Seeblockade und Kriegsrecht nach 1945 (Kontext: Ukrainekrieg)

Wie gesagt, meine Interpretation. Und ich muss wieder weit ausholen.

Fakt ist, die Vereinbarungen von London waren von keiner Seite ratifiziert worden. "Rechtsfreier Raum" ist dahingehend nicht richtig, als das es bestimmte völkerrechtsverbindliche Vereinbarungen für den Seekrieg gab, diese betrafen Lazarettschiffe, gefangene und verwundete Seeleute, die Errichtung eines Prisengerichtdhofes. Und es gab ein Gewohnheitsrecht, aber nicht kodifiziert und wenn doch, hoffnungslos veraltet.

Die Londoner Regeln von 1909 waren nicht verbindlich, höchstens eben als Gewohnheitsrecht, da sie auf älteren Regeln u.a. der Pariser Deklaration von 1856 aufbaute (ich wollte nicht noooch weiter zurückgehen, sonst wär ich bei der Hanse(?) gelandet, außerdem gleiches Problem, 1856er Regeln auf Dampfschiffe, Torpedos, Schiffsartillerie...).

1914 versuchte man sich anfangs an die Londoner Regeln zu halten. U.a. an die des "Kreuzer-Krieges"

Kreuzer waren explizit zur Störung des Handels konzipiert worden, schnelle Schiffe, gut, aber nicht schwer bewaffnet, Typ einsamer Wolf auf Beutesuche (er kreuzte halt). Und wenn es ein Handelsschiff im Schlafittchen hatte, wurde das Schiff gestoppt und durchsucht. Wenn es sich lohnte, wurde es übernommen (im optimalsten Fall), die Besatzung des Handelsschiffes blieb weitgehend an Bord, das Kommando übernahm ein Prisenkommando.

Im ungünstigen Fall wertvolle Fracht übernehmen Schiff versenken, Besatzung gefangennehmen und an sicherer Stelle absetzen.

UBoote sollten sich an dieses "Gentleman-Agreement" halten. Stoppen, durchsuchen, Prisenkommando oder Besatzung gefangennehmen.

Zur besseren Einordnung:

Der Kleine Kreuzer "SMS Karlsruhe" ( soviel Lokaloatriotismus muss sein) hatte eine Besstzung von 343 Mann, das Schiff war 140m lang, fast 14m breit und hatte eine Verdrängung von 6.000t.

Sie brachte mehrere Frachter auf und übernahm v.a. deren Kohle zur eigenen Versorgung. Auf einem Begleitschiff wurden über 400 Seeleute gefangen gehalten und später nach Teneriffa verbracht.

SM U20, das Boot, welches die Lusitania versenkte, war 64m lang, 6m breit, 600t Verdrängung bei 35 Mann Besatzung. Spätere UBoote waren auch nicht viel größer.

Ein UBoot sollte also einen Kreuzerkrieg führen, war aber von der Größe, Bewaffnung und Besatzung gar nicht in der Lage, etwas anderes zu tun, als Schiffe "nur" zu versenken.

Trotzdem wurde der UBootkrieg zuerst genauso geführt. Schiff stoppen, Besatzung von Bord gehen lassen, ja sogar die Rettungsboote ins Schlepp nehmen. Und damit das eigene UBoot gefährden.

Die Engländer haben sich das "korrekte" deutsche Vorgehen dann zunutze gemacht und Frachter zu "Q-Ships", schwerbewaffnete UBoot-Fallen umgebaut. Das deutsche UBoot sieht diesen Frachter, taucht auf (wenn es denn getaucht war) und fordert den Frachter zur Aufgabe auf und wird dann von diesem beschossen (die Q-Ships gaben sich erst im letzten Moment als Kriegsschiff zu erkennen).

Was wiederum dazu führte, dass der "Kreuzerkrieg" aufgegeben wurde zugunsten des uneingeschränkten UBootkrieges, weil
1. Eine wirksame Blockade der britischen Inseln nur durch UBoote möglich war
2. UBoote keine Kreuzer sind und für einen erfolgversprechenden Kampf anders eingesetzt werden mussten

Sprich, die OHL erkannte, dass die alten Spielregeln nicht passten und es neue brauchte.

Dass die Alliierten und die USA sich spätestens seit der Lusitania darüber aufregten, war verständlich. Ein unbewaffnetes Passagierschiff, so absolut gar keine Munition an Bord, so viele Tote unschuldige Opfer der Hunnen, die hinterhältig kämpfen.
(ich führe nicht weiter aus, welche Optionen der Kommandant von U20 hatte).

Das Bestehen auf den "Kreuzerkriegsregeln" noch in der Pariser Deklaration 1930 bzw. 1936 im Londoner Protokoll hätte UBoote obsolet gemacht. Dies dürfte dem Wunsch vieler Admiräle nach 1918 entsprochen haben, weil sie erkannten, dass diese kleinen, schnell zu bauenden und relativ günstigen Boote ihren schönen Schlachtschiffen gefährlich werden können.

Erst mit Nürnberg wird grundsätzlich akzeptiert, dass UBoote anders sind.


Falls bemängelt wird, dass ich behaupte, auch die Allierten hatten sich nicht an die Londoner Regeln gehalten, die Q-Ships sind zumindest ein Grenzfall.

Die Seeblockaden der Nordsee und der Adria waren in ihrer Umfänglichkeit jedoch nicht abgedeckt und zielten in erster Linie auf die Zivilbevölkerung. Mit ihrer überlegenen Überwasser-Flotte mussten sie keine Schiffe versenken.

Die Weiterführung der Blockade nach dem Waffenstillstand war eindeutig völkerrechtswidrig, da ein Kriegsakt.

STARK VEREINFACHT DARGESTELLT!
 
1. Eine wirksame Blockade der britischen Inseln nur durch UBoote möglich war
Kann man das vereinzelte Auftreten von U-Booten tatsächlich als "wirksame Blockade" bezeichnen?

Die Weiterführung der Blockade nach dem Waffenstillstand war eindeutig völkerrechtswidrig, da ein Kriegsakt.
Der Kriegszustand endet doch aber erst mit einem Friedensschluss? Insofern ein Waffnstillstand den Kriegszustand ann und für sich nicht aufhebt, sondern nur den Waffengang einvernehmlich unterbricht, verstehe ich nicht ganz, warum sich daraus ein Völkerrechtsbruch herleiten sollte.
 
Eigentlich gehört es nicht hierher, deshalb nur kurz.

Die "vereinzelten" UBoote wurden von den Briten als ernsthafte Bedrohung ihrer Versorgung angesehen.

Eine Blockade durfte errichtet werden, um die Kriegsanstrengungen des Gegners zu behindern.
Es gab nach dem Waffenstillstand keinen militärischen Grund mehr, die Blockade aufrechtzuerhalten, die Schiffe der Kriegsmarine einschließlich der UBoote waren interniert. Die Alliierten hatten Besatzungstruppen in Deutschland stehen und das deutsche Heer war in Auflösung und ohne schwere Waffen.

Die Blockade traf deshalb nur die Zivilbevölkerung, Hunger wurde weiterhin als Waffe eingesetzt.
 
Die "vereinzelten" UBoote wurden von den Briten als ernsthafte Bedrohung ihrer Versorgung angesehen.

Sicherlich, mir ging es eher darum, dass zumindest in meiner Vorstellung (vielleicht irre ich da ja), die Forderung nach tatsächlicher Wirksamkeit einer Blockade eine ständige Präsenz voraussetzen würde, die man bei dem sporadischen Auftreten von U-Booten durchaus in Zweifel ziehen könnte.

Es gab nach dem Waffenstillstand keinen militärischen Grund mehr, die Blockade aufrechtzuerhalten, die Schiffe der Kriegsmarine einschließlich der UBoote waren interniert.
Den gab es mMn insofern die Blockade keine reine Lebensmittelblockade war, sondern sie eben auch weiterhin die Zufuhr rüstungsrelevanten Materials blockierte, mMn grundsätzlich schon noch.

Deswegen trifft auch die Behauptung, sie habe nur die Zivilbevölkerung betroffen nicht zu. Sie hat natürlich auch die Waffen- und Munitionsfabriken und damit den Nachschub, wie auch die Verpflegung der Streitkräfte betroffen.

Insofern mit dem Waffenstillstand zwar eine Kampfpause vereinbart war, der Kriegszustand bis zu einem Fiedensschluss aber noch fortbestand und die deutsche Seite im Rahmen des Waffenstillstands die Fortsetzug der Blockade als Teil der Vereinbarung akezptiert hatte, sehe ich durch den Fortbestand der Blockade an und für sich eigentlich keinen Rechtsbruch.
Möglicherweise durch die Art der Blockade, sofern sie weiterhin Lebensmittel betraf, aber einenn Grund, warum sie wegen des Waffenstillstands komplett, d.h. auch für Kriegsgüter zurückgenommen hätte werden müssen, sehe ich nicht, ebenso wenig dass es nur die Zivilbevölkerung getroffen hätte.
 
Die Blockade 1914 bis 1919 ist nicht das Thema hier.

Ich empfehle diesen Artikel vom DHM.

Und ein Zitat von Winston Churchill (aus einer Rede vor dem Unterhaus, März 1919)

We are holding all our means of coercion in full operation, or in immediate readiness for use. We are enforcing the blockade with vigour. We have strong armies ready to advance at the shortest notice. Germany is very near starvation. The evidence I have received from the officers sent by the War Office all over Germany shows, first of all, the great privations which the German people are suffering, and, secondly, the great danger of a collapse of the entire structure of German social and national life under the pressure of hunger and malnutrition. Now is therefore the moment to settle
 
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Wie ausgeführt, kann eine Blockade völkerrechtsmäßig nur vom UN-Sicherheitsrat beschlossen werden, bevor ein Konflikt zum Krieg esksliert. Soweit ich das jetzt nachlesen konnte, ist es dazu noch nie gekommen.

Was dem am nächsten kommt, war m.E. das Überwachen des Waffenembargo gegen Libyen 2011 durch NATO-Schiffe zu Beginn des Bürgerkrieges.

Die bekannteste Blockade nach 45 dürfte die der USA gegen Kuba 1962 sein. Da diese Maßnahme ergriffen wurde, um Druck auszuüben, bevor man schießen würde, entsprach sie dem Sinn der UN-Charta. Weil aber nicht vom UN-Sicherheitsrst beschlossen, war diese Blockade völkerrechtswidrig. Deshalb wurde sie ja auch nicht "Blockade" genannt, sondern "Quarantäne".
 
Ich muss mich korrigieren, mindestens einmal hat der Sicherheitsrat eine See- und später zusätzlich ein Luftembargo beschlossen, um den Irak zum Rückzug aus Kuwait zu drängen. Nahrungsmitteltransporte und humanitäre Güter wie Medikamente waren ausdrücklich davon ausgenommen.
 
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