Ich finde das Thema interessant, auch wenn der Begriff des Rechtsstaates vermutlich zu modern ist, um damit in der Antike wirklich weit zu kommen. Der Unterschied zwischen einer Willkürherrschaft und einer "Herrschaft des Gesetzes" spielte aber auch und gerade in der Antike eine große Rolle. Wer bestimmt die Gesetze, wer legt diese aus, wer darf sie wie gegen Bürger vollstrecken, all die Fragen gab es grundsätzlich schon vor 2.5oo Jahren, und länger.
Der Machtkampf zwischen den Schichten und den jeweiligen spezifischen Institutionen war in Rom endemisch; Senat, Magistrate, Volkstribunat, die Volksversammlung mit unterschiedlichen Abstimmungsverfahren.
Aber davon ab: Welche rechtliche Möglichkeiten hatte denn der Senat oder ein Magistrat, direkt gegen einzelne römische Bürger tätig zu werden? MWn durfte ein römischer Bürger nur nach einem Prozess und einem Urteil bestraft werden. Wie war das mit anderen Amtshandlungen?
Rechtssicherheit im Sinne einer berechenbare Gesetzgebung bzw -auslegung ist doch noch mal was anderes. Solange die Urteile von den attischen Gerichtshöfen unter Auslegung der überkommenden oder von der Volksversammlung beschlossenen Gesetzen standen, sind die Formalia erfüllt. Ob das dann "gute" Gesetze sind, die da exekutiert werden, oder ob die Richterschaft besonders bedacht- oder rücksichtsvoll vorging, hat mit Recht und gesetz doch erst mal nichts zu tun. Und btw, am Ende des peloponnesischen Krieges wurde die Demokratie zweimal durch Tyranneien brutal gestürzt; vielleicht war das Vorgehen der demokratischen Gremien ja auch unverhältnismäßig nachsichtig...
Gerade aus der Zeit des späten peloponneischen Krieges stammt die Klage
graphe paranomon, die man grob mit einer Verfassungklage vergleichen kann, und mit der getroffene Beschlüsse von Volksversammlung überprüft werden konnten. Unabhängig davon war mWn schon vorher möglich, Klage gegen Beamte der Stadt zu erheben, wenn ein Bürger der Ansicht war, es sei Unrecht geschehen. Auf einer solchen Klage basierte wohl der Prozess nach der Schlacht bei den Arginusen.
Graphe paranomon ? Wikipedia
Schlacht bei den Arginusen ? Wikipedia
Menschenrecht im modernen Sinne kannte die Antike sowieso nicht, jede Form von "Rechtsstaatlichkeit" konnte also ohnehin nur die vorhandenen Rechte, besonders die der Bürger, sichern. Ein weiterer, sehr wichtiger Unterschied ist, dass es sowohl in Athen wie in Rom va auf das Engagment des einzelnen Bürgers ankam. Es gab keine Staatsanwaltschaft, keine öffentliche Rechtspflege in unserem Sinn. Wer etwas wollte oder meinte, ihm sei Unrecht geschehen, musste selber klagen (was meist nur Bürger konnten), sich selbst vertreten, wenn er sich keinen Anwalt oä leisten konnte, und wie das mit unparteiischen Berufungsinstanzen aussah... dabei heisst es ja noch heute, auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand...