilung der Budgets. Es kam dabei zu massiven Konflikten der einzelnen Interessengruppen. Heer gegen die Marine, Feldheer gegen Festungsvertreter etc.
Die traditionelle zentrale Rolle der Festungen in Russland basierte auf ihrer Funktion als zentrale Orte für die Mobilisierung zu fungieren. Für Russland hatten sie eine besondere Bedeutung, da der Mobilisierungsprozess aufgrund der Größe des Landes und der schlechten Infrastruktur deutlich langsamer durchgeführt wurde wie bei den westlichen Nacharn.
Vor 1910 lag der Schwerpunkt der Gebiete, aus denen die Reserven für die Mobilisierung gezogen wurden, im westlichen Bereich von Russland bzw. in Polen [3, S. 224]. Da der Prozss der Mobilisierung ab 1910 ins Innere von Russland verlegt worden ist und in die 1. Phase der Mobilisierung der Einheiten und in die 2. Phase die Konzentration (Dislozierung) zerfiel, hatten die Festungen eine abnehmende Bedeutung für den eigentlichen Mobilisierungsprozess, [4.S. 167].
Wenngleich unter den Bedingungen von „Plan 19“ respektive „Plan 20“ eine offensivere Konzentration der russischen Armeen angestrebt worden ist und somit die Gefahr einer Störung des russischen Aufmarsches durch mobile deutsche Einheiten deutlich zugenommen hatte. Aus dieser gestiegenen Anfälligkeit der russischen Konzentrationsphase resultiert dann auch die Bedeutung der Maßnahmen vor der eigentlichen Mobilisierungsperiode.
Um 1900 waren diese Festungen weitgehend veraltet und konnten den Schutz für die Mobiliisierung nicht mehr gewährleisten. Vor diesem Hintergrund setzte sich Kriegsminister Sukhomlinow dafür ein, die Festungen zu schleifen. Sein Stellvertreter, Polivanow sprach sich dagegen aus und um 1912 wurde das Programm gestrichen, die Festungen zu schleifen [2, S. 30 ff].
Die Artillerie der Festungen erhielt eine hohe Bedeutung und wurde durch enorme Budgets unterstützt. Diese Mittelzuteilung ging teilweise zu Lasten der Feldartillerie [1, S. 298 ff].
Das führte dazu, dass in 1914 der Festungsartillerie eine überproportionale gute Ausstattung an schwerer Artillerie zur Verfügung stand. Im Rahmen des „Großen Programms“ , das zur durchgreifenden Modernisierung der russischen Armee konzipiert war, sollte der Festungsartillerie zusätzlich 516 schwere Haubitzen zugeteilt werden, während das Feldheer lediglich 228 erhalten sollte.
In 1914 umfaßte die Festungsartillerie 2813 moderne Geschütze und entzog somit der Feldartillerie einen hohen Anteil. [2, S. 32]
In der Konsequenz führte es dazu, dass der Anteil an Infantristen zu Geschützen in der russischen Feldarmee deutlich schlechter war wie in der deutschen Armee. Allerdings lag der russische Anteil in etwa bei dem Anteil der Franzosen.
Die aktuelle Ausstattung größerer Kaliber im Juli 1914 entsprach in vielen Bereichen dann auch den Planvorgaben aus dem dem Mobilisierungsplan von 1912 [1, S. 299]
.........................................Ist .....Prozentuale Erfüllung
4..2 inch Haubitzen ............. 88 ............ 105
4.2 inch Granaten ............. 22.344 ......... 25
4.8 inch Haubitzen ............. 586 ............. 91
4.8 inch Granten ............. 512.000 ......... 88
6 inch Kanonen................... 172 ............ 96
6 inch Granaten ............... 99.910 .......... 61
Die Betonung der Festungen und der Bereitstellung moderner Artillerie wirkte sich nicht nur negativ auf den Anteil der mobilen Artillerie aus, sondern sie hatte ebenfalls einen Einfluss auf die Bereitstellung von Munition. Wobei der Anfangsbestand, gemessen an den Erfahrungen aus dem japanisch russischen Krieg als durchaus akzeptabel betrachtet worden ist. Allerdings ohne sich Gedanken über den immensen Bedarf Gedanken zu machen, der einsetzen würde, sofern die Schlachen begannen und zu den „Munitions-Schocks“ führte. Indem man feststellte, dass kein ausreichende Nachschub für die Kampftätigkeit vorhanden war.
Ihre militärische Bedeutung konnten die Festungen nach Ausbruch des Krieges nicht unter Beweis stellen. Warschau, Novogeorgieviesk, Kovno, Grodno, Osowiec und Brest-Litowsk wurden nach Tagen „sturmreif“ geschossen und gaben auf. [2, S. 32]
[1] P. Gatrell: Government, industry and rearmament in Russia, 1900 – 1904, 1994
[2] N. Stone: The Eastern Front 1914 – 1917
[3] B. Menning: Bayonets before Bullets. The imperial Russian army 1861-1914. 1992
[4] D. Stevenson: War by Timetable: The Railway Race before 1914. Past and Present. No 162 Feb. 1999, S. 163-194