Awaren und Protobulgaren miteinander verwandt?

Für die Awaren ist das zwar möglich, aber keinesfall sicher. Einmal mehr, weil hier immer wieder solche Aussagen mit Bestimmtheit, dafür aber ohne Quelle vorgetragen werden. Man weiss es nicht!!!
Ich sehe es etwas differenzierter und über die Awaren gibt es genug Informationen.

Die Parther, Weisshunnen (Ephtaliten), Avaren.

Die zeitgenössischen Quellen lassen die Parther eindeutig von skythischen Volksgruppen abstammen, gleichzeitig werden sie auch als Abkömmlinge der Ephtaliten genannt; des weiteren: ihre ursprüngliche Name ist „Apar“ (in den Quellen Parn, Aparn (zB. Altheim, F. –Stiehl, R.: Geschichte Mittelasiens im Altertum, 1970.)) oder „Abar“, woraus in Ermangelung entsprechender Buchstaben im Griechischen: Avar(en).

Für den byzantinischen Geschichtsschreiber Theophilactos Simokatta sind die Avaren Weisshunnen. In den Beschreibungen und den erhaltengebliebenen Statuen werden die Parther in ihrer Tracht und Kampfweise vollkommen den Hunnen gleich dargestellt. Anthropologisch als europid (aber nicht vom arischen Charakter).

Das ist Spekulatius, weil Genaues weiß man nicht. Oder hast du dazu seriöse Quellen, die über ominöse Webseiten hinausgehen?
Es existieren mehr als genug seriöse Quellen, die sind allerdings nicht so leicht zu erreichen wie irreführenden, ominésen Webseiten.

Zu den Awaren Fragen nun die folgenden konkreten Quellen:

„Parthiaci gens olim Schytica“ (Stephanus Byzantinus, De Urbibus...) „Parthi Skhytharum exules fuere. Hoc etiam ipsorum vocabulo manifestur, nam Scythico sermone Parthi exules dicuntur.“ ((Justinus: Epitome Historiarum Lib. XLI. C.1.)

Alexander der Grosse (330 vCr.) : „Sogdiani, Dahae, Sacae, Massagetae sui juris sunt, omnes hi simul ti terga nostraviderint sequentur, illi enim eiusdem nationis sunt (d,h, sie sind Angehörigen der gleichen Nation!)“
(Curtius: Historianum – Historia Alexandri Magni i. VI. 3.)

Die Daha vom Kaspischen Meer, die Parthien überschemmt haben, vereinigten sich mit den Medern und haben kurz darauf das Parthische Reich gegründet.“ (Strabo: De situ orbis, Lib. XI. cit. Kephart Calvin: Races of Mankind, New York, 1960. p. 264)

In Nisibis, unter den Ruinen des Palastes des parthischen Königs Sanatruq hat man jene Stele entdeckt dessen Inschrift folgendes enthält:
„Im vierzehnten Jahr der Regierung des Antiochos haben die Parther das Joch der Macedonen abgeschüttet und der Sohn des Königs der Eluthaliten wurde ihr König, dem bald darauf sich alle Völker Ost- und Nordasien unterwarfen. .. Diese sind die Herrscher der Parhen, die nach dem Tode ihres Vaters, Arsaks, in Balkh über die Kuschiten herrschten.“
(Sebeos: Die Geschichten des Heraclius, 1881, Konstantinopel, S. 10.)

Es muss hier betont werden, dass uns aufgrund dieser letzten drei Quellen nunmehr auch direkte Beweise zur Verfügung stehen!
 
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Räumlich ist es also sogar sehr wohl wahrscheinlich. Wahrscheinlicher als die Gök-Türken, von denen sich vorher die Awaren abgespalten haben. Die Göktürken trieben ja mWn die Khazaren vor sich her.
Von einer Abspaltung Kubrats ist mir nichts bekannt. Kannst Du die Ursprungsquelle benennen? Ich halte nach wie vor die Meinung Pohls für nachvollziehbarer. Die Awaren haben sich von den Göktürken abgespaltet? Ich denke nicht.

zu den Awaren gibt es nicht genügend Informationen, sonst wäre die Sache ja nicht so strittig.

Als Skythen und Hunnen sind von den Historikern unzählige Völker bezeichnet worden, die eine nomadische Lebensweise oder ein Leben in der Steppe führten. So werden die Weißhunnen nicht zu den Hunnen gezählt, genauso wie es bei den roten Hunnen strittig ist. Eine Zuordnung der Awaren zu den Indogermanen, welche Parther und Skythen waren, wird vom Großteil der Wissenschaft nicht vertreten.
 
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Von einer Abspaltung Kubrats ist mir nichts bekannt. Kannst Du die Ursprungsquelle benennen? Ich halte nach wie vor die Meinung Pohls für nachvollziehbarer. Die Awaren haben sich von den Göktürken abgespaltet? Ich denke nicht.

zu den Awaren gibt es nicht genügend Informationen, sonst wäre die Sache ja nicht so strittig.

Kannst du nachlesen unter "Reitervölker im Frühmittelalter" vom Theiss-Verlag.

Im übrigen, ist das sehr wohl so passiert: Es gibt sogar ein Schreiben, das der Khan der Göktürken dem byzantinischen Kaiser überbringen ließ, in dem er sich eben über die Awaren beschwerte, die sich gegen ihn aufgelehnt hatten.

Ich persönlich halte die Behauptung (oder besser, These) Pohls für wesentlich weniger plausibel.

Die Awaren werden von russischen und wolga-tatarischen Historikern meistens als Turkvolk betrachtet, und laut den Wolgatataren mit den Protobulgaren sprachlich verwandt.
 
welche Awaren sollen da gemeint gewesen sein? das Reich der Goktürken lag ja noch weiter östlich als das der Bulgaren
 
Die Awaren, die im heutigen Ungarn siedelten, und dem Frankenreich und Byzanz das fürchten lehrten ;)
 
Die Awaren, die im heutigen Ungarn siedelten, und dem Frankenreich und Byzanz das fürchten lehrten ;)
Hat denn jemand, der einem anderen das Fürchten lehrte, wirklich in der Länge Erfolg gehabt?
Die Mongolen z.B. breiteten sich zum größten Reich der Welt aus. Was machten sie später daraus? Ihnen fehlte das Konzept danach.
 
Die Awaren hatten nicht wirklich die Chance, sich lange zu Halten, wegen dem Druck von Westen und Süden, um nicht zu vergessen das extrem auf Stämmen basierende Staatssystem, bei dem nicht auf Einheit geachtet wurde, aber die Mongolen haben sehr wohl ein reiches Erbe hinterlassen. Die Bulgaren dito.
 
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Die Awaren, die im heutigen Ungarn siedelten, und dem Frankenreich und Byzanz das fürchten lehrten
Also ich habe nichts gefunden, dass die Awaren sich von den Göktürken abgespaltet hätten. Vielmehr wurden wohl die Awaren von den Göktürken aus Asien vertrieben.
Seit Siedlung der Awaren in Ungarn Mitte des 6. Jh., halte ich eine wirkliche Verbindung zum Bulgaren - und Göktürkenreich nicht für wahrscheinlich. Das Bulgarenreich wurde erst Anfang des 7. Jh. gegründet. Es gibt Beschwerden eines Göktürkenchans über ein Abkommen zwischen Byzanz und den Awaren. Von einem Aufstand im Göktürkenreich aber finde ich nichts. :S
 
Wie gesagt...ich hab es so in "Reitervölker im Frühmittelalter" gelesen, auch wenn ich nicht 100% sicher bin.

Was mich interessieren würde ist, woher dieser Pohl diese Protobulgaren-Göktürkenthese her hat, und worauf er sich da stützt, weil mir das ganze doch schwer absurd erscheint. Wie du sagtest, war das Göktürkenreich östlicher, und zwar um einiges weiter.

Außerdem widerspricht das den ersten Erwähnungen der Bulgaren in den Chroniken aus der Zeit ca. 5. Jahrhundert (wenn nicht früher)
 
Hi Leute,
so mal zwischendurch eine kompakte und wohl auch sehr kompetente Informationsquelle im Netz:
Die Enzyklopädie des europäischen Ostens:
Hauptseite - EEO

Hier dieses PDF:
Slawen, Awaren, Bulgaren, Chasaren, Madjaren und andere Steppenvölker in Pannonien und am Schwarzen Meer
http://wwwg.uni-klu.ac.at/eeo/Vida_Steppenv%c3%b6lker.pdf

aus diesem sehr interessanten Sammelband:
Thema:Kontinuitäten - EEO

Ausserdem müsste man auch "Quellenkritik" hier anführen, wenn man schon direkt mit Quellen arbeiten möchte, also auf die historisch kritische Lesetechnik von Quellen hingewiesen werden:

"Je nach Verfasser der Quelle und dessen Herkunft verbergen sich meist auch sehr unterschiedliche Wahrnehmungen hinter einer Bezeichnung. In byzantinischen Quellen werden die Ungarn „Türken“ genannt, während Widukind von Corvey (gest. nach 973) in seinen Texten die Ungarn „Slawen“ nennt. Für Liutprant von Cremona (um 920–970/972) waren die in die ostmitteleuropäischen Tiefebenen eindringenden Waräger „Rus’“ – eine Bezeichnung, die eigentlich für die slawische Bevölkerung des Gebiets gebräuchlich war. Arabische Quellen nannten Angehörige der Turkvölker, der finnougrischen und sogar der germanischen Stämme „Slawen“. Byzantinische Geschichtsschreiber wiederum konzentrierten sich mehr auf stilistische Aspekte ihrer Arbeit als auf genaue Beschreibungen und Beobachtungen und folgten deswegen oft detailgetreu klassischen Modellen und Benennungen: ...
"
usw.
Lest selber weiter:

„Nationen“ und „Stämme“ im mittelalterlichen Osteuropa: ihre Bedeutung für die Konstituierung eines nationalen Bewusstseins im 19. Jahrhundert:
http://wwwg.uni-klu.ac.at/eeo/Korpela_Epilog.pdf
 
Wie gesagt...ich hab es so in "Reitervölker im Frühmittelalter" gelesen, auch wenn ich nicht 100% sicher bin.

Was mich interessieren würde ist, woher dieser Pohl diese Protobulgaren-Göktürkenthese her hat, und worauf er sich da stützt, weil mir das ganze doch schwer absurd erscheint. Wie du sagtest, war das Göktürkenreich östlicher, und zwar um einiges weiter.

Außerdem widerspricht das den ersten Erwähnungen der Bulgaren in den Chroniken aus der Zeit ca. 5. Jahrhundert (wenn nicht früher)

Das Buch Pohls, Die Awaren steht fast vollständig im Netz. Du kannst es da nachlesen. Das Göktürkenreich grenzte an das Bulgarenreich, das Awarenreich aber nicht.

Das Problem mit den Bulgaren des 5. Jh. ist das von lynxxx beschriebene Problem. Wir kennen nicht die Zusammenhänge der in Europa genannten Bulgaren des 5.Jh. und des späteren Bulgarenreiches unter Kubrat. Bulgaren scheint auch wie Hunnen eine Stammeskonföderation zu bezeichnen, was es umso schwieriger Macht :grübel:
 
Das Buch Pohls, Die Awaren steht fast vollständig im Netz. Du kannst es da nachlesen. Das Göktürkenreich grenzte an das Bulgarenreich, das Awarenreich aber nicht.

Wir reden aneinander vorbei und von verschiedenen Jahrhunderten.

Im 6. Jahrhundert siedelten die Bulgaren, zusammen mit den Restverbänden der Hunnen, im Karpatenbecken und heutigem Ungarn. In der Zeit entledigten sich die Awaren von der Göktürken-Oberherrschaft und zogen nach Westen, wo sie die Bulgaren unterwarfen oder mit ihnen verbündeten (das würde die engen Kontakte Bulgaren-Awaren erklären). Im 7. Jahrhundert brachen die Bulgaren unter Kubrat vom Awarenkhaganat weg, und siedelten im Norden des Kaukasus und Asowschen Meer an. Also nix mit Göktürken. Es ist sicher möglich, dass Teile der bulgarischen Verbände unter Göktürkenherrschaft waren, aber die meisten waren unter Awarenherrschaft.

Bei den Protobulgaren gab es, auch wenn die Linguistik widerspricht, sehr wohl einen starken iranischen Kulturanteil, wenn nicht gar viele Iraner Teil des, wie bereits richtig festgestellten, bulgarischen Stammesverbundes, der aber vermutlich erst im Bulgarischen Reich dazukam, als das Reich in direkter Nachbarschaft zu den Alanen existierte.

Edit: Oke, hab noch ne Quelle nachgelesen, und da ist auch von Göktürken die Rede. Mich würde nur interessieren, woher dann die Khazaren kommen :grübel: Die sollen ja angeblich auch mit den Protobulgaren verwandt gewesen sein.
 
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Im 6. Jahrhundert siedelten die Bulgaren, zusammen mit den Restverbänden der Hunnen, im Karpatenbecken und heutigem Ungarn. In der Zeit entledigten sich die Awaren von der Göktürken-Oberherrschaft und zogen nach Westen, wo sie die Bulgaren unterwarfen oder mit ihnen verbündeten (das würde die engen Kontakte Bulgaren-Awaren erklären). Im 7. Jahrhundert brachen die Bulgaren unter Kubrat vom Awarenkhaganat weg, und siedelten im Norden des Kaukasus und Asowschen Meer an. Also nix mit Göktürken. Es ist sicher möglich, dass Teile der bulgarischen Verbände unter Göktürkenherrschaft waren, aber die meisten waren unter Awarenherrschaft.
nein so einfach ist das nicht. Von einer Siedlung der Bulgaren im Karpatenbecken ist nichts bekannt. Wir kennen bulgarische Kampfverbände und kleinere Gruppen in Europa, aber keine massive bulgarische Besiedlung. Als bulgarische Stämme vermutet man Kutriguren, Utriguren und Onuguren. Aber selbst das ist nicht klar. Diese siedelten nicht im Karpatenbecken.

Bei den Protobulgaren gab es, auch wenn die Linguistik widerspricht, sehr wohl einen starken iranischen Kulturanteil, wenn nicht gar viele Iraner Teil des, wie bereits richtig festgestellten, bulgarischen Stammesverbundes, der aber vermutlich erst im Bulgarischen Reich dazukam, als das Reich in direkter Nachbarschaft zu den Alanen existierte.
das ist Spekulation denke ich. weshalb glaubst Du das? Die Alanen spielten zur Zeit der Bulgaren meiner Ansicht nach keine Rolle mehr
 
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Haetius;474512 das ist Spekulation denke ich. weshalb glaubst Du das? Die Alanen spielten zur Zeit der Bulgaren meiner Ansicht nach keine Rolle mehr[/QUOTE schrieb:
Es spricht recht vieles dafür, das sich den protobulgarischen Stämmen recht viele Alanen anschlossen (Rasho Rashev ging damals von einer recht großen Zahl aus). Auch kulturell kann man sehr wohl davon ausgehen, dass die Protobulgaren von Iranischer Seite beeinflusst wurden. Also deckt es sich durchaus mit den archäologischen Quellen. Ebenfalls geht man in Bulgarien davon aus, das nach Bildung des bulgarischen Staates 680 Alanen nachzogen, und dort siedelten.

Und die Alanen spielten noch sehr lange Zeit eine Rolle in Osteuropa, und waren noch ins Tiefste Mittelalter hinein wichtige Söldner in bulgarischen und byzantinischen Diensten
 
Mag sein. Dazu kann ich jetzt wenig sagen. Aber die Bulgaren setzten sich ja wie alle nomadischen Großvölker meistens aus verschiedenen Stämmen und Volksgruppen zusammen. Auch finno-ugrische Bevölkerungsteile dürften hier eine Rolle gespielt haben. Noch heute leben ja die Tschuwaschen, welche als Nachfahren der Bulgaren gelten, und die Mari eng zusammen.
 
Mag sein. Dazu kann ich jetzt wenig sagen. Aber die Bulgaren setzten sich ja wie alle nomadischen Großvölker meistens aus verschiedenen Stämmen und Volksgruppen zusammen. Auch finno-ugrische Bevölkerungsteile dürften hier eine Rolle gespielt haben. Noch heute leben ja die Tschuwaschen, welche als Nachfahren der Bulgaren gelten, und die Mari eng zusammen.

Das ist selbstverständlich, das sich die Protobulgaren aus verschiedenen Sprachgruppen zusammensetzten, aus Turkvölkern, Ugriern und auch Iranern.

Die Wolgabulgaren sind ein eigenes, höchst interessantes Kapitel. Und da kann man auch sagen, dass es ein extremes Völkermischmasch war, in dem neben Bulgaren auch Burtasen, Bilaren, Suwaren, Mordwinen etc. siedelten.

Auf die Gefahr hin, das man mir einen Roten gibt von der "Aktionsfront Bücher statt Youtube" (die/der kann sich das berühmte Zitat aus Götz von Berlichingen von mir ihr/ihm gegenüber ausgesprochen denken, was aber OT ist) , ein nettes Video aus ner russischen Serie über Geschichte, bei dem es um die Wolgabulgaren geht. In der Beschreibung ist die Übersetzung, dennoch ist es recht praktisch, wenn man kyrillisch lesen kann, wegen der Karte.
 
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