Tafelkultur des Spätmittelalters

Andererseits habe ich mal gesehen, wie Chinesen eine Nudelsuppe mit Stäbchen essen: Sie halten die Suppenschale ganz dicht vorm Mund und schieben mit den Stäbchen die darin schwimmenden Nudeln haufenweise in den Mund, dabei tun natürlich laut schlürfen und schmatzen - bei dem Essbesteck geht das gar nicht anders. Ist aber sicher ökologischer, sprich ressourcenschonenden als unsere Messer, Gabel und Löffel, für deren Herstellung Metall und damit verbundener hoher Energieverbraucht nötig ist.

Löffel gehören allerdings auch zum ostasiatischen Essbesteck; sie können aus Holz, Metall oder Porzellan (dessen Herstellung ebenfalls mit Energieaufwand verbunden ist) bestehen.

Ganz nebenbei: In Korea wurde - zumindest in den vornehmen Haushalten - mit Löffeln und Stäbchen aus Metall gegessen, meist aus Bronze, mitunter auch aus Silber - das "Tafelsilber" war dort also auch schon im Mittelalter bekannt.

links: Löffel und Stäbchen aus dem Grab des Königs Munyŏng (461/462 bis 523) - der damalige König begnügte sich noch mit bronzenem Essbesteck.
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links: Stäbchen und Löffel aus dem Grab des Gelehrten Pak IK (1332–1398); rechts: Stäbchen und Löffel aus einem anonymen Grab (Tanyang, wohl 12. Jahrhundert)
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siehe auch:
 
Da es in diesem Forum auch einen Thread zum modernen "Ritteressen" gab, hier ein Paar Punkte wie z.B ich selbst so ein Event-Essen machen würde...

Wenn man so ein modernes "Mittelalter-Bankett" machen möchte, dann ist es paradoxerweise sogar viel preiswerter und effektiver, wenn man es historisch authentischer macht. Die heute übliche Event-Gastronomie betreibt oft einen Riesenaufwand mit z.B. stumpfen Dolchen anstatt Essmesser, urigen (und oft teuren) Holzutensilien und rustikalen Holztischen die mit Gerichten völlig überladen werden, all den Kerzen auf dem Tisch und halbdunkler Atmosphäre, die Liste ist lang. Es gibt aber auch einen anderen Weg.
  • ein moderner Holztisch reicht völlig aus, denn da kommt eh eine weiße Tischdecke drauf, man sieht's eben kaum bis gar nicht
  • anstatt all der Holztröge und Bretter kann man moderne Edelstahl-Varianten der mittelalterlichen Servierteller und -schalen nehmen; nach einer kurzen Suche im Netz mit den Suchbegriffen wie "Schüssel Edelstahl" und "Tablett rund Edelstahl" wird da jeder fündig. Sehr viele Edelstahlschüsseln von heute haben ein Design, welcher der oben verlinkten Servierschale aus dem 15 Jh. von der Form und Funktion her sehr nahe kommt. Diesselben breiten Ränder, diesselbe trapezförmige Grundform.
  • Besteck: man nehme moderne Einweg-Messer aus Holz! Sehr preiswert, in großen Mengen verfügbar, kompakt und spitz genug um etwas wie mit einer Gabel aufzuspießen. Kann man danach aufm Grill oder im Ofen verheizen.
  • "Trinkglas konisch" im Netz suchen. Ganz einfache Grundform die bereits im 14 Jh. genauso belegt ist (siehe obiges Beispiel von 1341)
  • Einweg-Holzlöffel
  • Für das Flüssige; moderne Keramikschalen mit einer dunklen tonfarbenen Glasur
  • anstatt Natursauerteigbrot (wenn man denselben für 20-30 Leute kauft, dann wirds teuer) würde ich "Tortilla" bzw "Dürüm - Wraps aus Weizen nehmen. In Streifen geschnitten und entsprechend "gestackt". Diese sind auch ganz schnell mit aufgegessen
  • wenn man es unbedingt mit "Messer & Gabel" haben möchte, kann jeder das Essmesser als Gabel verwenden und in die andere Hand ein Stück Brot nehmen, zum Festhalten und Positionieren von Speise
Und für das Menü gilt exakt dasselbe. Wenn wir Das Buch von guter Speise (um 1350) nehmen, da findet sich Einiges. Ein col ris - im Grunde eine Art Nudel-Omelette. Ein konkavelite - Milchreis mit Kirschen, mit dem Unterschied, dass anstatt Kuhmilch Wein und Mandelmilch verwendet werden. Ein guot gebackenz - Käse, Ein und Speck gehackt und vermischt in einem Teigmantel. Diz is ein guot spise von eime lahs - Lachs mit Kräutern und Gewürzen in einem Teigmantel. Einen fladen - eine Art "Hackfleisch-Käse-Pizza". Und so weiter. Nichts davon ist kompliziert.

Und noch ein Paar Worte zu "Hühnerkeule oder Schweinshaxe am Knochen haltend in die Hand, alles anknabbern und den Knochen wegwerfen"
:D

Die Praxis Fleisch mit Knochen auf dem Teller serviert zu bekommen entstammt den Notwendigkeiten und Realitäten der Massenverköstigung und Fast Food des 20 Jahrhunderts und ist weder im Mittelalter noch während des 19 Jh. auch nur irgendwo bei Tische belegbar. Es gab nur ein bzw nur ein Paar servierte Huhn/Truthahn/Wildvogel/Wildbraten/usw. auf der Tafel, diese wurden tranchiert und nur das Fleisch an alle verteilt. Dass jeder separat eine Hühnerkeule oder Schweishaxe am Knochen bekommt, ist unserer modernen Massentierhaltung geschuldet, wo eben so eine Keule oder Schweinebein im Massen anfallen und entsprechend billig sind, so dass die jeder am Tisch kriegen kann.

Wenn also ein großer Braten am Tische stehen soll, dann soll es jemand geben der es tranchiert.
 
...jetzt ist mein Mittelaltergelage entzaubert... als nächstes wird dann das beliebte Wikingerfressevent (Kampfsaufen, tischsittenlos halbe Rehe kauen, Stockfische herumschmeißen und en passent ein paar Gäste mit der Axt killen) ins Reich der Legenden verbannt... von gallischen Wildschweinfreuden in rustikal römerfreiem Dorfambiente ganz zu schweigen :(:eek::(
schnüff heul... Dahn, Kampf um Rom, das Festessen mit Cethegus: nur literarische Fiktion...
 
Wenn also ein großer Braten am Tische stehen soll, dann soll es jemand geben der es tranchiert.
Kleine Anmerkung: »am Tische« ist richtig; tranchiert wurde nicht auf dem Esstisch, das häufig auch zu labil dafür gewesen wäre. Das zubereitete und geschmückte Tier wurde erst herumgezeigt (Fleisch sah übrigens nach Tier aus), dann auf einer Anrichte zerteilt. Apropos: und die Hände wurden nicht am Tisch gewaschen, wie sich das heute der Europäer vorstellt, der im Restaurant nach dem Poulet heiße Tüchleinrollen kriegt.
 
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