Meine Frage bezog sich allerdings auf die gesamte Zeit der DDR. Der Begriff "Unrechtsstaat" erlangt ja seine Brisanz im Wesentlichen aus der Tatsache, daß er als Kampfbegriff gegen die SED- Nachfolgepartei "Die Linke" geboren wurde. (Nachfolgepartei stimmt dabei nur bedingt, denn die heutige "Linke" entstand aus der Fusion von Linkspartei und WASG.)
Der Begriff "Unrechtsstaat" wurde nicht in der späteren politischen Auseinandersetzung geboren, sondern bereits regelmäßig in der Rechtsprechung zu DDR-Fällen verwendet, allerdings als formelhafte Sachverhalts-Umschreibung und nicht als juristischem Begriff.
Beispiel: LAG Berlin, Urteil vom 22.7.1991 AZ: 9 Sa 29/91
"Daß - jedenfalls hauptamtliche - Mitarbeiter des früheren Ministeriums für Staatssicherheit oder vergleichbarer Einrichtungen, die unmittelbar oder mittelbar einem Unrechtsstaat gedient haben, ohne daß sie zu einer solchen Tätigkeit gezwungen worden sind, keine geeigneten Repräsentanten für einen demokratischen Neuaufbau in Deutschland sein können, bedarf keiner weiteren Begründung. "
Vor der politischen Aufladung oder aktuellen Diskussion - die hier nicht Thema ist, aufgrund der Forenregeln - ist der Begriff rechtshistorisch und in der Rechtsprechung plakativ verwendet worden. Dass hat nur weniger in der öffentlichen Wahrnehmung gestanden, als die politischen Konfrontationen.
Die politische Zuspitzung ergab sich vielmehr erst ab der Höppner-Rede 1997:
Wieviel Unrecht macht einen Staat zum Unrechtsstaat?
Präsident des OLG a.D. Dr. Rudolf Wassermann, Goslar
NJW 1997, 2152
"Auf dem Rechtspolitischen Kongreß der Friedrich–Ebert–Stiftung, der vom 18. bis 20. 4. 1997 in Mainz stattfand, hat der Ministerpräsident von Sachsen–Anhalt, Reinhard Höppner, eine Rede unter dem Titel “Gemeinsame Werte als Voraussetzung für Gemeinschaft – Erfahrungen aus dem Prozeß der deutschen Vereinigung" gehalten. Die starke Beachtung, die die Rede Höppners neben scharfer Medienkritik (vgl. Peter Sattler, Abstrus und skandalös, Braunschweiger Zeitung v. 15. 4. 1997, S. 2; Stephan Detjen, Höppners beschämende Bilanz, Deutschland–Radio Berlin, Politisches Feuilleton, 23. 4. 1997) gefunden hat, resultiert überwiegend aus seiner Feststellung, das Recht sei nicht in der Lage gewesen, Fragen des Übergangs von der DDR zur Bundesrepublik Deutschland vernünftig zu regeln, was zu einer “mangelnden Akzeptanz des Rechtsstaates” im Osten geführt habe. An die Adresse von Bundesjustizminister Schmidt–Jorzig gerichtet, erklärte er, wer den Beschluß der souveränen und frei gewählten Volkskammer der DDR vom Frühjahr 1990 zu den Eigentumsfragen mißachte, gefährde das Vertrauen in den Rechtsstaat und in die Demokratie. Wenn die Entwicklung so weitergehe, könne der ganze Einigungsvertrag “ins Kippen” kommen.
Es ist nicht die Aufgabe dieses Kommentars, sich damit auseinanderzusetzen, daß Höppner “dem Bild vom Recht der Sieger eine romantische Verklärung des Rechts zu Zeiten der DDR” (so der Kommentar von Detjen im Deutschland–Radio) gegenüberstellte. Eingegangen werden soll nur auf die Sätze, mit denen sich Höppner dagegen wehrt, daß das SED–Regime als “Unrechts–Regime” bezeichnet wird. "
Weniger beachtet wurde dagegen die Publikation von Bisky/Heuer/Schumann (Hrsg.), “Unrechtsstaat?", 1994, womit die Infragestellung des "Unrechtsstaates DDR" eröffnet wurde. Die Bisky-Publikation ist - mangels breiter öffentlicher Diskussion zu dem Zeitpunkt - auch eher eine Reaktion auf die einsetzende Rechtsprechung.