Ich habe gestern ein Interviewe mit dem japanischen Marineflieger-As Saburo Sakai gefunden. Am 5.10.1938 schoss er in China sein erstes Flugzeug ab und am 01.08.1945 startete er seinen letzten Angriff auf eine B-32 "Dominator" über Tokio. Insgesamt konnte er 64 Abschüsse verbuchen.
Saburo Sakai schrieb kritische Bücher über den II. Weltkrieg und gilt in Japan zum Teil als Nestbeschmutzer.
W.: "Wieviele Luftkämpfe haben sie insgesamt bestanden Herr Sakai?"
S.: "Über 200. Ich habe dabei nie ein Flugzeug oder einen Rottenflieger verloren."
W.: "Man spricht über ihren legendären Rückflug nach Rabaul, nachdem sie schwer verwundet wurden."
S.: "Das war der 7. August 1942 bei Guadalcanal. Ich hatte vier US-Flieger vor mir, die Wildcats ähnlich sehen, aber leider Avengers mit nach hinten feuernden 12,7 mm MGs waren. Sie hatten meine Kanzel getroffen, ich war auf der linken Seite paralysiert, auf dem rechten Auge blind und hatte zwei 12,7 mm Geschosse im Kopf. Auch die Instrumente waren zerschossen."
S.: "Es war also eine Art Blindflug über mehrere hundert Kilometer nach Rabaul?"
S.: "Das kann man wohl sagen. Nach der Ankunft dort habe ich noch eine Meldung gemacht und bin dann bewusstlos zusammengebrochen."
W.: "Sie kamen nach Japan zurück. Wie ist es ihnen dort ergangen?"
S.: "Ich hatte mehrere Operationen am Auge, die sehr schmerzhaft waren, weil sie ohne Betäubung durchgeführt wurden. Man wollte mich dann nicht mehr fliegen lassen, später hatte man es mir dann zum Glück doch wieder erlaubt."
W.: "Sie wurden dann auch noch in einer Spezialeinheit Kamikaze?"
S.: "Ja, so war es. Stellen sie sich das mal in Deutschland vor. Die besten Piloten wurden so verheizt. Ich halte nicht viel von unseren damaligen Offizieren. Viele waren total fehl am Platz und zu nichts nütze."
W.: "Sie haben ja in ihren bis jetzt 16 Büchern die hohen Offiziere und die offizielle Marinepolitik oft kritisiert."
S.: "Stimmt. Uns wurde befohlen zu sterben, wir wurden verheizt. Als wir dann ab 1944 endlich bessere Flugzeuge hatten, waren keine guten Piloten mehr da. Die Entwicklung neuer Flugzeuge hat viel zu lange gedauert."
W.: Wie war die Zusammenarbeit zwischen den Armee- und Marinefliegern?"
S.: "Sie scherzen. Zusammenarbeit? Die hohen Tiere wussten ja nicht einmal, wie man dieses Wort buchstabiert. Wenn sie zusammengearbeitet hätten, wären bessere Flugzeuge sicher schneller gebaut worden."
W.: "Was halte sie von der deutschen Luftwaffe?"
S.: "Sehr gut, nicht so wie bei uns. Überleben und dann weiterkämpfen ist eine gute Devise, die bei uns leider auf taube Ohren stieß. In Deutschland hat man im Vergleich zu uns wohl mehr auf die Piloten gehört."
W.: "Haben sie deutsche Piloten getroffen?"
S.: "Ja, nach dem Krieg in den USA. Galland z.B. und auch Walter Krupinski. Die Gespräche waren sehr interessant. Die deutschen Piloten flogen um zu siegen, wir flogen um zu sterben. Wenn sie abgeschossen wurden, sprangen viele deutsche Piloten mit dem Fallschirm ab. Bei uns war das fast der sichere Tod!"
W.: "Sie haben auch die Zero geflogen. Wie beurteilen sie den Typ?"
S.: "Bis Midway war das ein gutes Flugzeug - und das auch nur wegen der Piloten. Man musste mit ihr auch ganz nahe an den Gegner herangehen. Wir sind meist auf 100 Meter ran und haben dann gefeuert. Am Tag, unter der Pazifiksonne, waren Leuchtspurgeschossse nur noch bis auf 100 Meter zu sehen. Die Zero hatte eine gute Reichweite, die ich auch den Deutschen gewünscht hätte. Von Paris aus wäre dann ganz England innerhalb dieser Reichweite gewesen. Und noch etwas: Man hätte früher eine neue Maschine entwickeln sollen, als wir noch gute Piloten hatten!"
W.: "Viele Amerikaner und Europäer kennen Admiral Yamamoto. Was..."
Sakai-san unterbricht mich.
S.: "Ach ja, der war ja verantwortungslos. Bei Midway hatte er noch mehrere Schlachtschiffe und ist weggelaufen."
W.: "Sie halten also nicht viel von den Marinebefehlshabern?"
S.: "Nein, alles Idioten."
W.: "Erinnern sie sich an etwas aus ihrer Einsatzzeit, über das sie noch nicht gesprochen haben?"
S.: "Ja, unsere Stöcke. Wenn man über den Pazifik mehrere Stunden den Steuerknüppel in den Händen hält, fallen einem bald die Arme ab. Ich habe einen Stock auf den Knüppel gesetzt mit dem man auch mit nicht ausgestrecktem Arm fliegen konnte. Alle in meiner Chutai haben mir das nachgemacht und wir haben kämpferisch klingende Slogans auf die Stöcke geschrieben."
W.: "Was sind ihre Pläne für die Zukunft?"
S.: "Weiterhin Bücher schreiben und die Leute über diese Zeit aufklären. Hoffentlich gibt es auch mal eine deutsche Ausgabe von einem meiner Bücher."
Das Gespräch habe ich aus der Zeitschrift "Jet & Prob", Ausgabe Januar/Februar 1998.