Sergeij Witte (
Witte Erinnerungen) beschreibt eine Diskussion zwischen ihm und Lambsdorff dazu.
Der Witte ist gerade von den erfolgreichen Friedensverhandlungen mit Japan aus den USA zurück (Friede von Portsmouth) zurück, als ihm der Außenminister Lamsdorff erklärt der Zar habe einen ganz unmöglichen Vertrag unterzeichnet. „Aufgeregt“ zeigt er ihm diesen.
Denn dieser enthält eine Bombe: Im Falle einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Frankreich und Deutschland muss Russland letzteres unterstützen. Und das tritt in Kraft mit der Ratifizierung des Friedensvertrags.
„Auf diese Weise also verpflichtete sich Rußland, vom Tage der Ratifikation des Vertrages von Portsmouth an, Deutschland im Falle eines Krieges mit Frankreich zu schützen.“ S. 289ff
(Na super Leistung des Nikolaus.
Ratifiziert man nicht flammt der Krieg gegen Japan wieder auf.
Ratifiziert man, dann bricht man auf eklatante Weise die bisherigen Verträge mit Frankreich auf dessen Kredite man angwiesen ist. Denn man ist schlicht pleite während man Revolution im Land hat.)
„
Wie konnte es geschehen, daß alles dieses ohne uns gemacht wurde, und daß Sie bis vor wenigen Tagen nichts davon gewußt haben? Ist denn unserem Kaiser der Vertrag mit Frankreich unbekannt ?“
Lamsdorff erwiderte: „Wieso unbekannt? Durchaus bekannt! Vielleicht auch hatte er ihn vergessen. Aber wahrscheinlich hat er, von Wilhelm benebelt, sich die Sache überhaupt nicht überlegt.
….
„Es ist unbedingt notwendig,“ erwiderte ich, „diesen Vertrag um jeden Preis zunichte zu machen, und sollte man auch die Ratifikation des Vertrages von Portsmouth deswegen hinausschieben müssen. Das ist Ihre Pflicht.“
Und nun wird beraten wie man aus der Nummer wieder herauskommt.
Das ist die Story nach Witte, der als herausragender russischer Staatsmann zur deutschfreundlichen Richtung der Außenpolitik gehört.
Na, da waren ja zwei Genies in Björkö zugange.
Der außenpolitische Blindgänger Willy durfte sich mal wieder kurzzeitig am Glückserlebnis der Großartigkeit berauschen,
und der Nikki war halt fast stets ein wenig dämlicher als für seine Stellung erforderlich.
Dessen war er sich meist bewusst, aber in Björkö hat er das, wahrscheinlich gutgelaunt, vergessen und einen Vertrag unterzeichnet der nicht möglich ist.
Und so schaut der Vertrag aus :
https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Björkö#/media/Datei:Vertrag_von_Björkö.jpg
Ein hingeschmierter Fetzen mit Unterschrift derer von Gottes Gnaden.
Die Uhrzeit ist nicht vermerkt...
Witte
war vorher, am 27.September 1905, noch in Berlin gewesen und hatte dort, genauer in Rominten, von Wilhelm II. über den Vertrag als solches Kenntnis bekommen. In Berlin war Witte noch durchaus von einen Kontinentalbündnis angetan gewesen. Witte behauptete später, nicht so ganz zutreffend, seinem Freund, den englischen Journalisten Dillon, gegenüber, "Ich wußte weder, noch ahnte ich, daß die beiden Monarchen während meines Aufenthaltes in Portsmouth einen Vertrag geschlossen hatten. Es ist wahr, das der Kaiser eine Andeutung gemacht hatte, das sie etwas ähnliches getan hätte, aber er gab mir nicht zu verstehen, dass es eine Allianz oder irgendein Vertrag von internationaler Bedeutung war."
Wilhelm behandelte Witte in Rominten außerordentlich zuvorkommend und verlieh ihm die Kette zum Roten Adlerorden, schenkte Witte ein Bildung mit persönlicher Widmung "Portsmouth, Björkö, Rominten". Darüber hinaus bat Wilhelm II. Witte im Bedarfsfall Mitteilungen direkt an ihm zu senden.
Frankreich sollte diesem Vertrag ja beitreten, das war ja der ausdrückliche Wunsch vom Zaren aber auch der von Wilhelm II. . Da waren beide wohl etwas naiv, denn das Frankreich dies nicht tun würde, ach ja, die beiden Provinzen standen da wieder im Wege,, die Marokkokrise war auch nicht gerade dazu angetan, obwohl Frankreich gewiss nicht unschuldig war, hätte bei sorgfältiger Betrachtung der aktuellen internationalen Situation und der Hinzuziehung der Auswärtigen Minister wohl klar sein müssen.
Aber soweit kam es ja gar nicht.
Auf russischer Seite wurde das Ganze so betrachtet, das es Wilhelm.II durch Schmeicheleien gelungen war, das Schwergewicht der russischen Politik nach Ostasien zu verlegen. Der Zweck war klar, Deutschland war bemüht die Beziehungen zwischen England und dem Zarenreich zu vergiften. Des Weiteren sollte Russland vom Balkan abgedrängt werden, um die Eisenbahnlinie Hamburg-Persischer Golf zu bauen. Unter diesem Gesichtspunkt hätte Wilhelm II. Russland zum Kriege gegen Japan geraten. Gewann Russland den Krieg mit der englisch-japanischen Gruppe, wäre der deutsche Einfluss weiter gestiegen. Wilhelm II. würde es nicht aufrichtig mit Russland meinen und so weiter und so weiter. Nicht ein gutes Haar blieb an Deutschland und seinem Kaiser hängen. Auch die Revolution sei natürlich durch Deutschland gefördert worden. Deutschland war wie immer an allem schuld.
Witte war einer Annäherung an Deutschland gewiss nicht abgeneigt. Witte hätte es gern so gesehen, das Frankreich Russland mit Krediten und Deutschland mit seiner militärischen Kraft unterstützte.
Am 29.September traf Witte in Petersburg ein. Am gleichen Tage hatte er sich mit Lamsdorff getroffen. Hier wurde der Vertrag von Björkö noch nicht berührt. Am 30.September wurde Witte vom Zaren empfangen. Nikolaus fragte Witte, ob er vom Deutschen Kaiser über den Vertragstext informiert worden war. Witte verneinte. Der Zar ließ Witte dann wissen, das er bald über dem Vertragstext informiert werden würde. Witte ließ sich dann noch über die Zweckmäßigkeit eines russisch-deutsch-französischen Zusammengehens aus und der Zar folgerte daraus, das Witte für Björkö sei. Der Zar hielt diese Lamsdorff, der am gleichen Tage Vortrag bei Nikolaus hatte, vor.
Danach trafen sich Lamsdorff und Witte und Lamsdorff war wohl nun ein wenig misstrauisch geworden. Jedenfalls fragte er Witte was er denn von dem Vetrag von Björkö hielte. Als sich Witte denn hierzu im Sinne eines Vorteils für Russland aussprach, entgegnete Lamsdorff entsetzt mit der Frage, ob er denn Kenntnis vom Inhalt des Vertrages korrekt unterrichtet sei? Witte informierte Lamsdorff über die Vorgänge in Rominten. Lamdsdorff gab Witte nunmehr den Vertrag zu lesen. Witte war nun gegen die Ratifizierung des Vertrages. Begründung: Russland sei niemals in Gefahr von England und Frankreich in Europa angegriffen zu werden, während Deutschland nicht zur Hilfe in Ostasien verpflichtet sei.
Zur Erinnerung: In Artikel 4 des Vertrages steht zu lesen: "Der Kaiser aller Russen wird, nachdem dieser Vertrag in Kraft getreten ist, die notwendigen Schritte tun, um Frankreich in diese Vereinbarung einzuweihen, und es auffordern, ihr als Verbündeter beizutreten." Es handelte sich um ein defensives Bündnis, welches auf Europa beschränkt war. Witte und Lamsdorff sahen den Vertrag negativ; der Verbündete Frankreich wurde in der Frage gar nicht konsultiert. Nelidow spach mit Rouviert akademisch und oberflächlich über das Thema, aber nicht konkret. Es wurde gar nicht versucht, die Möglichkeit auszuloten.
Lamsdorff setzte alle Hebel in Bewegung, um den Vertrag zu Fall zu bringen, was ihm ja auch gelungen ist. Benckendorff, Iswolski, Nelidow, Osten-Sacken zogen alle mit Lamsdorff an einem Strang.