Tradition und Überrest in der anglophonen Geschichtswissenschaft

treppenwitz

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Weiß jemand zufällig inwiweit die angloamerikanische und englische Geschichtsschreibung auch eine Differenzierung in Tradition und Überrest vornimmt?

Und wenn ja: wie nennt man dann "Tradition" bzw. "Überrest"


Ich hoffe dieses ist das richtige Unterforum!
 
Weiß jemand zufällig inwiweit die angloamerikanische und englische Geschichtsschreibung auch eine Differenzierung in Tradition und Überrest vornimmt?

Und wenn ja: wie nennt man dann "Tradition" bzw. "Überrest"


Ich hoffe dieses ist das richtige Unterforum!

Das ist ganz schön schwer, wenn man, wie ich gewohhnt ist, Sätze auseinanderzureissen.
Was verstehst du denn unter "Überrest von Tradition"?
 
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Ich habe auf die schnelle nichts gefunden. Auf jeden Fall kennt man dort Primär- und Sekundärquellen (Zitat Stefan Jordan: „Als sekundäre Quelle bezeichnet man die sinngemäße Wiedergabe einer Quelle in einer anderen Quelle.“).
 
Als Traditionsquellen verstehe ich Quellen die einst erschaffen wurden um anderen Personen etwas mitzuteilen (Also bspw. Reden, Herrschaftsbilder). Die Intention ist klar die der Überlieferung.


Als Überrestquellen verstehe ich die Quellen die mehr oder weniger unbeabsichtigt Rückschlüße über die Vergangenheit erlauben.

Ich liege damit auf der Linie von wiki.

Das man das im Einzelfall genau prüfen muss (ob ein Tagebucheintrag z.B. nicht doch eine Traditionsquelle ist, weil jmd. damit rechnet das dieses später einmla gefunden wird), ist selbstverständlich.
 
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Als Traditionsquellen verstehe ich Quellen die einst erschaffen wurden um anderen Personen etwas mitzuteilen, also Reden, Herrschaftsbilder. Die Intention ist klar die der Überlieferung


Als Überrestquellen verstehe ich die Quellen die mehr oder weniger unbeabsichtigt Rückschlüße über die Vergangenheit erlauben.

Ich liege damit auf der Linie von wiki.

Als Ergänzung

Ich empfehle dir folgendes Buch:

Peter Borowsky, Einführung in die Geschichtswissenschaft I, Grundprobleme, Arbeitsorganisation, Hilfsmittel.

Dieses Buch gilt als Standardwerk. Ich zitiere was darin über die Quellenkunde steht:

Überreste und Tradition:

Überrest ist alles, was unmittelbar von den Begebenheiten übrig geblieben ist; man unterscheidet:

-Sachüberreste (körperliche Überreste, Bauwerke, Geräte, Erzeugnisse von Kunst, Gewerbe usw. aller Art)

-Abstrakte Überreste (fortlebende oder überlieferte Institutionen, Rechts- und Verfassungszustände aller Art, Tatsachen der Sitte, der Sprache usw.)

- Schriftliche Überreste (Schriftgut, das aus geschäftlichen oder privaten Bedürfnissen der jeweiligen Gegenwart entstanden ist), z.B. Urkunden über Rechtsgeschäfte - wir Grundstücksangelegenheiten - Akten einer Behörde, private Briefe, Zeitungen, schöne Literatur.

Tradtion dagegen bezeichnet Material, das eigens und absichtlich zum Zweck (historischer) Unterrichtung geschaffen worden ist (z.B. Annalen, Chroniken, Biographien, Autobiographien, Memoiren, zeitgenössische Geschichtserzählungen aller Art, mündliche Formen: Sage, Lied, Erzählung).

Diese Quellengruppierungen orientiert sich an der Beziehung des Quellenstückes zum jeweils zu untersuchenden Gegenstand; der Überrest berichtet unabsichtlich über diesen Gegenstand, während z.B. eine Chronik diesen Gegenstand bereits unter bestimmten Gesichtspunkten beurteilt und einordnet, um der Nachwelt ihre Sicht der Dinge kundzutun.

Borowsky, S. 125


Das man das im Einzelfall genau prüfen muss (ob ein Tagebucheintrag z.B. nicht doch eine Traditionsquelle ist, weil jmd. damit rechnet das dieses später einmla gefunden wird), ist selbstverständlich.

Das ist so.
 
Die Unterscheidung in Primär- und Sekundärquellen ist auch im angelsächsischen Raum nicht die Unterscheidung zwischen Überrest und Tradition. Hier wird eher in written sources (mit den Untergruppen narrative/literary sources, diplomatic sources, social documents (z.B. standesamtliche Urkunden), letztere würden wir als Überrest bezeichnen) und Artefakte unterschieden.
 
Geht ja auch auf einen deutschen Historiker - Johann Gustav Droysen - zurück und wie sehr war im 19. Jhd die Historikerzunft schon international im Gespräch miteinander?
 
narratives und relics
Wenn man in der englischen Wikipedia nachschlägt, fällt auf, dass dieses Gegensatzpaar kaum verwendet wird (siehe aber Source criticism - Wikipedia, the free encyclopedia). Viel häufiger ist die Einteilung nach primary, secondary und tertiary sources (z. B. Primary, Secondary and Tertiary Sources, UM Libraries), wo narratives und relics nicht erwähnt sind. - Siehe auch den Artikel "source material" in der Encyklopedia Britannica (Ausg. 2001) mit dem lapidaren Eingangssatz "... falls into three groups which can be differentiated as written, material, and traditional".

Gewiss ist die Droysensche Unterscheidung heute noch relevant, zumal in der Bearbeitung durch Bernheim, der den Begriff "Tradition" kreierte (Borowsky, Einführung, Bd. 1, S. 124 f.; v. Brandt, Werkzeug, S. 52). Man soll nur dran denken, dass die Einteilungen nicht trennscharf sind (siehe Droysens Beispiel der Denkmäler, Historik, S. 333) und manche Faustregeln, wie z. B. "unbewusst erzeugte Quellen sind vertrauenswürdiger als bewusst erzeugte" oder "subjektive sind zuverlässiger als pragmatische", eben auch ihre Ausnahmen haben.
 
Ich erlaube mir, hier noch einige Dinge hinzuzufügen...

Ich empfehle dir folgendes Buch:

Peter Borowsky, Einführung in die Geschichtswissenschaft I, Grundprobleme, Arbeitsorganisation, Hilfsmittel.
...

Dieses Buch gibt es übrigens auch digital: Einfhrung in die ... - Google Bcher
Anm.: Die verlinkte Ansicht befindet sich auch bereits beim relevanten Kapitel 2. Quellenkunde bzw. S. 124 ff. ...

Gewiss ist die Droysensche Unterscheidung heute noch relevant, zumal in der Bearbeitung durch Bernheim, der den Begriff "Tradition" kreierte (Borowsky, Einführung, Bd. 1, S. 124 f.; v. Brandt, Werkzeug, S. 52). Man soll nur dran denken, dass die Einteilungen nicht trennscharf sind (siehe Droysens Beispiel der Denkmäler, Historik, S. 333) und manche Faustregeln, wie z. B. "unbewusst erzeugte Quellen sind vertrauenswürdiger als bewusst erzeugte" oder "subjektive sind zuverlässiger als pragmatische", eben auch ihre Ausnahmen haben.

In gleichem Tenor äußert sich dazu auch Die wissenschaftliche Arbeit mit Quellen - dort im Abschnitt 4. Quellenkunde: die strittige Frage der Unterscheidung verschiedener Quellengruppen



PS: Recht anschaulich beschreibt übrigens auch Einfhrung in die Geschichtswissenschaft - Google Bcher diese Problematik...
 
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verschiedene Quellenarten

Kann mit jemand sagen, was der Unterschied zwischen Quelle, Überrest und Dokument ist?
Habe da meine Probleme.
 
Schau mal hier:

Was sind Quellen?


Materialien, die unmittelbaren Überreste und Spuren der Vergangenheit werden als Quellen bezeichnet. Dabei denkt man vor allem an schriftliche Materialien.

Überreste:

Sachüberreste - körperliche Überreste, Bauwerke, Geräte, Erzeugnisse von Kunst. Gewerbe usw. aller Art

Schriftliche Überreste - Schriftgut, das aus geschäftlichen oder privaten Bedürfnissen der jeweiligen Gegenwart entstanden ist, dazu gehören zum Beispiel Urkunden über Rechtsgeschäfte, Akten einer Behörde, private Briefe, Zeitungen

Tradition:

Als Tradition bezeichnet man Material, das eigens und absichtlich zum Zweck (historischer) Unterrichtung geschaffen worden ist
Beispiel: Annalen, Chroniken, Biographien, Autobiopaphien Memoiren, zeitgenössische Geschichtserzählungen aller Art, mündliche Formen wie Sage, Lied oder Erzählungen.

Aus: Peter Borowsky, Einführung in die Geschichtswissenschaft I

Hier hast du auch noch eine sehr gute Erklärung:

http://www.historicum.net/lehren-lernen/arbeiten-mit-quellen/einfuehrung/
 
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Geht ja auch auf einen deutschen Historiker - Johann Gustav Droysen - zurück und wie sehr war im 19. Jhd die Historikerzunft schon international im Gespräch miteinander?
Sagen wir mal so: Deutsch war im 19. Jhdt. aufgrund von Personen wie den Grimms oder Freud durchaus eine der wichtigsten Wissenschaftssprachen, insbesondere in den Geisteswissesnchaften. Das wirkt bis heute nach, wenn man Texte aus dem nicht germanophonen Ausland liest, wo deutsche Begriffe so vorkommen, wie in der Betriebswirtschaftslehre heute englische Begriffe. Das ist manchmal befremdlich, weil dann in nichtdeutschen Texten deutsche Begriffe vorkommen, die im im deutschsprachigen Diskurs mitunter veraltet wirken. Hinterland, Heerkönigtum, Sakralkönigtum. Meine chilenischen Mitbewohner in Spanien - Doktoranden der Psychologie und Spät-Freudianer - fragten mich immer, warum wir im Deutschen mitten im Wort ein großes B hätten - sie meinten natürlich ß.
 
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