Nächster Punkt, welcher in Deutschland gerne ignoriert wird:
Im Irak herrschten die Sunniten, eine Minderheit, über die beiden großen Gruppen der Schiiten und Kurden. Diese Herrschaft war extrem grausam. Die beiden anderen großen Bevölkerungsgruppen wurden drangsaliert. Unvergessen ist hier das Massaker von Halabdscha an den Kurden.
Du kannst mir wohl glauben, dass mir das alles sehr bewusst ist. Aber das war nicht der Grund des Krieges. Der Angriff auf Ḥalabǧa fand vor dem Kuweitkrieg statt. Also wenn man Saddam dafür hätte bestrafen wollen, dann doch 1988. Oder wenigstens 1990 während des Kuweitkriegs, als man den Shi'iten erst Hoffnung gemacht hat und als sie dann in offen Rebellion gegangen sind, von alliierter Seite den Krieg... öhm... beendet und die Shi'iten in der ... hat sitzen lassen.
Man hat 2003 einen Krieg vom Zaun gebrochen unter fadenscheinigen Gründen - womit ich nicht in Abrede stelle, dass Saddam ein grausamer Diktator war - hat die Weltgemeinschaft belogen, "Beweise" gefälscht. Man war im Kampf gegen al-Qa'ida - absolut berechtigt - greift dann aber ein weiteres islamisches Land an, welches - obwohl ebenfalls sunnitisch - ideologisch mit al-Qa'ida überhaupt nichts zu schaffen hat, der Präsident benutzt dabei das Wort
crusade (wie dämlich kann man sein?!?), ist absolut beratungsresisten gegenüber den Verbündeten, man hat überhaupt keinen Plan dafür, was nach dem Krieg passieren soll (außer vielleicht, wer ans 'iraqische Öl herankommen sollte), missachtet nach der Flucht Saddams jegliche kulturelle Gepflogenheit (etwa, was den Privatbereich im islamischen Haus angeht), lässt Plünderer (etwa des 'iraqischen Nationalmuseums) gewähren, lässt Waffenarsenale unbeaufsichtigt. Eingesetzt in diesem Krieg werden (formal) erwachsene Kinder, deren Eltern ihre ethische Erziehung Ego Shootern überlassen haben, dementsprechend handeln diese GIs dann auch und ermorden teilweise unbewaffnete Leute auf der Straße, mit Distanzschussgewehren, aus Helikoptern oder via Drohnen.
Und dann hat man den Krieg, nachdem man ihn offiziell für beendet erklärt hat, outgesourct, indem man Verantwortung an Söldnerfirmen wie Blackwater abgetreten hat und sich damit noch mehr der politischen Kontrolle dessen, was die eigenen Streitkräfte taten, beraubt.
Jedoch ist erstmal das Beseitigen des Saddam-Regimes per se eine gute Tat. Ich weine diesem Typen keine Träne nach.
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Im Westen würde niemand der geistig gesund ist, Saddam eine Träne hinterherweinen. Sein Sturz aber hat al-Qa'ida in den 'Iraq geholt, den IS überhaupt möglich gemacht. Für die Christen des 'Iraq war der Sturz Saddams eine Katastrophe. Sie sind erst ins Fadenkreuz von al-Qa'ida und dann des IS geraten.
Halten wir fest: Die Amerikaner hatten
- keine Ahnung von den Verhältnissen vor Ort
- keinerlei kulturelle Sensibilität (auch bei den Shi'iten sind sie überaus unbeliebt)
- kein Konzept für die Zeit nach dem Krieg
- ziemlich offensichtlich und dreist die Weltgemeinschaft belogen ("I am not convinced", Joschka Fischer), wie Colin Powell später zugab
- versucht die Franzosen und Deutschen unter Druck zu setzen
Mit diesem Krieg haben die USA (und ihre Verbündeten, die Aznars und Kaczinskys) die westlichen Werte in der islamischen Welt auf Jahrzehnte diskreditiert.