"Diese These ist zumindest interessant genug, um sie als Arbeitshypothese zu überprüfen. ich will gleich Material in ihrem Sinne dazugeben. Nicht nur die griechische Antike mit ihren
poléis, oder die Kleinstaaten der italienischen Renaissance zeigen dieses Phänomen, auch in al-Andalus, als das umayyadische Kalifat zusammenbricht und an dessen Stelle ca. 25 Kleinstaaten treten, die sogenannten
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ūk at-tawāʾif (Taifakönige, Reyes de taifas), kommt es zu seiner Blütezeit der Kunst, insbesondere der Architektur, Musik und Literatur, schlicht und einfach deswegen, weil die konkurrierenden Lokaldynasten alle miteinander um die Würde der Kalifatsnachfolge wetteifern und dementsprechend Gelder bereitstellen (für ein Gedicht wurde gerne Mal das Vielfache des Jahresverdienstes eines Bauern oder Handwerkers bezahlt)."
Als Arbeitshypothese, selbstverständlich.
"So unpassend finde ich den Begriff
bigotte Totengruft nicht. Natürlich sind spanische Renaissance und spanischer Barock unter dem Begriff
Siglo de Oro ('Goldenes Zeitalter') zusammengefasst, was sich in erster Linie auf Architektur und Bildhauerei, Malerei und Literatur bezieht, doch sollte man eben auch Inquisition und Vertreibung von Juden (1492), Mauren (1499, 1570/71, 1608/09), Inflation, Verödung der Wirtschaft und Missbrauch der königlichen Privilegien in den Kolonien nicht vergessen. Nicht für all dies war Felipe verantwortlich, zum Teil waren es seine Vorgänger und Nachfolger, doch unter Philipp kulminiert das doch sehr stark. Und wenn Du schon die Niederlande ansprichst, dann darfst du den achtzigjährigen Krieg nicht vergessen, der unter Philipps Herrschaft ausbrach."
Du schreibst es selbst. "
Siglo de Oro ('Goldenes Zeitalter')" und das in Bezug auf die Kunst- resp. Kulturgeschichte.
Die Inquisition war in der zweiten Hälfte des 16. Jh. ein Phänomen aller katholischer Länder; die Vertreibung der Juden, war nicht nur ein spanisches Phänomen, das der Mauren natürlich ein nur spanisches. Inflation, da konnte P. II. wenig für, es sei denn er hat zum Mittel der Münzverschlechterung gegriffen was ich auf die Schnelle nicht überprüfen kann, Staatsbankrott, klar, aber da war er nicht der Einzige.
"...dann darfst du den achtzigjährigen Krieg nicht vergessen, der unter Philipps Herrschaft ausbrach."
Hätten die Niederländer sich in die spanische Herrschaft dreingeschickt, dann wäre er auch nicht ausgebrochen.
feif:
Was ich damit ausdrücken möchte, bei einer kunst- resp. kulturgeschichtlichen Wertung, sollte politische Geschichte möglichst außen vor bleiben.
Ich möchte dabei bleiben, das "schwarze Gewand" P. II. legt sich gleichsam über die historisch, auch kunsthistorische, Betrachtung und Beurteilung dieser Zeit. Aus meiner beschränkten Sicht, brachte diese Zeit viele künstlerische Meisterwerke hervor, die auch nachwirkten.
"Den Abschnitt zu Rom würde ich auch nicht unterschreiben, man denke nur an das Bauprogramm unter Augustus, doch völlig von der Hand zu weisen ist auch dieser nicht. Zwar griff Rom durchaus einheimische kulturelle Elemente der eroberten Völker auf, aber letztlich muss man sagen, dass viele Kulturen durch die Romanisierung auch unwiederbringlich verloren gegangen sind. Man kann das exemplarisch an den Sprachen sehen. Daher ist der Ausdruck der "kulturellen Sonnenfinsternis" durchaus auch passend, wenn er auch nur die halbe Wahrheit mitteilt."
Hier haben andere Mitdiskutanten bereits berufen geantwortet.
Bleibt aus meiner Sicht die Arbeishypothese, daß "kleine Staaten" hinsichtlich der kulturellen Kreativität, produktiver sind als "große Staaten".
In dem Posting von Artifex, wird ein Zitat von Friedell angeführt. In diesem Zitat werden Wertungen eines Kulturhistorikers wiedergegeben, die ich zumindest für nachfragenswert halte.
Z.B.:
"Frankreich hat unter Ludwig dem Vierzehnten nur eine fadenscheinige, aufgebauschte Goldbrokatkultur und unter Napoleon nur den leeren, lackierten Empirestil erzeugt;"
Diese Bemerkung könnte auf einen "Namensnennung Wettlauf" von Künstlern hinauslaufen.
"Deutschland hat weder nach 1813 noch nach 1870 eine bedeutende künstlerische Entwicklung genommen und besonders in dem Jahrzehnt nach seiner Einigung seine banausischste, geistloseste und kitschigste Kulturperiode erlebt..."
Deutschland hatte erst 1871 seine nationalstaatliche Einigung, es müßte also gleichsam, "Arbeitshypothese" vorausgesetzt, gleichsam vor Kreativität "explodiert" sein, ist es auch; hier führt sich Friedell selbst ad absurdum.
:ironie:Oder fiel Schwarzburg-Sondershausen durch besondere Leistungen zum Weltkulturerbe auf?
M.