Einflussnahme und Machtausübung
Ein extrem kompliziertes Thema, dass so leicht nicht beantwortet werden kann.
...Habe verschiedene Karten über die Einflussgebiete der Hunnen gesehen....
Verwechsele bitte nicht Einflussgebiete mit Anwesenheit einer Volksgruppe. Vor allem nicht während der Völkerwanderungszeit! Ob es tatsächlich hunnischen Einfluss bis ins heutige Dänemark gegeben hat wird durchaus unterschiedlich bewertet. Einflusszonen können ganz unterschiedlich aussehen, nicht zuletzt je nach Sicht einer beteiligten Partei! Aus römischer Sicht etwa waren die Armenier, ja teils sogar die persischen Parther zeitweilig Klientelreiche - und damit Einflussgebiete, wie auch die meisten germanischen Völker an den Grenzen. Auch Attila galt durch seinen Posten als römischer Heermeister nominell als Gefolgsmann des Kaisers, was man entsprechend alter Kriterien in den Status einer Klientel hätte verbiegen können. Dass die Realität anders war, bleibt davon unbeeinflusst: Es war eher die Chance der Kaiser ohne allzu offensichtlichem Gesichtsverlust Tributzahlungen an Attila zu leisten, die somit einfach als „Gehalt“ für einen römischen Heermeister verkleidet werden konnten…
Um (gerade in der Antike) ein "Einflussgebiet" zu definieren mag es reichen, dass eine andere Macht gelegentliche Tribute zahlt und (intensiven?) diplomatischen Austausch pflegt. Auch die Stellung von Hilfstruppen fällt darunter oder schon die Erlaubnis in dem fremden Land Truppen anwerben zu dürfen (selbst auf Kosten des Empfängers!). Dies auf frühneuzeitliche Verhältnisse übertragen würde bedeuten, dass die Schweiz zu Zeiten Karls V. (Habsburg) und Franz I. (Frankreich) französisches Einflussgebiet war, da Franz dort seine Söldner rekrutierte, mit denen er Italien zu gewinnen trachtete.... Generell gilt eher, dass der Einfluss einer Macht umso schwächer wird, je weiter das zu beeinflussende Gebiet vom Zentrum entfernt ist und je eigenständiger die politisch-militärischen Strukturen vor Ort sind....
Auf das damalige Dänemark bezogen kann ich mir nicht vorstellen, dass die Hunnen dort direkt Herrschaft ausübten, dass hunnische Truppen dort standen, dass ihre Könige mehr als geringe Einflussnahme auf die Wahl der Herrscher vor Ort hatten, dass direkte "Steuern" eingetrieben wurden, ja nicht einmal das ständige hunnische "Emissäre" vor Ort waren… Ich muss dabei eingestehen, mich betreffs der jütischen Halbinsel nicht beschäftigt zu haben. Bist du sicher, dass nicht etwa die Krim (Kimmerische Halbinsel) gemeint ist?
Zum Vergleich für direktere hunnische Einflussnahme möchte ich als Beispiel die Besetzung der Königsstellen bei Vasallenvölkern anführen. Etwa wurde der einstige Berater Attilas, Edekon zum König der Skiren, obwohl er nichtmal Skire war – er heiratete eine skirische Fürstin. Noch genauer dokumentiert ist im Falle des Stammes der „mächtigen Akatziren“, deren Eingliederung ins hunnische Machtgefüge mit der Einsetzung des Attilasohnes Ellak zum König durch die Hunnen überliefert ist. Ein anderer Sohn, Ernak, soll spätestens nach Attilas Tod König der Donaubulgaren gewesen sein. Ein weiterer, wichtiger Sohn mit Namen Dengizech tritt nach Zerfall des Hunnischen Großreiches als König über „Hunnen und gotische Gruppen“ auf. Attila versuchte beim Marsch auf Gallien 451, der auf den berühmten Katalaunischen Feldern scheiterte, die Thronfolge bei den Franken in seinem Sinne zu regeln, so dass auch Franken an seiner Seite kämpften (während der letztlich erfolgreiche Gegenspieler dieses Kandidaten auf römisch-westgotischer Seite kämpfte). Diese Art der Einflussnahme fand häufig über Eheschließungen statt und war ein Kernpunkt damaliger Politik. Die massive Beteiligung gotischer Scharen, der Gepiden und anderer größerer Völker an hunnischen Heerzügen zeigt dabei eine sehr enge Einbindung von diesen in das hunnische Machtgefüge. Sie lebten auch in/um das Kerngebiet Attilas in Pannonien! Die Beteiligung der Thüringer am Feldzug von 451 zeigt wohl ebenfalls hunnische Einflussnahme, wie tiefgreifend sie allerdings war, muss offen bleiben. Man sieht also dass eine Einflusszone nicht allzuviel aussagen muss. Auch die Kaiser von China sahen sich als Oberherren Vietnams noch an, als dieses Land sich völlig emanzipiert hatte.
Vieles liegt halt im Auge des Betrachters. Gerade „Einflusszonen“ können sehr schnell wechseln. Mit direkter Herrschaft hat das niemals zu tun. Man könnte mit absteigender Wirkung etwa folgendermaßen grob staffeln: Kerngebiet/Eigenvolk, Unterworfene, Vasallen, Einflussnahme …
Im Kontext mit den Hunnen ist es übrigens ein interessantes Phänomen, dass Völker, die lange Zeit aus der Überlieferung der römischen Antike verschwunden zu sein scheinen, während hunnischer Präsenz oder spätestens bei ihrer Vertreibung sonderbarerweise wieder auftauchen - dabei nicht selten an einem völlig anderen Ort als zuvor! Beispiele dafür sind nicht zuletzt die Langobarden, die mehr oder weniger seit den Markomannenkriegen im 2. Jht. aus dem Blick verloren waren...
...ich sehe, während ich schreibe ist manches schon gesagt worden :winke: