daraus abzuleiten, die Zeit wäre besonders "christlich" oder "gläubig" gewesen, halte ich für gewagt.
Das tut doch niemand. Du allerdings machst bezeichnender Weise genau das. Du leitest aus angeblich nicht vorhandenen Quellen (ich wies bereits auf die Sachquellen hin, die du aber nicht zur Kenntnis nimmst) ab, dass es mit dem Glauben nicht so weit her gewesen sei.
Das auch als meine Antwort auf @Caro. Ich stelle infrage, dass wir wissen können, auch für die Frühe Neuzeit, was der Bauer auf der Scholle dachte.
Wir wissen da weit mehr, als du denkst. Ein Friedhof ist genau so eine Quelle, wie ein Schriftstück. Für Glaubenszeugnisse sogar die bessere. Du reduzierst einfach unseren Quellenbestand auf das "amtliche" Schriftgut und unterstellst, dass dieses ja eh von Klerikern geschrieben worden sei und damit für die Fragestellung nach der Verwurzelung des Glaubens im Volk (zu unterscheiden vom Volksglauben) von zweifelhaftem Wert.
Das ist aber falsch.
In den Quellen wird viel zwischen den Zeilen berichtet, also nicht etwa, um eine Zensur zu umgehen, wie in modernen Zeiten, sondern weil Verfasser von Quellen en passant häufig Dinge mitteilen, die sie eigentlich gar nicht mitzuteilen vorhatten. Oft sind Missstände der Anlass etwas zu berichten. Daraus können wir häufig weit mehr erkennen als nur den Misstand (oder das als solcher wahrgenommene) und das Idealbild. Darin erkennen finden wir Lebenswirklichkeit(en) wieder. Es gibt aus dem Mittelalter jede Menge Kritik an der Doppelmoral der Kirchenoberen oder den Ausschweifungen von Mönchen und Nonnen. Das hat im 11. Jhdt. zum Reformpapstum geführt, im 12. Jhdt. zur Gründung der Bettelorden und seit dem 14. Jhdt. zu reformatorischen Bewegungen (Wycliff, Hus, Luther...)
Vielfach war frühe Geschichtsschreibung in weiten Teilen Legende, Mythos, Herrschaftslegitimation.
Ich wies bereits darauf hin, dass es mehr als nur die schriftlichen Quellen gibt.
Und auch dise lassen sich noch untergliedern. Neben der Geschichtsschreibung, also den Traditionsquellen, gibt es auch bereits im Mittelalter die Überrestquellen, also gerade keine Geschichtsschreibung, keine Werke die für die Nachwelt gedacht waren, sondern ad hoc entstandene Schriftstücke. Da muss man schon unterscheiden.
Und ich wiederhole mich: Häretiker kommen in Prozessakten recht häufig vor. Atheisten oder Agnostiker eigentlich -
eigentlich getreu dem Motto
sag niemals nie - so gut wie gar nicht. Es wäre schon erstaunlich, dass sie weder in den Inquisitionshandbüchern, die ja praktische Manuale sein wollten, noch in den Prozessakten vorkommen, wenn es sie denn in bedeutender Zahl gegeben hätte.