Lili
Aktives Mitglied
Nachdem der Wikipedia-Artikel zur Konvergenztheorie momentan noch etwas dürftig ist, möchte ich zunächst kurz umreißen, worum es bei der Konvergenztheorie im allgemeinen soziologischen Sinne geht und was die daraus abgeleiteten Konvergenzhypothesen der 60er und 70er jahre im wirtschaftspolitischen Sinne beinhalten.
Die Konvergenztheorie in ihren unterschiedlichsten Spielarten gab es bereits in den der antiken Philosophie, dabei ist allen Spielarten die Vorstellung gemein, dass es ein Idealsystem gibt, auf welches sich alle anderen, zum jeweiligen Zeitpunkt vertretenen Gesellschaftssysteme i.d.R. in einem evolutorischen Prozess hinentwickeln.
Nachdem die Konvergenztheorie im Laufe der Geschichte immer mal wieder en vouge war, blühten sie wirtschaftspolitisch durch die ideologisch-politische Teilung der Welt in zwei Lager, zur Zeit des Kalten Krieges, wieder auf. Dabei handelte es sich um ein unfreiwillig beide Lager überspannendes, interdisziplinäres Projekt (hauptsächlich Wirtschaftswissenschaftler, Politologen, Soziologen und Historiker), das zudem noch ordentlich durch die Presse gepushed wurde. Kernaussage der drei Konvergenzhypothesen war dabei eine "Annäherung durch Wandel", wobei sich drei grundsätzliche Hypothesen ausmachen lassen:
Soviel erstmal zum Einstieg in die Konvergenzhypothesen – Ergänzungen aber gerne :winke: Jetzt wird es aber Zeit für den kritischen Teil:
Je nach Lesart der Hypothesen findet sich jeder bestätigt, oder? Die einen sehen mehr Sozialstaatlichkeit in den kapitalistischen Ländern, die anderen Liberalisierung oder gar den Zusammenbruch in den realsozialistischen Ländern und die Unentschlossenen sehen eine Entwicklung aufeinander zu. Im Grunde ist das doch super, für jeden ist was dabei, jeder hat eine Rechtfertigung warum seine Hypothese die Richtige ist. Nur: ist die Wahrnehmung wirklich eine Entwicklung in die eine oder andere Richtung? Es gibt eine instrumentell-methodische Annäherung innerhalb der wirtschaftspolitischen Systeme ja, aber damit sich Systeme annähern braucht es mehr als nur eine Annäherung auf instrumentell-methodischer Ebene, dafür braucht es vielmehr eine Annäherung in den grundlegenden Zielen und Werten der jeweiligen Systeme – die Marschrichtung von Gesellschaft und Politik muss sich also angleichen, damit eine wahre Konvergenz entsteht und das ist nicht passiert, was sich sehr deutlich an den jeweiligen Wertsystemen ablesen lässt, die nach wie vor unverändert sind. (aus Werten generieren sich Ziele und aus Zielen Instrumente und Methoden)
Hinzu kommt, dass alle drei Konvergenzhypothesen (eigentlich die Konvergenztheorie in Summe – ich will aber jetzt mal bei der Wirtschaftspolitik bleiben) davon ausgehen, dass es ein ideales System gibt. Um von einem Ideal zu sprechen, muss erstmal der Schritt vollzogen sein, dass man erkennt, dass die aktuellen Systeme suboptimal sind (ok, ich gebe zu, dass der Schritt nicht so schwer ist). Die Volkswirtschaftslehre geht zudem bei einem modelltheoretischen Idealsystem von einer weiteren unabdingbaren Voraussetzung aus, die ein System haben muss, um ideal zu sein: sämtliche Entscheidungen werden völlig rational getroffen. Genau das gibt es aber in der Realität nicht. Volkswirtschaftliche Entscheidungen können sogar höchst irrational sein, schlicht weil der Mensch irrational ist und eben nicht immer so handelt wie es nach logisch-rationaler Erwägung richtig wäre, sondern vielmehr bei seinen Entscheidungen emotional gesteuert ist. Mal ein paar Beispiele: das Auto, das im volkswirtschaftlichen Sinne der rationalsten Entscheidung entspricht kaufe ich trotzdem nicht, wenn mir die Farbe nicht gefällt; das frische Brot beim Bäcker kann um noch so viel günstiger sein als das abgepackte Zeug an der Tankstelle, wenn es mittags regnet und ich es nicht vor Ladenschluss aus dem Büro schaffe, kaufe ich trotzdem völlig überteuert an der Tanke ein oder (ein Lili-Klassiker) ich brauche keine Schuhe, ich hab wirklich genug, aaaber, oh, die sind sooo toll. Ich denke es ist klar was ich meine... Nachdem es also allein aufgrund der Irrationalität von Konsumentenentscheidungen (Konsumenten können auch Institutionen, Unternehmen, der Staat, oder das Ausland sein, die alle aus den verschiedensten Gründen heraus irrational handeln; zur Veranschaulichung und zur Nachvollziehbarkeit habe ich die Privaten Haushalte gewählt) gar kein ideales System geben kann, also worauf soll man sich hin entwickeln? Hin zu einem anderen suboptimalen System?
In Summe lässt sich also festhalten, dass die Konvergenzhypothesen der 60er und 70er Jahre allein deshalb nicht zutreffen können, weil es direkt an den grundlegenden Voraussetzungen fehlt, nämlich den abweichenden Wertsystemen der grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Systeme und der Unmöglichkeit eines Idealsystems als Entwicklungsziel. Das ist jetzt aber auch nicht gerade die berauschendste Feststellung der Wirtschaftswissenschaften und ich bin sicher nicht die erste, der der große Fehler direkt am Ansatz auffällt, angesichts der bedeutenden Namen, die bereits im weiteren oder engeren Sinne über Konvergenzen und Divergenzen (sic!) im Zusammenhang mit dem großen Gegensatzpaar der Wirtschaftspolitik geschrieben haben, möchte ich an der Stelle direkt in die Diskussion dazu in der historischen Parallelentwicklung der beiden wirtschaftspolitischen Konzepte überleiten.
Nachdem es vor einer realen Umsetzung des Sozialismus auch eine ideengeschichtliche Entwicklung des Sozialismus gab, möchte ich im Moment noch keine exemplarischen Länder herausgreifen, sondern würde es momentan eher bevorzugen, die Beispiele kontextuell zu wählen, um so ggf. sogar chronologisch vorgehen zu können.
Die Konvergenztheorie in ihren unterschiedlichsten Spielarten gab es bereits in den der antiken Philosophie, dabei ist allen Spielarten die Vorstellung gemein, dass es ein Idealsystem gibt, auf welches sich alle anderen, zum jeweiligen Zeitpunkt vertretenen Gesellschaftssysteme i.d.R. in einem evolutorischen Prozess hinentwickeln.
Nachdem die Konvergenztheorie im Laufe der Geschichte immer mal wieder en vouge war, blühten sie wirtschaftspolitisch durch die ideologisch-politische Teilung der Welt in zwei Lager, zur Zeit des Kalten Krieges, wieder auf. Dabei handelte es sich um ein unfreiwillig beide Lager überspannendes, interdisziplinäres Projekt (hauptsächlich Wirtschaftswissenschaftler, Politologen, Soziologen und Historiker), das zudem noch ordentlich durch die Presse gepushed wurde. Kernaussage der drei Konvergenzhypothesen war dabei eine "Annäherung durch Wandel", wobei sich drei grundsätzliche Hypothesen ausmachen lassen:
- die realsozialistischen Systeme werden sich durch einen fortschreitenden Liberalisierungsprozess sukzessive dem idealen kapitalistischen System annähern. Hier wird davon ausgegangen, dass die Eigendynamik des Industrialisierungsprozesses alleine zur Entwicklung führt.
- die kapitalistischen Länder gleichen sich an den idealen Sozialismus an, da es im Kapitalismus aufgrund des Absolutwertparadoxons verstärkt zu Widersprüchlichkeiten im kapitalistischen System kommt.
- Die dritte Konvergenzhypothese geht hingegen von einem "aufeinander zu"-Entwickeln aus, so dass eine ideale neue Form entsteht. Triebfeder soll hier wieder eine Eigendynamik, diesesmal aufgrund von Lernprozessen sein.
Soviel erstmal zum Einstieg in die Konvergenzhypothesen – Ergänzungen aber gerne :winke: Jetzt wird es aber Zeit für den kritischen Teil:
Je nach Lesart der Hypothesen findet sich jeder bestätigt, oder? Die einen sehen mehr Sozialstaatlichkeit in den kapitalistischen Ländern, die anderen Liberalisierung oder gar den Zusammenbruch in den realsozialistischen Ländern und die Unentschlossenen sehen eine Entwicklung aufeinander zu. Im Grunde ist das doch super, für jeden ist was dabei, jeder hat eine Rechtfertigung warum seine Hypothese die Richtige ist. Nur: ist die Wahrnehmung wirklich eine Entwicklung in die eine oder andere Richtung? Es gibt eine instrumentell-methodische Annäherung innerhalb der wirtschaftspolitischen Systeme ja, aber damit sich Systeme annähern braucht es mehr als nur eine Annäherung auf instrumentell-methodischer Ebene, dafür braucht es vielmehr eine Annäherung in den grundlegenden Zielen und Werten der jeweiligen Systeme – die Marschrichtung von Gesellschaft und Politik muss sich also angleichen, damit eine wahre Konvergenz entsteht und das ist nicht passiert, was sich sehr deutlich an den jeweiligen Wertsystemen ablesen lässt, die nach wie vor unverändert sind. (aus Werten generieren sich Ziele und aus Zielen Instrumente und Methoden)
Hinzu kommt, dass alle drei Konvergenzhypothesen (eigentlich die Konvergenztheorie in Summe – ich will aber jetzt mal bei der Wirtschaftspolitik bleiben) davon ausgehen, dass es ein ideales System gibt. Um von einem Ideal zu sprechen, muss erstmal der Schritt vollzogen sein, dass man erkennt, dass die aktuellen Systeme suboptimal sind (ok, ich gebe zu, dass der Schritt nicht so schwer ist). Die Volkswirtschaftslehre geht zudem bei einem modelltheoretischen Idealsystem von einer weiteren unabdingbaren Voraussetzung aus, die ein System haben muss, um ideal zu sein: sämtliche Entscheidungen werden völlig rational getroffen. Genau das gibt es aber in der Realität nicht. Volkswirtschaftliche Entscheidungen können sogar höchst irrational sein, schlicht weil der Mensch irrational ist und eben nicht immer so handelt wie es nach logisch-rationaler Erwägung richtig wäre, sondern vielmehr bei seinen Entscheidungen emotional gesteuert ist. Mal ein paar Beispiele: das Auto, das im volkswirtschaftlichen Sinne der rationalsten Entscheidung entspricht kaufe ich trotzdem nicht, wenn mir die Farbe nicht gefällt; das frische Brot beim Bäcker kann um noch so viel günstiger sein als das abgepackte Zeug an der Tankstelle, wenn es mittags regnet und ich es nicht vor Ladenschluss aus dem Büro schaffe, kaufe ich trotzdem völlig überteuert an der Tanke ein oder (ein Lili-Klassiker) ich brauche keine Schuhe, ich hab wirklich genug, aaaber, oh, die sind sooo toll. Ich denke es ist klar was ich meine... Nachdem es also allein aufgrund der Irrationalität von Konsumentenentscheidungen (Konsumenten können auch Institutionen, Unternehmen, der Staat, oder das Ausland sein, die alle aus den verschiedensten Gründen heraus irrational handeln; zur Veranschaulichung und zur Nachvollziehbarkeit habe ich die Privaten Haushalte gewählt) gar kein ideales System geben kann, also worauf soll man sich hin entwickeln? Hin zu einem anderen suboptimalen System?
In Summe lässt sich also festhalten, dass die Konvergenzhypothesen der 60er und 70er Jahre allein deshalb nicht zutreffen können, weil es direkt an den grundlegenden Voraussetzungen fehlt, nämlich den abweichenden Wertsystemen der grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Systeme und der Unmöglichkeit eines Idealsystems als Entwicklungsziel. Das ist jetzt aber auch nicht gerade die berauschendste Feststellung der Wirtschaftswissenschaften und ich bin sicher nicht die erste, der der große Fehler direkt am Ansatz auffällt, angesichts der bedeutenden Namen, die bereits im weiteren oder engeren Sinne über Konvergenzen und Divergenzen (sic!) im Zusammenhang mit dem großen Gegensatzpaar der Wirtschaftspolitik geschrieben haben, möchte ich an der Stelle direkt in die Diskussion dazu in der historischen Parallelentwicklung der beiden wirtschaftspolitischen Konzepte überleiten.
Nachdem es vor einer realen Umsetzung des Sozialismus auch eine ideengeschichtliche Entwicklung des Sozialismus gab, möchte ich im Moment noch keine exemplarischen Länder herausgreifen, sondern würde es momentan eher bevorzugen, die Beispiele kontextuell zu wählen, um so ggf. sogar chronologisch vorgehen zu können.