Kommunismus vor Marx?

E

Elefant

Gast
Es gab bereits vor Marx eine Kommunistische Bewegung und so weit ich weiß, war sie durch Rousseau geprägt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Jacques_Rousseau#Politische_Philosophie

Allerdings frage ich mich, wie das politische Weltbild dieser Frühkommunisten aussah. War es mehr auf demokratischen Reformismus ausgelegt (okay, ein Anachronismus, damals war die Demokratie ja längst noch nicht überall etabliert) oder auf Revolution? Welche Vorstellungen einer besseren Gesellschaft gab es?

Welche Rolle spielte Hegel? Und welche die sog. "Sozialisten" unter den Vorsokratikern?
 
Es gab bereits vor Marx eine Kommunistische Bewegung und so weit ich weiß, war sie durch Rousseau geprägt.

Jean-Jacques Rousseau ? Wikipedia

Allerdings frage ich mich, wie das politische Weltbild dieser Frühkommunisten aussah. War es mehr auf demokratischen Reformismus ausgelegt (okay, ein Anachronismus, damals war die Demokratie ja längst noch nicht überall etabliert) oder auf Revolution? Welche Vorstellungen einer besseren Gesellschaft gab es?

Welche Rolle spielte Hegel? Und welche die sog. "Sozialisten" unter den Vorsokratikern?

Eine "kommunistische Berwegung" gab es vor Marx nur im Bund der Geächteten bzw. Bund der Gerechten. Kommunistische Ideen allerdings gab es eigentlich schon immer, das waren aber keine "Bewegungen" sondern Ideen. Marx/Engels (M/E) selbst bezeichnen diese Ideen als "utopischen Kommunismus". Unter diese Kategorie wird aus M/E-Sicht alle Ideen subsumiert, die auf Gleichheit der Stellung der Menschen in der Gesellschaft (u.a. jur. Gleichheit, gleiche Teilhabe an der Machtausübung etc. ), Gleichheit bei der Konsumtion/Produktion (also z.B. Gleichheit bei der Verteilung des Reichtums etc.) hinauslaufen. Engels beschäftigt sich in seinem Werk, "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" ausführlich hiermit.
Vergl.

Friedrich Engels - Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft - I

Auch in der Kirchengeschichte finden sich "kommunistische" Ideen (z.B. Franziskus).

ursi war so freundlich und hat Dich mit einem Buch zum diesem Thema und mit Bezug auf Rousseau verlinkt. M.E. hat Rousseau keine kommunistischen bzw. frühsozialistische Ideen entwickelt, aber dazu mußt Du Dir dann schon selbst eine Meinung bilden.

Um nicht zu weit in die Ideengeschichte zurüchk zu gehen schau mal hier:

http://de.wikipedia.org/wiki/Utopia_(Roman)

François Noël Babeuf ? Wikipedia

Louis-Auguste Blanqui ? Wikipedia

Charles Fourier ? Wikipedia

Henri de Saint-Simon ? Wikipedia

Robert Owen ? Wikipedia

Zu Hegel finde ich keinen Bezug bei der Fragestellung. Und diese Frage verstehe ich nicht, sorry: "Und welche die sog. "Sozialisten" unter den Vorsokratikern?"

M.
 
Von vielen Autoren werden Platon und Aristoteles in die frühesten Ursprünge der sozialistischen Idee eingereiht, davon kann man halten, was man will.

Als Beispiel für kommunistische Möglichkeiten in der ferneren Menschheitsgeschichte wird auch immer wieder Catal Hüyük heran gezogen, weil dort keine besonders hervorgehobenen Bauwerke aufgefunden wurden. Damit scheint es keine wie auch immer geartete Adels- oder Priesterklasse gegeben zu haben, man kann also von einer frühen, egalitären Gesellschaftsordnung ausgehen, wie besonders Engels sie immer voraus gesetzt hat. Näheres findet ihr unter [MOD]politischer Link gelöscht[/MOD]
 
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@balticbirdy, ich habe mir den Link zu den Inka gerade durchgelesen und finde da nicht mal den Ansatz von kommunistischen Ideen. Ein Volk, dass sich einen Hohepriester und einen Hofstaat leistet, kann wohl kaum als egalitär bezeichnet werden. Ausserdem gab es ja wohl auch verschiedene Kasten von Bürgern dieses Reiches, was wiederum gegen jeden kommunistischen Ansatz spricht. Da brauchts schon noch einiges mehr, um sich in die Reihe der frühen Kommunistischen Systeme stellen zu lassen. Beziehungsweise einiges weniger.
 
@balticbirdy, ich habe mir den Link zu den Inka gerade durchgelesen und finde da nicht mal den Ansatz von kommunistischen Ideen. Ein Volk, dass sich einen Hohepriester und einen Hofstaat leistet, kann wohl kaum als egalitär bezeichnet werden. Ausserdem gab es ja wohl auch verschiedene Kasten von Bürgern dieses Reiches, was wiederum gegen jeden kommunistischen Ansatz spricht. Da brauchts schon noch einiges mehr, um sich in die Reihe der frühen Kommunistischen Systeme stellen zu lassen. Beziehungsweise einiges weniger.

Das hätte ich auch noch anzubieten. Sogar Kollektivierung der Frauen...:D
http://homepage.univie.ac.at/thomas.schmidinger/php/texte/ethnologie_mazdakismus.pdf
 
Man sollte unter "Kommunismus" schon eine konkrete politische Bewegung verstehen oder sowas, einfach "die wollten, das es allen besser geht" kann man von vielen sagen.

Insbesondere die Gleichheit vor dem Gesetz wurde überwiegend von Leuten durchgesetzt, die man nicht unbedingt als Kommunisten bezeichnen würde. (Teilweise eher sogar als Vorgänger der ärgsten Antikommunisten.) Besonders, wenn man die Ursprünge in der amerikanischen Revolution, bzw. der englischen Rechtsgeschichte bedenkt.

Das waren ursprünglich bürgerliche Ideen. Selbst der Gedanke, die breite Masse an den Produktionsfaktoren zu beteiligen ist nicht genuin "kommunistisch", so hat Thomas Pain geschrieben, man solle jeden Bauern ein bisschen Land geben, das nur ihn gehört, um Armut und Hunger zu bekämpfen. Und die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsgütern hab es bereits in mittelalterlichen Allmenden.

Die Bauernkriege waren keine "kommunistische Bewegung", das wäre anachronistisch.

Vielleicht noch eine Frage: Welche theoretischen Inspirationsquellen hatten denn die frühen "Sozialisten"?
 
Das ist schon eher interessant. Es gibt doch in der Geschichte immer wieder erstaunliches. Danke für den Link.
Die Frage wäre natürlich, ob diese Bewegung eher religiös oder sozialkritisch geprägt war, die Kommunisten verstehen sich ja als atheistische Bewegung, was ein kennzeichnendes Element darstellt. Darüber hinaus wäre interessant zu wissen, in wie weit man die Ausbeutung der "verarmten Landbevölkerung" in den Vordergrund stellte und ihre Urspünge analysierte. Leider wieder so eine Phase, die einerseits sehr spannend und andererseits arm an neutralen Quellen ist. Wie so oft.

Aber danke balticbirdy, du hast meinen Horizont mal wieder erweitert.

P.S.: Warum legen die "Spiesser" immer solchen Wert auf die Kollektivierung der Frauen? Das ist doch bei euch Machos der einzige Werbegrund für den Kommunismus, gell? Ich hab euch durchschaut!
 
@Ogram: Warum legen die "Spiesser" immer solchen Wert auf die Kollektivierung der Frauen? Das ist doch bei euch Machos der einzige Werbegrund für den Kommunismus, gell? Ich hab euch durchschaut!
Von wegen. Der Autor des verlinkten Artikels hat offenbar eine Heidenangst, in irgendwelche Fettnäpfchen der political correctness zu treten.
MazdakitInnen, MazdakitInnenaufstände, AutorInnen :autsch:
Konsequenterweise müsste er, und das tut er eben nicht, ChristInnen, HistorikerInnen, IranistInnen sagen...:rofl:
 
Man sollte unter "Kommunismus" schon eine konkrete politische Bewegung verstehen oder sowas, einfach "die wollten, das es allen besser geht" kann man von vielen sagen.

Insbesondere die Gleichheit vor dem Gesetz wurde überwiegend von Leuten durchgesetzt, die man nicht unbedingt als Kommunisten bezeichnen würde. (Teilweise eher sogar als Vorgänger der ärgsten Antikommunisten.) Besonders, wenn man die Ursprünge in der amerikanischen Revolution, bzw. der englischen Rechtsgeschichte bedenkt.

Das waren ursprünglich bürgerliche Ideen. Selbst der Gedanke, die breite Masse an den Produktionsfaktoren zu beteiligen ist nicht genuin "kommunistisch", so hat Thomas Pain geschrieben, man solle jeden Bauern ein bisschen Land geben, das nur ihn gehört, um Armut und Hunger zu bekämpfen. Und die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsgütern hab es bereits in mittelalterlichen Allmenden.

Die Bauernkriege waren keine "kommunistische Bewegung", das wäre anachronistisch.

Vielleicht noch eine Frage: Welche theoretischen Inspirationsquellen hatten denn die frühen "Sozialisten"?

@Elefant

Du hast recht, natürlich finden sich in den kommunistischen Theorien auch genuine bürgerliche Forderungen, w.z.B. die Gleichheit vor dem Gesetz.

Solange diese bürgerlichen Forderungen nicht verwirklicht waren, gab es Schnittmengen zwischen bürgerlichen und kommunistischen Visionen. Das bestreitet keiner. Selbst Marx bekräftigt diese Schnittmengen.

Eine "kommunistische Bewegung" gab es aber vor dem Bund der Geächteten nicht, vllt. irgendwelche Zirkel, aber bestimmt keine Partei, wenn Du "Bewegung" als Organisationsform subsumierst.

Du verweist auf die Allemende, das ist ein theoretischer "Volltreffer", jedenfalls aus marxistischer Sicht. Da hier das kommunistische Ideal der Vergesellschaftung zumindest eines Produktionsfaktors tw. verwirklicht ist, ein wahrer Marxist würde natürlich Produktionsmittel als Begriff wählen. ;)

Und damit kommen wir zum Punkt, alle kommunistischen Visionen gehen von der Gleichheit des Menschen aus, nicht nur vor dem Gesetz (formelle Gleichheit) sondern auch im Produktionsprozeß. D.h. alle Produktionsfaktoren sollen vergesellschaftet sein, in welcher Form auch immer (genossenschaftlich, Gemeineigentum etc.). Das grundsätzliche theoretische Problem von kommunistischen Visionären ist immer die Verteilung von Arbeit und Reichtum, um diese Verteilung "gerecht" zu gestalten halten sie eine Vergesellschaftung für notwendig.

Dieses findest Du in Abstufungen und Variationen bei allen kommunistischen Theoretikern.

Deine Frage zu den "Inspirationsquellen" zu beantworten ist ungeheuer schwer. Du wirst in fast allen religiösen und philosophischen Systemen Versatzstücke entdecken können, die sich um Gerechtigkeit und Gleichheit "drehen". Angefangen von der Bibel, Franziskus, Luther, die Theorie des "gerechten Preises" (Aristoteles, Albertus Magnus, Thomas von Aquino, Kant usw. usf).

Vllt. konnte ich Dir ein, zwei Denkanstöße geben.



M. :winke:
 
Der erste der IIRC den Begriff Kommunismus in seinen Schriften gebraucht hat war der christliche Sozialist Goodwyn Barnby... er soll den Begriff aus Paris übernommen haben wo er wohl ein Schlagwort war unter Schülern und Anhängern von Babeuf und Fourier... Quellen zu dieser Behauptung habe ich bislang allerdings keine finden können.

Allerdings war zu dieser Zeit "Kommunismus" als Begriff ebenso wie "Sozialismus" noch nicht vollständig definiert und ausdifferenziert... man wusste noch nicht genau was man darunter zu Verstehen hatte ausser einer groben Vorstellung von gesellschaftlichem Zusammenschluß und Gemeineigentum.

Der "Kommunismus" der Frühsozialisten ist also nicht mit dem des Bundes der Kommunisten oder Karl Marx gleichzusetzen und natürlich auch nicht mit dem Sovietkommunismus... aber diese Konzepte beziehen sich natürlich aufeinander.

Die Frühsozialisten haben sich aber natürlich historisch auf bereits bekannte formen von Gemeineigentum und gemeinschaftlicher Produktion bezogen... noch später ist für Kropotkin z.B. im Prinzip jede Art von Gemeinsamem Besitz "Kommunistisch" und jede Art von Zusammenleben ohne bestimmte privilegierte Eliten "Anarchistisch", selbst wenn diese Begriffe relativ neu waren und zu jener Zeit noch nicht bestanden oder noch anders belegt waren, was Kropotkin auch wusste.
 
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