Religiös und/oder kulturell geprägte Feindbilder

Also besteht für dich das Leben nur aus militärischer und politischer Laufbahn???
Alles andere, jeder anderer Lebensweg ist ein "Ausnahmefall"?

Das Recht, im Staatsdienst, der Verwaltung oder dem Miliätärdienst tätig zu sein oder ein Timar besitzen zu dürfen, scheint mir für einen sozialen Aufstieg sehr wesentlich zu sein. Osmanischer Adel war nur durch Konversion zum Islam möglich, sodass ein wirklicher sozialer Aufstieg Christen verwehrt blieb.

Sie waren - wie im christlichen Abendland - möglicherweise reiche "Pfeffersäcke", zählten aber nicht zur Creme des Staates bzw. seiner Elite.
 
Es gab ab dem 15. Jh. nicht mehr sowas, was man "osmanischer Adel" nennen könnte.

PS: Das eine Konversion bei Männern nötig war, um z.B. in die höfische Elite vorzudringen, wird doch von niemandem abgestritten?
 
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Es gab ab dem 15. Jh. nicht mehr sowas, was man "osmanischer Adel" nennen könnte.

Nein, aber es gab eine Führungsschicht und eine osmanische Elite und zu der zählten Christen nicht - abgesehen von vereinzelten Ausnahmen.

Man kann natürlich einwenden, dass andererseits auch ein Moslem kaum Kanzler des Heiligen Römischen Reichs hätte werden können .... :D
 
@Brushian Ich habe ein solches Beispiel für soziale/ökonomische Umstände die zu Aufständen auf dem Balkan führten. So der Aufstand in 1596 in Montenegro, als die osmanischen Steuerabgaben erhöht wurden (siehe dazu http://books.google.de/booksid=VMJx...X&oi=book_result&resnum=7&ct=result#PPA143,M1)
Außerdem meine ich ja, dass der Glauben jener Faktor der Spaltung war, weshalb man dies auch bei der Verwendung des Begriffs Fremdherrschaft einfließen lassen sollte.
Damit sage ich ja, wie du oben auch, dass die Religion als Faktor nicht zu unterschätzen ist.
Doch ich möchte auch sagen, dass diese religiöse Verschiedenheit erst durch Agitation in den Köpfen des serbischen Volkes als solch omnipräsente Bedrohung wahrgenommen werden konnte.
Denn es ergaben sich aus den religiösen Unterschieden zwar durchaus soziale Abgrenzungen, die den "kleinen Mann" allerdings in relativ geringem Maße betrafen.
Zu diesem serbischen Aufstand:
Die Verbrennung der Gebeine eines heiligen ist ein konkreter Auslöser.
Denn damit zeigen die Osmanen in den Augen des Volkes offene Respektlosigkeit.
Hier ist nicht die muslimische Religion der Auslöser, sondern die Pietätslosigkeit einiger weniger.
Die lange währenden, immer wiederkehrenden serbischen Aufstände sind meines Erachtens eben auf soziale/ökonomische Missstände zurückzuführen, aber noch etwas Geduld, die Suche nach Beispielen gestaltet sich schwieriger als gedacht... :fs:


Ich beziehe mich in meinem Beitrag ausdrücklich auf das Mittelalter (falls das nicht klar wurde, sei es hier erwähnt).
 
Es gab eine politische, militärische und sonstige (intellektuelle, kulturelle, künstlerische, ökonomische, etc.) osmanische Elite. Die Mehrzahl war je nach betrachtetem Bereich meist muslimisch, das heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass nur Konvertiten Karriere (ausser im militärisch-politischem Bereich) machen durften. Die Beispiele von Christen/Juden, die sich als Osmanen sahen, und Karriere machten, sind zahlreich.

Es gibt keine statischen Karrierewege, es wurde meist die klass. osmanische Zeit und deren System als vorbildlich gesehen, und Abweichungen davon als Verfall. Inzwischen wird es aber anders von der Geschichtswissenschaft gesehen. Das Reich war ständig am reformieren, sehr dynamisch. Einen Status Quo herauszupicken, und dieses dann normativ für 600 Jahre Geschichte zu postulieren geht inzwischen nicht mehr.
Im 17. Jh. drängten gar Christen in das Janitscharenkorps, wie zeitgenöss. Chronisten beklagen.

Ich scanne nachher mal Seiten meiner Bücher.
 
@lynxxx, ich glaube Verallgemeinerungen sind hier von keinem Standpunkt aus zulässig. Das Verhältnis zu Christen und Juden, war abhängig nach Stimmungslage der einheimischen osmanischen Bevölkerung und des jeweiligen Sultans oder Paschas. Wohlwollende Duldung und harte Repression wechselten sich da oft genug, wie in Europa auch, ab.
Es gibt übrigens einen Roman über eine fiktive englische Konvertitenfamilie, die über Generationen in hohe osmanische Ämter gelangt. Leider sind mir Autor & Titel entfallen.
 
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Wir haben hier offensichtlich einige Diskrepanzen z.B. wie Aufstände zu bewerten sind, wie das Selbstbild der christl. Minderheiten war, wer Teil der Osmanen war, wie das Verhältnis von Christen und Muslimen im Osmanischen Reich war.



Dazu mal nach und nach einige Zitate international renommierter Historiker/Osmanisten/Turkologen. (Warum schreibe ich extra "international renommiert"? Weil darunter einige Türken sind, die aber entgegen vielleicht von bestehenden Vorurteilen einiger hier, eben hohe Reputation in Harvard, Princeton, München, usw. genießen.)

BERNARD LEWIS: Stern, Kreuz und Halbmond. 2000 Jahre Geschichte des Nahen Ostens. München 1997. S. 160 f.

"Nachdem eine Bresche in das starre System der Sklavenrekrutierung [Knabenlese] geschlagen worden war, brach es völlig auseinander. Während des Krieges gegen den Iran am Ende des 16. Jahrhunderts wurde das [Janitscharen-] Korps praktisch allen und jeden - ungeachtet von Status oder Herkunft - geöffnet, die sich in den Dienst einkaufen konnten. »In der Herrschaft des verstorbenen Sultans Murat Khan [1574—1595]«, schreibt der Historiker Selaniki Mustafa,

". . . trat ein gemeiner Pöbel nichtswürdiger Eindringlinge der geachteten Garde bei, und durch Bestechung wurden die Regimenter der Janitscha-ren, Waffenmeister und Artilleristen Bauern geöffnet, die ihre Höfe verlassen haben, dazu Tat, Cepni, Zigeunern, Juden, Lasen, Russen und Stadtbewohnern . . . Als diese ins Heer eintraten, gingen Tradition und Respekt völlig unter; der Vorhang der Reverenz vor der Regierung war zerrissen, und auf diese Weise kamen Männer ohne Befähigung und ohne politische Erfahrung und setzten sich auf die Sessel der Macht . . ."8

Diese Klage griff um sich und wurde von dem Memoirenschreiber Kocu Bey wiederholt, der tief bedauerte, daß sich zu seiner Zeit (im frühen 17. Jahrhundert) alles mögliche Gesindel dem Janitscharen-korps anschloß: »Männer, deren Religion und Glaube unbekannt waren, Stadtbewohner, Turkmenen, Zigeuner, Tats, Kurden, Ausländer, Lasen, Nomaden, Maultiertreiber, Kameltreiber, Träger, Siruphersteller, Straßenräuber und Taschendiebe und andere Halunken, so daß Ordnung und Disziplin zerstört wurden und Gesetz und Tradition verschwunden sind . . .« Kocu Bey, der selbst durch den devsirme aus Goriza in Makedonien rekrutiert wurde, war zutiefst bekümmert über diese Entwürdigung des Korps und erinnerte den Sultan daran, daß es nicht nötig sei, seine Armeen mit einem solchen Pack zu füllen: »In Bosnien und Albanien gibt es noch Männer mit . . . mutigen und wackeren Söhnen . . . «9"

S. 162 ff.:

"In der früheren Konfrontation [zwischen dem OR und seinen christlichen Nachbarn] waren Beflügelung und Dogmatismus auf beiden Seiten und größere Toleranz auf türkischer Seite zu finden. Während des 15. und 16. Jahrhunderts zogen die Flüchtlinge -jene, »die mit den Füßen wählten«, [...] -von Westen nach Osten und nicht, wie in unserer Zeit, von Osten nach Westen. Die Flucht der 1492 aus Spanien vertriebenen Juden in die Türkei ist gut dokumentiert, aber sie war keineswegs ein Einzelfall. Andere Flüchtlingsgruppen - etwa abweichlerische Christen, die von der in ihren Ländern tonangebenden Kirche verfolgt wurden -fanden in den osmanischen Ländern Zuflucht. [...]
Die Flüchtlinge waren nicht die einzigen europäischen Nutznießer der osmanischen Oberhoheit. Auch das Schicksal der Bauern in den eroberten Provinzen verbesserte sich erheblich. Die osmanische Reichsregierung brachte Einheit und Sicherheit in Gegenden, in denen vorher Konflikte und Chaos geherrscht hatten, mit wichtigen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen. Im Laufe der Eroberungskriege war ein großer Teil des alten grundbesitzenden Erbadels vernichtet worden, und seine herrenlosen Güter gingen als Lehen an osmanische Soldaten über. [...] Es war nicht mit Erbrechten oder einer feudalherrschaftlichen Rechtsprechung verknüpft. Die Bauern dagegen verfügten in der Regel über einen erblichen Besitztitel, der gemäß osmanischem Brauch sowohl vor Zerstückelung als auch vor Eigentumskonzentration geschützt war. Damit hatten sie auf ihren Höfen größere Freiheit als unter den früheren christlichen Herrschern. Ihre Steuern wurden auf niedrigem Niveau festgesetzt und - verglichen mit den Praktiken der ehemaligen und auch der benachbarten Regime - auf humane Weise eingetrieben. Wohlstand und Sicherheit trugen erheblich dazu bei, die Bauern mit anderen, weniger attraktiven Aspekten der osmanischen Herrschaft zu versöhnen, und waren weitgehend für den langen Frieden in den osmanischen Provinzen verantwortlich, bis nationalistische Ideen aus dem Westen für eine Explosion sorgten.
Noch im 19. Jahrhundert äußern sich europäische Balkanbesucher positiv über das Wohl und die Zufriedenheit der Bauernschaft, gemessen an den Verhältnissen in Teilen des christlichen Europa. Noch auffälliger war der Kontrast im 15. und 16.Jahrhundert, also im Zeitalter der großen europäischen Bauernaufstände. [...] Unterdrückte Bauern [christlicher Nachbarreiche der Osmanen] richteten ihre Hoffnung auf die Feinde ihrer Grundherren. Martin Luther warnte in seiner im Jahre 1541 veröffentlichten »Vermahnung zum Gebet wider den Türken«, daß die von habgierigen Fürsten, Grundeignern und Städtern ausgebeuteten Armen vielleicht lieber unter den Türken als unter solchen Christen leben würden. Sogar die Verteidiger der etablierten Ordnung waren von der politischen und militärischen Leistungsfähigkeit des türkischen Reiches in seiner Glanzzeit beeindruckt. Ein beachtlicher Teil der umfangreichen europäischen Literatur über die türkische Bedrohung behandelt die Vorzüge der türkischen Ordnung und empfiehlt, ihr nachzueifern."

So, nun Kaffeetrinken, und dann kommen wir zum nächsten Buch, welches schon detaillierter ist. :fs: :winke:

PS: BB: Mit Verallgemeinerungen muss man vorsichtig sein, richtig, man könnte zwar ein Fazit ziehen, summa sumarum, aber was ich oben meinte, war, dass man eben auf die osm. Chronisten bei unserer Geschichtsschreibung in früheren Zeiten (also bis vor 25-40 Jahren) zu viel Beachtung schenkte, und ihre These von der "guten alten goldenen Zeit" kritiklos übernahm. Also einen Zeitpunkt auswählte, wo scheinbar die Strukturen, die Systeme gut funktionierten, und man nur dahin zurück müsse, um eben dieselbe Macht zurück zu erlangen. Dieses Bild hat sich gewandelt, es wird nicht mehr von einem Niedergang seit dem Tode Sultan Süleymans gesprochen.
 
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Das beweist oder widerlegt doch nichts von meiner obigen Aussage, so interessant es sein mag. Gerade eine solche Soldateska war fürs eigene Land doch schlimmer als der Feind. Man wird schon dafür gesorgt haben, dass sie nicht im Palast stationiert wurden, sondern sie möglichst weit weg an die Grenze geschickt haben. Die Panduren der Habsburger waren auch nicht einfühlsamer. Wie gesagt, die "Mode" im Umgang mit Minderheiten wechselte mehrfach über die Jahrhunderte, du selbst hast in der Diskussion immer mal betont, dass es vom 14.-20. Jahrhundert eine lange Zeit war.
 
Nein, du hast mich mißverstanden. Obige Zitate waren nicht für dich oder für einen einzelnen User hier als Antwort gedacht.
Sie sollen nur einen Einblick geben, woher ich so meine Infos herhabe. Einige Zitate geben Auskunft über vorige Posts, oder Hinweise, denen man weiter nachgehen kann.
So, nun mal weiter scannen.
:winke:
 
Suraiya Faroqhi: Kultur und Alltag im osmanischen Reich. Vom Mittelalter bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. München 1995.

S. 52:

"Schon im 17. Jahrhundert gab es in manchen Städten der Balkanhalbinsel bedeutende Dichter, die auf Osmanisch schrieben.91 In der nationalistischen Historiographie unseres Jahrhunderts hat es öfter Diskussionen darüber gegeben, inwieweit diese Kultur von türkischen Einwanderern auf die Balkanhalbinsel getragen worden war und inwieweit zum Islam bekehrte Griechen, Albaner, Serben oder Bulgaren dabei eine Rolle spielten. Befriedigend beantworten läßt sich diese Frage kaum. Für die osmanischen Amtsträger, die die einzigen Daten zusammengestellt haben, die für die Bevölkerungsgeschichte jener Zeit zu gebrauchen sind, war in erster Linie die Religion und nur in bestimmten und vergleichsweise seltenen Fällen die ethnische Zugehörigkeit von Bedeutung.
Aus alledem ergibt sich, daß man die osmanische Geschichte und damit die Kulturgeschichte nur analysieren kann, wenn man sich von nationalstaatlichen Kategorien weitgehend distanziert.92 Die kulturellen Unterschiede zwischen Nomaden und Halbnomaden auf der einen Seite, und von seßhaften Dorfbewohnern auf der anderen, waren sicherlich von viel größerer Bedeutung für die Kultur als die Grenzen zwischen Ethnien. Auch religiöse Zugehörigkeit war für die Selbstdefinition der Untertanen des Osmanischen Reiches weitaus signifikanter als ethnische Zugehörigkeit, und die osmanische Verwaltung klassifizierte ihre Untertanen ebenfalls nach religiösen Kriterien. Die Zugehörigkeit zu einem Dorf oder einer Stadt spielte bei der Selbstidentifikation wohl auch eine wichtigere Rolle als Sprache oder Volkstum. [...]
Ethnisch gesehen war die osmanische Oberschicht bunt gemischt. Unter ihren Mitgliedern fanden sich "Ausländer" wie Spanier, Italiener und Iraner, die als Gefangene, freiwillige Einwanderer oder auch Flüchtlinge ins Land gekommen waren. Unter den Bewohnern des Osmanischen Reichs selbst betätigten sich Anatolier wie Bosnier, Ägypter wie Serben in den verschiedenen Zweigen von Militär und Verwaltung. Obwohl Cliquenbildung auf ethnischer Grundlage durchaus vorkam, waren ethnische Kriterien für den Eintritt in die osmanische Oberschicht nicht entscheidend. Diese Situation erklärt auch, warum ein türkischer Nationalismus erst viel später entstand als die Nationalismen der übrigen auf osmanischem Boden lebenden Ethnien, nämlich zu Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts."

"Besonders in den nordafrikanischen Provinzen, aber auch in Istanbul, gab es außerdem Spanier, Italiener, Franzosen und Ungarn, die sich den Osmanen aus freien Stücken angeschlossen hatten10 Das Motiv konnte religiöse Verfolgung im Heimatlande sein, wie etwa im Falle der kalvini-stischen Ungarn, die im Habsburgerreich der Gegenreformation zahlreichen Repressalien ausgesetzt waren.11 Auch die Serben, die nach 1683 unter habsburgische Oberhoheit gerieten, zogen es oft vor, unter dem Sultan zu leben, weil dieser nicht versuchte, sie von ihrem orthodoxen Glauben zum Katholizismus zu bekehren. In Nordafrika geschah es häufiger, daß schlecht verpflegte und nicht bezahlte spanische Soldaten der dortigen Festungen (presidios) sich den örtlichen Janitscharen anschlössen. Auch waren besonders in den nordafrikanischen Provinzen, wo das Militär und die Besatzungen der Korsarenschiffe weitgehend aus Zugewanderten bestanden, die Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs bedeutend größer als in den rigiden ständischen Gesellschaften des frühneuzeitlichen Europa.12 "

"Im kirchlichen Leben des Osmanischen Reiches besaßen die Griechisch-Orthodoxen lange Zeit eine privilegierte Position.[...]
Die orthodoxe Kirche litt besonders unter der Schwäche der Bindeglieder zwischen dem in Istanbul angesiedelten Patriarchat und den Kirchen in der Provinz. Europäische Reisende, auch solche, die der griechisch-orthodoxen Kirche freundlich gesonnen waren — was durchaus nicht immer der Fall war —, klagten immer wieder über das niedrige intellektuelle Niveau des orthodoxen Provinzklerus, für dessen Nachwuchs es keine Priesterseminare, geschweige denn eine Universitätsausbildung gab. Zukünftige Geistliche, wenn sie nicht die Möglichkeit besaßen, an der von den Patriarchen unterhaltenen Akademie zu studieren, waren noch im 17. und 18. Jahrhundert darauf angewiesen, die Texte, die sie zu ihrer Amtsführung brauchten, unter Anleitung eines Priesters oder Mönchs routinemäßig auswendig zu lernen. Diese Form der Ausbildung war im spätrnittelalterlichen Europa zwar ebenfalls gang und gäbe gewesen, erschien aber Beobachtern des 17. Jahrhunderts, die durch Reformation und Gegenreformation geprägt waren, als unerträglich rückständig.35"

"Neben den muslimischen Mäzenen gab es auch nichtmuslimische, die je nach ihrer politischen Position größere oder geringere Handlungsfähigkeit besaßen. Am Hofe Mehmeds des Eroberers konnten ein byzantinischchristlicher Historiker und Panegyriker wie Kritobulos und ein Gelehrter wie Georg von Trapezunt mit offizieller Förderung rechnen, und auch aus dem 16. Jahrhundert sind am Hofe einflußreiche Nichtmuslime bekannt. Angesehene Christen konnten ihrerseits durch Zuwendungen an Kirchen und Klöster als Mäzene in Erscheinung treten.5 Außerdem war es den Mönchen von Klöstern, die auf osmanischem Territorium gelegen waren, zumeist möglich, in christlichen Gebieten um Unterstützung nachzusuchen. Das Katharinenkloster auf dem Sinai, um nur ein Beispiel zu nennen, machte von dieser Möglichkeit regen Gebrauch. Im 16. Jahrhundert wurden im damals osmanischen Thessalien die auf steilen Bergen gelegenen Meteoraklöster gebaut, und in manchen Teilen Griechenlands und Serbiens florierte noch lange eine neobyzantinische Bau- und Malkunst.35 Im 18. Jahrhundert übernahmen dann hauptstädtische griechische Familien, die die Dolmetscher der osmanischen Regierung stellten und in der Moldau und Walachei (im heutigen Rumänien) als Provinzgouverneure wirkten, eine wichtige Rolle als Mäzene für die griechische Kultur.5"

"Auf dem Balkan gab es im 17. und 18. Jahrhundert ebenfalls zahlreiche Räuberbanden, doch waren diese auf etwas andere Weise entstanden [als in Anatolien]. Wahrscheinlich weil dort ein großer Teil der ländlichen Bevölkerung und damit auch der Söldnerbanden aus Nichtmuslimen bestand, ging es hier nicht so sehr um die feste Anstellung irregulärer Soldaten. [...]. Dafür versuchten manche Militärs, die in den Grenzbezirken keine Arbeit fanden, sich ihren Lebensunterhalt durch Raub und Brandschatzung zu sichern. Jedenfalls ist es nicht realistisch, in den sogenannten Haiduken protonationalistische Kämpfer für lokale Autonomie zu sehen, wie das in der älteren Literatur häufig geschehen ist.73 Weit davon entfernt, als «edle Räuber» von den Reichen zu nehmen, um die Armen zu beschenken, griffen die meisten Haiduken an, wen sie gerade vorfanden.

Neben Söldnern und Nomaden gab es aber noch andere Leute, die periodisch oder aufgrund besonderer Lebenskrisen ihre Wohnsitze verließen. Erbstreitigkeiten, Epidemien, Überforderung durch den Steuereinnehmer und Raubüberfälle trieben immer wieder junge Bauern aus ihren Dörfern. Zu den periodischen Migranten gehörten auch die Wanderarbeiter, die manchmal große Strecken zurücklegten: So migrierten schon zu Ende des 16. Jahrhunderts Albaner nach Nordwestanatolien, um dort als Feldwächter und Landarbeiter ein Auskommen zu suchen.74 Was die Migranten anbelangt, die auf Grund einer Krise ihr Dorf verlassen hatten, so versuchte der osmanische Staat im 15. und 16. Jahrhundert zuweilen, sie auf neuerobertem Gebiet anzusiedeln. Diese Politik war nur begrenzt erfolgreich; die meisten Migranten wanderten in die Städte, besonders nach Istanbul."

"Unser Buch hat sich auf die muslimische Stadtbevölkerung der osmanisch-türkischsprechenden Teile des Reiches konzentriert. Aber selbst in den Städten dieses Gebiets lebten ethnische und religiöse Gruppen, die sich zu anderen Religionen bekannten und ihre eigenen Varianten der Stadtkultur herausbildeten. Vor der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dürften die meisten von ihnen sich noch mehr oder weniger als Osmanen gesehen haben, obwohl der Ablösungs- und Umorientierungsprozeß schon seit dem 18. Jahrhundert im Gange war. Am Fall des Demetrius Cantemir haben wir bereits gesehen, wie dieser versuchte, sich eine neue Identität als moldauisch-russischer Fürst zu schaffen. Offensichtlich ging dieser Prozeß bei dem bikulturellen Autor nicht ohne Schwierigkeiten vonstatten, die sich während seiner späteren Jahre in einer gewissen Sehnsucht nach der osmanischen Kultur äußerten.
Als ein anderes Beispiel für osmanische Nichtmuslime, die sich eine neue Identität zu schaffen versuchten, ließen sich die Maroniten des Libanon benennen, aber auch die syrischen Christen sowie die Armenier, die für die Union mit Rom optierten. Im späteren 19. Jahrhundert kam als weitere Alternative für osmanische Christen noch der oft von amerikanischen Missionaren ins Land gebrachte Protestantismus dazu. Die Unierten waren oft erfolgreich im Handel; schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nahmen unierte Syrer im Handel Ägyptens eine wichtige Stellung ein.17"
 
Das ist ja irre nett von dir, dass du dir soviel Mühe mit der Kopiererei gibst. Aber wer soll das alles lesen??? :weinen:
 
Das Reich war ständig am reformieren, sehr dynamisch.

Bis ins 18. Jh. hinein haben kein Sultan und kein Wesir im Osmanischen Reich nennenswert reformiert, was gerade die Ursache dafür war, dass wir im 19. Jh. einen "kranken Mann am Bosporus" hatten. Dynamisch ging`s bis etwa 1550 zu, dann war Stillstand.

Aber auch diese Dynamik betrifft in erster Linie die militärische Expansion, nicht jedoch eine umfassende und nachhaltige Reform der staatlichen und militärischen Strukturen.

Selbst als sich die Janitscharen längst zur erpresserischen Frostbeule entwickelt hatten, konnten sie noch ewig überleben, bis ihnen zu Beginn des 19. Jh. endlich der Garaus gemacht wurde.

Und selbst die Reformen des 19. Jh. kamen zunächst nur zögerlich und dann viel zu spät - als das Kind bereits in den Brunnen gefallen war, bzw. der Sultan in sein krankes Staatsgebäude.
 
BB: Das ist kürzer, als wenn man die googlebooks-Links die ich einige Seiten zuvor gegeben habe, sich anschauen müsste.

Es ist für Brushian, Belisarius, Dieter, vielleicht auch Zoki, Mike Hammer, usw. gedacht. Vielleicht ja auch für dich? :)

So, und nun Fussball. :D

PS: Dieter, was du für "nennenswert" hältst, solltest du nochmal definieren, ich meinte solche Veränderungen, wie die Umwandlung des timar-Systems z.B: in das des iltizam, usw. Keine große Revolutionen, und auch nichts im Vergleich zu West-/Mittel-Europa. Aber ständiges drehen an den Stellschrauben.
 
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Lynxxx:Wer tüchtig genug war, günstige Vorraussetzungen und das Quentchen Glück hatte, der konnte im Osmanischen Reich sozial aufsteigen, auch als Nichtmuslim, und so mancher Serbe, schaffte laut Quellen den Aufstieg z.B. vom Maultiertreiber zum Spediteur und Fernhandelskaufmann, der auf der Leipziger Messe Waren z.B. aus Plovdiv anbot.
Die Albaner machten auch einen guten Teil der osmanischen Wesire, was sie aber trotzdem nicht davon abbrachte gegen die osmanische Herrschaft aufzubegehren, wenn sich denn die Gelegenheit bot.
Man bot den Balkanvölkern natürlich auch ihren Raum, wenn dies nicht mit Nachteilen für die hohe Pforte verbunden war, besser gesagt, man ließ sie in Ruhe solange sie keinen Mist bauten.
Aber mit der Besetzung durch die Osmanen, durch welches man auch Teil dieses Reiches wurde, hat man sich nie komplett abgefunden, das zeigen die relativ langandauernden Aufstände, die in fast schon regelmäßigen Intervallen erfolgten.
Ruhe herrschte zwar oft, und bis zu einem gewissen Bereich akzeptierte man das "Schicksal", wenn ma so will, doch neuere Generationen versuchten es immer wieder, dem Auszug über die Heiducken aus einem deiner Beiträge kann ich nicht ganz zustimmen.
Dort steht, dass es sich um Militärs handelte, die keine Anstellung bekamen und sodurch der Räuberei verfielen.
Das ist eine Pauschalisierung.
Der Großteil der Heiducken waren sicherlich keine Militärs, sondern perspektivlose Burschen und Männer, die sich auf diese Schiene hauten, das wird nicht einmal erwähnt, weil sie vielleicht auch unter Zwangsarbeit oder Repression litten.
Pronationalistisch musste nicht unbedingt sein, auch keine guten Zukunftsaussichten könnten da reichen.
Personen denen es an Weiterkommen fehlt und welche dann empfänglich für solche Aktivitäten und Abenteurertum sind, ist ja nichts Neues.
Darum kann man diese Aufstände zwar in gewissen Bereichen mit jenen der anderen Leibeigenen im Rest Europas vergleichen, aber dasselbe ist es einfach nicht, auch da die geistliche Führung diese unterstützte.

Es ist zwar interessant, aber nicht enorm erstaunlich, dass Juden in der Verwaltung saßen und jenes Volk von dem man praktisch das Reich "vererbt" bekam, oder es besser gesagt erkämpft hatte, ich meine jetzt die Griechen, häufig in höheren Posten saßen.
Allgemein ging es der jüdischen Bevölkerung im osmanischen Reich nicht schlecht und die Sultane wussten schon um des Potentials der Intelligenzler.
Das Griechen in Bulgarien was zu sagen hatten ist klar, schließlich hatte man mit dem Sieg über die einzelnen Völker praktisch alle Orthodoxen unter deren Oberhoheit gestellt und die Nationalkirchen, und ich nenne sie mal mit Absicht Nationalkirchen, aufgelöst, was man dann im späteren Verlauf wieder rückgängig machte, nachdem man sah, dass dies mit Ärger verbunden war, einfach gesagt.
Man kann schon sagen, dass jede größere Stadt am Balkan im Laufe der Zeit eine muslimische Mehrheit bekam, und die orthodoxe Tradition oft von Griechen übernommen wurde, da nenne ich nur mal Belgrad als Beispiel, wo Christen ein Fünftel stellten.
Daher finde ich auch das Argument der steigenden Bevölkerungszahl der Städte als nicht ganz aussagekräftig, da in den Städten mehr die Muslime und am Land eher die Christen siedelten.
Ist ja eine logische Schlussfolgerung, dass da die Bevölkerungszahl wächst, ich glaube, dass Seldschuk dies mal erwähnte.
Obendrein stärkt es meine Annahme, da dort, wo es was zum Sagen und Verwalten, Organisieren und Herrschen gab, nämlich in besagten Städten, die Muslime vorherrschten.

Beispielsweise erinnert mich die Situation der Bosniaken stark an die indische Deobandi-Bewegung, welche nach der Zerschlagung des Mogulreiches durch die Briten entstand, um die muslimische Tradition zu wahren oder auch die verlorene Position innerhalb des einstigen Großreiches wiederherzustellen.
Die Bosniaken stellten in Bosnien zur Jahrhundertwende ungefähr ein Drittel der Bevölkerung und fielen nach dem Zerfall des osmanischen Reiches auf den Boden der Tatsachen.
Die einstige Stellung ging verloren.
Die zuvor christlichen Bauern und Untergebenen hatten auf einmal was zu sagen, Bosnien drohte unter die Fuchtel der katholischen Habsburger zu kommen.
Der Anteil der Bosniaken an der Organisation "Junges Bosnien" ist deshalb auch kein Wunder:
Mlada Bosna ? Wikipedia

Belisarius:doch ich möchte auch sagen, dass diese religiöse Verschiedenheit erst durch Agitation in den Köpfen des serbischen Volkes als solch omnipräsente Bedrohung wahrgenommen werden konnte.
Nicht nur des serbischen Volkes, auch der Albaner, Kroaten, Bulgaren, Walachen, ...
Wie würdest du diese Agitation in den Köpfen eines Volkes, welches besetzt wird, am besten bezeichnen?
Der Makkabäeraufstand sagt dir sicher was, es war ein Aufstand des jüdischen Völkes gegen die Diadochen, und liegt weit über 1500 Jahren hinten den Ereignissen zurück, über die wir hier diskutieren...

Belisarius:denn es ergaben sich aus den religiösen Unterschieden zwar durchaus soziale Abgrenzungen, die den "kleinen Mann" allerdings in relativ geringem Maße betrafen.
Gerade hier gehen unsere Meinungen leider diametral auseinander, es geht immer um den kleinen Mann.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
PS: Dieter, was du für "nennenswert" hältst, solltest du nochmal definieren, ich meinte solche Veränderungen, wie die Umwandlung des timar-Systems z.B: in das des iltizam, usw. Keine große Revolutionen, und auch nichts im Vergleich zu West-/Mittel-Europa. Aber ständiges drehen an den Stellschrauben.

Die Einführung des iltizam-Systems erfolgte unter Mehmed II., d.h. im 15. Jh. (!). Das entspricht exakt dem, was ich oben bereits sagte: Dynamik gabs im Osmanischen Reich nur bis etwa 1550, danach war Stillstand, seit etwa 1600 Niedergang, ab 1700 Verfall.

Das Timar-System bestand im übrigen fort und endete als Institution erst 1831.
 
Ich glaube, hier herrscht ein großes Defizit an neueren kompetentenAutoren, oder?
Allgemein: Komme mir vor wie Don Quijote, zudem meine schon vor einem Jahr getätigten und verlinkten Posts anscheinend nicht gelesen wurden?

Don Quijote, warum hast du zwei wichtige Werke vergessen?

1. Josef Matuz, Das Osmanische Reich

2. Handbuch der europäischen Geschichte. hrsg. v. Theodor Schieder, 7 Bände. Stuttgart 1968–1987

Während Nr. 1 zu den Standardwerken zählt, schilderrt das Handbuch der europäishen Geschichte die Geschichte des Osmanischen Reichs im europäischen Raum sehr ausführlich und wissenschaftlich kompetent.
 
Hi Dieter.
Mit deiner Einteilung in Stillstand, Verfall, usw. bist du leider nicht mehr auf der Höhe der Zeit sondern 25-35 Jahre zurück.
aus:i

Das kann man sehr unterschiedlich sehen und auch verschieden beurteilen. Nur weil du hier eine Publikation gefunden hast, die das mal anders sieht, ist das noch längst nicht der Weisheit letzter Schluss.
 
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