Sklaven im Haushalt

Ich halte die Hypothese für durchaus bedenkswert. Grundsätzlich ähnelt eine auf Sklaverei beruhende Wirtschaft der kapitalistischen Marktwirtschaft, die auf dem Einkauf der Arbeitsleistung von freien, aber auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesenen Arbeiter basiert: Bei beiden ist die Arbeitskraft eine (mehr oder minder) berechenbare Größe in der Kalkulation der Unternehmer, die diese nutzen respektive ausbeuten. Die Kostenminimierung durch eine fortschreitende Mechanisierung war (und ist) dabei ein entscheidender Faktor. Wieso hat sich das in der frühen Industrialisierung soweit gelohnt, dass Maschinen wie die spinning jenny erfunden wurden, während es im römischen Reich nicht dazu kam?

Hier können Aspekte, die der Sklaverei inhärent sind, dem Kapitalismus aber nicht, eine Rolle gespielt haben. Freie Arbeit(nehm)er können sich bspw organisieren und für eine Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen kämpfen; selbst wenn das illegalisiert wird, beruhen diese Kämpfe bzw Forderungen auf den Grundsätzen und Freiheiten, die die Grundlage einer Marktwirtschaft bilden, bspw den damit zusammenhängenden (Menschen-) Rechten. Sklaven können dies grundsätzlich nicht, da es das gesamte System der Sklaverei in Frage stellen würde.

Wie ihr sagt ist dazu eine Betrachtung der Entwicklung in den USA interessant, die ja lange Zeit sowohl Sklaverei (in den Südstaaten) kannte, als auch eine erfolgreiche Mechanisierung bzw Industrialisierung (vornehmlich in den Nordstaaten). Das Vorhandensein von Bodenschätzen kann mE nicht der ausschlaggebende Punkt gewesen sein, denn Rohstoffe wie Kohle oder Eisenerz gibt es auch im Süden. Eher ist die Frage, wie die Entwicklung gewesen wäre, hätten auch die Unternehmer im Norden auf Sklavenarbeit zurückgreifen können. Ich kann es nicht belegen, vermute aber, dass dies ein Hemnis für die Entwicklung/Industrialisierung des Nordens hätte sein können.

Ein mE wichtiger Punkt sind dabei die "Investitionskosten": Sklaven müssen eingekauft werden, der weitere Unterhalt ist dann (verglichen mit Lohnkosten) eher niedrig. Es ist also ein Interesse vorhanden, die bereits getätigten Investitionen in die Arbeitskraft zu nutzen, und alle weiteren Kosten (bspw für Maschinen) niedrig zu halten. In einer auf Lohnarbeit beruhenden Wirtschaft (ohne Kündingungsscutz etc) ist dagegen das Interesse der Minimierung der Lohnkosten gegeben, bspw durch Anschaffung neuer Maschinen, die die Arbeit von Menschen ersetzt. Oder anders: Hab ich erstmal ein paar Sklaven, müssen diese sich rentieren. Hab ich Arbeiter, die ich jederzeit entlassen kann, lohnt es sich eher, eine neue Maschine zu kaufen, und dafür ein paar Arbeiter zu entlassen.

Zur Dampfmaschine: Diese wurde ursprünglich entwickelt, um in Bergwerken eine Entwässerung zu ermnöglichen. Erst als auf dieser Grundlage eine gewisse Effizienz erreicht war, wurde die Dampfmaschine auch für andere Zwecke genutzt, so für den Transport in Form der Eisenbahn oder als Schiffsantrieb. Ohne die Nutzung in bergwerken wäre die Entwicklung der Dampfmaschine evtl nie soweit gediehen, dass sie für andere zwecke sinnvoll gewesen wäre.
 
Wieso hat sich das in der frühen Industrialisierung soweit gelohnt, dass Maschinen wie die spinning jenny erfunden wurden, während es im römischen Reich nicht dazu kam?

Zur Dampfmaschine: Diese wurde ursprünglich entwickelt, um in Bergwerken eine Entwässerung zu ermnöglichen. Erst als auf dieser Grundlage eine gewisse Effizienz erreicht war, wurde die Dampfmaschine auch für andere Zwecke genutzt, so für den Transport in Form der Eisenbahn oder als Schiffsantrieb. Ohne die Nutzung in bergwerken wäre die Entwicklung der Dampfmaschine evtl nie soweit gediehen, dass sie für andere zwecke sinnvoll gewesen wäre.

Zu 1. Die Römer waren technisch noch nicht bei der Dampfmaschine angekommen, ebenso wie James Watt noch nicht bei der Mikroelektronik war. Das hat doch nichts mit der Sklaverei zu tun. Dann wäre die Spinnmaschine spätestens im Mittelalter erfunden worden, wo Sklaven im Bereich des Spinnens gar keine Rolle mehr spielten. Spinnen war reine Frauenarbeit und die Maschine wurde nicht wegen eines plötzlichen Frauenmangels erfunden ,sondern sie erreichte eine viel größere Geschwindigkeit und ermöglichte erst die Massenproduktion.

Zu2. Jahrhundertelang verwendete man Göpelpelwerke mit Ochsen- oder Pferdeantrieb zur Entwässerung von Bergwerken. Das funktionierte auch und Ochsen waren weder Mangelware noch teurer in der Unterhaltung als die Dampfmaschine. Die Maschine konnte es aber besser und schneller und das war der Hauptgrund für ihren Einsatz.
 
Zu 1. Die Römer waren technisch noch nicht bei der Dampfmaschine angekommen, ebenso wie James Watt noch nicht bei der Mikroelektronik war. Das hat doch nichts mit der Sklaverei zu tun.

Da hast Du natürlich recht: Die technische Entwicklung war im römischen Reich noch nicht so weit, wie sie beim Einsatzen der Industrialisierung war. Allerdings löste mWn die Spinnmaschine auch die (oft von Frauen betrieben) Heimarbeit ab; aber unter anderen Voraussetzungen.

Dann wäre die Spinnmaschine spätestens im Mittelalter erfunden worden, wo Sklaven im Bereich des Spinnens gar keine Rolle mehr spielten.

Im Mittelalter waren die Vorausstzungen allerdings weitgehend andere. Ökonomische Kalkulation (ob auf Sklaven- oder Lohnarbeit beruhend) war damals in weiten Teilen der Produktion wenig verbreitet, der Einkauf der Arbeitskraft anderer spielte eine viel kleinere Rolle, als im römischen Reich oder der Frühindustrialisierung. Gegen die Mechanisierung der Produktion sprachen ganz andere Gründe, bspw das Zunftwesen. Daher mein Hinweis auf die grundsätzlich ähnlichen ökonomischen Bedingungen in Sklaverei- respektive Lhnarbeits-Wirtschaft.

Das funktionierte auch und Ochsen waren weder Mangelware noch teurer in der Unterhaltung als die Dampfmaschine. Die Maschine konnte es aber besser und schneller und das war der Hauptgrund für ihren Einsatz.

Das ist ein Widerspruch in sich. Wenn Maschinen etwas besser und schneller erledigen als der Einsatz menschlicher oder tierischer Arbeitskraft, heisst das, dass Maschinen billiger und/oder effizienter sind. Genau das bedeutet "schneller und besser". ;)
 
Man sollte auch im Auge behalten, dass selbst der heute zum Humanisten verklärte Cicero keine Mühe mit der Sklaverei hatte und heutige Superstars wie die Applechefs Steve Jobs (sein Tod wurde in den Klatschspalten betrauert), seine Nachfolger und Konkurrenten ihre IPhones, Smartphones und mehr unter sklavischen Zuständen in China, Vietnam und z.t. sogar in Europa produzieren lassen.

Technik und Sklaverei heben sich beileibe nicht auf. Die eigentliche historisch relevante Frage wäre:

Ab wann ist Sklaverei ein Verbrechen?
 
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@ Biberius C Mero: Von heutigen (und damit aktuellen) Zuständen mal ganz abgesehen, muss zwischen Sklaverei und "Lohnsklaverei" unterschieden werden. Bei zweiterem treten idR keine Kosten für den Einkauf der "Lohnsklaven" auf, sondern wie bei aller Lohnarbeit nur die laufenden Lohnkosten (so niedrig die dann auch sein mögen...). Das verändert natürlich die unternehmerische Kalkulation und mE damit auch die Auswirkungen auf das Interesse, diese Kosten mittels Maschineneinsatz zu minimieren.
 
Diese Idee eines fiktiven Verzichts auf technologische Innovation halte ich für unwahrscheinlich. Einer der Gründe: da hätte man römischerseits ja auch auf Aquaedukte verzichten können und die Heerscharen der Sklaven das Wasser schleppen lassen können :rofl:

Das technisch sehr fortschrittliche Karthago nutzte für den Transport des Wassers von Zaghouan Karawanen ... ok, die Strecke ist mit ~ 75 km deutlich länger als die Aqua Appia mit 16,4, aber das war 312 v. d. Zw.; schon 272 v. d. Zw. legten die Römer mit dem Anio vetus eine Leitung von fast 64 km hin, als die Karthager noch "Eimer schleppten". Flaubert hat in "Salammbo" auch einen karthagischen Aquaedukt angenommen. Warum gab es ihn eigentlich nicht?
Dahinter stehen vermutlich zwei andere Überlegungen: durch das Zisternensystem war die Stadt einerseits unabhängiger und nicht "auszutrocknen"; andererseits konnte man wahrscheinlich mit dem abgefüllten Nass der "Source de Zaghouan" damals wie heute in Buddeln einfach mehr Kohle machen, wenn man es als feines Tafelwasser vertickte. Ist ja heute auch nicht anders (nennt sich nur "Tafel-" statt "Leitungswasser", auch wenn es mitunter dasselbe ist)
 
Und eine der finstersten Zeiten der ohnehin nicht besonders hell leuchtenden römischen Republik, als sich der Egoismus der herrschenden Klassen gegen alle unter ihnen richtete - und letztendlich zur Selbstzerfleischung führte. Selten war das Leben eines Menschen so wenig wert wie damals.
Diese Formulierung finde ich etwas zu klassenkämpferisch. Das mit dem Egoismus der herrschenden Klasse gegen alle unter ihnen passt in etwa auf die Patrizier in der Zeit der Ständekämpfe sowie auf die Zeit des 2. Jhdts. v. Chr., als einige wenige herrschende Familien den Aufstieg anderer Personen in die höheren Ämter und soziale Reformen zu unterbinden suchten, aber eher weniger auf das 1. Jhdt. v. Chr. Da war der Versuch der Senatsaristokratie, eine Art Oligarchie zu bewahren, bereits weitgehend gescheitert. Nun gab es statt einer herrschenden "Klasse", die das einfache Volk unterdrücken wollte, primär ein rücksichtsloses Streben Einzelner, die im Prinzip bereits der "herrschenden Klasse" angehörten, nach oben, wobei den Strebenden jedes Mittel recht war und sie dabei oft auch das einfache Volk für sich zu gewinnen versuchten. Die einfachen Menschen waren zwar nur Mittel zum Zweck, konnten aber durchaus profitieren, z. B. durch Getreideverteilungen, Spiele, Landzuweisungen, Unterstützung bei der Erlangung niedriger Ämter, im cisalpinen Gallien auch Bürgerrechtsverleihungen etc. Niederzuhaltende bzw. zu drückende Gegner der Angehörigen der "herrschenden Klasse" waren nicht die "unter ihnen", sondern die anderen Angehörigen der "herrschenden Klasse".
 
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Ich denke, man muss bei so einer Frage versuchen, sich aus der Denkweise des aufgeklärten (?) Europa des 21. Jahrhunderts zu lösen. Vermutlich wäre es bei entsprechender Organisation möglich gewesen, sich unter hohem Risiko zu einem villa rustica-weiten Miniaufstand zusammenzuschließen, wobei die Folgeprobleme auf der Hand liegen (was will ein entlaufener Sklave tun, wo will er hin, wo findet er Arbeit oder Nahrung?)

Ein ganz entscheidender Faktor ist aber, dass in der Antike Sklaverei etwas völlig Normales war und kein Zustand, der in irgendeiner Weise als änderbar angesehen wurde. Aristoteles schreibt selbstverständlich von einer natürlichen Einteilung der Menschen in Herren und Sklaven. (Wobei mich meine Schüler dann immer zu Recht fragen, in wiefern frei Geborene, als Sklaven verkaufte an dieser Stelle das anders sahen.) Ebenso meckern in unserer Zeit viele über den Job, den Chef, das Essen in der Kantine, aber einen Aufstand machen die wenigsten - eben weil die Dinge einfach so sind, wie sie sind. Und die Menschen in der Antike waren noch stärker als wir der Ansicht, das Schicksal/die Götter bestimmen das Los des Einzelnen. Der Lauf der Dinge galt schlicht als nicht sonderlich änderbar.
 
Ganz interessante Diskussion, wobei ich besonders an den Zusammenhang technischer Innovation und Sklaverei denken musste. Einige Beiträge gingen in die Richtung, dass wachsende technische Innovation menschliche Arbeitskraft zu rationalisieren und einsparen kann, dass Industrialisierung und technische Innovation eher zum Verschwinden der Sklaverei beiträgt.

Ausgangspunkt war eigentlich die Sklaverei in der Antike, doch ich wollte noch einmal zu den USA zurückkehren. Den Gründungsvätern war die Widersprüchlichkeit zwischen den in der Unabhängigkeitserklärung erhobenen Grundrechten Leben, Freiheit und das Streben nach persönlichem Glück und der Institution der Sklaverei wohl bewusst. Man überging "the certain institution" wie sie der Literat Thackeray dezent umschrieb, denn hätte der Kongress dieses Thema zur Tagesordnung gemacht, hätten die Kolonien Virginia, Georgia, Maryland und die Carolinas nicht unterschrieben. Man entschloss sich zu einem Kompromiss, und es gab Amerikaner, die hofften, das Thema werde sich von selbst erledigen, und es gab durchaus gute Gründe, die dafür sprachen. Noch Ende des 18. Jahrhunderts hielten sich schwarze Sklaven und Indentured Servants und freie Tagelöhner noch einigermaßen die Waage, und etliche weiße Kleinbauern im agrarisch geprägten Süden besaßen niemals Sklaven und übten Erntearbeiten selbst aus. Die jahrelange Monokultur von Tabak und Reis hatte die Böden in Virginia und den Carolinas erschöpft. Durch den Louisiana Purchase von 1803 wurden Alabama, Arkansas, Louisiana und Missisippi Teil der USA, und 1793 erfand ein Yankee aus Masachusetts,, Eli Whitney die Cotton Gin, eine Entkernungsmaschine, die Samen und Faser trennte, ein zuvor extrem arbeitsintensiver Vorgang. Whitney erfand auch das Fließband, was oft Henry Ford zugeschrieben wird. Die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts in den USA ersetzte weniger die menschliche Arbeitskraft in der Landwirtschaft, sondern erhöhte die Produktion einer Arbeitskraft. Durch die Cotton Gin wurden nicht menschliche Arbeitskräfte überflüssig, sondern es konnte deren Produktivität um das 50 fache erhöht werden. Ein Sklave konnte jetzt 50 mal soviel Baumwolle pflücken, und es begann der Siegeszug von King Cotton. Die extrem hohen Gewinne, die Pflanzer erzielen konnten, wurden zur Gewinnoptimierung in mehr Sklaven und mehr Land investiert.
 
In dem Zusammenhang sollte man noch das Christentum erwähnen.

Wenn man das frühe NT und v.a. die Paulusbriefe liest, muss man fast darauf schliessen, dass die ursprünglichen Christen wirklich keine Unterschiede zwischen den Menschen gemacht haben. So haben sich selbst wildfremde Christen mit Bruder resp. Schwester angeredet.
Sowas gibt es heute nur noch im Kloster und muss wohl damals die Römer sehr befremdet haben, denn Bruder und Schwester sind in ihrem Verständnis nur der und die, die miteinander verwandt sind. Die Familie ist auch eine politische Zusammgehörigkeit.

Das war wohl auch einer der Gründe für den Beginn der Christenverfolgung unter Nero.

In der Reformationszeit forderten die Wiedertäufer die Abschaffung der Leibeigenschaft und lehnten staatliche Autoritäten ab, was sogar die Reformer Luther und Zwingli gegen sie aufbrauchte.

Die Abschaffung der Sklaverei in Amerika wurde mit Lincoln von einem überzeugten Christen durchgesetzt. (Den Film von Spielberg über dies kann ich übrigens nur empfehlen.)
 
Sowas gibt es heute nur noch im Kloster und muss wohl damals die Römer sehr befremdet haben, denn Bruder und Schwester sind in ihrem Verständnis nur der und die, die miteinander verwandt sind. Die Familie ist auch eine politische Zusammgehörigkeit.
Ob das wirklich so schlimm empfunden wurde ist etwas spekulativ. Im "Satyricon" von Petronius nennt die Hauptfigur Encolpius seinen Geliebten Chiton, ständig sein Brüderchen. Ob Bruder und Schwester immer nur im familiären Zusammenhang zu finden war weiß man doch gar nicht.

Ich könnte mir als einen Grund von Neros Verfolgung vorstellen , dass eventuell einige Christen den Brand der Stadt laut bejubelten, da sie der Meinung waren, dass der jüngste Tag angebrochen war und sich damit als Brandstifter verdächtig machten.
 
In dem Zusammenhang sollte man noch das Christentum erwähnen.

Wenn man das frühe NT und v.a. die Paulusbriefe liest, muss man fast darauf schliessen, dass die ursprünglichen Christen wirklich keine Unterschiede zwischen den Menschen gemacht haben. So haben sich selbst wildfremde Christen mit Bruder resp. Schwester angeredet.

Sowas gibt es heute nur noch im Kloster und muss wohl damals die Römer sehr befremdet haben, denn Bruder und Schwester sind in ihrem Verständnis nur der und die, die miteinander verwandt sind. Die Familie ist auch eine politische Zusammgehörigkeit.

Das war wohl auch einer der Gründe für den Beginn der Christenverfolgung unter Nero.

In der Reformationszeit forderten die Wiedertäufer die Abschaffung der Leibeigenschaft und lehnten staatliche Autoritäten ab, was sogar die Reformer Luther und Zwingli gegen sie aufbrauchte.

Die Abschaffung der Sklaverei in Amerika wurde mit Lincoln von einem überzeugten Christen durchgesetzt. (Den Film von Spielberg über dies kann ich übrigens nur empfehlen.)


Das verstehe ich nicht ganz, inwiefern ist das, was man in der Antike unter Familia verstand (auch) eine politische Zusammengehörigkeit?
Gleichheit der Menschen vor Gott, aber die Unterschiede zwischen den Menschen hat das Christentum nicht in Frage gestellt, ebensowenig wie die Institution der Sklaverei.

Was die Christen suspekt machte, war doch vor allem, dass:
1. Es handelte sich um eine obskure jüdische Sekte, nicht um eine religio licita wie das Judentum.
2. Es war eine Religionsgemeinschaft, die sich vor allem aus Fremden, Sklaven oder Freigelassenen rekrutierte, die sich im Geheimen traf, wobei man nicht genau wusste, was dort eigentlich geschieht.
3. Der Gründer war als Unruhestifter von einem römischen Amtsträger zum Tode verurteilt worden, noch dazu am Kreuz, eine Hinrichtungsart, die römischen Bürgern nicht zugemutet werden durfte und die als extrem entehrend galt.
4. Dass sie Rom angesteckt haben, glaubte Tacitus anscheinend nicht, er schreibt, dass man ihnen Hass gegen das Menschengeschlecht unterstellte. (odium humani generis, misanthropia)

Die Christenverfolgung des Nero würde ich eher als typisches Sündenbocksyndrom interpretieren, denn eekutiert wurden sie vordergründig, weil sie Rom angesteckt haben sollten, eine Tat, an der Nero selbst vermutlich ebenso unschuldig war, allerdings hatte der Kaiser mittlerweile einen so schlechten Ruf, dass man ihm so eine Tat zutraute und Sündenböcke dringend gebraucht wurden.

Dazu waren die Christen geradezu prädestiniert, es gab genug von ihnen, sie leisteten keinen Widerstand und hatte man erst einige, brauchte man sie nur zu foltern, um noch mehr zu bekommen.

Um 100 n. Chr. war das Christentum in Kleinasien bereits eine Größe, und der Statthalter von Bithynien erkundigte sich bei Trajan wie mit diesen Leuten zu verfahren sei.

Trajan riet Plinius zur Zurückhaltung und es sollte nicht gezielt nach Christen gefahndet werden, die Weigerung der Kaiserverehrung konnte als Majestätsbeleidigung interpretiert und mit Exekutionen bestraft werden. Diese ebenso nachsichtige wie widersprüchliche Haltung war förderlich für die Verbreitung des Christentums, konnte aber besonders in der Zeit der Reichskrise des 3. Jahrhunderts, aber auch schon zur Zeit Marc Aurels zu blutigen Christenverfolgungen führen wie in Lugdunum wo der Heilige Polykarpos verbrannt wurde.

Die restaurative Religionspolitik der illyrischen Kaiser wurde für das Christentum zu einer heftigen Belastungsprobe. Dabei stellte sich nach der Christenverfolgung des Decius für die frühe Kirche auch die Frage, wie mit den zahlreichen Christen zu verfahren war, die wenig Verlangen nach Martyrium hatten und geopfert hatten oder sich durch Bestechung eine Opferbescheinigung (libellus) besorgt hatten.
 
Ob das wirklich so schlimm empfunden wurde ist etwas spekulativ. Im "Satyricon" von Petronius nennt die Hauptfigur Encolpius seinen Geliebten Chiton, ständig sein Brüderchen. Ob Bruder und Schwester immer nur im familiären Zusammenhang zu finden war weiß man doch gar nicht.

Ich könnte mir als einen Grund von Neros Verfolgung vorstellen , dass eventuell einige Christen den Brand der Stadt laut bejubelten, da sie der Meinung waren, dass der jüngste Tag angebrochen war und sich damit als Brandstifter verdächtig machten.


Das klingt fast wie in dem Sandalenfilm "Barrabas" aus den 60ern mit Anthony Quinn in der Rolle des Banditen Josua Barrabas, den Pilatus anstelle von Jesus zum Pessachfest begnadigte.

Nach jeder Menge Blut und Handlung wird Barrabas als Gladiator begnadigt und wird Zeuge des Brandes von Rom, empfindet das als Fanal wirft eine Fackel in ein Haus, wird verhaftet und bekennt sich als Christ.
 
Das klingt fast wie in dem Sandalenfilm "Barrabas" aus den 60ern mit Anthony Quinn in der Rolle des Banditen Josua Barrabas, den Pilatus anstelle von Jesus zum Pessachfest begnadigte.

Nach jeder Menge Blut und Handlung wird Barrabas als Gladiator begnadigt und wird Zeuge des Brandes von Rom, empfindet das als Fanal wirft eine Fackel in ein Haus, wird verhaftet und bekennt sich als Christ.
Stimmt aber an den Film habe ich jetzt garnicht gedacht.
Ich denke auch nicht, dass sie Feuer gelegt haben aber dass sie vielleicht jubelnd umherliefen, könnte ich mir durchaus vorstellen. Rom war sicher für sie die "Hure Babylon" und die vernichtet Gott. Wie fast alle Sekten, auch heutige, haben sie sicher alle Nichtmitglieder verachtet und als verloren betrachtet, während sie als einzige gerettet werden, da sie den einzig wahren Glauben praktizieren. Solches (eventuelles) Verhalten wird ihnen bei der übrigen Bevölkerung nicht unbedingt Freunde eingetragen haben.
 
Ih versuche der Komplexität der Argumente einigermassen gerecht zu werden und schreibe daher etwas telegrammhaft, aber bitte korrigiert mich, wenn ich etwas falsch verstehe.


inwiefern ist das, was man in der Antike unter Familia verstand (auch) eine politische Zusammengehörigkeit?

Das scheint mir sehr deutlich beim Bruch des Pompeius mit Caesar. Nachdem Pompejus Frau und Caesars Tochter Julia gestorben war gab es für Pompeius keinen Grund mehr sein Bündnis mit Caesar aufrecht zu erhalten.

Gleichheit der Menschen vor Gott, aber die Unterschiede zwischen den Menschen hat das Christentum nicht in Frage gestellt, ebensowenig wie die Institution der Sklaverei.

2. Es war eine Religionsgemeinschaft, die sich vor allem aus Fremden, Sklaven oder Freigelassenen rekrutierte, die sich im Geheimen traf, wobei man nicht genau wusste, was dort eigentlich geschieht.


In meinen Augen ist Zitat 2 die Antwort auf Zitat 1

3. Der Gründer war als Unruhestifter von einem römischen Amtsträger zum Tode verurteilt worden, noch dazu am Kreuz, eine Hinrichtungsart, die römischen Bürgern nicht zugemutet werden durfte und die als extrem entehrend galt.
4. Dass sie Rom angesteckt haben, glaubte Tacitus anscheinend nicht, er schreibt, dass man ihnen Hass gegen das Menschengeschlecht unterstellte. (odium humani generis, misanthropia)

Genau. So ein Mensch passt einfach nicht in die römische Denkweise. Tacitus als intelligenter Mensch glaubt natürlich nicht, dass so eine kümmerliche pazifistische Sekte imstande ist die ewige Stadt anzünden, aber als staatserhaltendem Historiker muss sie ihm zutiefst unrömisch erscheinen. Die Kreuzigung ist da nicht brutal, sondern nur angemessen.
 
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Stimmt aber an den Film habe ich jetzt garnicht gedacht.
Ich denke auch nicht, dass sie Feuer gelegt haben aber dass sie vielleicht jubelnd umherliefen, könnte ich mir durchaus vorstellen. Rom war sicher für sie die "Hure Babylon" und die vernichtet Gott. Wie fast alle Sekten, auch heutige, haben sie sicher alle Nichtmitglieder verachtet und als verloren betrachtet, während sie als einzige gerettet werden, da sie den einzig wahren Glauben praktizieren. Solches (eventuelles) Verhalten wird ihnen bei der übrigen Bevölkerung nicht unbedingt Freunde eingetragen haben.

Genaues weiß man nicht, Fanatiker gibt es immer, aber die Brandkatastrophe von 64 war ganz schön heftig. Die Ewige Stadt brannte lichterloh fast eine Woche lang, von den 12 oder 14 Bezirken Roms standen am Ende nur noch drei. Ich denke, dass das im wahrsten Sinne des Wortes ein bisschen zu heiß für ein Freudenfeuer war. Rom hatte im 1. Jahrhundert mehr als 1 Millionen Einwohner und das auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche. Ich stelle mir ein Szenario von Hunderttausenden von traumatisierten Menschen in Todesangst und auf der Flucht vor, Familienangehörige, die im Tumult versprengt werden, Massenpaniken, herabstürzende Balken und Steine, die keinen Unterschied machen und dazu Plünderer, für die die Katastrophe ein gefundenes Fressen war. Eigentlich eher ein Hintergrund wo es wenig zu jubeln gibt und durchaus Zweifel aufkommen können, ob Gott unter diesen pyrotechnischen Voraussetzungen seine erwählten Anhänger auch erkennt.
 
@Scorpio, ich bestreite nicht, dass ein Großteil der Christen auch durch den Brand betroffen war und versuchte sich in Sicherheit zu bringen aber es kann durchaus einige Fanatiker gegeben haben, die darin das jüngste Gericht sahen, ein hoffnungsvolles Zeichen in dem Brand sahen und das auch kundtaten.
Unter Titus ereignete sich ein ähnlich verhehrendes Brandereignis in Rom. Offenbar scheint da keiner die Christen verantwortlich gemacht haben. Zumindest folgte dem Brand keine bekannte Verfolgungswelle.
Ich denke, dass die Christen sich beim Brand unter Nero, durch Worte oder Handlungen den Unmut der traumatisierten Bevölkerung zugezogen haben. Für Nero, der selbst unter Verdacht geraten war, passte die Stimmung gegen eine kleine Sekte natürlich hervorragend um Sündenböcke präsentieren zu können.
Viel wusste man offenbar selbst in Suetons Zeit nicht über die Christen sonst hätte er wohl nicht in der Claudius-Biografie geschrieben: "Die Juden, die von Chrestos aufgehetzt, fortwährend Unruhe stifteten, wies er aus Rom aus." ..
 
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Genau. So ein Mensch passt einfach nicht in die römische Denkweise. Tacitus als intelligenter Mensch glaubt natürlich nicht, dass so eine kümmerliche pazifistische Sekte imstande ist die ewige Stadt anzünden, aber als staatserhaltendem Historiker muss sie ihm zutiefst unrömisch erscheinen. Die Kreuzigung ist da nicht brutal, sondern nur angemessen.

Das Judentum war eine alte, traditionsreiche Religion, das Christentum eine neue Sekte. Mysterienkulte wie der des Mithras, Serapis oder Hermes Trimegistos waren geheim, hermetisch, ansonsten aber waren antike Kulte meist öffentlich am hellen Tag. Die Christen dagegen trafen sich geheim im Verborgenen, übten ein merkwürdiges Initiationsritual aus wie die Taufe, und das Abendmahl suggerierte, dass da womöglich kannibalistische Praktiken, Ritualmorde und Menschenopfer paktiziert wurden wie man sie im Mittelalter den Juden unterstellte. Menschenopfer wurden als Begründung genommen, dass Claudius das Druidentum in Rom verbot.
Eigentlich waren die Römer was Religion betraf, recht pragmatisch und tolerant. Kulte, die als keine Gefahr für die Öffentlichkeit betrachtet wurden, erlaubte man, solange sie die anderen Kulte respektierten. Das aber war nun gerade das Problem des Christentums. Es konnte nur einen Gott anerkennen, und Christen, die den etablierten Kulten Opfer brachten oder dem Genius des Kaisers opferten, wurden damit in Gewissenskonflikte gebracht.

Der Hintergrund des Briefwechsels zwischen Pinius, dem Statthalter von Bithynien und Pontus und Kaiser Trajan ist, dass sich anscheinend Devotionalienhändler, Silberschmiede und Metzger beschwert haben, denn Plinius schreibt, dass kaum noch Opferfleisch verkauft würde. Da ist eine Gruppe von Leuten, die man nicht so recht einzuschätzen weiß, die furchtbar stur und abergläubisch sind, aber eigentlich nicht gefährlich sind. Bithynische Christen rechtfertigten sich, dass sozialschädliches Verhalten ihnen verboten sei, dass es sich um harmlosen Verzehr von Brot und Wein handele. Diejenigen, die aussagten, sie seien früher Christen gewesen seien es aber nicht mehr und die opferten und Jesus verleugneten, wurden freigelassen, einige aber, die das verweigerten, ließ Plinius exekutieren.

Eigentlich ist diese inkonsequente Haltung zu den Christen bemerkenswert. Die Römer waren doch die Gesetzgeber der Antike. Grundsätze römischen Rechts wie nulla poena sine lege und in dubio pro reo sind heute noch Kennzeichen jedes Rechtstaats. Adoptierte Kinder ist, haben es den Römern zu verdanken, dass sie mit leiblichen Erben gleichberechtigt sind. Die Römer verfassten Gesetze, die detailliert Auskunft gaben,m ob bei einem Schiffbruch zuerst ein edles Rennpferd oder ein Sklave gerettet werden sollte, ausgerechnet in der Christenfrage aber gab es keine verbindliche Regelung. Conquerendi non sunt, man sollte sie nicht verfolgen schrieb Trajan, Christ zu sein allein (nomen ipsum) sollte kein Strafbestand sein, wer aber so stur war, nicht zu widerrufen, Opferung verweigerte, konnte aber trotzdem hingerichtet werden.

Apologeten wie der juristisch geschulte Tertullian kritisierten diese Widersprüchlichkeit. Entweder die Christen sind eine Gefahr, dann müssen sie natürlich verfolgt werden oder sie sind es nicht und dürften dann natürlich nicht verfolgt werden. Tritt der Tiber über die Ufer, bleibt die Nilschwemme aus, schon schreit das Volk "Die Christen vor die Löwen" schreibt Tertullian.
Ende des 2. Anfang des 3. Jahrhunderts war das Christentum in Kleinasien und Griechenland zwar noch in der Minderheit, aber doch eine feste Größe, und es kam schon mal vor, dass Angehörige der Reichsaristokratie Christen waren. Julia Domna die Frau des Septimius Severus, die aus der Priesteradel der Stadt Emesa (Homs) in Syrien stammte und ihre Nichte Julia Mammea die Mutter des Severus Alexander korrespondierte mit Origines.

Wie es den christlichen Gemeinden erging und ob sie stillschweigend geduldet oder erbarmungslos verfolgt wurden, hing stark von der Einstellung der Amtsträger und der Umstände ab, nicht zuletzt aber auch davon, wie gut oder schlecht es die Presbyterianer und Bischöfe verstanden, sich mit den Heiden zu arrangieren.
 
@Scorpio, ich bestreite nicht, dass ein Großteil der Christen auch durch den Brand betroffen war und versuchte sich in Sicherheit zu bringen aber es kann durchaus einige Fanatiker gegeben haben, die darin das jüngste Gericht sahen, ein hoffnungsvolles Zeichen in dem Brand sahen und das auch kundtaten.
Unter Titus ereignete sich ein ähnlich verhehrendes Brandereignis in Rom. Offenbar scheint da keiner die Christen verantwortlich gemacht haben. Zumindest folgte dem Brand keine bekannte Verfolgungswelle.
Ich denke, dass die Christen sich beim Brand unter Nero, durch Worte oder Handlungen den Unmut der traumatisierten Bevölkerung zugezogen haben. Für Nero, der selbst unter Verdacht geraten war, passte die Stimmung gegen eine kleine Sekte natürlich hervorragend um Sündenböcke präsentieren zu können.
Viel wusste man offenbar selbst in Suetons Zeit nicht über die Christen sonst hätte er wohl nicht in der Claudius-Biografie geschrieben: "Die Juden, die von Chrestos aufgehetzt, fortwährend Unruhe stifteten, wies er aus Rom aus." ..


Sueton sagt auch nicht viel über die Christen, außer dem von dir angeführten Chrestos- Zitat erwähnt er sie nur kurz in der Nerobiographie und zwar unter positiven Maßnahmen Neros.
Sueton war anscheinend auch die Vorstellung von der Ankunft des "Messias nur vage bekannt. Er erwähnt ihn in der Vespasianbiographie: Im Osten kursierte eine Prophezeiung, dass der künftige Herrscher der Welt aus Palästina käme, und die Juden hätten diese Prophezeiung irrtümlich auf sich selbst bezogen. Tacitus wusste zumindest, dass die neue Sekte auf einen Christus zurückgeht, der unter der Herrschaft des Tiberius Anhänger um sich gescharrt habe und zur Todesstrafe am Kreuz verurteilt wurde.
Plinius geht der Sache nach und findet einen "Aberglauben" vor, der ihm absurd erscheint.

Eigentlich waren die Christen als Sündenböcke prädestiniert. Außenseiter, keine mächtige Priesterschaft oder Klientel im Rücken auf die man Rücksicht nehmen musste. Das "gesunde Volksempfinden" war anscheinend schon am kochen, aber die Inszenierung der öffentlichen Bestrafung der Christen scheint nicht sehr überzeugend gewesen zu sein. Tacitus beschreibt, dass es selbst den abgebrühten Römern zuviel wurde. Man nähte Christen in Tierfelle ein und ließ sie von Hunden zerreißen, andere wurden auf Neros Befehl an Pfähle gebunden und als lebende Fackeln verbrannt während Nero sich in der Tracht eines Wagenlenkers dem Volk zeigte.
 
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