Oh bitte! das fällt in dieselbe Kategorie wie der Versuch zu beweisen, dass die Varusschlacht im Harz stattgefunden habe, weil Luther Arminius als einen Harzer bezeichnet habe: Alles was wir aus dem 15. und 16. Jahrhundert zur Varusschlacht an Material haben ist der Beginn der historischen Auseinandersetzung mit der Varusschlacht von den zunächst dürftigen zugänglichen Materialien der Renaissancehistoriker ausgehend. Es handelt sich hierbei mitnichten um irgendwelche Echos historischen Geschehens zur Zeitenwende.
Ich wundere mich wie leichtfertig und abwertend die Karte von Abraham Ortelius als eigenständige Lokalisierungstheorie zur Varusschlacht weggewischt wird. Fest steht, dass Ortelius nicht irgendjemand war, der nur mal eben so eine Karte über die Örtlichkeiten der Römerzeit hingekritzelt hat, sondern man kann ihn durchaus als einen Archäologen des sechzehnten Jahrhunderts bezeichnen. Insbesondere seine Germanenstudien sind bemerkenswert. Er lokalisiert auf der Karte Begii Veteris viele römische Orte relativ genau, wobei man erkennen kann, dass er sich bei seinem Lokalisierungsversuch der Varusschlacht an den Aufzeichnungen der römischen Überlieferung, vor allem der des Tacitus orientiert. Allerdings ist es bei einigen Lagern wahrscheinlich, dass zu Orteliuszeit noch erkennbare Reste von Römerplätzen existiert haben. Merkwürdig ist in diesem Zusammenhang, dass Ortelius das Lager Aliso nicht an der Lippe lokalisiert, wo es nach der Überlieferung des Tacitus bestand hatte, sondern an der Issel. Ortelius musste dafür einen besonderen Grund gehabt haben. Diese Örtlichkeit an der Issel nennt sich heute noch, nicht minder Merkwürdig, Römerrast (Römerfeld).
Zum Namen der Issel gibt es folgende Aussage von Dr. Volker Tschuschke / Landeskundliches Institut Westmünsterland:
„Albrecht Greule: Gewässernamen, Geschichtlicher Atlas der Rheinlande Beiheft X/3, Köln 1992, S. 13, 16, 23
S. 13 wird unter dem Stichwort „Issel“ verwiesen auf „Oude Ijssel“. Dazu heißt es S. 16, Oude Ijssel, Issel: „a[nno] 797 K[opie] ‚iuxta Hislam‘ < e[instämmig] g[ermanisch] *Îsla, zu i[n]d[o]g[ermanisch] *eis- ‚(sich) heftig, schnell bewegen‘“, wofür auf Hans Krahe: Unsere ältesten Flußnamen, Wiesbaden 1964, S. 55 verwiesen wird. In heutiges Deutsch übersetzt heißt das folgendes: Der Flußname ‚Issel‘ ist erstmals in einer nur als spätere Kopie überlieferten Urkunde aus dem Jahre 797 überliefert. Darin wird irgendetwas nach seiner Lage „iuxta Hislam“, also an oder in der Nähe der Issel beschrieben, und weil das lateinische Wort ‚iuxta‘ = ‚bei‘ mit dem vierten Fall, dem Akkusativ, verwendet wird, heißt es an der entsprechenden Stelle „Hislam“. Würde man den Namen im Lateinischen durchdeklinieren, würden die Formen also folgendermaßen lauten:
Nominativ-Hisla-die Issel
Genitiv-Hislae-der Issel
Dativ-Hislae-der Issel
Akkusativ-Hislam-die Issel
Ablativ-Hisla-in / auf / durch die Issel
Der Flußname leitet sich her von einem wie das vorangestellte * zeigt erschlossenen germanischen Namen/Wort *Îsla, das seinerseits auf ein ebenfalls erschlossenes indogermanisches Wortfeld um *eis- zurückgeht, das bedeutet ‚(sich) heftig, schnell bewegen‘. Der Name ‚Issel‘ bezeichnet also ein sich schnell bewegendes, fließendes Gewässer.“
Dazu ist zu sagen, dass mit dem Lager Aliso ein Römerlager benannt wurde, das vermutlich an einem Fluss gelegen hat, dessen Name eine Grundlage für die Benennung war. Also das Lager hieß sicherlich nicht wie der Fluss, sondern sein Name wurde anscheinend von dem Namen des Flusses abgeleitet. Da liegen die Bezeichnungen Hisla oder Isla (etwa 800 Jahre später) nicht allzu weit von Aliso weg.
Wenn die Issel, oder auf niederländischer Seite Oude Ijssel (nicht zu verwechseln mit der Gelderse Ijssel, Ijssel, oder ganz falsch Ij), von ihrer Namensherkunft her von einem schnell fließendem Gewässer abstammt, dann trifft das sicherlich nicht auf das heutige Fließverhalten dieses Flusses zu. Dieser Umstand dieser Benennung kann nur dann zutreffen wenn die Issel / Oude Ijssel in der Vergangenheit einen weit stärkeren Wasserdurchfluss hatte.
@ El Quijote
Betrachte an diesem von Dir eingestellten (
Link) die erste Graphik und Du kannst dort erkennen, dass es einen spätholozänen Flusslauf vom Rhein zur Issel / Oude Ijssel gab (unten rechts).
In der Untersuchung von Berentsen und Stouthamer (
Rhine-Meuse delta studies) zur Datierung der aktiven und ehemaligen Flussläufe des Rhein-Maas Deltas auf niederländischem Gebiet, wird von einem Durchfluss der Geldersen Ijssel vom Rhein zum Ijsselmeer seit etwa 1700 Jahren ausgegangen. Die Oude Ijssel hat im Gegensatz dazu seit etwa 12000 Jahren einen aktiven Durchfluss. (
http://www.geo.uu.nl/fg/palaeogeogr...channel_belts_Berendsen_&_Stouthamer_2001.pdf. )
Leider enden diese Studien an der deutschen Grenze, und von einer ähnlichen Untersuchung auf deutschem Gebiet ist mir leider noch nichts bekannt. Hier wäre interessant zu erfahren, wann die im Bereich der Lippemündung nach Norden verlaufende sicher zu identifizierende alte Flusstrasse noch bei bestimmten Wasserständen aktiv durchflossen wurde. Einige Karten des 16. und 17. Jahrhunderts deuten diese Verbindung vom Lippemündungsgebiet bis zur Issel / Oude Ijssel an, so dass die entgültige Verlandung dieser Altarme erst nach der Eindeichung des Rheines zustande kam.
Demnach ist es sehr wohl denkbar, dass Strabo und Tacitus nach römischer Sichtweise diesen oder einen anderen Seitenarm des Rheines als einen Fortsatz der Lippe angesehen haben. Demnach hätte das Lager Aliso, an dem Ort wo Ortelius es eingezeichnet hat, an der römerzeitigen Lippe gelegen.
Gruß maelo