Gandolf
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Im Strang über den Lusitania-Zwischenfall http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=9392&page=11
entwickelte sich eine Debatte über die Rolle der Deutschen Seekriegsführung im Hinblick auf die Deutsche Revolution (Matrosenaufstand ab dem 29.10.1918) und den Waffenstillstand (4.11.1918).
Ich möchte diese Debatte aus dem Lusitania-Strang ausgliedern und diese hier fortführen sowie alle Mitdiskutanten bitten, diese Debatte hier fortzusetzen!
Und hier ein Ausschnitt aus dieser im Lusitania-Strang geführten Debatte:
entwickelte sich eine Debatte über die Rolle der Deutschen Seekriegsführung im Hinblick auf die Deutsche Revolution (Matrosenaufstand ab dem 29.10.1918) und den Waffenstillstand (4.11.1918).
Ich möchte diese Debatte aus dem Lusitania-Strang ausgliedern und diese hier fortführen sowie alle Mitdiskutanten bitten, diese Debatte hier fortzusetzen!
Und hier ein Ausschnitt aus dieser im Lusitania-Strang geführten Debatte:
repo schrieb:Bei diesem Thema rege ich mich immer gleich auf.
Im Oktober 1918 war das deutsche Heer an der westfront im rückzug, aber die Front war nirgends durchbrochen, noch war damit zu rechnen. Den Deutschen war seit Ende August klar, dass der Krieg verloren war. Deshalb wurde seit September über einen Waffenstillstand verhandelt. Was in Deutschland allgemein bekannt war.
Die Alliierten insbesondere die militärische Führung Foch, Haig, Pershing rechneten noch mit einer Kriegsdauer von ca. 12 Monaten.
Das ist doch etwas, damit kann man doch verhandeln!
die Franzosen, Briten, Amis hätten doch zu Hause auch sofort Druck bekommen, wenn der Eindruck entstanden wäre, dass der Krieg ohne Not verlängert wird. Mütter und Frauen haben nun mal was dagegen, dass ihre Söhne und Männer totgeschossen werden.
In dieser Situation fällt den Marine-Verbrechern nichts anderes ein, als einen Großangriff zu befehlen.
Ergebnis: Revolution, Zusammenbruch, Versailler Vertrag.
Das wäre in diesem Umfang nicht eingetreten, ohne die Marine-Führungs-Meuterei.
Was wäre wenn: Bessere Bedingungen in Versailles, kein Hitler, kein WKII,
kein Auschwitz....... man denkt besser gar nicht darüber nach.
gandolf schrieb:Die Revolution ereignete sich Ende Oktober 1918, währenddessen die deutsche Regierung am 4.10.1918 zum ersten Mal um Waffenstillstand ersuchte. Sie ersuchte wegen dem drohenden militärische Zusammenbruch um Waffenstillstand und nicht wegen der Revolution, die es Anfang Oktober ja noch gar nicht gab - vgl. http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/krie...ung/index.html.
gandolf schrieb:Was den Waffenstillstand engeht, fiel dieser nicht infolge der Revolution so hart aus, sondern weil die Aliierten (nicht zu Unrecht) befürchteten, dass die Deutschen, die sich in einer schlechten militärischen Situation befanden, mit ihrem auf der Grundlage von Wilsons Vierzehnpunkte-Programm abgegebenen Waffenstillstandsgesuch versuchen könnten, die Alliierten um die Früchte ihres Sieges zu betrügen. Um einer solchen Finte von vorneherein den Erfolg abzuschneiden, kamen die Waffenstillstandsbedingungen so nah wie möglich an eine bedingungslose Kapitulation heran, freilich ohne von einer solchen sprechen zu müssen, da das Waffenstillstandsgesuch aufgrund seiner Verknüpfung mit Wilsons Vierzehnpunkte nicht bedingungslos war.
repo schrieb:Bei Beginn der Waffenstillstands-Verhandlungen war Deutschland besiegt, hatte aber durchaus noch die Möglichkeit den Krieg ein paar Monate fortzusetzen. Was in den Verhandlungen durchaus eingebracht werden konnte.
Nach Beginn der Revolution hatte es diese Möglichkeit nicht mehr und musste ALLES akzeptieren.
albatros schrieb:In wieweit hätte man "bessere" Konditionen aushandeln können? Die Waffenstillsstandsbedingungen kamen für sich ja schon fast einer Kapitulation gleich: Räumung des besetzten Gebiets, Abgabe der schweren Waffen, Auslieferung der Flotte. Noch dazu ein unrealistischer Zeitplan ...
Die Blockade würde weiterbestehen, bis Frankreich und Belgien geräumt waren. Die Versorgungslage war katastrophal (nicht nur wegen der Blockade), die innenpolitische Lage am Rande des Bürgerkrieges und außenpolitisch hatte man sich hoffnungslos im postrevolutionären Russland verheddert, ganz zu schweigen von einem kleinen Image-Problem in der westlichen Welt.
Deutschland hatte keine Wahl - Revolution hin oder her. Es war die letzte Chance für eine Beendigung des Krieges, bevor russische Verhältnisse ausbrachen. Und dann wurde ja auch alles getan, die Bestimmungen so weit wie möglich zu umgehen (Freikorps etc.). Ich sehe da keinen Verhandlungsspielraum.
gandolf schrieb:Denkfehler! Die deutsche Regierung war doch schon Wochen VOR der Revolution bereit alles zu akzeptieren, solange Wilsons Vierzehnpunkte-Programm zur Grundlage der Friedensverhandlungen gemacht würden. Berlin ging es Anfang 1918 um Gesichtswahrung, Kosmetik, nicht um bessere Waffenstillstandsbedingungen. Übrigens sprach sich Wilson, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass in Deutschland tatsächlich ein Systemwandel stattgefunden hatte, gegen die im Waffenstillstandsvertrag vorgesehene Besetzung des Rheinlandes aus. Auch hier wirkte sich die Revolution eher positiv aus; währenddessen die Option, den Krieg fortzusetzen, nur eine Illussion nährte und auch nähren sollte.
repo schrieb:Dass die deutsche Regierung bereit war alles zu akzeptieren halte ich für einen Denkfehler!
Wilson hatte angefragt, ob man mit einem Frieden auf Basis der 14 Punkte einverstanden wäre, und nur noch die Waffenstillstands-Bedingungen auszuhandeln wären.
Was die Reichsregierung bejahte.
Wilsons nächste Note war schärfer, er verlangte Demokratisierung und insbesondere die Beendigung des U-Bootkrieges.
Die Demokratisierung wurde eingeleitet (Oktober-Verfassung) der U-Bootkrieg wurde beendet.
Daraufhin leitete Wilson die deutsche Bitte um Waffenstillstand an London und Paris weiter.
Als Erzberger dann die konkreten Bedingungen vorlagen, fragte er in Berlin und bei der OHL nach, ob er auch zu diesen Bedingungen abschließen soll.
Was man ihm bestätigt. Max von Baden schreibt in seinen Erinnerungen, dass es zu diesem Zeitpunkt, nach Ausbruch der Revolution keine andere Möglichkeit mehr gab.
"schon vorher bereit alles zu akzeptieren" Darunter verstehe ich etwas anderes.
gandolf schrieb:So war es nun wirklich nicht. Es war die Deutsche Regierung, die Wilson am 4.10.1918 bat, auf der Grundlage seiner Vierzehnpunkte, einen Waffenstillstand herbeizuführen. Mit anderen Worten: die einzige Bedingung der deutschen Seite für den Waffenstillstand war es, Wilsons Vierzehnpunkte zur Basis von Friedensverhandlungen zu machen. ALLES ANDERE war man schon Anfang Oktober 1918 bereit zu schlucken. Man stand ja auch vor dem militärischen Zusammenbruch.
repo schrieb:Kannst Du Quellen für Deine These, dass die Reichsleitung "alles andere" akzeptieren wolle, nennen.
Baden, Ebert, Scheidemann, Erzberger führten ausgedehnte Gespräche, wobei Erzberger die These vertrat, dass auf einen "schlimmen" Waffenstillstand durchaus ein fairer Friede folgen könne. Die anderen traten dieser These aber scharf entgegen. wobei die Bedingungen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bekannt waren. Max von Baden bemühte sich am 28.10. diese von Foch vorab zu erfahren, was aber nicht gelang. Der Gedanke von einer Fortsetzung des Krieges zieht sich durch die "Erinnerungen und dokumente" von Max von Baden wie ein roter Faden. Wobei er die Meinung vertritt, dass bei Bekanntgabe dieser Bedingungen weder Heer noch Flotte die Fortsetzung des Krieges verweigert hätten.
Was sich aber durch den Auslaufbefehl vom 28.10. alles erledigt hätte.
Man beachte: Dies sind nicht meine Thesen sondern die von Max von Baden aus "Erinnerungen und Dokumente" Berlin 1927
Ich kann keinen Beleg finden, dass die Reichsregierung ab Anfang Oktober 1918 gewillt war "alles zu akzeptieren", dagegen spricht alles dafür, dass die Regierung durchaus der Meinung war noch Verhandlungsspielraum zu haben.
Den ihr die Seekriegsleitung dann nahm.