Weshalb Russland aus dem Krieg ausschied ist ein komplexes Thema.
Nach der große Niederlage des Jahres 1915 nutzte der Zar die günstige Gelegenheit um den Großfürsten Nikolaj Nikokewitsch abzulösen. Ein nicht ganz unwichtiger Grund dafür dürfte gewesen sein, das der Großfürst nicht bereit war der Zarin und Rasputin Einfliß auf die Belange der Armee einzuräumen. Durch seine Ablösung jedenfalls gelangte die Zarin Alexandra zu deutlich mehr Einfluß, ja sie wurde zu einer wichtigen Schlüsselfigur in den Entscheidungsprozessen. Im Herbst 1915 wurde die Duma aufgelöst und die Minister die nicht damit einverstanden ware, wurden gefeuert. Das künfitge Kabinett waren nur noch Marionetten der Zarin. Von Kriegsbeginn bis Februar 1917 amtierten im Zarenreich insgesamt vier Ministerpräsidenten, fünf Innenminister, drei Außenminister, drei Verkehrsminister und vier Landwirtschaftsmnister. Von stabilen politischen Verhältnissen kann hier wohl eine Rede sein. Wichtigester gesichtspunkt bei den personalpolitischen Entscheidungen, war die Sicherung und Erhaltung der Macht des Zarismus. Dagegen regte sich im Lande mehr und mehr Widerstand, beispielsweise bei den liberalen Oppositionspolitkern.
1916 gelang den Russen mit de sogenannten Brussilow Offensive noch ein Erfolg. Dadurch habe sich aber die Fronten der Russen verlängert und strapizierte noch mehr die überspannte Logistik.
Im Inneren gärte es weiter, es wurde ja schon mehr oder weniger öffentlich über einen Staatsstreich diskutiert. Die Unzufriedenheit hatte natürlich auch ihre Gründe in der stark beanspruchten russischen Volkswirtschaft. So fand beispielsweise eine nicht zu verachtende landflucht, die Rüstungsindustrie in den Staädten benötigte arbeiter, statt. Des Weiteren blühte der Schwarzmarkt, das die Lebensmittelversorgung nicht gewährleistet war. Es kam zu Streiks und Demonstrationen und der Einfluß der Sozialisten war im Wachsen begriffen. Außerdem ist das Problem der nationalen Minderheiten zu erwähnen.
Seit Mitte 1916 war die militärische Lage der Russen eigentlich einigermaßen stabil, aber es verbreitete sich immer mehr eine Kriegsmüdigkeit; nicht zuletzt aufrund des katastrophalen inneren lage Russlands.
Das Zarenreich ist m.E. nach primär aus dem großen Bündel der inneren Probleme aus dem Krieg ausgeschieden.
Quelle: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Beitrag Dahlmann, S.87 bis S.96
Danke für diesen fundierten Beitrag, dem ich jederzeit zustimmen werde!
Das zaristische Russland war auf einen langen, industrialisierten Krieg, der die gesamte Wirtschaftskraft eines Landes in anspruch nahm, schlecht vorbereitet und total überfordert. Zuerst ging den Franzosen die Munition aus, was auch den Briten und Deutschen drohte, die sich nur dank des Haber Bosch- Verfahrens von chilenischem salpeter zur Munitionsherstellung unabhängig machen konnten.
Als Axiom ausgedrückt, kann man sagen, dass das zaristische Russland zulange den Krieg fortgesetzt hat, ohne dass die Führungskräfte auch nur den Versuch einer umfassenden Verfassungs, Land- und Sozialreform gemacht hätten. Ebenso ungelöst blieben die Nationalitätenprobleme.
Der letzte zaristische Politiker, der noch gewisses Format besaß, war Stolypin, der einem Atentat zum Opfer fiel.
Die Munitionskrise konnte zwar dank britischer und französischer Militärhilfe überwunden werden, doch die Verpflegung, das Transport und Sanitätswesen spotteten jeder Beschreibung, und in Städten wie petersburg und Moskau hungerte man ebenso wie in Berlin während des gefürchteten "Steckrübenwinters" 1916/17. Das Problem der zaristischen Armee lag zum großen Teil oben. Der Zar hatte zwar seinen Onkel Nikolai Nikolaiwitsch entlassen, doch er selbst war noch unfähiger und wurde allmählich, genau wie "Cousin Willi", kaltgestellt und ging den Generalen im Hauptquartier auf den Geist. Als in Petersburg die Soldaten meuterten und die Kosaken überliefen, befand sich Niki im Hauptquartier, und man ließ seinen Zug nicht nach Petrograd.
Es gab Eifersüchteleien und Intrigen unter den Kommandeuren, die meist (ganz wie viele deutsche, britische und französische Militärs) noch in Vorstellungen des 19. Jahrhunderts befangen waren. So funkte Samsonow während der Tannenbergschlacht unverschlüsselt, da man sich auf keinen Code geeinigt hatte. Samsonow und von Rennenkampf waren Intimfeinde, und es hielt Rennenkampf, der zögernd in Richtung Königsberg vorrückte still, während die 8. Armee die Narew- Armee einkesselte und aufrieb.
Brussilows spektakulärer Erfolg in Wolhynien bei Lucz war eigentlich eine Improvisation, da die anderen Kommandeure BNrussilow kéine Artillerie überlassen wollten.
Die Österreicher versammelten ihre Truppen viel zu dicht hinter der front, und ganze Bataillone, darunter meist Tschechen und Ukrainer, desertierten und gingen zu den Russen über. Es war der größte Erfolg der Russen im 1. Weltkrieg und ließ beinahe die österreichische Front zusammenbrechen, dennoch war auch dieser spektakuläre Erfolg mit ungeheuerlichen Verlusten erkauft. Die Russen verloren über eine Millionen Soldaten, mehr als die deutschen und französischen Verluste zusammengenommen in der Schlacht von Verdun.
Die russischen Soldaten mussten, ähnlich wie die Deutschen 1916 bei Verdun, die Briten 1916 an der Somme und die Franzosen 1917 an der Aisne und am Chemin des Dames das Gefühl bekommen, sinnlos verheizt zu werden. Dabei blieben natürlich auch viele Offiziere, die Träger des zaristischen Systems waren auf der Strecke, während Reserveoffiziere, die man aus der Intelligenzia rekrutierte, denen man im Crashkurs militärisches Know how beibrachte, revolutionären Ideen gegenüber offener waren.