Herkunft der Bulgaren

Die russischen Geschichtswissenschaftler Morosow und Fomenko, die die chinesischen Quellen in der Originalsprache grundlegend analysiert haben, sind nämlich zu der Schlussfolgerung gelangt, dass es sich im Grunde genommen um europäische (wahrscheinlich römische und byzantinische) Chroniken handelt und noch dazu in späten Anschriften des 13. bis 15. Jh., die nach China gelangt sind, dort übersetzt und weitergegeben und mit der Zeit als authentische örtliche Originaldokumente angesehen wurden.

Ein Blödsinn sondersgleichen. Mit Geschichtswissenschaft haben die abenteuerlichen Phantasien der Herren Morosow und Fomenko nichts zu tun. Fomenko möchte gern die letzten 2000 Jahre Geschichte umschreiben und behauptet zu diesem Zweck, die gesamte Weltgeschichte vor dem 16. Jahrhundert sei das Werk einer großen Fälschung.
 
Ein Blödsinn sondersgleichen. Mit Geschichtswissenschaft haben die abenteuerlichen Phantasien der Herren Morosow und Fomenko nichts zu tun. Fomenko möchte gern die letzten 2000 Jahre Geschichte umschreiben und behauptet zu diesem Zweck, die gesamte Weltgeschichte vor dem 16. Jahrhundert sei das Werk einer großen Fälschung.
er hat blos alle sichtpunkte geschildert. aber einen sehr wichtigen vergessen. eine sehr glaubwuerdige version schildert die Protobulgaren als iranischstaemmiges volk, das viele ugro -finische elemente in sich einbezogen hatte und eine tuerkischsprechende oberschicht besass. der tuerkischsprechende adel kommt daher, da die Protobulgaren im 3. jahrhudert vom khagant der Westtuerken erobert werden. in der zeit der Westtuerkischen besatzung nimmt der adel die turk sprache der Westtuerken an.
eine andere interessante theorie, die auch nicht geschildert ist sagt, dass der grossteil der Protobulgaren bereits nordlich des Schwarzen Meeres unter slawischen einfluss begonnen hat slawisch zu sprechen. und slawisch sprachen sie als sie die Donau im 7. jahrhundert ueberqueren. das erklaert den niedrigen anteil an uriranische und urtuerkische worte im heutigen Bulgarisch.
 
Die legendären Herrscher der Bulgaren Avitochol und Irnik werden von den Fachleuten übrigens mit Attila und und seinem Sohn Ernack gleichgesetzt. Laut Priscus war Ernack Attilas Lieblingssohn, da die Seher Attila prophezeit hatten, nur Ernack würde Attilas Stamm weiterführen. Man nimmt daher auch teilweise an, dass die Bulgaren sich aus Teilen der Hunnen gebildet haben. Die Hunnen bestanden in ihrem Kern aus Turkvölkern.
 
Dass der Adel der Protobulgaren irgendwie mit Hunnen verwandt gewesen sein soll, ist kein überzeugendes Argument. Das Großbulgarische Reich nördlich des Schwarzen Meeres wurde von Reichen der Turkvölker dominiert und es war auch damals üblich, dass die Herrscherhäuser untereinander heiraten. Auch die Abstammungslinien vieler deutscher, russischer oder englischer Adliger kreuzen sich irgendwann in der Vergangenhet. Somit können Verwandschaftsbeziehungen der Königshäuser keine Aussage über die ethnische Herkunft des "Volkes" treffen. Dasselbe gilt auch über die Sprachgewohnheiten der Adelshäuser (auch in deutschen/preußischen oder russischen Adelshäusern wurde Französisch gesprochen).
 
Haetius:Die legendären Herrscher der Bulgaren Avitochol und Irnik werden von den Fachleuten übrigens mit Attila und und seinem Sohn Ernack gleichgesetzt.

Ich weis nicht um welche Fachleute sprichst Du? Es gab in der Vergangenheit tatsächlich eine solche Hypothese, wurde aber von den Wissenschaftlern, einschließlich deutschen Wissenschaftlern, noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts widerlegt. Leider kann ich im Moment den entsprechenden Artikel nicht zitieren. Nach der Namensliste der Bulgarischen Khans (originelle Altbulgarische Quelle) lebte Avitochol mindestens 300 Jahre vor Attilas Zeit.

Thrax: Somit können Verwandschaftsbeziehungen der Königshäuser keine Aussage über die ethnische Herkunft des "Volkes" treffen.
Völlig einverstanden, Thrax.

Mit deп folgenden bin ich aber nicht einverstanden:

Das Großbulgarische Reich nördlich des Schwarzen Meeres wurde von Reichen der Turkvölker dominiert und es war auch damals üblich, dass die Herrscherhäuser untereinander heiraten.

Die bisherige Diskussion in diesem Thread und auch im Thema Herkunft der Protobulgaren zeigte deutlich (meiner Meinung nach), dass die angebliche türkische Herkunft der Protobulgaren bis heute unbewiesen bleibt. Weder die Namen der Herrscher, noch die Religion oder die archäologischen Artefakten deuten auf eine vermutliche türkische Herkunft der Protobulgaren.
Wenn Du Lust hast, Thrax, können wir diese Diskussion im Thema Herkunft der Protobulgaren (Osteuropa) fortsetzen.

Rasho Rashev - On the origin of the Proto-Bulgarians (1992)

The conclusion may be unexpected, but looks completely natural – the majority of Proto-Bulgarians HAVE NOT SPOKEN a Turkic language.
 
Die bisherige Diskussion in diesem Thread und auch im Thema Herkunft der Protobulgaren zeigte deutlich (meiner Meinung nach), dass die angebliche türkische Herkunft der Protobulgaren bis heute unbewiesen bleibt


Nein, die bisherige Diskussion zeigte ganz im Gegenteil, dass die türkische Herkunft der Proto- und Wolgabulgaren sogar sehr wahrscheinlich ist. So z.B. dieser Beitrag als einer von vielen:

Die Protobulgaren waren ursprünglich ein mittelasiatisches Turkvolk. Nachdem ein erstes Reich in der nordpontischen Steppe zerfallen war, schlossen sich seit dem 7. Jh. von dort abgewanderte turksprachige Gruppen im mittleren Wolgagebiet mit einer finnischen und slawischen Siedlungsbevölkerung zusammen, sodass ein Stammeverband entstand, aus dem sich das Reich Bolgar (Bulghar) bildete.
 
In wie weit kam nach eigentlich davon ausgehen, dass wirklich die bulgarische Nation aus der vermischung von Slawen und Thrakern hervorging? Wie lang sind die Thraker eigentlich historisch fassbar? Ich persönlich hielt diese Verschmelzungtheorie immer also produkt des wünsches eine kontinuität des eigenen ethnos bis hin zu antike antike zu besitzen. Weisst da einer mehr?

Einzelne thrakische Worte und Feier-Traditionen haben bis heute überdauert, auch die bulgarische Volksmusik zeigt thrakische Einflüsse wie etwa die Verwendung des Dudelsacks. Ob das reicht, um die Thraker zu den Vorfahren der Bulgaren zu rechnen ist ne Frage von Definition.
 
Einzelne thrakische Worte und Feier-Traditionen haben bis heute überdauert, auch die bulgarische Volksmusik zeigt thrakische Einflüsse wie etwa die Verwendung des Dudelsacks. Ob das reicht, um die Thraker zu den Vorfahren der Bulgaren zu rechnen ist ne Frage von Definition.

Es ist anzunehmen, dass neben den Slawen auch die Thraker eine wichtige Rolle bei der Ethnogenese der Donaubulgaren gespielt haben. Immerhin deckte dich ihr Siedlungsraum teilweise mit dem der Bulgaren und wenn sie auch im 6. Jh. aus der Geschichte verschwinden, so werden sie sich nicht in Luft aufgelöst haben.

Ein anderer Teil der Thraker wird sich möglicherweise mit den griechischen Makedonen vermischt haben.
 
Größere Elemente thrakischer Sprache und Kultur finden sich meines Wissens nach bei den Albanern und den wallachischen Völkern (womit ich nicht nur die Rumänen meine).
 
Größere Elemente thrakischer Sprache und Kultur finden sich meines Wissens nach bei den Albanern und den wallachischen Völkern (womit ich nicht nur die Rumänen meine).

Das Siedlungsgebiet der Thraker lag vor allem im heutigen Bulgarien, während Rumänien von den Dakern besiedelt war, die aber - nach Ausweis ihrer Sprache - ebenfalls zu den Thrakern zählen. Gleiches gil für die getern, die auch im SO des Balkan saßen.

Insofern haben die Thraker eine starke Basis für sie späteren Bulgaren, Rumänen und wohl auch Albaner gebildet.
 
Im Bereich des heutigen Bulgarien saßen thrakische Völker, das ist richtig. Man darf aber nicht vergessen, daß diese Thraker schon unter den Persern ihre Unabhängigkeit verloren, dann unter Makedonen standen und für mehrere Jahrhunderte Teil des Römischen Reiches waren. In dieser Zeit wurden etliche Föderatengruppen in Thrakien angesiedelt und auch sonst wird es Bevölkerungsverschiebungen gegeben haben, wie sie für alle Teile des Imperium üblich waren. Das läßt dann die Frage offen wie thrakisch die Thraker bzw. die Bewohner Thrakiens in der Spätantike wirklich waren. Wenn Dr. Iotchev schreibt, daß einzelne thrakische Worte bis heute im Bulgarischen überlebt haben, dann spricht das nicht unbedingt für eine starke thrakische Komponente bei der bulgarischen Ethnogenese, sondern kann genauso gut als Gegenargument verwendet werden.
 
Bulgarischen überlebt haben, dann spricht das nicht unbedingt für eine starke thrakische Komponente bei der bulgarischen Ethnogenese, sondern kann genauso gut als Gegenargument verwendet werden.

Es lässt sich heute nicht mehr genau ermitteln, wie stark die Präsenz und Identität der thrakischen Stämme in der Spätantike war. Das Lexikon Alte Kulturen sagt dazu:

Vom 6./7. Jh. an beschleunigte sich der Untergang der Thraker, die bis dahin als eigene sprachliche, ethnische und kulturelle Einheit angesehen werden, infolge der beginnenden Slawisierung der Balkanhalbinsel.

(Lexikon Alte Kulturen, Bd. 3, Mannheim 1993, S. 523)

Danach kann der thrakische Einfluss nicht unbedeutend gewesen sein, wobei sprachliches Substrat und Volksgröße durchaus auseinanderklaffen können.
 
Grundsaetzlich gebe ich dir Recht, beorna, aber man darf auch nicht vergessen, dass es irgendwo Defnitionssache ist ob denn nun eine alte Kultur zu den Ahnen einer modernen gezaehlt werden sollte. Ich gehe von einer kulturellen Definition aus, soll heissen: Ahnen sind diejenigen die Spuren in der Kultur eines Volkes hinterlassen haben. Womit sich aber gleich die Frage stellt: Wie gross muessen diese Spuren sein, damit man wirklich von Ahnenschaft reden kann? Zaehlen z.B. die Araber zu den Ahnen des modernen Europaers, weil dieser das arabische Zahlensystem benutzt? Eine reinkulturelle Definition wie ich sie benutze bringt immer das Problem mit sich, dass es eine Definitionssache bleibt wer wessen Urahn ist.

In der bulgarischen Sprache gibt es Lehnworte aus dem osmanischen und dem griechischen, was keine Ueberraschung sein sollte, aber auch aus dem gotischen, fraenkischen, lateinischen, albanischen und sogar aus finno-ugrischen und altai-tuerkischen Sprachen, wobei bei letzteren zwei Gruppen nicht festgestellt werden kann welcher ugrischen oder turkomongolischen Volksgruppe diese Worte mit Sicherheit entlehnt sind.
Worte alleine reichen offenbar nicht aus, denn einzelne Worte veraendern sich sehr schnell und haben keine allzu dauerhafte Wirkung auf die Kultur/Sprache eines Volkes. Im Falle der thrakischen Sprache handelt es sich aber sehr wahrscheinlich um mehr als nur Wort-Ueberreste. Einige grammatikalische Besonderheiten, wie z.B. die Verwendung von Artikeln, koennen nicht bei anderen slawischen Volksgruppen gefunden werden, aber zeigen wohl Parallelen auf zu der albanischen und der rumaenischen Sprache. Die Annahme dass es sich hierbei um thrakische Grammatik handelt halte ich deshalb fuer plausibel und da es ein grammatikalischer Einfluss ist, kann er nicht als nebensaechlisch aufgefasst werden => Die Grammatik ist das Grundgeruest einer Sprache. Wenn wir dazu die thrakischen Elemente in der Volksmusik und in den Feiertraditionen und Volkskostuemen nehmen muessen wir den Thrakern einen zumindest staerkeren Einfluss einraeumen, als den Goten, Awaren, Petschenegen, Franken und Kelten die zwar ebenfalls durch das Land gezogen sind, aber bedeutend weniger bis garkeine Spuren hinterlassen haben.

Andererseits bin ich aber auch der Meinung, dass die Anzahl der Voelker die zu den Ahnen der Bulgaren gezaehlt werden gering ist, im Vergleich zu der Anzahl der Voelker die es verdient haetten dazu gezaehlt zu werden. Die griechisch-byzantinische und die turk-osmanische Kultur haben beide einen nachhaltigen und nicht zu uebersehenden Einfluss gehabt, werden aber in den Geschichtsbuechern nicht als Ahnen sondern als Feinde beschrieben. Selbst die Kumanen, die nicht nur die zweitgroesste ethnische Minderheit nach den Griechen im zweiten bulgarischen Reich waren, sondern auch begruender der letzten bulgarischen Dynastie, werden nicht dazu gezaehlt. Auch die Armenier nicht, obwohl es mehr als eine armenische Besiedlungswelle im Laufe der bulgarischen Geschichte gab. Wer Ahne ist und wer nicht, bleibt Definitionssache und abhaengig von der politischen Einstellung der Historiker ist die Beantwortung solcher Fragen stets! Einzige was mit Sicherheit gesagt werden kann ist dass die bulgarische Kultur die verschiedenen Einfluesse denen sie ausgesetzt war jeweils unterschiedlich offen gegenueber stand und anders aufgenommen und verarbeitet hat, als es ihre Nachbarkulturen taten. Anders soll eine eigenstaendige bulgarische Kultur, logischerweise, nicht entstanden sein koennen.
 
Ich habe das hier im Forum schon öfter geschrieben, aber vielleicht noch einmal. Grundsätzlich darf jeder jeden zu seinen Ahnen zählen, wenn es ihm beliebt, selbst wenn es dafür auch nicht den Hauch eines Beweises gibt. Wenn sich jemand an den errungenschaften alter Völker erfreut und orientiert ist das ohne Abstriche zu akzeptieren. Meist jedoch stecken politische bzw. materielle Absichten dahinter. So sahen sich die Franzosen z.B lange in der Tradition der Franken. Erst mit der französischen Revolution wurden die Franken mit den Bourbonen gleichgesetzt, während das Volk Anschluß an die alten Kelten suchte. wenn man heute in Bulgarien versucht eine direkte Herkuft von den Thrakern abzuleiten, dann kann das stimmen, es ist jedoch fraglich ob solch eine Herkunftssicht auch z.B. im 9.Jhd. schon verbreitet war. Viele Türken sehen sich z.B. in Brüderschaft mit all den Turkstaaten Mittelasien von Aserbeidschan bis Usbekistan, gleichzeitig aber nehmen sie die antiken Kulturen Kleinasiens für sich in Anspruch. Beides kann man durchaus vertreten, doch zusammen wirkt es eher merkwürdig. Um zu den Bulgaren zurück zu kommen, sie sind heute ein slawisch sprechendes Volk mit vielerlei Wurzeln, die Thraker sind dabei aber vermutlich nur eine Wurzel von vielen und wurden in der Moderne eher wiederentdeckt um an glorreiche antike Zeiten anzuschließen.
 
In der Tat ist die Verbindung zwischen Bulgaren und Thraker alles andere als "direkt". Die Wellen der antiken Begeisterung und die des Panslawismus sind aber heute in Bulgarien beide weitgehend verebt. Heute sucht man eine Verbindung zu den Uriranern/Ariern herzustellen und welche politische Absichten dahinter stecken? Es schaudert mich auch nur daran zu denken...
 
Moin.

Dann schauen wir doch mal, was der Brockhaus (2007) zu den Thrakern sagt, und schauen dann, inwieweit sich die Thraker als "Ahnen" der heutigen Bulgaren eignen:

"Thraker,

lateinisch Thraces, indogermanisches Volk des Altertums in Südosteuropa und Vorderasien. Thraker und verwandte Stämme siedelten seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. außerhalb Thrakiens nördlich der unteren Donau, so die Daker und die Geten, auf vorgelagerten Inseln (besonders Thasos, Samothrake) und in Nordkleinasien (besonders Mysien, Bithynien). Die Thraker bildeten bis ins 6./7. Jahrhundert eine sprachliche, ethnische und kulturelle Einheit. Zahlreiche Grab- und Schatzfunde belegen eine hoch stehende Kultur. Von der in frühbyzantinischer Zeit ausgestorbenen thrakischen Sprache sind nur spärliche Überreste bekannt.
"

Erstaunlich, wie gewisse Kreise es immer wieder schaffen, aus gewissen Sprachresten felsenfeste Rückschlüsse zu zimmer... unten dazu mehr:

"
Thraker: Eine »Randkultur« im Blickpunkt:

Unter dem historisch-geografischen Begriff Thrakien versteht man heute den nordöstlichen Landesteil Griechenlands, sodann das gesamte Staatsgebiet Bulgariens und, mit Einschränkungen, auch Südrumänien. Bis vor wenigen Jahrzehnten war die materielle Kultur des antiken Thrakien noch weitgehend unbekannt. Nicht nur die eingeschränkten Forschungs- und Präsentationsmöglichkeiten in den Ländern des Ostblocks waren hierfür die Ursache, sondern auch eine klassizistisch orientierte Archäologie und Geschichtswissenschaft, die Thrakien als eine relativ unbedeutende »Randkultur« ansah, die kaum besonderes Interesse verdiene. Dies hat sich inzwischen geändert: Sensationelle Schatz- und Grabfunde, die in Ausstellungen um die ganze Welt wandern, haben das antike Thrakien in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Siedlungsgrabungen und die sorgfältige Analyse von Bestattungsplätzen mit ihren reichen Funden ließen ein differenziertes Bild von Alltag und sozialer Gliederung der in der Antike hier ansässigen Menschen entstehen.

Damit aber stellt sich die Frage nach Identität und Kontinuität thrakischer Kultur und ihrer Träger. Wer war dieses »Volk«? Seit welcher Zeit und in welchem Sinne kann von Thrakern gesprochen werden? Besonders die bulgarische Forschung - im Westen vermittelt vor allem durch Kataloge zu Ausstellungen - hat in ihrem Bestreben, heutige nationale Identität historisch zu beglaubigen, durch philologische und archäologische Argumente eine thrakische Kultur zu rekonstruieren versucht, derenWurzeln angeblich bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurückreichen und deren Fortdauer bis weit in die byzantinische Epoche, ja bis in die Gegenwart behauptet wird. Demgegenüber ist jedoch die regionale und epochale Vielfalt, ja sogar Diskontinuität dieses Kulturraums zu betonen, die unter dem Namen »thrakisch« nur hilfsweise zusammengefasst werden kann. Tatsächlich waren es weniger ethnische Abgrenzungen als vielmehr historische Ereignisse und Strukturen, die für eine gewisse Zeit eine spezifisch thrakische Kultur haben entstehen lassen. Verknüpft war dieser Vorgang offenbar mit der Herausbildung bestimmter sozialer Eliten am Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr., und dementsprechend endet auch mit dem historischen Verschwinden dieser Eliten im späten Hellenismus eine archäologisch fassbare eigenständige thrakische Kultur.
"
weiter:

"Auch die thrakische Sprache, die zur Familie der indogermanischen Sprachen gehört, ist trotz intensiver Forschungen immer noch so gut wie unbekannt. In griechischen Buchstaben verfasste Inschriften geben lediglich Personennamen und Ortsbezeichnungen an, hinzu kommen einige wenige, meist verballhornte Wortzitate bei griechischen Autoren. Griechen und Ägypter kannten Thraker meist nur als Sklaven - besonders in den Bergwerken - und als Söldner, wie sie sich zu Tausenden in der gesamten östlichen Mittelmeerwelt verdingten. ...

Das Ende der thrakischen Kultur - Unter römischer Kontrolle:

Eine Welle von Kelteneinfällen im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr., seit 188 v. Chr. auch Kämpfe mit römischen Verbänden, haben dem, was als thrakische Kultur fassbar ist, ein Ende gemacht. Damit allerdings stellt sich die Frage des archäologischen und historischen Blickpunkts. Denn unter Kultur - hier unter thrakischer Kultur - werden stets fast ausschließlich Hervorbringungen sozialer Eliten verstanden, und diese hörten hier wirklich auf zu bestehen. Menschen aber lebten auch weiterhin in jenen Gebieten, und mit ihnen bestanden ökonomische, soziale und kulturelle Strukturen fort. Diese allerdings gestalteten sich je nach Landesteil doch sehr unterschiedlich.

148 v. Chr. wurde Makedonien römische Provinz und damit Rom zum unmittelbaren Nachbarn der Thraker. Während die dakische Region nördlich der Donau noch durch Bildung eines Großreichs - unter den Königen Burebista (60-44 v. Chr.) und Decebalus (86-106 n. Chr.) - der neuen Macht trotzte, kam das thrakische Kernland 45/46 n. Chr. unter römische Kontrolle. Die Gebiete südöstlich der Linie Sofia -Plowdiw gehörten fortan zur Provinz Thracia, der Landstrich nördlich und westlich dieser Linie zur Provinz Moesia. In den Dakerkriegen unter Kaiser Trajan zu Beginn des 2. Jahrhunderts wurde schließlich auch das Gebiet nördlich der Donau als Provinz Dacia dem Römischen Reich einverleibt. Dakien, das heutige Rumänien, wurde kulturell und sprachlich weitgehend latinisiert; Thrakien behielt, von Rom kontrolliert, manche seiner alten sozialen und kulturellen Eigenheiten bei, vor allem seine traditionelle Verbindung zur griechischsprachigen südlichen Balkanhalbinsel. Auch nach der Teilung des römischen Imperiums gehörte Thrakien zum griechisch orientierten Byzantinischen (Oströmischen) Reich. Hunneneinfälle im 5. Jahrhundert und die slawische Ansiedelung im 6. Jahrhundert auf dem nördlichen Balkan aber setzten schließlich jeder von der Antike herrührenden Kontinuität ein Ende. Zugleich markierten sie den Beginn einer neuen Tradition, die in Sprache und kultureller Ausrichtung Bulgariens bis in die Gegenwart nachwirkt.

Prof. Dr. Lambert Schneider
"

Hier die dreißig (!) Glossen und weitere Infos zur antiken Thrakischen Sprache:
http://www.uni-klu.ac.at/eeo/Thrakisch.pdf

Und hier die bulgarische Sprache:
http://www.uni-klu.ac.at/eeo/Bulgarisch.pdf

Das Aussterben der Thraker setzt also in etwa zu der Zeit endgültig ein, als die Slawisierung begann? Reichen ein paar Wörter zur Ahnenerklärung?

Dieter:
Insofern haben die Thraker eine starke Basis für sie späteren Bulgaren, Rumänen und wohl auch Albaner gebildet.
Einspruch: Die thrakische Bevölkerung wurde infolge von Angriffen, Epidemien und Kriegsdiensten unter Kaiser Justinian geschwächt und konnte sich nur in Berggebieten halten. Gänzlich marginalisiert wurden sie durch die Einwanderung der Protobulgaren und der später weitergehenden Slawisierung.

Tja, die Thraker eignen sich wohl ebenso wenig, wie die Proto-Bulgaren als ethnische Ahnen der heutigen Bulgaren.
Wer mal in Bulgarien war, wird aber feststellen, dass dort nicht selten die gleiche Mentalität wie in der benachbarten Türkei herrscht, würden sie nicht eine andere Sprache sprechen, könnte man manchmal gar nicht unterscheiden, ob man nun in einigen Gegenden der Türkei oder Bulgarien wäre... aber das hören Griechen und Bulgaren nicht gerne... ;)

Deshalb gleich ein historisches Zitat:

1878 in der bulgarischen Zeitung Marica ist das Dilemma abzulesen, die Identität zu (er-)finden:

"Wir gehören rechtmäßig der Kategorie der Europäer an, in unseren Gewohnheiten hingegen sind wir Orientalen geworden. Und das ist nur natürlich, haben wir doch viele unserer Gepflogenheiten von unseren Tyrannen übernommen, vor allem in den Städten, wo die einzelnen Teile vermischt waren. Da uns diese äußerlichen Mängel an sich fremd sind, werden wir uns ohne Zweifel schnell von ihnen befreien, und wir werden ein ganz und gar europäisches Volk werden, mit christlichen Sitten und Bräuchen."
(B. Lory: Le Sort de l’héritage ottoman en Bulgarie. Istanbul 1985. S. 187).

Das Dilemma, wie sollte man mit dem importierten Nationalismus umgehen, mit der dadurch entfachten "Entosmanisierung" und mit den auf 500 Jahre osmanischen Einfluß zurückgehende "Verunreinigungen", die inzwischen längst integraler Bestandteil der Kultur geworden sind?
Die Lösung die sich durchsetzte war, alles osmanische/türkische zu negieren, ihm den scharzen Peter zuzuschieben.
Andere Stimmen setzten sich hingegen nicht durch:
Den Balkan als eurasischen Raum zu begreifen, der einen eigenen Kulturraum darstellt mit Reichen höchster Blüte (Byzanz), und zuletzt durch die osmanische Herrschaft eine eigene balkanische Zivilisation hervorgebracht hätte.
In diesem Sinne sah der rumänische Historiker Nicolae Iorga das Osmanische Reich auch als "Byzanz nach Byzanz", ebenso wie ein Teil der griechischen Geschichtsschreibung das byzantinische Gepräge des osmanischen Systems und die Kontinuität zwischen den beiden Reichen hervorhebt.
Wie gesagt, diese etwas differenziertere Sicht hat sich gegen der Schwarz-Weiß-Sicht nicht durchsetzen können.

So können wir z.B. in der Rede zum 1300 Jahrestag der Gründung Bulgariens 1981 die Zwickmühle innerhalb der nationalistischen und kommunistischen Propaganda lesen:

http://www.uni-klu.ac.at/eeo/Zivkov_Rede

Neuerdings gibt es aber Bestrebungen in der Historiographie, sich von alten Zöpfen zu trennen, siehe hier:

"Zwei beliebig herausgegriffene Topoi der bulgarischen Historiografie lauten etwa: Über eine dezidiert bulgarische Bevölkerung ergoss sich eine Flut nomadischer türkischer Einwanderer bzw. große Teile der autochthonen Bevölkerung traten gezwungenermaßen zum Islam über und wurden osmanisiert oder gar türkisiert. Wie unsachgemäß solche Pauschalierungen sind, zeigt Zhelyazkova am Beispiel der Bergbevölkerung der Rhodopes. Die Quellen, die einen unfreiwilligen Übertritt zum Islam suggerieren, entpuppen sich als Fälschungen aus dem 19. Jahrhundert."
sehepunkte - Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften - 7 (2007), Nr. 3



Sehr interessant dürfte auch zu erwähnen sein, dass die Osmanen besonders in ihrer expansiven Phase die politische Strategie der Bevölkerungsverschiebungen angewendet haben. Sei es aus Gründen der Ökonomie, der strategischen Erfordernisse, der Kolonisierung von schwach besiedelten Gegenden, der Befriedung, durch Push- oder Pull-Faktoren, usw., es könnte sein, dass da einige, die ihre Wurzeln erforschen wollen, vielleicht aus gaaaanz anderen Gegenden stammen? ;)

Siehe hier die sehr interessante Magisterarbeit:

Forced Population Transfers in early Ottoman Imperial Strategy:
a Comparative Approach


Letzte kurze etwas Offtopic-Bemerkung:
Wenn ein relativ aufgeklärter Türke seine "Ahnen" sowohl in Zentralasien, als auch in den antiken Anatoliern sieht, dann ist es vielleicht nicht so sehr merkwürdig, sondern zeugt von der Erkenntnis, dass er eine Mischung aus beidem ist, und es meist unmöglich festzustellen ist, ob eher das eine oder das andere bei ihm nun zutrifft.


So, denn mal [FONT=verdana, arial, helvetica][FONT=verdana, arial, helvetica]Salute[/FONT][/FONT], LG lynxxx
 
Zuletzt bearbeitet:
Um zu den Bulgaren zurück zu kommen, sie sind heute ein slawisch sprechendes Volk mit vielerlei Wurzeln, die Thraker sind dabei aber vermutlich nur eine Wurzel von vielen und wurden in der Moderne eher wiederentdeckt um an glorreiche antike Zeiten anzuschließen.

Dass die Thraker "nur eine Wurzel unter vielen sind", war eigentlich die wesentliche Richtung der vorangegangenen Diskussion. Wenn ein Volk wie die Proto-Bulgaren einwandert, so schaut man sich natürlich alle alteingesessenen Völker an, die in dieser Region leben oder auch lebten. Sie bilden eine weitere Bevölkerungsbasis für die Einwanderer, selbst wenn ihre Identität am Erlöschen ist.

Insofern bilden auch die Thraker ein Element, das bei der Ethnogenese der Donaubulgaren eine Rolle spielte. Wie stark man die thrakische Bevölkerung angesichts einiger nahezu entvölkerter Regionen veranschlagen muss, lässt sich heute nicht mehr entscheiden.

Ähnlich sieht es bei den Illyrern aus, obwohl zweifelhaft ist, ob sie im Raum des heutigen Bulgarien gesiedelt haben.
 
Der Thread ist zwar schon etwas älter aber dasThema noch immer aktuell.
Was ich nicht verstehe ist, warum so viele Balkanvölker (Bulgaren, Nordmazedonier, Albaner und Rumänen) sich auf etwas berufen was wissenschaftlich nicht haltbar ist?
Propagandaforscher der jeweiligen Länder zählen nicht als Wissenschaftler!
Was haben diese Leute für ein Problem? Wieso leugnen Sie Ihre wahre Identität?
Ausser die Rumänen,Albaner und die Griechen sind doch alle anderen Südslawen. Das ist Fakt!
Jugoslawien bedeutet auch übersetzt Südslawen.
Es ist doch kein Wunder das diese Leute nicht wissen wer Sie sind, wenn Sie sich selbst verleugnen und immer getan haben.
Ist das vielleicht der Grund warum Sie nicht wissen wer Sie sind? Die ewige Identitätsverweigerung die sich wie ein roter Faden durch Ihr dasein zieht.

Gruß Sandy
 
Zurück
Oben