Auch wenns nicht direkt zur Themen-Überschrift passt: Inwiefern haben sich denn die Gegner verändert, die das Reich bedrohten? War es vielleicht (neben den Änderungen innerhalb des Reiches) auch die "Barbaren", die durch Entwicklungsprozesse sozialer und militärischer Art gefährlicher wurden, und deshalb i-wann (zumindest im Westen) nicht mehr abgewehrt werden konnten, wie das in den jahrhunderten davor noch möglich war?
Gute Frage.
Gefährlicher wurden paradoxerweise vor allem die Gegner im Osten, nämlich die Sassaniden. Mit den Parthern waren die Römer im Allgemeinen recht gut fertig geworden. Die Parther hatten ohnehin das grundsätzliche Problem, in ihrem Reich Fremdherrscher zu sein, weiters waren sie öfters in Bürgerkriege um den Thron verwickelt (wobei es sich Rom oft nicht entgehen ließ, zugunsten eines Prätendenten Partei zu ergreifen), außerdem war das Reich eher dezentral-feudal aufgebaut mit diversen autonomen Unterkönigreichen, was sich ungünstig auf die Zentralgewalt auswirkte. Zwar griffen die Parther trotzdem manchmal die Römer an und konnten auch Siege erringen, aber alles in allem behielten die Römer die Oberhand. Eine wirkliche Bedrohung für den Ostteil des Reiches waren die Parther nur selten.
Die Sassaniden hingegen waren deutlich aggressiver und schlagkräftiger, vor allem auch wesentlich entschlossener, den römischen Orient mitsamt Ägypten (also die ehemals unter Achaimenidenherrschaft stehenden Gebiete) zu unterwerfen. Zu Beginn des 7. Jhdt. gelang ihnen das vorübergehend auch weitgehend. ("Vorübergehend" ist relativ: Teile Syriens und Palästinas standen an die 20 Jahre unter persischer Herrschaft.) Dennoch setzten sich die Römer am Ende durch und konnten ihr Reich im Orient retten - nur um es wenig später großteils an die Araber zu verlieren.
Von den Germanen an Rhein und Donau wird häufig gesagt, dass sie durch die Bildung der Großstämme im 3. Jhdt. gefährlicher wurden und auch an militärischer Schlagkraft gewannen. Dem will ich nicht widersprechen, aber trotzdem wurden die Römer noch lange Zeit ganz gut mit ihnen fertig. Sogar während der Wirren des 3. Jhdts. konnten mehrere große Einbrüche vor allem der Goten und Alemannen abgewehrt werden, im 4. Jhdt. wurde es dann sogar wieder etwas ruhiger, und bis zu Beginn des 5. Jhdts. hielten die Grenzen im Wesentlichen.
(Nicht übersehen sollte man in diesem Zusammenhang, dass sich auch das römische Heer weiterentwickelte und ab dem 3. Jhdt. auch die Kavallerie - der traditionelle Schwachpunkt der Römer - stärker wurde.)
Die Gründe dafür, dass das im 5. Jhdt. nicht mehr gelang, sehe ich hauptsächlich in einer Art Verknüpfung unglücklicher Zufälle. Da wäre zunächst die Schlacht am Frigidus, die enorm verlustreich gewesen sein dürfte und in der sich die Römer selbst aufrieben. Der große Rheinübergang von 406 fiel unglücklicherweise mit einem Bürgerkrieg im Westreich zusammen, und wie so oft kämpften die rivalisierenden römischen Kaiser im Zweifel lieber gegeneinander als gegen die äußeren Feinde. Dass Westrom wenig später seinen fähigsten Anführer Stilicho selbst ausschaltete, war auch nicht hilfreich.
Damit war eine Entwicklung in Gang gesetzt, die nicht mehr gestoppt werden konnte. Die nunmehr erfolgreich ins Reich eingefallenen Scharen wurde man nicht mehr los, und zugleich entzogen sie den Römern wichtige Territorien, was wiederum die Finanzkraft des Reiches weiter schwächte, was es erst recht unmöglich machte, die Eindringlinge wieder loszuwerden.
Eine eher ambivalente Rolle spielten die Germanen in römischen Diensten, denen gerne die Schuld am militärischen Niedergang gegeben wird. Ich sehe sie nicht so negativ. Ein gern angestellter Vergleich - jetzt setzte das Reich auf ungehobelte, unzuverlässige und unzivilisierte Barbaren statt wie früher auf brave patriotische Bürgersoldaten - ist eher realitätsfremd. Das römische Heer war schon im 3. Jhdt. nicht mehr das der aufstrebenden Republik oder von Augustus gewesen. Bereits in der frühen Kaiserzeit war der Anteil an Italikern im Heer stark rückläufig. Die fortschreitende Romanisierung führte paradoxerweise dazu, dass für die Rekrutierung immer mehr auf weniger romanisierte Randprovinzen (wie Illyrien) zurückgegriffen werden musste. Dass man zur Ergänzung zunehmend auf fremde Truppen zurückgriff, war eher eine logische Fortsetzung dieser Entwicklung. Die Germanenkieger in römischen Diensten waren politisch sogar zuverlässiger als so manche römische Armeen, die insbesondere im 3. Jhdt., aber auch noch danach, gerne ihre Feldherrn zu Kaisern ausriefen. An militärischer Schlagkraft gab es bei den Foederaten auch nichts zu bemäkeln. Solange sie sich wertgeschätzt fühlten und ihre versprochenen Belohnungen erhielten, leisteten sie im Großen und Ganzen gute Arbeit.
Problematisch wurde es, wenn sie sich hintergangen fühlten (hier war ein Problem der wachsende römische Verwaltungsapparat mit diversen zivilen und militärischen Zuständigkeiten, Kompetenzkonflikten und reichlich Möglichkeiten, Geld "versickern" zu lassen) oder ihre Anführer das Gefühl hatten, dass ihnen nicht genügend Respekt entgegengebracht wurde. Das führte zur Katastrophe von Adrianopel. Fortan wurde es immer schwieriger, die Foederaten zufriedenzustellen und somit im Griff zu behalten. Vor allem das Westreich geriet in einen Teufelskreislauf: Je mehr Gebiete (und somit auch Einnahmequellen) verlorengingen, umso weniger konnten die Foederaten zufriedengestellt werden, was dazu führte, dass sie sich einfach selbst holten, was ihnen ihrer Meinung nach zustand, was wiederum das Reich noch mehr schwächte.
Aus dieser Abwärtsspirale kam der Westen nicht mehr heraus.