Es gibt ein Argument, das sich einem Gegenbeweis stark annähert: die völlige Nichterwähnung der Korrespondenztätigkeit des Paulus in der Apg. Kein Wort über seine Briefe ist darin enthalten. Wie das? Warum unterschlägt der Autor die Brieftätigkeit, die doch ein wesentlicher Bestandteil der paulinischen Aktivitäten gewesen ist, soweit man die Briefe (in ihrer Mehrheit zumindest) als echt, d.h. von einem historischen Paulus verfasst, anerkennt, und deren Bedeutung für die Gemeindebildungen beträchtlich gewesen sein muss (unter der vorgenannten Bedingung)? Es ist von daher äußerst unwahrscheinlich, dass der in der Apg beschriebene Paulus dem Paulus der Briefe entspricht. Ersterer scheint von einem Autor erdacht worden zu sein, der mit dem letzteren kaum oder gar nicht vertraut war.
Dass auch viele andere Indizien für die Unechtheit bzw. für die hochgradige Fiktionalität der Apg sprechen, ist allgemein bekannt.
Keineswegs. Das grundsätzliche Motiv aller NT-Texte besteht darin, als Glaubenszeugnisse, oder profaner ausgedrückt: als Glaubenspropaganda zu fungieren. Beispiel Weihnachtsgeschichte, deren Historizität ja nun wirklich mit breitem Konsens bestritten wird. Und ausgerechnet der wichtigste Autor dieser Story (Lukas) soll auch die Apg verfasst haben...
Das von dir bestrittene Motiv für eine Apg-Fiktionalisierung dürfte hauptsächlich darin bestehen, eine narrative Grundlage für das Dogma der "apostolischen Tradition" zu liefern, was notwendig war, um die Autorität des römischen Klerus (des 2. Jh.) in die Kontinuität der Sukzession ´authentischer´ Apostel zu stellen, die sich von ´Jesus´ herleitet.
Als ein weiteres (Neben-)Motiv kann man die auffallend positive Darstellung der Römer ansehen, was die Akzeptanz des christlichen Glaubens beim römischen Publikum gewiss zu steigern half. Diese überaus romfreundliche Tendenz ist auch im LukEv zu beobachten.