Es fragt sich dann, ob der Bogen als Waffe in den Geschichten solch eine Rolle spielte und ab wann man solch einen Faktor in die Geschichten um Robin Hood hineinlesen könnte. Wann wurde der Langbogen als solchermaßen gefährliche Waffe bekannt? Zur Zeit von Wat Tyler (14.Jh.) könnte ich es mir denken, aber wie sähe es im 13.Jh. aus?
Wie ich im Langbogenthread in
Beitrag #54 kurz angedeutet hatte, liegt der Anfang der englischen Langbogner - oder genauer müßte man sagen: die Integration der walisischen Langbogner ins englische Heer und die Übernahme der Waffe Langbogen durch die englischen Schützen - im späten 13. Jh.:
Wie dem auch sei, so geht die Umwandlung der englischen Heere zu den Langbogenschützen wohl mit Edwards erfolgreichen Kriegszügen gegen Wales 1278/84 einher, welche mit der englischen Eroberung von Wales enden, aber den König auch den Kampfwert der Waliser Bogenschützen erkennen läßt, woraufhin diese fortan ins englische Heer integriert werden bzw. die Engländer dies übernehmen - und die traditionellen normannofranzösischen Armbrustkontigente ersetzen/verdrängen (vgl. meine vorigen Anmerkungen dazu).
Den nächsten Schritt markiert das
Statute of Winchester von 1285, worin festgelegt wurde, daß ein Freisasse (
yeoman) mit Besitz im Wert von 2 bis 5 Pfund dem König als Bogenschütze dienen sollte. Hintergrund war dabei aber nicht der Dienst im königlichen Heer, sondern die Wahrnehmung von Aufgaben im Landesschutz zur inneren Ordnung und Sicherheit - faktisch: Freie, welche neben traditionellen Kräften (Ritter, Adel) für Ordnung, Sicherheit und Einhaltung der königlichen Gesetze sorgen sollten.
Bis zur ersten Bewährungsprobe der Langbogenschützen sollten vom o.g. Statut jedoch noch etwa 50 Jahre vergehen: wie in
Die englischen Bogenschützen - der Langbogen in Wales Schottland bei Crecy Poitiers und Azincourt beschrieben, wurden sie wegen knapper Geldmittel von König
Edward III. angeworben, trugen aber 1346 bei
Crecy zum englischen Sieg bei. Und auf dieser Seite wird all das, was dem folgte, recht anschaulich beschrieben:
Die englischen Bogenschützen - Legenden um eine "Wunderwaffe" schrieb:
... Als das französische Ritterheer 1356 dann noch einmal bei Poitiers und schließlich 1415 bei Azincourt ähnlich vernichtende Niederlagen hinnehmen musste, war für England der Hundertjährige Krieg zwar dennoch nicht zu gewinnen, die Welt aber um eine Legende reicher.
Vor allem bei modernen Geschichtsinteressierten beflügelt der Langbogen immer wieder die Phantasie. Da mischen sich Vorstellungen von Robin Hood mit Halbwahrheiten und weitererzählten Anekdoten. Man kann dann lesen, dass ein Langbogenschütze im Kampf hunderte wenn nicht sogar tausend Gegner tötete. Die eingefleischten Fans glauben zudem, dass die Pfeile Kettenhemden und sogar Plattenpanzer durchschlagen konnten. Eine der fatalsten und immer wieder gern kolportierten Geschichten setzte der Sohn Napoleons III. in die Welt, als er feststellte, dass ein Bogenschütze in einer Minute 12 mal über eine Distanz von mehr als 200 Meter schießen konnte und dabei nur einmal sein Ziel verfehlte. Ein (selbstverständlich) englischer Historiker hat sich von seiner Begeisterung sogar zu der Behauptung verstiegen, dass der Langbogen noch im 18. Jahrhundert schlachtentscheidend hätte sein können, und englische Bogenschützen bei Waterloo ein Massaker unter ihren Gegnern angerichtet hätten. In der entsprechenden Publikation des Osprey-Verlags vergleicht der Autor den Langbogen in Durchschlagskraft und Feuergeschwindigkeit sogar mit dem Lee Enfield Gewehr vom Anfang des 20. Jahrhunderts...
Aus diesem Grund hatte ich gestern auch eingewandt, daß mE eher eine spätere, v.a. neuzeitliche Vermischung der Legendenbildung um
Robin Hood und des Mythos der "Wunderwaffe" Langbogen vorliegt.