wobei Richtung Westen bewußt nur wenige Bahnlinien gebaut wurden,
So einfach ist das nicht. Es ging um die schnelle Mobilierung der russischen Armee und deren kriegsmäßige Dislozierung in Richtung DR. Ein generelles Problem aller Großmächte, die Taylor auf die Formel gebracht hatte "War by Timetable: How the First World War began). Diese Forderung in Richtung russischer Armee wurde entschieden von französicher Seite bei den Besuchen von Joffre (vgl. Bourachot: Marshall Joffre) in Russland thematisiert. Nur die schnelle Mobilisierung der russischen Streitkräfte an der Grenze zum DR konnte sicher stellen, dass ein deutscher Sieg im Westen über Frankreich verhindert wird.
Vor diesem Hintergrund veränderte sich die Mobilisierungsplanung in Russland deutlich und durch gezieltes Ausbauen von militärisch wichtigen Aufmarschrichtungen mit Hilfe von Eisenbahnstrecken sollte eine schnelle Mobilisierung und der Transport sicher gestellt werden. Dazu bewilligte Frankreich für Russland einen sehr hohen Kredit über 2,5 Mrd Rubel ab 1914 mit 5 Jahre Laufzeit. (Sidorov, S. 272).
Dieser strategischen Schwäche in Bezug auf das eigene Eisenbahnnetz und der Fähigkeit zur schnellen militärischen Schwerpunktbildung war man sich in Russland bewußt. So formulierte der russische Kriegsminister Kuropatkin im Jahr 1900: "it is urgently neccesary for us to increase the carrying capacity of railroads which retain strategic significance, and no less neccesary is the further development of rail nets leading to the western frontiers." (Menning, S. 117)
Für die unterschiedlichen Staaten auf dem Territorium von Russland galt und gilt, dass die Projektion von Großmacht nicht unebdingt mit den notwendigen Tiefenstrukturen einer Großmacht einherging. Und das gilt für das Zarenreich in besonderem Maße.
Menning, Bruce W. (1992): Bayonets before bullets. The Imperial Russian Army; 1861 - 1914. Bloomington: Indiana Univ. Pr (Indiana-Michigan Series in Russian and East European studies).
Sidorov, Arkadij L. (1975): Zur Finanzlage Russlands vor 1914: Staatshaushalt und Staatsschulden. In: Dietrich Geyer (Hg.): Wirtschaft und Gesellschaft im vorrevolutionären Russland. Köln: Kiepenheuer und Witsch (Neue wissenschaftliche Bibliothek, 71, Geschichte), S. 252–276.
Zur Rüstung insgesamt:
Broadberry, Stephen; Harrison, Mark (Hg.) (2005): The economics of World War I. Cambridge, New York: Cambridge University Press. (vgl. Kapitel 8: Poor Russia, poor show: mobilising a backward economy for war, 1914-1918)
Herrmann, David G. (1997): The arming of Europe and the making of the First World War. Princeton, N.J.: Princeton University Press.
Stevenson, D. (2004): Armaments and the coming of war. Europe, 1904-1914. Oxford, New York: Clarendon Press; Oxford University Press.
Ausführlich hier diskutiert:
Russland 1914: Historische Voraussetzung und der Eintritt in den WW1