Decurion
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Das ist mindestens unpräzise, eher schlicht falsch.
Alter, Vorstrafen, Folgetaten, Umfeld sind bei jedem Strafverfahren maßgeblich für das Strafmaß. Der Ersttäter wird anders verurteilt als der Serientäter, etc.
Dass Alter und Lebenswandel eine Rolle spielen kann in einigen Fällen sicherlich zutreffen.
Ich hatte ein Beispiel, das ich nicht anführen wollte, mich nun doch genötigt sehe es zu tun.
In dieser Woche wurde in meiner Heimatstadt eine 83-Jährige zu Gefängnis verurteilt, weil sie ihre Schulden nicht bezahlen konnte (die sie unrechtmäßig gemacht hat). Die Hintergründe und einzelne Aspekte sollen hier unbeleuchtet bleiben, da hier das Alter der entscheidende Faktor ist.
Eine Dame, die 83 Jahre alt ist und "nur" eines Wirtschaftsdeliktes schuldig ist, wird verurteilt, aber Nazi-Verbrecher nicht?
Es geht ja auch nicht darum, dass ein Nazi-Verbrecher "Ersttäter" oder "Serienmörder" ist. Das wird man wohl auch nicht mehr eindeutig nachweisen können. Es geht aber um mehrere Verbrechen, die dieser Mensch im Namen eines faschistischen Terror-Regimes ausgeführt hat, sei es aus persönlicher Überzeugung, aus reiner Skrupellosigkeit und Menschenhass oder auch aus reiner Unwissenheit oder gar Angst.
Da hier so viel Ethisches besprochen wird: Wenn ich nicht aus Überzeugung oder freiem Antrieb sondern aus Angst diese Verbrechen begehe, rechtfertigt das, dass ich andere Menschen umbringe, um selbst zu überleben?
Rechtfertigt hohes Alter oder ein vorbildliches Leben, dass ich Menschen umgebracht und wahrscheinlich nicht nur, sondern auch gefoltert und gequält habe? Dass ich unsägliches Leid im Namen des Terrors über viele Menschen gebracht habe, die keines Vergehens schuldig waren, die der politischen Willkür eines grausamen und menschenverachtenden Systems zum Opfer gefallen sind?
Wenn sie aus Not und Angst gehandelt haben, so hätten sie sich stellen und ein gerechtes Verfahren erwarten können. Gerecht nicht in dem Sinne, dass ihr Strafmaß gemildert wird, sondern dass sie das erhalten "was sie auch verdient haben". Und das liegt im Ermessen des Richters, nicht zuletzt der Schöffen oder des Volksgerichtshofes. Gerade seit es in Deutschland keine Todesstrafe mehr gibt, wäre das Schlimmste, was die Altnazis hätte erwarten können eine lebenslange Gefängnishaft, was im Grunde 15 Jahren entspricht. Ich weiß nicht, ob es noch zulässig ist, dass man einen Menschen zu zwei-, drei- oder viermal lebenslänglich verurteilt, aber im Zweifel wäre dies auch noch möglich.
Da sie aber keine Einsicht und Reue zeigen und feig ihr bisheriges Leben weiterleben, ist davon auszugehen, dass diese Verbrecher ihre Schandtaten nicht oder nur in geringstem Maße bereuen, was auf einen sehr hohen ethischen und moralischen Standard schließen lässt.
Dann die Frage nach Gerechtigkeit: Ist es gerecht, Verbrechern ihrer gerechten Strafe zuzuführen, die in unseren Gesetzbüchern definiert ist, oder einen Mörder frei herumlaufen zu lassen, weil er alt oder älter ist? Ist es gerecht, einen Mörder laufen zu lassen oder ihn zu verurteilen?