Mir entgeht gerade, wie diese Aussage zu der folgenden passen soll:
Das hat auch
nichts miteinander zu tun, wie oben nachlesbar ist. Wie man beide Aussagen kombinieren kann, bleibt also Dein Geheimnis. Lassen wir also mal diesen oberflächlichen Gefechtsqualm von "Grabenstellungen und geschlossener Front" aus #49 beiseite, und kommen zum Wesentlichen:
Umgehung "östlich" von Paris war schon eine versuchte Notlösung. Eigentlich sollte der Vorstoß (nord-)westlich erfolgen. Aber das nur am Rande. DASS der "Wettlauf" erst nach der Schlacht an der Marne begann, hat nie jemand bestritten. Die Frage ist nur: WARUM begann er danach? Doch wohl offensichtlich deshalb, weil sich an der Marne die Alternative - nämlich der Durchbruch - als unmöglich erwiesen hatte.
Hier zeigt sich eindrucksvoll, wie fatal die populären "little maps,
big arrows" wirken, die nichts mit den Quellen/Fakten zu tun haben, und denen Du da aufgesessen bist. Das "eigentlich nordwestlich" ist der
Stand von 1905, nicht von 1914. Nimmst Du mal die Planfassung von Schlieffen zur Hand: die nordwestlich Paris in den Kartenmaterialien von West Point hübsch eingezeichneten Verbände waren
nie existent: das sind bekanntlich die Geisterdivisionen, die Schlieffen in der Heeresvermehrung erreichen wollte. Damit sollte sich diese "Frage am Rande" bereits beantwortet haben.
Ansonsten würde ich um Kartenmaterial bitten, welches "nordwestlich Paris" anhand der Kräfteverteilung 1906 -1914 in den Westplanungen Schlieffens (vor 1906) oder Moltkes (ab 1906) nachweist. Das wird höchstwahrscheinlich nicht gelingen. Um dann mal in die Tiefe zu gehen, und dieser bislang oberflächlichen Diskussion etwas Substanz zu geben: wo finde ich diese Stelle, zB bei Ritter oder Groener zu Schlieffen?
Sodann: Schlieffens Karten stoppten bekanntlich an Aisne/Oise -> BA/MA Nachlass Schlieffen N43. Jetzt ist mir ein Rätsel, wie Du auf die Umfassung westlich Paris kommst. Hast Du Karten über den Nachlassteil 141K - Schlieffen Lagekarten - hinaus? Das wäre eine Weltsensation.
Aber auch diese Debatte führt von der Aussage weg: Schlieffens Umfassung und Moltke d.J. Planänderungen sahen
keine geschlossen Frontlinien in dieser Bewegungsoperation vor, sondern eine offene rechte Flanke zum Meer, und eine lose besetzte linke Flanke im Elsaß. Das war die Kernaussage, um den Bewegungskrieg der Vernichtungsschlacht bis zum Super-Cannae von der Lage im Oktober 1914 zu trennen.
Schon die Begriffe wie "Überflügeln" und "Umfassen" lassen erkennen, worum es im Grunde geht: Um die Vorstellung nämlich, dass zwei Armeen vor einander aufmarschieren, sich Schulter an Schulter aufstellen und dann Auge in Auge aufeinander losgehen. Gesiegt wird, indem man die Mitte des Feindes zertrümmert oder die Flügel außenherum schickt (wenn es sich denn machen lässt).
Das ist eine Verbiegung von Schlieffens Idee und Moltkes Versuch der Realisierung, die nichts mehr mit Quellenanalysen zu tun hat.
Hier sollte gar nichts aufeinander prallen, sondern das Ziel war bekanntlich die möglichst kampflose Umfassung, weiträumige Überflügelung und im Ergebnis Einkesselung der französischen Armee östlich/südöstlich von Paris, wo die für die französische Seite aussichtslose Entscheidungsschlacht stattfinden sollte. Das ist eigentlich ein alter Hut, und selbst aus den (ansonsten falschen, siehe oben) West-Point-Karten im Ergebnis leicht ablesbar.
Nach diesem Muster sind die Kontrahenten im Ersten Weltkrieg auf einander losgegangen. Das beruhte auf einer "Grundhaltung", die es heute nicht mehr gibt. Nach heutiger Militärdoktrin treten Armeen nicht mehr "auf breiter Front" gegen einander an.
Die unsinnige Ablenkung auf "heutige Militärdoktrin" lasse ich mal außen vor, die führt hier nicht weiter.
Überflügelung und Umfassung sind
Operationsmotive aus der Zeit der Massenarmeen, bis zum 2. Weltkrieg (danach gibt es keine Beispiele in dieser Dimension, mangels Krieg in dieser Dimension, aber das weißt Du sicher selber). Für den WK 2 kann ich Dir bei Bedarf unbegrenzt vergleichbare Muster, von der der Divisions- bis zur Armeeebene, liefern.
Dazu konnte ich keine "operationsgeschichtlichen Details" liefern, weil ich nie behauptet habe, dass die Umfassung an der Waffenwirkung gescheitert ist. Ich behaupte, dass der Vormarsch (genauer: der Durchbruch) an der Waffenwirkung gescheitert ist.
Umfassung ist das Planmotiv, entspricht dem Vormarsch im August 1914 und dem Durchbruchsversuch wegen des
unerwarteten Widerstandes Anfang September 1914. Wir reden also durchaus über denselben Ort, dieselbe Zeit. Damit letztmals die Frage zum Detail, um weitere Ablenkungen zu ersparen: Nennung der Waffenwirkung als entscheidenden Faktor an der Marne vom 1. bis. 9.9.1914. Wenn jetzt nichts kommt, sehe ich das als Luftnummer und abgehakt.
Nochmal zur Erinnerung: Der Schlieffen-Plan sah eine Aufstellung nach dem Muster eines langen Hebels vor. Die Truppen, die am "Drehpunkt" des Hebels stationiert waren, sollten dort bleiben und nur verteidigen.
So weit richtig (natürlich bis auf das grundfalsche Bild der Hebelwirkung - Frieser spricht richtigerweise von einem festen Scharnier der Drehtür), aber:
Je weiter nördlich die Einheiten standen, desto weiter sollten sie vorrücken - und desto stärker wurden sie ausgestattet. Die Truppenteile, denen die Hauptlast des Angriffs zugedacht war, wollte Schlieffen auf die siebenfache Stärke bringen wie die Truppen am Drehpunkt des Hebels. Diese Stärke war kaum nötig, wenn die Einheiten nur um die gegnerische Front "herum" sollten. Sie sollten fähig sein, hindurch zu gehen und alles zu beseitigen, was ihnen im Weg stand.
Dann hast du den Schlieffen-Plan nicht verstanden. Die eingeplante Stärke bei Schlieffen
und Moltke entspricht rein der räumlichen Ausdehung und dem Marschweg und hat bei Schlieffen nullkommanichts mit der Brechung eines unterstellt stärkeren linken französischen Flügels zu tun.
Solltest Du auf dem Standpunkt dennoch beharren, wäre ich für eine Zitatstelle dankbar, bei der Schlieffen starke frz. Kräfte am linken Flügel (zur Orientierung: also ggü. dem rechten deutschen Flügel) vermutet haben soll, die durchbrochen werden müssten. Schlieffens Satz ("Macht den rechten Flügel stark") hat bei Deteilsicht seiner Planungen mit Raum und Zeit,
nicht mit (gegnerischer) Kraft etwas zu tun.
Die Generäle wollten deshalb Frankreich möglichst schnell besiegen und als Gegner ausschalten, um sich in Ruhe der Ostfront zuwenden zu können. Nur mit einer Einkesselung wäre es nicht getan gewesen. Was den Angreifern vorschwebte, war "Vernichtung" (im Clausewitz´schen Sinn).
Das ist falsch. Ich empfehle Wallachs "Dogma der Vernichtungsschlacht", oder beliebige Fachliteratur zum Thema. Die Einkesslung bei Schlieffen
entspricht der Vernichtung, weil sich letztere zwangsläufig ergibt. Was hier eine Differenzierung soll, bleibt Dein Geheimnis. Ich würde wieder Ritter zu Schlieffen oder MGFA (Operatives Denken bei Clausewitz, Moltke, Schlieffen und Manstein) oder auch Mombauer (Moltke) empfehlen.
Das lässt sich auch am Verlauf der Marne-Schlacht ablesen. Sie begann mit dem Befehl des deutschen Oberkommandos, westlich von Paris (also ganz am Ende des "Hebels") vorzustoßen und die fransösischen Truppen nach Südosten zu drängen. Von "Umgehen" oder "Überflügeln" ist da nicht die Rede!
Die Marneschlacht ist keine Erfindung der deutschen Führung, sondern Ergebnis der Tatsache, dass sich der Umschließung nach Schlieffen/Moltkescher Planung starke Ktäfte an der Marne entgegenstellten. Um jetzt nicht wieder die Phantasiediskussion "westlich Paris" aufzumachen: das war keine Option in der Realität, da Schlieffens Planungen an Aisne/Oise
endeten.
Erst als die Kommandeure merkten, dass ihr Plan nicht durchsetzbar war, haben sie nach Alternativen gesucht (Wettlauf zum Meer).
Das ist jetzt nicht Dein Ernst. Der Wettlauf zum Meer als Alternative.:rofl:
Da empfehle ich mal die entsprechenden Bände aus dem Reichsarchiv: das war forciert, Folge der allierten Versuche.
Einwand: Moltke hatte Schlieffens Plan "verwässert" und die Truppen an der Spitze der "Keule" nicht auf siebenfache, sondern nur auf dreifache Stärke gebracht. Von "Unterlegenheit" kann aber überhaupt keine Rede sein. Die angreifenden Truppen waren mehrmals so stark wie die Verteidiger. Ihr Vormarsch wurde trotzdem gestoppt. Wodurch denn eigentlich?
Ist das jetzt wirklich ernsthaft gemeint? Ich fasse es nicht, aber falls doch, dann würde ich darauf antworten.
Frage: Was ist an einer "Umfassung" eigentlich so furchtbar schlimm? Wenn die "umfasste" Truppe ordentlich stark ist, ist ihr so ein Manöver völlig egal oder sogar willkommen.
Für diese allgemein gestellte Frage würde ich mal die Studie des Bialystocker Balkons empfehlen. Die wird sehr erhellend sein. Alternativ könnte man sich fragen, ob die russiche Führung in Polen 1914/15 an einer Umfassungsphobie leidete. Wären sie doch stehen geblieben.:devil:
Bleibt die Frage: Was hat die Infanterie aufgehalten? Nur der Mangel an Nachschub? Welche Art von Nachschub, der mit damaligen Mitteln nicht sichergestellt werden konnte, braucht Infanterie denn? Sollten die Soldaten wirklich so viel gefuttert haben, wie mein Schreibfehler weiter oben vermuten lassen könnte? Das einzige, was die Soldaten in unerwartet großem Umfang "verbraucht" haben können, ist Munition. Woran das gelegen haben kann, mag sich jeder selbst ausdenken.
Da braucht man nicht zu phantasieren. Aufgehalten hat die Infanterie in der Marneschlacht ein am rechten deutschen Flügel überlegener Gegner, und das überraschend und entgegen der Planung.
Wie wäre es mit Zahlen?
Mir ist völlig schleierhaft, warum man eigentlich über die, teilweise seit 6 Jahrzehnten publizierten Fakten in dieser Weise diskutieren muss, wenn am Thema Interesse besteht. Aber vielleicht sind mir da doch ein paar Publikationen durchgegangen: worauf stützt Du eigentlich diese Ansichten?