Präsentation Kreuzzüge

Wo wir gerade bei Wilhelm sind: ich habe mir den geposteten Link zu seinem übersetzten Werk angesehen und muss feststellen, dass der gute Mann alles andere als objektiv war, im Gegenteil. Nicht das ich das normalerweise erwartet hätte, aber unser Professor meinte kürzlich in der Vorlesung, er sei ein nichtfanatischer, objektiver Chronist gewesen. Über diese Fehlinformation bin ich schon schockiert.

Ich glaube, ich sollte dem guten Mann eine Mail schreiben.
 
Warte, warte, nicht so schnell!

Es ist immer alles relativ. Du solltest erst einmal andere Kreuzzugschronisten lesen, da hebt sich Wilhelm tatsächlich wohltuend ab. Sein Werk ist jedenfalls eindeutig besser als die "Gesta Francorum". Aber natürlich war er ein Kind seiner Zeit und seiner Gesellschaft, und da er im Nahen Osten geboren wurde und die meiste Zeit dort lebte, sah er die Dinge natürlich aus Kreuzrittersicht. Aber über das Massaker nach der Eroberung Jerusalems schrieb er durchaus kritisch, wenngleich er es nicht verurteilte. Die Judenpogrome, zu denen es zu Beginn des 1. Kreuzzuges kam, verurteilte er hingegen entschieden.
 
Warte, warte, nicht so schnell!

Es ist immer alles relativ. Du solltest erst einmal andere Kreuzzugschronisten lesen, da hebt sich Wilhelm tatsächlich wohltuend ab. Sein Werk ist jedenfalls eindeutig besser als die "Gesta Francorum". Aber natürlich war er ein Kind seiner Zeit und seiner Gesellschaft, und da er im Nahen Osten geboren wurde und die meiste Zeit dort lebte, sah er die Dinge natürlich aus Kreuzrittersicht. Aber über das Massaker nach der Eroberung Jerusalems schrieb er durchaus kritisch, wenngleich er es nicht verurteilte. Die Judenpogrome, zu denen es zu Beginn des 1. Kreuzzuges kam, verurteilte er hingegen entschieden.



Zugegebenermassen habe ich das Werk anhand deines Links nur überflogen. In der Vorlesung wurde er uns aber als "stilistisch und sprachlich meisterlich, das Nebeneinander der Kulturen schätzend und nichtfanatisch" geschildert.

Wenn ich dann gleich im ersten Satz des ersten Buches von Mohammed als des Satans Sohn lesen muss, will sich dieses Gefühl bei mir aber nicht so recht einstellen.
 
"Objektiv" und "nichtfanatisch" ist übertrieben, aber man kann an einen mittelalterlichen Historiker auch nicht moderne Maßstäbe anlegen. Natürlich war Wilhelm von Tyrus Christ und hielt, der Denkweise der Christen seiner Zeit entsprechend, nicht viel vom Islam, wobei man aber bedenken muss, dass sich auch nur wenige Christen ernsthaft mit dem Islam beschäftigten. Aber grundsätzlich macht er die Moslems nicht automatisch schlecht, sondern würdigt sie durchaus als Gegner. Umgekehrt verhehlt er Fehler der Christen keineswegs.
 
"Objektiv" und "nichtfanatisch" ist übertrieben, aber man kann an einen mittelalterlichen Historiker auch nicht moderne Maßstäbe anlegen. Natürlich war Wilhelm von Tyrus Christ und hielt, der Denkweise der Christen seiner Zeit entsprechend, nicht viel vom Islam, wobei man aber bedenken muss, dass sich auch nur wenige Christen ernsthaft mit dem Islam beschäftigten. Aber grundsätzlich macht er die Moslems nicht automatisch schlecht, sondern würdigt sie durchaus als Gegner. Umgekehrt verhehlt er Fehler der Christen keineswegs.


Wäre es für einen guten Chronisten nicht Pflicht, über Dinge, die er nicht (genug) Bescheid weiss, zu schweigen? Aber du hast natürlich Recht, hier sind moderne Masstäbe unangebracht.

Mir ging es ja auch weniger um Wilhelm, dessen Kontext ich mir stets vor Augen hielt, sondern eher um unseren Professor, der ihn ein wenig euphemistisch beschrieben hat. Bei der vorliegenden, fast schon euphorischen Beschreibung zur Eroberung Jerusalems sehe ich wenig Wertschätzung vom Nebeneinander der Kulturen.
 
Wer weiß, ob Dein Professor ihn überhaupt selbst gelesen hat. Ich frage mich oft, wenn ich in einem Buch einen Text lese, in dem der Autor die Literatur einer bestimmten Epoche oder Stilrichtung behandelt und zahlreiche Autoren und Werke würdigt oder kritisiert, ob er sie wirklich alle selbst gelesen hat oder einfach nur fremde Bewertungen übernimmt (und eventuell missversteht). Wenn also irgendjemand (wie ich), der Wilhelm von Tyrus selbst gelesen hat, über ihn dann (wie ich) schreibt, dass er ausgewogener war als andere Kreuzzugschronisten und die moslemischen Gegner keineswegs nur schlecht machte, dann kann es schnell passieren, dass jemand, der nur meine Beurteilung gelesen hat, nicht aber das Werk selbst, dann daraus folgert, dass Wilhelm objektiv geschrieben habe und den Islam geschätzt habe. Wenn er das dann schreibt und ein Dritter liest es, kommt er zur Auffassung Deines Professors ...
 
Wer weiß, ob Dein Professor ihn überhaupt selbst gelesen hat.

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Wenn er das dann schreibt und ein Dritter liest es, kommt er zur Auffassung Deines Professors ...


Was meinst du, soll ich ihn damit konfrontieren? :D


Nicht, um ihn bloss - oder "zur Rede zu stellen", sondern vielleicht das Bild ein wenig geradezurücken. Ob das von einem Erstsemestrigen einen guten Eindruck hinterlässt, ist eine andere Frage. Mir geht es um Tatsachen und kritisches Hinterfragen, in diesem Fall um eine Formulierung, die, wenn man sich den Text auch nur ein bisschen ansieht, nicht haltbar ist.

Ich kann ja auch nicht kommen und sagen, Sultan Selim war "halt auch nicht der toleranteste, aber er schätzte das Nebeneinander der Religionen". :rofl:
 
Zitiere mich selbst aus biinchens eigens eröffneten Thread:

Joinville schrieb:
Also der einzige namenhafte Chronist des 2. Kreuzzugs der mir einfällt, also einer der daran Teilnahm und dazu einen Bericht verfasste, ist Odo von Deuil, der einen Bericht an den Abt Suger von Saint-Denis verfasste (De profectione Ludovici VII in Orientem). Dann ist noch ein Brief König Ludwigs VII. an eben jenem Abt aus dem März/April 1148 zu nennen, indem er den bisherigen Kreuzzugsverlauf kurz wiedergibt, vor allem der Marsch durch Kleinasien mit der Niederlage bei Laodikeia. Abt Suger von Saint-Denis befasste sich mit dem Kreuzzug in seiner Vita zu Ludwig VII. (Historia gloriosi Ludovici VII) mit dem Kreuzzug, gestützt auf die Berichte des Königs und Odos von Deuil.

Diese drei schriftlichen Hinterlassenschaften sind in den Recueil des Historiens des Gaules et de la France (RHGF) einzulesen.

Odo von Deuil, RHGF, Band 12, S. 91-94
Brief Ludwigs VII., RHGF, Band 15, S. 495-496
Königsvita von Suger, RHGF, Band 12, S. 124-133

Natürlich ist dann noch Wilhelm von Tyrus als wichtiger Kreuzzugshistoriker des 12. Jahrhunderts zu nennen.
 
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