Wahrheitsgehalt und Vergleichbarkeit von Hofmalerei im 17. u. 18.Jh.?

Brissotin

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Für mich wäre es einmal interessant zu untersuchen, inwieweit man den Gemälden der Hofmaler Glauben schenken darf und wie detailliert die Gemälde mit den tatsächlichen Abläufen, Kleidern etc. bei Treffen oder dergleichen übereinstimmen.
Aus dem Grunde habe ich einmal eine Passage aus den Memoiren der Markgräfin von Bayreuth, der Prinzessin Wilhelmine herausgesucht, welche einen Staatsempfang des Königs August II. von Polen in Berlin beschreibt. (Es handelt sich vermutlich um den Besuch, bei dem zwischen dem König von Preußen und dem König von Polen über eine etwaige Heirat des verwitweten August II. mit Prinzessin Wilhelmine verhandelt wurde. Nachdem Friedrich Wilhelm I. im Januar 1728 Dresden besucht hatte, kam also August II. nun auf einen Gegenbesuch.)
„... Der König und der Prinz von Polen soupierten jeder für sich. Am nächsten Tag, einem Sonntag, verfügten wir uns alle in die großen Staatsgemächer des Schlosses. Die Königin von ihren Töchtern und Prinzessinnen von Geblüt begleitet, schritt von einem Ende die Galerie herauf, während von der anderen Seite die beiden Könige vortraten. Ich habe nie etwas Schöneres gesehen. Alle Damen der Stadt bildeten der Galerie entlang Spalier; der König und der Prinz von Polen und ihr Gefolge, das aus dreihundert Würdenträgern. sowohl polnischen als sächsischen, bestand, trugen prachtvolle Gewänder; sie stachen sehr gegen die Preußen ab. Diese waren nur in Uniform, deren Besonderheit auffallend war. Die Röcke sind so kurz, dass sie unseren Vorfahren kaum zu Lendenschürzen gereicht hätten, und so eng, dass sie sich nicht zu rühren wagten, aus Furcht sie zu zerreißen. Ihre Sommerhosen sind aus weißem Stoff wie auch ihre Gamaschen, ohne welche sie nicht erscheinen dürfen. Das Haar tragen sie gepudert, doch ungelockt und hinten mittels eines Bandes zum Zopf gebunden. Der König selbst war so gekleidet. ...“<?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:eek:ffice:eek:ffice" /><o:p></o:p>
(Darauf folgt eine kleine Aufzählung und Charakterisierung der sächsisch-polnischen Edelleute, welche bei Hofe etwas zu sagen hatten.)
Ich glaube zu dieser Beschreibung jedenfalls das passende Gemälde von der Hand von Pesne 1728 gefunden zu haben. http://www.marquise.de/en/1700/pics/1728_1.shtml
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Kennt jemand weitere Beispiele, bei denen man durch Berichte den Wahrheitsgehalt der Gemälde überprüfen kann? Was haltet ihr von meinem Vergleich?
 
Ja, ich denke, ich kann ein Beispiel nennen, @ Brissotin.
Von Zar Peter gibt es viele Berichte über seinen Besuch in London anläßlich der "Großen Gesandtschaft" in London. Peter entsetzte seine Umgebung durch seine Formlosigkeit und Eigenwilligkeit. Um die Gesandschaft zu beherbergen, mußte ein Nationalheld, Admiral Benbow, ausquartiert werden. Bei Peters Besuch im Tower hielt man ihm absichtlich die Axt vor, mit der Karl I. exekutiert wurde, da man befürchtete, er werde sie in die Themse werfen. Am besten gefiel Peter das von Sir Godfrey Wren erbaute Hospital für Seeleute und die Schiffswerften, die damals gerade den holländischen Schiffsbau zu überflügeln begannen. Als den formlosen Autokraten und lebenskräftigen Gewaltmenschen, der er war, hat ihn Sir Godfrey Kneller porträtiert, Zeitgenossen sagten, das Porträt habe große Ähnlichkeit gehabt.
 
Danke Scorpio, am Besten hätte ich freilich gefunden direkt Zitate mit den entsprechenden Porträts überein zu bringen und einander gegenüber zu stellen. Ich weiß das ist nicht einfach. Für mich ist es sehr spannend, wie gut und wie minutiös sind uns eigentlich die entscheidenden oder auch die alltäglichen Momente im Leben der Herrscher und Großen der Geschichte dieser Epoche überliefert?

Von einem schwedischen König des 18.Jh., wenn ich mich recht entsinne von dem lange umstrittenen Gustav III., sind nahezu alle Kleider, das heißt Oberkleider, durch seine Verfügung erhalten, wodurch man die Gemälde, die ihn zeigen schonmal zumindest betreffend der Korektheit der Kleidung recht gut überprüfen kann.
 
Das ist aber ein sehr anspruchsvolles Projekt. Zitate von Zeitzeugen zu eruieren, geht ja noch, Zeitzeugen herauszufinden, die ein Gemälde und die historische Persönlichkeit gekannt haben, ist schon schwieriger, dann aber noch Zitate von Zeitzeugen zu finden, die sich direkt zu dem Porträt oder der Szene geäußert haben, wird dann aber sehr schwierig.

Ich hätte noch einen Vorschlag. Johann Heinrich Tischbein hat ja viele Porträts von Landgraf Friedrich II.von Hessen Kassel gemalt. Dieser war ja ein großer Kunstsammler und leidenschaftlicher Jäger. Anläßlich des Ende des Siebenjährigen Krieges veranstaltete der Landgraf eine Reiherbeize an der unteren Schwalm bei Schloß Wabern. Jagdgast war der kaiserliche Feldmarschall August Friedrich Fürst von Waldeck. Johann Heinrich Tischbein hat einen ganzen Zyklus über die Reiherjagd gemalt. Ich habe etwas gegoogelt, um im Internet Abbildungen der Reiherbeize zu finden, doch war leider auf den ersten Schlag nichts brauchbares dabei, und ich hab jetzt leider keine Zeit mehr, zu googeln. Der Zyklus Reiherjagd befindet sich heute im Schloß Fasanerie in Fulda.
Die Reiherbeize hatte übrigens einen kleinen Schönheitsfehler, denn Serenissimus kostbarer Gerfalke "Landgraf" wurde von einem Reiher getötet.
 
Salut Scorpio, spannende ist doch gerade die Suche oder nicht? Deinen Vorschlag finde ich ja auch gut. Meinetwegen kann man ja auch Gemälde zusammenbringen mit rein zufälligen Zitaten, die aber das selbe Ereignis betreffen. Oftmals taucht darin etwas im Briefwechsel zwischen Künstlern und Auftraggebern auf. Ich kann mich an die Beratungen über Gemälde Bouchers zwischen dem Künstler und den Agenten der Königin Ulrike von Schweden in Paris erinnern. Das wäre auch schon ein interessantes Thema, auch wenn vielleicht etwas arg vom Hauptfokus abweichend.

Übrigens habe ich die Bilder von Johann Heinrich Tischbein d. Ä. in einem Forum gefunden, wo ich auch selber schreibe. :D http://www.reenactorforum.waszmann.de/cgi-bin/yabb2/YaBB.pl?num=1143660609 Das sind zumindest Ausschnitte aus dem genannten Zyklus, der heute in Schloss Eichenzell hängt. Als ich anlässlich einer Veranstaltung dort war, fielen mir einige malerische Unzulänglichkeiten auf, die zum Glück bei den Ausschnitten nicht erkennbar sind. Sehr interessant sind neben den uniformartig wirkenden Kleidern auf dem einen der Gemälde auch überhaupt die sehr präzise Darstellung der Jagd als Sport.
 
Ich habe beim Blättern in einem Bildband noch ein anderes Bild von Johann Heinrich Tischbein gefunden, das ich recht interessant finde. Es nimmt Bezug auf die Assekurationsakte von 1754. Erbprinz Friedrich (II.) diente im Österreichischen Erbfolgekrieg unter Karl VII. Albrecht. Am 1. Oktober 1754 gab Friedrich seinen Übertritt zum Katholizismus bekannt. Er mußte daraufhin die assekurationsakte unterschreiben, die den protestantischen Konfessionsstand Hessens garantierte. Seine Gattin Maria, die Tochter Georgs II., trennte sich von ihm, und er mußte auf die Erziehung seiner Söhne und die Grafschaft Hanau verzichten.

Das Porträt zeigt die Ehegatten und ihre Söhne. Ein Kämmerer hält das Porträt von Friedrichs Vater Wilhelm VIII. Maria sitzt vor dem Bild, das sie betrachtet. Friedrich steht abseits, den Blick auf den Betrachter gerichtet. Er trägt eine Uniform in preußischem Schnitt, am Revers den Stern des Ordens vom Goldenen Löwen. Wenn die Uniform kein Phantasieprodukt ist, müßte es sich um die des Füsilierregiments von Ditfurt handeln, doch ist mir eine besondere Beziehung des Landgrafen zu diesem Regiment nicht bekannt.

Maria wendet das Gesicht demonstrativ von ihrem Gatten ab und blickt auf das Porträt ihres Schwiegervaters. Den Arm hat sie um die Schulter ihres jüngsten Sohnes Karl geschlungen, der beklommen wirkt und ihre Hand hält. Ihr ältester Sohn, Wilhelm (IX), Graf von Hanau- Münzenberg steht zur linken seiner Mutter und hält ihre Hand, während er erklärend auf das Bild deutet. Nur der mittlere Sohn, mit einem roten Frack bekleidet, wendet sich vom Bild ab und blickt auf seinen Vater. Ich habe bisher leider keine Originalkommentare zu dem Bild gefunden, und weiß auch nicht, wo es heute hängt.
 
Interessant in dem Zusammenhang mit dem Inhalt des Bildes, dass es der Gemahlin Friedrich II. von Hessen-Kassel Maria gelang, ihre hohe Herkunft wird dabei wohl eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben, ihre Kinder und sich selbst vor dem Konfessionswechsel zu bewahren. Dass nämlich die Religionswechsel der regierenden Potentaten zumeist den der Familie nach sich zogen, war schon sehr üblich im 18.Jh. und folgenschwer vor allem für die innenpolitik, obgleich sich diese in der Zeit der Aufklärung zusehends entkonfessionalisierte, man spricht auch von einer Säkularisierung des Staatswesens.
Das war mal ein interessanter Denkanstoß. :yes:
 
Ich habe heute in einem Kasseler Antiquariat ein interessantes Buch gefunden: Marlies Danziger/ Hans Joachim Reuter "Ein Schotte in Kassel im Jahre 1764 James Boswell bei Landgraf Friedrich II. von Hessen- Kassel".
Boswell kam auf seiner Grand Tour nach Kassel, und es gelang ihm schließlich den Landgrafen persönlich zu treffen, nachdem er Kassel so la la gefunden hatte. (Cassel was about such and such). Das Buch präsentiert bisher unveröffentlichte Tagebucheinträge, und Boswell beschreibt darin verschiedene Bauten, Kunstschätze und auch einige Gemälde.
In dem Buch ist auch ein Porträt Marias von Johann Heinrich Tischbein abgebildet. Sie hat sich bei der Lektüre von Alexander Pope porträtieren lassen, dessen Universal Prayer sie demonstrativ nach außen hält. Sie war eine resolute Person, bekannt wegen ihrer toleranten, undogmatischen Haltung. Nur ihrem Gatten konnte sie nicht verzeihen. Sie verstand sich übrigens viel besser mit ihrem Schwiegervater. Großbritannien und Preußen bestätigten als Garantiemächte die Assekurationsakte. Bei der Konvertierung des Erbprinzen sollte, wie bereits die Zeitgenossen bestätigten "eine gewisse Dame" eine Rolle gespielt haben.
 
Ich denke auch, dass man gerade in Tagebüchern oder Briefen erhellendes finden wird. Das heißt, dass dabei zufällig Begegnungen beschrieben wurden, die dann auch von der Malerei festgehalten wurden. Ebenso verhält es sich bei Memoiren. Mehrere bezüglich einiger Treffen zu vergleichen, würde den wert der schriftlichen Quelle vielleicht dann noch relativieren oder auch den der bildlichen.

Ich komme mal kurz auf das von mir eingangs angesprochene Gemälde zurück. Was mich ziemlich sicher macht, dass es das beschriebene Ereignis darstellt, obwohl es sich eher um eine Studie von der Qualität her zu handeln scheint, ist neben der präzisen Beschreibung der Kleidung, bei FW I., die er ja immer scheinbar trug (bis auf die Gamaschen, die er auf Staatsporträts mit Stiefeln vertauschte), dass tatsächlich die beiden Monarchen gemeinsam auf die Königin zugehen. Vielleicht wurde von Pesne bzw. dem König dies ebenso wie von Wilhelmine als ein ganz großer Moment empfunden.
Wenn sich jemand näher mit dem Bild auskennt, würden mich Hinweise interessieren, ob es auch eine repräsentativere und großformatige Ausführung dessen gab.
 
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Die Idee ist vielleicht etwas zu platt, aber ich denke, dass die Briefe der Lieselotte von der Pfalz bei eurem Vorhaben eine wahre Fundgrube darstellen.
 
Die Idee ist vielleicht etwas zu platt, aber ich denke, dass die Briefe der Lieselotte von der Pfalz bei eurem Vorhaben eine wahre Fundgrube darstellen.
Nicht platt sondern nur nicht neu.;)

Nach Mme de Sevigné, die leider zur Zeit ihrer Briefe nur wenig bei Hofe war, werde ich mich wohl der Liselotte annehmen müssen.:rolleyes: Sie war ja zwangsläufig bei allen hohen Festivitäten anwesend und hätte gewiss auch hilfreich zur Beantwortung der Frage sein können: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=8027
 
Nicht platt sondern nur nicht neu.;)

Nach Mme de Sevigné, die leider zur Zeit ihrer Briefe nur wenig bei Hofe war, werde ich mich wohl der Liselotte annehmen müssen.:rolleyes: Sie war ja zwangsläufig bei allen hohen Festivitäten anwesend und hätte gewiss auch hilfreich zur Beantwortung der Frage sein können: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=8027

Da wirst du sicherlich fündig werden. Ich habe ihre Briefe in Buchform, herausgegeben von Helmuth Kiesel und es scheint so, als hätte die Gute die Idee Bildzeitung das erste Mal erdacht; also wirklich sehr unterhaltend zu lesen. :)

Soweit ich weiß, gibt es sie aber auch als Onlineausgabe.
 

Kennt jemand weitere Beispiele, bei denen man durch Berichte den Wahrheitsgehalt der Gemälde überprüfen kann? Was haltet ihr von meinem Vergleich?


Eine sehr interessante Erscheinung hierzu ist die Portraitmalerin Madame Elisabeth Vigee-Le Brun ( 1755-1842 )

http://de.wikipedia.org/wiki/Élisabeth_Vigée-Lebrun

Einen lebhaften Eindruck der Zeit vermitteln neben ihren erstklassigen Bildern ihre Lebenserinnerungen :

Lida von Mengden, Der Schönheit Malerin ... Erinnerungen der Elisabeth Vigée-Le Brun, Sammlung Luchterhand : Darmstadt/Neuwied 1985, ISBN 3-472-61553-2
 
Oh, merci! Ich wusste garnicht, dass ihre Memoiren auch auf Deutsch erhältlich sind, das trifft sich ja ganz vorzüglich. (Vigée -Lebrun ist nämlich meine Lieblingsmalerin)
 
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