Gedichte zur Geschichte

Der 6. November 1632

Schwedische Heide, Novembertag,
Der Nebel grau am Boden lag,
Hin über das Steinfeld von Dalarn
Holpert, stolpert ein Räderkarrn.

Ein Räderkarrn, beladen mit Korn;
Lorns Atterdag zieht an der Deichsel vorn,
Niels Rudbeck schiebt. Sie zwingen's nicht,
Das Gestrüpp wird dichter, Niels aber spricht:

»Busch-Ginster wächst hier über den Steg,
Wir gehn in die Irr', wir missen den Weg,
Wir haben links und rechts vertauscht, -
hörst du, wie der Dal-Elf rauscht?«

»Das ist nicht der Dal-Elf, der Dal-Elf ist weit,
Es rauscht nicht vor uns und nicht zur Seit',
Es lärmt in Lüften, es klingt wie Trab,
Wie Reiter wogt es auf und ab.

Es ist wie Schlacht, die herwärts dringt,
Wie Kirchenlied es dazwischen klingt,
Ich hör' in der Rosse wieherndem Trott:
Eine feste Burg ist unser Gott!«

Und kaum gesprochen, da Lärmen und Schrein,
In tiefen Geschwadern bricht es herein,
Es brausen und dröhnen Luft und Erd',
vorauf ein Reiter auf weißem Pferd.

Signale, Schüsse, Rossegestampf,
Der Nebel wird schwarz wie Pulverdampf,
Wie wilde Jagd, so fliegt es vorbei; -
Zitternd ducken sich die zwei.

Nun ist es vorüber ... da wieder mit Macht
Rückwärts wogt die Reiterschlacht,
Und wieder dröhnt und donnert die Erd',
Und wieder vorauf das weiße Pferd.

Wie ein Lichtstreif durch den Nebel es blitzt,
Kein Reiter mehr im Sattel sitzt,
Das fliehende Tier, es dampft und raucht,
Sein Weiß ist tief in Rot getaucht.

Der Sattel blutig, blutig die Mähn',
Ganz Schweden hat das Ross gesehn: -
Auf dem Felde von Lützen am selben Tag
Gustav Adolf in seinem Blute lag.

Theodor Fontane
 
Vielen Dank für eure vielen Antworten, hätt i ja gar nicht mit gerechnet :)
ich werd jetz wahrscheinlich dieses hier nehmen, das kennt (wahrscheinlích) noch gar keiner und ist außerdem lustig dazu...
[historischer Bezug: Deutschland hat 54, 74 und 90 die Fußball-WM gewonnen ;) ]

König Fußball
(Eine Humoreske auf das Fußballfieber)
von Dr. Roland Mildner, Leipzig (1975)

Wie glücklich ist Herr Jedermann,
sofern er Fußball schauen kann.
Brummt er zu Hause wie ein Bär,
im Stadion wird zum Löwen er.

Kaum hat der Kessel sich gefüllt,
da johlt's, trompetet's, pfeift's wie wild.
Die Spieler kommen. Alles tollt.
Der Pfiff ertönt. Das Leder rollt.

Empor und FC schaffen sich.
Starspieler Krause steigert sich.
Dann rutscht er hin. Und alles mobt.
Nun schießt er scharf. Der Kessel tobt.

Doch leider ging der Schuss vorbei.
Die Menge ahndet's zweierlei.
Den einen fällt ein Stein vom Herzen.
Die andern können's kaum verschmerzen.

Herr Jedermann für FC brüllt.
Er bläst ins Horn und tobt wie wild.
"Wie konnte so was nur passieren?
Den Kopf müsst' man ihm kahl rasieren!".

Der FC greift bald wieder an.
Da sollt ihr seh'n Herrn Jedermann:
"Mensch, gib ab! Links steht dein Mann!
Spiel in die Gasse! Geh doch ran!

Nun weg damit! So stürm doch vor!
Der Schulze steht doch schon am Tor!
Was, Strafstoß für den Gegenmann?
Da pfeift der Heini. Hampelmann!

Der nimmt doch Schmiergeld an als Lohn.
Schiedsrichter, ans Telefon!
Der Ochse war doch selbst dran schuld.
Da soll man haben noch Geduld.

Nun zeigt's den Eierköppen mal,
was FC leistet so am Ball!"
Und Krause stürmt, Steilpass vor.
Schulze köpft. Tooor! Tooor!

Der Kessel brodelt. Alles schreit.
Der Chor erschallet meilenweit:
"FC vor! Noch ein Tor!
Empor weg! Hat kein Zweck!"

So geht es fort. So geht es weiter.
Ist das Geschehen nicht recht heiter?
Die Zeit vorbei. Das Spiel ist aus.
Herr Jedermann geht nun nach Haus.

Ihm hängt der Kopf. Es ist ein Graus.
Das Spiel verloren. Alles aus.
Ein einz'ger Trost bleibt ihm nur hier:
Ein schönes, kühles, helles Bier.

Wie findet ihr das? hab gedacht ich kann mich da mit Trikot und allem was dazu gehört vorne hinstellen, evt. die Klasse noch die deutsche Hymne [schon wieder Geschichte] singen, ...?!
habt ihr noch andere Ideen zur Gestaltung?!
 
Das ist eine Humoreske aus der DDR.
"Empor" soll eine Klubmannschaft darstellen.
 
Der 19. Juli 1870


(Georg Hesekiel)


1. Zu Charlottenburg im Garten


In den düstern Fichtenhain


Tritt, gesenkt das Haupt, das greise,


Unser teurer König ein



2. Und er steht in der Kapelle,


Seine Seele ist voll Schmerz;


Drin zu seiner Eltern Füßen


Liegt des frommen Bruders Herz.



3. An des Vaters Sarkophage


Lehnet König Wilhelm mild,


Und sein feuchtes Auge ruhet


Auf der Mutter Marmorbild.



4. „Heute war´s vor sechzig Jahren,“


Leise seine Lippe spricht,


„Als ich sah zum letzten Male


Meiner Mutter Angesicht!



5. Heute war’s vor sechzig Jahren,


Als ihr deutsches Herze brach


Um den Hohn des bösen Feindes,


Um des Vaterlandes Schmach!



6. Jene Schmach hast du gerochen


Längst, mein tapfrer Vater, du;


Aber Frankreich wirft aufs neue


Heute uns den Handschuh zu!



7. Wieder sitzt ein Bonaparte


Ränkevoll auf Frankreichs Thron,


Und zum Kampfe zwingt uns heute


Wieder ein Napoleon!



8. Tret´ ich denn zum neuen Kampfe


Wider alte Feinde ein,


Dann soll´s mit dem alten Zeichen,


Mit dem Kreuz von Eisen sein!



9. Der Erlösung heilig Zeichen


Leuchte vor im heil´gen Krieg,


Und der alte Gott im Himmel


Schenkt dem alten König Sieg!



10. Blicke segnend, Mutterauge!


Vater, sieh! Dein Sohn ist hier!


Und auch du, verklärter Bruder,


Heute ist dein Herz bei mir!“



11. Leise weht es durch die Halle


König Wilhelm hebt die Hand,


All die goldnen Sprüche funkeln


Siegverheißend von der Wand



12. Zu Charlottenburg im Garten


Aus dem düstern Fichtenhain


Tritt der König, hoch und mächtig,


Um sein Antlitz Sonnenschein
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Trauerspiel von Afghanistan
Theodor Fontane, 1859


Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,
Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
"Wer da!" - "Ein britischer Reitersmann,
Bringe Botschaft aus Afghanistan."
Afghanistan! Er sprach es so matt;
Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
Sir Robert Sale, der Kommandant,
Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.
Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn,
Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
Er atmet hoch auf und dankt und spricht:
"Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Kabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verraten sind.
Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt."
Sir Robert stieg auf den Festungswall,
Offiziere, Soldaten folgten ihm all',
Sir Robert sprach: "Der Schnee fällt dicht,
Die uns suchen, sie können uns finden nicht.
Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
So lasst sie's hören, dass wir da,
Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,
Trompeter blast in die Nacht hinaus!"
Da huben sie an und sie wurden's nicht müd',
Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.
Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen - es kam die zweite Nacht,
Umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht.
"Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan."
 
Fazıl Hüsnü Dağlarca

Türkischer Dichter (1914 - 2008)

Nach seiner Europareise erschien 1958 der Gedichtband "Der westliche Schmerz"; aus dem Zyklus Die Deutschen lieben die Maschinen das Titelgedicht:

Code:
Die Deutschen lieben die Bäume
Grün
Die Bäume in den Ebenen
Ich liebe die Deutschen.
      Ich liebe die Deutschen
      Die Deutschen lieben die Bäume.

Die Deutschen lieben die Finsternis
Im Kriegslied
Nach großen Siegen größeren Niederlagen
Ich liebe die Deutschen.
      Ich liebe die Deutschen
      Die Deutschen lieben die Finsternis.

Die Deutschen lieben die Maschinen
Die laufen
Die blitzend denken, 
Ich liebe die Deutschen.
      Ich liebe die Deutschen
      Die Deutschen lieben die Maschinen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zum 50.sten Geburtstag Baden-Württemberg etwas über die Schwaben & Franken...
ups, aber da waren wohl die Franzosen gemeint...

Friedrich Leopold Graf zu Stolberg

Lied eines alten schwäbischen Ritters an seinen Sohn
Aus den zwölften Jahrhundert

Sohn, da hast du meinen Speer;
Meinem Arm wird er zu schwer!
Nimm den Schild und dieses Geschoß;
Tummle du forthin mein Roß!
Siehe, dies nun weiße Haar
Deckt der Helm schon funfzig Jahr;
Jedes Jahr hat eine Schlacht
Schwert und Streitaxt stumpf gemacht!
Herzog Rudolf hat dies Schwert,
Axt und Kolbe mir verehrt,
Denn ich blieb dem Herzog hold
Und verschmähte Heinrich's Sold!
Für die Freiheit floß das Blut
Seiner Rechten! Rudolf's Muth
That mit seiner linken Hand
Noch den Franken Widerstand!
Nimm die Wehr und wappne dich!
Kaiser Konrad rüstet sich!
Sohn, entlasse mich des Harms
Ob der Schwäche meines Arms!
Zücke nie umsonst dies Schwert
Für der Väter freien Herd!
Sei behutsam auf der Wacht!
Sei ein Wetter in der Schlacht!
Immer sei zum Kampf bereit!
Suche stets den wärmsten Streit!
Schone deß, der wehrlos fleht!
Haue den, der widersteht!
Wenn dein Haufe wankend steht,
Ihm umsonst das Fähnlein weht,
Trotze dann, ein fester Thurm,
Der vereinten Feinde Sturm!
Deine Brüder fraß das Schwert,
Sieben Knaben, Deutschland's werth!
Deine Mutter härmte sich
Stumm und starrend, und verblich.
Einsam bin ich nun und schwach;
Aber, Knabe, deine Schmach
Wär' mir herber siebenmal
Denn der sieben andern Fall.
Drum so scheue nicht den Tod,
Und vertraue deinem Gott!
So du kämpfest ritterlich,
Freut dein alter Vater sich!

Entstehungsjahr: 1765
Erscheinungsjahr: 1779
Aus: / Oden, Lieder und Balladen
Referenzausgabe:
Ohne Herausgeber: Gesammelte Werke der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg, Bd. 1. Perthes und Besser: 1820, S. 44-46.
 
Wir Wilhelm der Zweite
Sind ziemlich pleite
Haben viele Millionen verzettelt
Es thut Noth dass für uns man bettelt.
Uns stört kein Hohn
Wir verachten die Tadler
Doch verleihn wir zum Lohn
Dem braven Bürgersohn
Den schwarzen Adler
Zu heben den Bürgersinn
Um das Knopfloch zu putzen
Die Schuldenerlasse
Muss man benutzen.
Übrigens God damn!
Gegeben im Schloß zu Potsdam

Theodor Mommsen (1817-1903)

gefunden im Nachlass von Friedrich Mommsen (1818-1892) im Literaturarchiv Marbach.
FAZ Geisteswissenschaften v. 21.01.2009
 
Osterspaziergang
Aus einer aufgefundenen ›Faust‹-Handschrift

FAUST:
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
das deutsche Volk zahlt des Krieges Zeche,
und keiner bringt das Verlorene zurück.
Die alten Monarchen, in ihrer Schwäche,
zogen sich in die Versenkung zurück.
Von dorther senden sie, fliehend nur,
ohnmächtige Schauer körniger Reden.
Und sie beschuldigen jeder jeden,
und schütten Memoiren auf die Flur.
Überall regt sich Gärung und Streben.
Alles will sich mit Rot beleben.
Doch an Blumen fehlts im Revier.
Nehmt kompromittierte Führer dafür!
Kehre dich um, von diesen Höhen
auf das Land zurück zu sehen.
Aus dem hohlen, finstern Tor
dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern:
die Kriegsgesellschaft, der Stahlkonzern,
denn sie sind wieder auferstanden
aus Reklamierungs- und andern Banden,
aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
aus dem Druck von mitunter beschossenen Dächern,
aus der Straßen quietschender Enge,
aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
sind sie wieder ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
durch die Dörfer zum Hamstern schlägt.
Mancher bezieht manchmal etwas Senge,
weil er zu wenig Geld hinlegt.
Hier fühl ich wahrhaft mich erhoben:
Was kümmert uns ein verlorener Krieg!
Amerikanisches Mehl wird verschoben –
nur der Schieber reitet den Sieg!
Hätten wir nur genug zu essen,
wär das Alte mit Gunst vergessen;
Ludendorffen entbieten wir Huld ...
Keiner ist schuld! Keiner ist schuld!
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
hier ist des Volkes wahrer Himmel.
Zufrieden jauchzt die Reaktion:
Keine Angst! sie vergessen schon!

WAGNER:
Mit euch, Herr Doktor, zu spazieren
ist ehrenvoll und ist Gewinn;
Doch würd ich nicht allein mich her verlieren,
weil ich ein Feind von allem Rohen bin.
Das Schreien und Sozialisieren
ist mir ein gar verhaßter Klang;
das will ja nur das Volk verführen –
uns Reichen wird ganz angst und bang.
Wir wollen wieder die alten Zeiten,
wir wollen wieder die Menge leiten –
Zufrieden jauchzt dann Groß und Klein:
Ich bin kein Mensch! Ich darfs nicht sein!

Von einem Berliner [Kurt Tucholsky]
Berliner Volkszeitung, 20.04.1919.

Tucholsky - Gedichte: Osterspaziergang - ›Faust‹-Handschrift
 
Börsencrash

Wie aktuell ein Ausflug ins 19. Jahrhundert sein kann, zeigen diese Verse:

Der Welt Herr

Morgenstund hat Gold im Munde,
Denn da kommt die Börsenzeit
Und mit ihr die süße Kunde,
Die des Kaufmanns Herz erfreut:
Was er Abends spekulieret
Hat den Kurs heut regulieret,

Eilend ziehen die Kuriere
Mit dem kleinen Kursbericht,
Daß er diese Welt regiere
Von der andern weiß ichs nicht:
Zitternd sehn ihn Potentaten
Und es bricht das Herz der Staaten.

Achim von Arnim
Entstehungsjahr: 1828

Zum Hintergrund:
Nach dem Zusammenbruch der britischen Wirtschaft im Jahr 1825, waren die Auswirkungen auf dem gesamten Kontinent zu spüren. Überall mussten Unternehmen ihre Handelstätigkeit einschränken. Den Gesellschaften, die in engen Geschäftsbeziehungen zum britischen Empire standen, drohte der Konkurs. Unternehmen, die nicht unmittelbar durch die Krise betroffen waren, bekamen wenig später den Nachfragerückgang zu spüren. Als Beispiel für die überall angespannte Lage kann die besonders gravierende Situation in der elsässischen Textilindustrie angeführt werden. ...

Die Elsaß-Krise im Jahr 1828 - zeitenwende.ch
 
Weltende - Jakob van Hoddis (1911)

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten - liest man - steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.


Weltende - Jakob van Hoddis
 
Ein umstrittener Autor - ein ernstes Werk, lest selbst:

Johannes R. Becher


Kinderschuhe aus Lublin


Von all den Zeugen, die geladen,
Vergeß ich auch die Zeugen nicht,
Als sie in Reihn den Saal betraten,
Erhob sich schweigend das Gericht.

Wir blickten auf die Kleinen nieder,
ein Zug zog paarweis durch den Saal.
Es war, als tönten Kinderlieder,
Ganz leise, fern, wie ein Choral.

Es war ein langer bunter Reigen,
Der durch den ganzen Saal sich schlang.
Und immer tiefer ward das Schweigen
Bei diesem Gang und Kindersang.

Voran die kleinsten von den Kleinen,
sie lernten jetzt erst richtig gehen
-Auch Schuhchen können lachen, weinen -.
Ward je ein solcher Zug gesehn!

Es tritt ein winzig Paar zur Seite,
Um sich ein wenig auszuruhn,
Und weiter zieht es in die Weite-
Es war ein Zug von Kinderschuhn.

Man sieht, wie sie den Füßchen passten-
Sie haben niemals weh getan,
Und Händchen spielten mit den Quasten.
Das Kind zog gern die Schuhchen an.

Ein Paar aus Samt, ein Paar aus Seiden,
Und eines war bestickt sogar
Mit Blumen, wie sie ziehn, die beiden
Sind ein schmuckes Hochzeitspaar.

Mit Bändchen, Schnallen und mit Spangen,
Zwergenhafte Wesen, federleicht-
Und viel’ sind viel zu lang gegangen,
Und sind vom Regen durchgeweicht.

Man sieht die Mutter auf den Armen
Das Kind, vor einem Laden stehn:
„Die Schuhchen, die, die weichen, warmen,
Ach, Mutter, sind die Schuhchen schön!“

„Wie soll ich nur die Schuhchen zahlen.
Wo nehm das Geld ich dafür her...“
Es naht ein Paar von Holzsandalen,
Es ist schon müd und schleppt sich schwer.
Es muß ein Strümpfchen mit sich schleifen,
Das wundgescheuert ist am Knie...
Was soll der Zug? Wer kann’s begreifen?
Und diese ferne Melodie...

Auch Schuhchen können weinen, lachen...
Da fährt in einem leeren Schuh
Ein Püppchen wie in einem Nachen
Und winkt uns wie im Märchen zu.

Hier geht ein Paar von einem Jungen,
Das hat sich schon als Schuh gefühlt,
Das ist gelaufen und gesprungen
Und hat auch wohl schon Ball gespielt.

Ein Stiefelchen hat sich verloren
Und findet den Gefährten nicht,
Vielleicht ist er am Weg erfroren-
Ach, damals fiel der Schnee so dicht...

Zum Schluß ein Paar, ganz abgetragen,
Das macht noch immer mit, wozu?
Als hätte es noch was zu sagen,
Ein Paar zerrissener Kinderschuh.

Ihr heimatlosen, kinderlosen,
Wer schickt euch? Wer zog euch aus?
Wo sind die Füßchen, all die bloßen?
Ließt ihr sie ohne Schuh’ zu Haus...?

Der Richter kann die Frage deuten.
Er nennt der toten Kinder Zahl...
Ein Kinderchor. Ein Totenläuten.
Die Zeugen gehen durch den Saal.

Die Deutschen waren schon vertrieben,
Da fand man diesen schlimmen Fund.
Wo sind die Kinder nur geblieben?
Die Schuhe tun die Wahrheit kund:

Es war ein harter, dunkler Wagen.
Wir fuhren mit der Eisenbahn.
Und wie wir in dem Dunkel lagen,
so kamen wir im Dunkel an.

Es kamen aus den Läden allen
Viel Schuhchen an in einem fort,
Und manche stolpern schon und fallen,
Bevor sie treffen ein am Ort.

Die Mutter sagte: “Wieviel Wochen
Wir hatten schon nichts Warmes mehr!
Nun wird ich uns ein Süppchen kochen.“
Ein Mann mit Hund ging nebenher:

„Es wird sich schon ein Plätzchen finden“,
So lachte er, „und warm ist’s auch,
Hier braucht sich keiner abzuschinden...“
Bis in den Himmel kroch ein Rauch.

„Es wird euch nicht an Wärme fehlen,
Wir heizen immer tüchtig ein.
Ich kann Lublin nur warm empfehlen,
Bei uns herrscht ewiger Sonnenschein.“

Und es war eine deutsche Tante,
die uns im Lager von Lublin
Empfing und „Engelspüppchen“ nannte,
Um uns die Schuhchen auszuziehn,

Und als wir fingen an zu weinen,
Da sprach die Tante: „Sollt mal sehn,
Gleich wird die Sonne prächtig scheinen,
Und darum dürft ihr barfuß gehen...

Stellt euch mal auf und lasst euch zählen,
So, seid ihr auch hübsch unbeschuht?
Es wird euch nicht an Wärme fehlen,
Dafür sorgt unsere Sonnenglut...
Was, weint ihr noch? ‚s ist eine Schande!
Was tut euch denn, ihr Püppchen, weh?
Ich bin die deutsche Märchentante!
Die gute deutsche Puppenfee.

’s ist Zeit, ihr Püppchen, angetreten!
Was fällt euch ein denn, hinzuknien.
Auf, lasst uns singen und nicht beten!
Es scheint die Sonne in Lublin!“

Es sang ein Lied die deutsche Tante.
Strafft sich den Rock und geht voraus,
Und dort, wo heiß die Sonne brannte,
Zählt sie uns nochmals vor dem Haus.

Zu hundert, nackt in einer Zelle,
Ein letzter Kinderschrei erstickt...
Dann wurden von der Sammelstelle
Die Schuhchen in das Reich geschickt.

Es schien sich das Geschäft zu lohnen,
Das Todeslager von Lublin.
Gefangenenzüge, Prozessionen.
Und- eine deutsche Sonne schien...

Wenn Tote einst als Rächer schreiten,
Und über Deutschland hallt ihr Schritt,
Und weithin sich die Schatten breiten-
Dann ziehen auch die Schuhchen mit.

Ein Zug von abertausend Zwergen,
So ziehen sie dahin in Reihn,
Und wo die Schergen sich verbergen,
Dort treten sie unheimlich ein.

Sie schleichen sich herauf die Stiegen,
Sie treten in die Zimmer leis.
Die Henker wie gefesselt liegen
Und zittern vor dem Schuldbeweis.

Es wird die Sonne brennend scheinen.
Die Wahrheit tut sich allen kund.
Es ist ein großes Kinderweinen,
Ein Grabgesang aus Kindermund...
Der Kindermord ist klar erwiesen.
Die Zeugen all bekunden ihn.
Und nie vergeß ich unter diesen
Die Kinderschuhe aus Lublin.
 
Erstaunlich an diesem Gedicht Bechers, der vom Mord in den Gaskammern handelt, es habe sich bei jenen Opfern um Kinder "verschiedenen Alters und verschiedener sozialer Herkunft" gehandelt, dass. das Wort Jude nicht vorkommt.
Ein Zeugnis für das problematische Verhältnis der damaligen DDR zum Holocaust.
 
Erstaunlich an diesem Gedicht Bechers, der vom Mord in den Gaskammern handelt, es habe sich bei jenen Opfern um Kinder "verschiedenen Alters und verschiedener sozialer Herkunft" gehandelt, dass. das Wort Jude nicht vorkommt.
Ein Zeugnis für das problematische Verhältnis der damaligen DDR zum Holocaust.
Im Gedicht den Hinweis einzubauen, dass die Kinder jüdisch waren, fände ich persönlich überflüssig. Vordergründig geht es ja darum, dass Kinder systematisch ermordet wurden. Das alleine ist schon schlimm genug.
Und es waren ja sicherlich auch Nicht-Juden darunter.
 
Die Schlacht bei den Thermopylen


„Wir müssen den Einfall der Perser verhindern,
Dies todbringend Zahl vermindern,
Die dort rasten bei den Klippen,
Die 1000 Unsterblichen mit ihren Sippen.“


„Ich geb dir Recht, diese Barbaren,
Bald werden sie den Tod erfahren.
Und siehest du den König Sohn,
Wie er sitzt auf goldenem Thron?“


„Vielleicht planen sie einen Hinterhalt,
Erfahren werden wir es bald,
Xenophiles, unser Spion,
Spioniert gerad vor Xerxes Thron.“


Langsam wird es dunkle Nacht,
Alleine noch die Wache wacht,
Wirft einen Blick zum feindlich Lager,
Dort ein Schatten, karg und hager.


Sie rutscht jetzt näher an das Feuer,
Ihr ist nicht mehr ganz geheuer.
Erneut! Ein Rascheln, ziemlich nah,
Und dort gerad ein Schatten war.


Eine Stimme, klar und deutlich,
klingen tut sie auch sehr freundlich,
ziemlich hoch und doch verständlich,
hört die Wache sie nun endlich.


„Lass mich ein du lieber Mann,
So dass ich zu dem König kann,
Bin Xenophiles sein Spion,
Spioniert gerad vor Xerxes Thron.“


Die Wache spricht:“Soweit`s mir klar,
Dass du kommst ist wunderbar,
Leonadis ist im großen Zelt,
Will vernichten diese Perserwelt.“


Xenophiles nähert sich dem Ort,
Der da ist des Königs Hort,
Sogleich, er stehet schon davor,
Schreitet durch das große Tor.


Dem König,ihm dem nichts entgeht,
Merkt sogleich wer vor ihm steht,
„Bist Xenophiles der Spion,
Der spioniert vor Xerxes Thron.“


„So ist es und ich hab`s erfahren,
Sie wollen euch zu Hades scharen
Euch quälen, töten, schandeln
Und warten auf das Götter handeln


Dann werden sie schreiten nach Athen,
Wolln das Sterben der Männer sehn,
Zersören die Stadt, nehmen Sklaven,
Fahren zurück in Tyros Hafen.“


„Dies muss unbedingt Verhindert werden,
Da ich will mit würde sterben,
Will retten Mann,Frau und Kind,
Die da dort Athener sind.“


Vor dem Kampf, noch wird geruht,
Spartanisch Krieger voller Mut,
Stelln sich nun in die Phalanx,
Ihre Schwerter, silbern Glanz.


Stelln sich zwischen Fels und Meer,
Die Perser sind Millionen schwer,
Den anderen Soldaten,7000 sind es nur,
Kein Schaudern widerfuhr.


Jetzt klirren die Schwerter, es wird gekämpft,
Der Perserhass noch nicht gedämpft,
Die Phalanx hält, spießt sie auf,
Ein gewaltiges Blutbad nimmt seinen Lauf.


Spricht ein Soldat zum Nebenmann,
Wie diese Stärke seien kann:
„ Der Krieg ist nimmer mehr ein Segen,
kostet doch nur unser Leben.


Schmerz und Tod, wie machts mir Sorgen,
Seh ich denn den nächsten Morgen?
Und da! Wie sie sterben, ungewollt,
Zahlen nun des Krieges Sold.“


Inzwischen auf dem gülden Thron,
Xerxes plagen Sorgen schon:
„Ach würd mein Heer sich nur besinnen,
Und dies grausam Kampf gewinnen“.


Ganz plötzlich, der König höret Schritte,
Ein Grieche in der Persers Mitte,
„Könnt euch helfen, kenn einen Weg
Der die kämpfenden Heere umgeht“.


Der König ordnet sofort an,
Schickt alle Soldaten die er kann,
Er schickt sie mit dem Griechen fort,
dieser zeigt ihnen den Ort.


Sie folgen dem Geheimweg entlang,
So manchem Soldaten ist es schon bang,
Doch sicher gelangt man ans andere Ende,
Das bringt der Schlacht die entscheidende Wende.


Perser von vorn, Perser von hinten,
Beide Heere sich im Kampfe schinden,
Doch siegen die Perser, durch Hinterhalt,
Die Kund vom Massaker verteilt sich bald.


Allein Themistokles ist´s zu verdanken,
das die Perser aus Griechenland schwanden.



Ich stell hier mal eine Eigenkomposition rein, behandelt die Schlacht bei den Thermopylen. Ein paar historische Fehler sind zu Gunsten des Reimes auch eingbaut (mal sehen wer sie findet). Bitte nicht zu stark kritisieren, das Gedicht hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel :red:
 
- Es gab 10.000 Unsterbliche.
- Bei den Thermopylen gab es keine Klippen, sondern einen normalen Strand.
- Millionen Perser waren es natürlich nicht.
- Xerxes' transportabler Thron war, glaube ich, aus Marmor.
 
Der Dichter, der Dichter-der kriegt was auf die Lichter.
Unter uns gesagt: Ziemliche Knüttelverse ala Hochzeitszeitung.

Ich kann allen angehenden Poeten nur empfehlen, das Versmaß zu variieren.

Ganz schlecht:
a
a
b
b

Besser:
a
b
a
b

oder

a
b
b
a

Wer richtig gut ist, kriegt Sonette hin. Nimm es nicht persönlich @Sasaki, immerhin bewundere ich deinen Mut, das Opus online zu stellen. :friends:
 
Zuletzt bearbeitet:
- Es gab 10.000 Unsterbliche.
- Bei den Thermopylen gab es keine Klippen, sondern einen normalen Strand.
- Millionen Perser waren es natürlich nicht.
- Xerxes' transportabler Thron war, glaube ich, aus Marmor.

Das ging ja schnell :yes:
Das mit dem Marmorthron wusste ich selber noch nicht. Der Name Xenophiles ist übrigens, genau wie seine Rolle, ebenfalls erfunden.
 
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