römisches Imperium

Integration und Unterdrückung

Ein weiterer wichtiger Punkt war die Fähigkeit Roms, seine Untertanen nach und nach zu integrieren: Rom verstand es, seine neuen Untertanen an sich zu binden, indem es ihnen scheibchenweise zusätzliche Rechte gewährte, letztlich manchmal das volle Bürgerrecht, sodass sich die Unterworfenen im Laufe der Zeit als Teilhaber der Herrschaft fühlen konnten...

Auch von mir hier volle Zustimmung! Rom war ein sehr langlebiges Reich, dass im Rückblick vielleicht manches zu schnell auf die leichte Schulter genommen werden könnte, wenn man sich der zeitlichen Dimensionen nicht bewusst würde.

Wenn wir das römische Reich und seine unbestreitbaren Leistungen in Sachen Integration der unterworfenen Völker in sein politisches System (und sonstige „Ebenen“: Eben die antike Bildung & Konditionierung) betrachten, sollten wir nicht vergessen, dass dies erst die Frucht einer sehr langen Entwicklung darstellte. Diese Entwicklung war weder unblutig, noch ohne Verwerfungen geblieben und hatte in einigen Fällen wenigstens Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte gedauert! Bis zur „allgemeinen Verleihung der Bürgerrechte“ (Constitutio Antoniniana) mochte das (je nach Provinz & Gegend) viele, viele Generationen gedauert haben! – Kein Vergleich also mit der aktuellen „Integrationsdebatte in der BRD“ zum „Jahrestag 50 Jahre ‚Anwerbeabkommen zwischen der BRD und der Türkei‘“ zum 30.Oktober diesen Jahres!!

Rom war offen und bereit für Veränderungen: Es saugte geradezu die hellenistisch-griechische Kultur in sich auf, mit der es bereits während der Expansion in den Süden der italischen Halbinsel in Berührung gekommen war. Aber ebenso vehement lehnte es manche andere Kultur – oder wenigstens besondere Ausformungen derselben nachhaltig ab: Man erlaubte asiatische und ägyptische Götterkulte, konnte aber gegen missliebige Kulte grausam einschreiten. Beispiele seien hier der „Bacchanalienskandal“ des Jahres 186 v.Chr. oder das Verbot gegen die keltischen Druiden…

Aber Rom setzte immer die Eckpunkte alleine! Es unterwarf brutal fremde Völker, enteignete nach Gutdünken Einheimische um Kolonien oder Veteranensiedlungen anlegen zu können: Allein per Kriegsrecht! So wie Caesar die Aussage nachgesagt wird, dass der Sieger das Recht habe, dem Besiegten jedes beliebige Schicksal aufzuerlegen. Viele Bewohner wurden versklavt: Laut Plutarch hätten 1 Million Gallier die Eroberung durch Caesar nicht überlebt und eine weitere Million sei in die Sklaverei verkauft worden. In modernen Schätzungen finden sich auch höhere Zahlenangaben… Rom organisierte seine Eroberungen in Provinzen, bei denen die Einheimischen als „Peregrine“ (also Fremde - im eigenen Land!) galten, und die im Namen Roms von dort eingesetzten und endsandten Verwaltern beherrscht wurden. Diese Provinzstatthalter konnten eine nahezu unbeschränkte Gewalt über deren preregrine Bewohner ausüben. Ihre Hauptaufgabe war die Sicherstellung der Tribute an Rom, weshalb die Bürger römischen Rechts (wenigstens in Italien) für Jahrhunderte keine direkten Steuern mehr zu zahlen brauchten. Dabei kam es oft zu Übergriffen gegen Provinzbewohner, die ja beileibe nicht alle unterworfene, ehemalige Kriegsgegner gewesen waren, sondern auch gegenüber Gruppen, deren Status offiziell als „Verbündete“, oder „Freunde“ bezeichnet wurden! Ein provokantes Schlagwort erfasst die Situation der peregrinen Provinzbewohner sehr passend: Sie lebten unter einem "permanenten Besatzungsregime", durch das sie teils über Jahrhunderte zugunsten Roms ausgebeutet werden konnten! Dabei spreche ich hier nicht einmal über unterprivilegierte Gruppen wie etwa den Sklaven.

Aus dem Tatenbericht des Augustus, also einer authentischen Quelle von erster Ordnung, kann dieser Zustand durchaus abgelesen werden: Dort ist kaum einmal die Rede von den Provinzialen - nur von den nicht einmal ganz 5 Millionen Römern (Bürger römischen Rechts). Schätzungen gehen zu dieser Zeit von an die 40 Millionen Einwohnern des Imperiums aus. Penibel listete der erste römische Kaiser seine Wohltaten gegenüber dem römischen Volk auf, nicht aber woraus er diese finanzieren konnte. Nur einige Male nennt er die naheliegende Quelle seines persönlichen Reichtums ganz direkt, wenn er von Kriegsbeute schreiben lässt.
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Nun wird deutlicher für wen der Erfolg Roms wichtig war und wer an seiner Herrschaft profitierte. Aber es waren noch weniger, als jene „5 Millionen Römer“ dieser Zeit. Der normale, niedere Plebs (wie sie abfällig genannt wurden) hatte von den reichen Einkünften aus den Provinzen wenig mehr als vielleicht die Getreidespenden oder gesponserte Circusspiele… Die eigentlichen Nutznießer des römischen Herrschaftssystems waren die römischen Oberschichten, deren Loyalität und Mithilfe für die Funktionsfähigkeit- wie den Bestand des Imperiums unerlässlich waren. Hierbei handelte es sich reichsweit gesehen vor allem um die Angehörigen der beiden obersten Stände: Der Senatoren und der Equite-Ritterschaft. Lokal gesehen kamen noch die örtlichen Honoratioren hinzu. Allein dieser Schicht stand eine politische Karriere offen und damit die lukrativen Ämter des Reiches.

Diese Elite der römischen Gesellschaft war es, die gleichermaßen Kultur wie Staat prägte und ihn über Jahrhunderte hinweg aufrecht erhielt. Dazu benötigte es die von Reinecke in Post #3 bereits genannten Wirkmittel um es nach Innen wie nach Außen durchsetzen zu können. Das Selbstverständnis dieses Standes machte es ihnen zur Pflicht sich für "ihren" Staat einzusetzen und dort Ansehen und Karriere zu erwerben. Das schuf den Anreiz an andere Reichsbewohner es ihnen nachzueifern und in diesen Stand aufzurücken, was durch eine zweckorientierte "Durchlässigkeit" dieses Standes ermöglicht wurde und erwünscht war. Dies wollte ich nur kurz aufzeigen.:doc:
 
So wie Caesar die Aussage nachgesagt wird, dass der Sieger das Recht habe, dem Besiegten jedes beliebige Schicksal aufzuerlegen.
Allerdings schreibt er diesen Ausspruch dem Ariovist zu (Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1,36). Ariovist sagt aber an dieser Stelle auch, dass die Römer es genauso machen würden, also dürften sie es ihm nicht verwehren.

Dabei kam es oft zu Übergriffen gegen Provinzbewohner, die ja beileibe nicht alle unterworfene, ehemalige Kriegsgegner gewesen waren, sondern auch gegenüber Gruppen, deren Status offiziell als „Verbündete“, oder „Freunde“ bezeichnet wurden!
Zu diesem Punkt kann ich vor allem die Lektüre von Ciceros Reden gegen Verres empfehlen. Auch wenn sie natürlich Anklagereden und daher mit Polemiken und auch Beleidigungen gespickt sind, bieten sie doch ein sehr anschauliches Bild der Zustände in Sizilien, wobei Verres nur ein durch Cicero bekannt gewordenes prominentes Beispiel war, aber derartige Machenschaften waren allgemein. Aber zurück zu Verres und Sizilien: Cicero differenziert in seinen Reden sehr fein zwischen dem unterschiedlichen Status verschiedener Städte auf Sizilien, die - teils aufgrund ihres Verhaltens im 1. und 2. Punischen Krieg - unterschiedliche Privilegien und Freiheiten zugesprochen bekommen hatten. Cicero beklagt dementsprechend auch wortgewaltig, dass Verbündete und Freunde von Verres wie Feinde behandelt worden seien.
Aber natürlich findet Cicero es trotzdem wesentlich verwerflicher, dass Verres auch römische Bürger misshandeln und hinrichten ließ, als bloße Provinzbewohner.

Das Repetundenverfahren gegen erpresserische und räuberische Statthalter bot auch keine wirksame Abhilfe, da die geplagten Provinzialen auf einen einflussreichen römischen Fürsprecher angewiesen waren und die Verfahren häufig für innerrömische Machtkämpfe missbraucht wurden.
 
Aber natürlich findet Cicero es trotzdem wesentlich verwerflicher, dass Verres auch römische Bürger misshandeln und hinrichten ließ, als bloße Provinzbewohner.

Sorry, wenn ich nur einen kleinen Teilbereich herauspicke...

Ich bin mir gar nicht sicher, ob Cicero selbst dies so verwerflicher fand. Meiner Meinung nach hat er diesen Punkt vor allem deshalb so herausgestellt, um sein Auditorium, welches ja aus Römern bestand, auf seine Seite zu ziehen.

Wenn man es - egal wem - durchgehen ließ, den Schutz, den das römische Bürgerrecht garantierte, einfach zu missachten, dann konnte dies ggf. beim nächsten mal jedem Römer - und somit theoretisch auch jedem Zuhörer Ciceros - drohen. Das konnte keiner hinnehmen wollen. Insofern war die Betonung dieses Sachverhalts durch Cicero aus meiner Sicht ein Appell an das Auditorium und das Gericht, hier keinen Präzedenzfall zu schaffen, in dem man Verres ungeschoren davonkommen ließ.

Viele Grüße

Bernd
 
Deine Überlegung hat schon etwas für sich. Allerdings weise ich darauf hin, dass Cicero nur die erste Rede tatsächlich gehalten hat, die anderen (in denen er dann auch Verres' Verbrechen gegen römische Bürger erwähnt) hat er nur fürs Lesepublikum verfasst, musste also kein Gericht damit beeindrucken. Aber da die Masse seiner Leser wohl römische Bürger waren, lag ihm bestimmt trotzdem daran, seine römischen Leser aufzurütteln.
 
Da hast du wohl recht. Ich bin kein Cicero-Experte. Aber soweit ich weiß war er ein erfolgreicher Jurist. Da würde diese "Prozesstaktik" schon passen.

Viele Grüße

Bernd
 
Allerdings schreibt er diesen Ausspruch dem Ariovist zu (Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1,36). Ariovist sagt aber an dieser Stelle auch, dass die Römer es genauso machen würden, also dürften sie es ihm nicht verwehren.
Danke für die Präzisierung. Ich wusste den genauen Kontext nicht mehr auswendig und hielt meine Zuordnung daher etwas zurückhaltend :winke:
 
Rechtsprechung und Klientel

Zu diesem Punkt kann ich vor allem die Lektüre von Ciceros Reden gegen Verres empfehlen...

Sehr schöne Ausführungen! Das Gesetz („Lex Acilia repetundarum“) sah vor, dass in Rom vor einem römischen Prätor Anklage erhoben werden konnte – und dazu brauchte es einen rechtsfähigen Klageführer, was ein Peregriner eben nicht war. Genau wie du es gesagt hast, benötigte es die Vermittlung eins römischen Bürgers – am besten eines Senators mit politischem Eigengewicht (wie Cicero)…. Wieder ein Einstiegsszenario über welches ein Senator seine Klientelbasis (hier um peregrine Städte etwa) erweitern konnte, wenn er Erfolg hatte.

Aber selbst hier im Rahmen einer Schutzmaßnahme gegen Übergriffe durch römische Autoritäten zeigt sich der rigide und „übervorteilende Charakter“ des römischen Rechts zugunsten des „siegreichen Staatsvolks“, was hier ganz offensichtlich auch als Teil der Herrschaftssicherung erkennbar wird. Die Unterworfenen waren gezwungen sich in den Schutz römischer Großer zu begeben, die alleine stark genug waren, etwas für ihre Klientel bewegen zu können. Die Wechselwirkung des Römischen Rechts als stabilisierender Faktor für die Dominanz der römischen Oberschicht kommt hier klar zum Ausdruck. Im Falle Ciceros umso klarer, da ja auch „gewöhnliche römische Bürger“ durch die Herrschaftsausübung des beklagten Verres zu Tode gekommen waren. Aber war es deshalb etwa schon zur Abhilfe gekommen, weil ihre Angehörigen als Römer klagen konnten? Ohnehin konnten die Statthalter zu republikanischen Zeiten erst nach Ablauf ihrer Amtszeit verklagt werden. Eine Regelung die dazu führte, dass Julius Caesar 49 v.Chr. lieber einen Bürgerkrieg auf sich nahm, als sein Amt als Statthalter ohne direkt anschließendes Nachfolgeamt abzugeben (ohne die Tat einfach dem Repetundenverfahren zuschreiben zu wollen, nur als Seitenblick).

Um den Faden von Sizilien aus weiter zu spinnen, verweise ich auf die destabilisierende Rolle der Publicani (Steuerpächtergesellschaften) in der Provinz Asia, die sich ebenfalls Übergriffe, auch gegen „Verbündete und Freunde Roms“ leisteten. Gegen sie vorzugehen wagten aber die Statthalter nicht immer, weil der Ritterstand (welcher die Publicani-Gesellschaften dominierten) eben jene Personen stellte, die nach dem Ende der Amtszeit eines Statthalters im Falle einer Klage gemäß der „Lex Acilia repetundarum“ seit der Zeit der Gracchen über ihn zu richten hatten. Ein fataler Teufelskreis für die Provinzialen konnte sich auftun: Sie konnten gegen einen Statthalter klagen, aber über diesen würde jener Stand richten, welche die größten Vorteile aus einer rücksichtslosen Eintreibung der Tribute in den Provinzen ziehen konnte! (Siehe auch F. Daubner; „Bellum Asiaticum“). Einem schützenden Eingreifen durch pflichtbewusste Statthalter gegen Auswüchse der Publicani waren somit Grenzen gesetzt, wollte er nicht riskieren nach seiner Amtszeit über (lancierte?) Anzeigen vor Gericht gestellt zu werden.
Publicani ? Wikipedia

Nach der Varusschlacht in Germanien hielten die Friesen laut Tacitus (Annalen) weiterhin zu Rom. Sie erhoben sich erst gegen diese und vertrieben sie, als ein römischer Eintreiber darauf bestand, dass die zu liefernden Rinderfelle die Größe jener von Auerochsen zu haben hätten, was bei der geringen Größe der örtlichen, kleinrassigen Rinder eine schlecht kaschierte „Steuererhöhung“ war. Wer denkt jetzt nicht an eine historische Überlieferung, wonach der Aufstand des Arminius gegen Varus durch dessen Steuerforderungen und Anwendung römischen Rechts zurückzuführen gewesen seien? Wie auch immer…

Wir sehen also die Provinzen, wenigstens zu Beginn der römischen Oberherrschaft, einer starken Bedrückung durch Rom ausgesetzt, zu denen noch Auswüchse der Verwaltung kommen konnten. Dies war in der Regel bereits die Folge eines erfolglosen Widerstandes gegen Rom, bei welchem die militärische Kraft der darüber zu Provinzialen gewordenen Menschen gebrochen worden war!
Wie unter solchen Umständen bei Tante Wiki folgendes zu lesen ist, muss Rätselhaft bleiben:
Wiki schrieb:
Für die Bevölkerung der Provinzen – sofern sie nicht zur Oberschicht gehörte… – war dies in der Regel eine Verbesserung der Lage, war sie doch nicht mehr der Willkür lokaler Despoten ausgesetzt.
Römische Provinz ? Wikipedia
Die lokalen „Despoten“ hatten vorher ein Interesse daran (haben sollen), ihren Besitz zu erhalten und nicht übermäßig deren Leistungsfähigkeit zu strapazieren, weil sie sonst später weniger Einnahmen zu verkraften gehabt hätten. Die römischen Statthalter wechselten dagegen schnell – ein spezielles Interesse an einer dauerhaften Leistungsfähigkeit ihrer Provinz konnte so keine besondere Priorität besitzen. Das Gleiche galt für die Publicani: Je mehr sie in der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit eintreiben konnten, desto größer war ihr Gewinn!

Ich denke die genannten Auswüchse, die unter römischer Oberherrschaft entstehen konnten, zeigen sehr gut das einander verstärkende Wechselspiel von römischer Oberschicht, römischem Recht und römischen Legionen als bestimmende Faktoren für Entwicklung und Erhalt des Römischen Imperiums und einer „Konditionierung“ seiner Provinzen.

Aufstände gegen die römische Oberherrschaft waren besonders im Anschluss an die Okkupation ganz und gar nicht so selten (wie bei Wiki suggeriert), konnten aber regelmäßig durch die hervorragend organisierten Legionen niedergeschlagen werden, bis sich die Bewohner unter das Joch zu beugen lernten. Dieser Zustand besserte sich erst deutlich während der römischen Kaiserzeit, die ein Interesse an einer dauerhaften Leistungsfähigkeit ihrer Provinzen besaßen. Unabhängig davon wirkten sich zu dieser Zeit (wenigstens in den älteren Provinzen) bereits auch endlich die Vorteile einer Romanisierung mildernd aus. Mit fortschreitender Romanisierung begann regelmäßig eine Wende, welche die Provinzen häufig erblühen ließen und sie zu festen Bestandteilen der Römischen Welt machten, von denen endlich auch sie profitieren konnten!
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für die Präzisierung. Ich wusste den genauen Kontext nicht mehr auswendig und hielt meine Zuordnung daher etwas zurückhaltend
Um ehrlich zu sein: Ich wurde auf den Spruch aufmerksam, weil ich ihn manchmal als Einblendung während der Ladesequenzen in "Rome: Total War" las. Das inspirierte mich, näher nachzuforschen, woher der Spruch eigentlich genau stammt und in welchen Kontext er eigentlich gehört ....

Genau wie du es gesagt hast, benötigte es die Vermittlung eins römischen Bürgers – am besten eines Senators mit politischem Eigengewicht (wie Cicero)…. Wieder ein Einstiegsszenario über welches ein Senator seine Klientelbasis (hier um peregrine Städte etwa) erweitern konnte, wenn er Erfolg hatte.
Stimmt, wobei die Sizilianer das Glück hatten, mit Cicero jemanden zu haben, der ihnen aus seiner Zeit als Quaestor auf ihrer Insel noch in guter Erinnerung war.

Wie leicht diese Verfahren manipuliert werden konnten, zeigte sich auch beim Prozess gegen Verres: Zuerst musste Cicero erst einmal den Quintus Caecilius Niger loswerden, der ebenfalls die Anklage gegen Verres vertreten wollte. Cicero vermutete dahinter aber ein abgekartetes Spiel, weil Niger unter Verres als Quaestor gedient hatte, daher verdächtigte Cicero ihn, die Anklagevertretung nur übernehmen zu wollen, um durch absichtliche schlechte Prozessführung absichtlich zu verlieren. Dann versuchte Verres den Prozess ins nächste Jahr zu verschleppen, weil sich da die Zusammensetzung des Gerichts zu seinen Gunsten geändert hätte. Bezeichnend für die ganze Situation der römischen Provinzialverwaltung ist, dass einer der Verschleppungsversuche darin bestand, das ebenfalls anhängige Repetundenverfahren gegen den ehemaligen Statthalter von Bithynien vorziehen zu wollen ...
 
Die römische Bereitschaft und Fähigkeit, seine neuen Untertanen zu integrieren, hatte noch eine weitere wichtige Auswirkung, die mit seiner Militärmacht untrennbar verbunden war und sie erst ermöglichte: Die Verbreiterung der Rekrutierungsbasis - und vor allem die Fähigkeit, Verluste wegstecken zu können!

Oberflächlich betrachtet war die römische Militärgeschichte jahrhundertelang ein großer Siegeslauf mit nur wenigen Niederlagen wie im 2. Punischen Krieg, gegen die Kimbern und Teutonen, der Schlacht bei Carrhae oder der Varusschlacht. Aber auch abgesehen von diesen bekannten Schlachten mit vielen Tausenden Toten gab es zahlreiche Niederlagen, die heute kaum noch jemand kennt. Wenig bekannt ist z. B., dass die Römer 216 v. Chr. nicht nur ihre bekannte Niederlage bei Cannae erlitten, sondern im selben Jahr auch noch zwei Legionen und zahlreiche Bundesgenossentruppen unter dem Kommando eines designierten Konsuls in Norditalien in einem Wald in einen Hinterhalt der Gallier gerieten und fast vollständig vernichtet wurden. Auch in anderen Kriegen gab es zahlreiche Niederlagen mit oft nicht unbeträchtlichen Verlusten, die nur deswegen in Vergessenheit geraten sind, weil sie in keinem spektakulären Rahmen stattfanden und durch nachfolgende Siege wieder ausgewetzt wurden. Sogar Caesar verlor in Gallien eineinhalb Legionen durch einen Hinterhalt des Ambiorix. Und wer kann schon all die Soldaten zählen, die in den zweihundertjährigen Kriegen in Spanien ihr Leben gelassen haben?

Doch in diesem Punkt zeigt sich der wesentliche Unterschied zwischen Rom und beispielsweise den griechischen Staaten: So schmerzhaft diese römischen Niederlagen für die Opfer und deren Angehörige auch waren und so schockierend sie für Rom m Moment auch gewesen sein mögen, existenzbedrohend war fast keine (oder gar keine, je nachdem, wie man die Niederlage bei Cannae und ihre möglichen Folgen beurteilt, darüber haben wir ja schon in anderen Threads diskutiert). Bereits zur Zeit des 2. Punischen Krieges verfügte Rom den Volkszählungsergebnissen zufolge über ein Rekrutierungspotential von über 200.000 männlichen Bürgern, und auch wenn es im Laufe des Krieges auf unter 150.000 sank, war Rom immer noch in der Lage, genügend neue Truppen auszuheben. (Vorkommnisse wie die Rekrutierung von Sklaven nach der Schlacht von Cannae waren wohl eher eine Panikreaktion und der Furcht vor einem Angriff auf die Stadt Rom geschuldet als grundsätzlichen Mobilisierungsschwierigkeiten, denn in den nächsten Kriegsjahren konnten noch genug neue Truppen aufgestellt werden.) Und die Verluste der Schlacht bei Carrhae - so tragisch sie rein menschlich gesehen auch waren - werden relativiert angesichts von etwa einer Million männlichen Bürgern.
Wie anders die Lage in Griechenland, wo Unterworfene nicht integriert wurden! Als Athen in der zweiten Sizilianischen Expedition sein gesamtes Expeditionsheer, darunter etwa 10.000 Hopliten, verlor, schwächte dieser Verlust Athen für den Rest des Krieges nachhaltig. Sparta verfügte im 3. Jhdt. v. Chr. gar nur noch über etwa 1.000 Spartiaten.
 
Ein interessanter Link zu den Reisewegen Roms und zu seinen logistischen Problemen der Aufrechterhaltung des Imperiums

ORBIS
Möchte den von thanepower eingestellten Link noch mal empfehlen. Gestern war ein schöner Artikel über ORBIS in der FAS.

Mit dem "Routenplaner Romanum" der Stanford University können Reisezeiten und -kosten zwischen allen Städten des Imperiums unter mehreren Rahmenbedingungen errechnet werden. Bedienung wie ein ADAC-Tourenplaner nur halt mit Ochsenkarren, Galeere oder Caligae als geschwindigkeitsbestimmende Transportmittel.

Interessant und macht Spass
 
Ich hab grad bei Peter Heather gelesen, daß im 4ten Jahrhundert 80% des Landbesitzes 5% der Bevölkerung gehörten. In der Landwirtschaft arbeiteten aber 80% der Bevölkerung. Diese Entwicklung begann schon in der Republik.

Aus Sicht dieser herrschenden Schicht, die man durchaus als Adel bezeichnen kann, war das viel gerühmte römische Recht nur dazu da, ihr Eigentum zu schützen und die Legionen nur dazu da, ihre Sicherheit zu gewährleisten, gegen wen auch immer. Dafür waren sie auch bereit Steuern zu bezahlen, aber nur insoweit alle gängigen Mittel der Korruption versagten, diese weitmöglichst zu reduzieren.

Man muss sich angesichts solcher Zahlen fragen, wer Rom eigentlich war, wem es nutzte und ob das was mit seinem Untergang zu tun hat.

Man muss sich allerdings auch fragen, ob das "freie" Leben der Germanen mit ständigen Nachbarschaftskriegen und Überfällen so viel besser und gesünder war. Und auch im derzeitig letzten Staat der "freien Germanen" - der Bundesrepublik - gibt es ganz ähnliche 80/5 Zahlenspiele ;)

Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: die dünne herrschende Schicht der Peregrine, hatte durchaus Möglichkeiten, in diese Schicht aufzusteigen. Der Rest wurde von römischen Recht und Legionen für und im Auftrag dieser Schicht geknebelt. Ohne Führung blieb nur der Ausweg in erfolglosen Aufständen und Brigandentum. Ein kritischer Erfolgsfaktor war also auch ein perfides aber geniales und perfekt organisiertes System der Unterdrückung und Ausbeutung.

Bissle überspitzt formuliert, aber mir kommen die Römer immer zu gut weg, wenn vom Untergang ihrer "hochstehenden" Kultur gesprochen wird.
 
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Ich hab grad bei Peter Heather gelesen, daß im 4ten Jahrhundert 80% des Landbesitzes 5% der Bevölkerung gehörten. In der Landwirtschaft arbeiteten aber 80% der Bevölkerung. Diese Entwicklung begann schon in der Republik.
Aus Sicht dieser herrschenden Schicht, die man durchaus als Adel bezeichnen kann, war das viel gerühmte römische Recht nur dazu da, ihr Eigentum zu schützen und die Legionen nur dazu da, ihre Sicherheit zu gewährleisten, gegen wen auch immer. Dafür waren sie auch bereit Steuern zu bezahlen, aber nur insoweit alle gängigen Mittel der Korruption versagten, diese weitmöglichst zu reduzieren.
Man muss sich angesichts solcher Zahlen fragen, wer Rom eigentlich war, wem es nutzte und ob das was mit seinem Untergang zu tun hat.

Sieht ein wenig so aus, als ob Heather in den Schlussfolgerungen eine Anleihe beim Gini-Koeffizienten getätigt hat.
Wohlfahrtsökonomik ? Wikipedia

Das mag einer unter vielen Gründen gewesen sein. Aber mit der Interpretation bzw. einfachen Übertragung in die Antike wäre ich da vorsichtig.
 
Agricola schrieb:
Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: die dünne herrschende Schicht der Peregrine, hatte durchaus Möglichkeiten, in diese Schicht aufzusteigen. Der Rest wurde von römischen Recht und Legionen für und im Auftrag dieser Schicht geknebelt. Ohne Führung blieb nur der Ausweg in erfolglosen Aufständen und Brigandentum. Ein kritischer Erfolgsfaktor war also auch ein perfides aber geniales und perfekt organisiertes System der Unterdrückung und Ausbeutung.
Da könnte man als Zeugen "Das Leben des Brian" aufrufen. "Was haben uns die Römer je gebracht?" "Das Aquädukt!".

Wie Du zu Recht schreibst, war das Leben vor Cäsar in Nordgallien oder vor Augustus am linken Niederrhein besser als unter römischer Herrschaft?

Neben kulturellen Errungenschaften wie die Schrift gab es unter den Römern ganz handfeste Vorteile. Zum Beispiel:

- wesentlich leistungsfähigere Nutz- und Haustierrassen
- ein deutlich breiteres Angebot an Nutzpflanzen (Wein, Walnuss, Pflaume, etc)
- Zugriff auf ein imperiales Warenangebot (Garum, Papyrus, Oliven, etc.)

Und wie Agricola schon schrieb, dass wichtigste von allen war:
- der weitgehende innere Reichsfriede. Von den meisten Machtkämpfen um den Kaiserthron blieb die Provinzbevölkerung weitgehend verschont. Wie wertvoll diese Errungenschaft war, sieht man nach dem Limesfall. Horden von Germanen zogen plündernd und vergewaltigend durchs Land, dazu waren unsere germanische Vorfahren noch Skalpjäger, welche die Haare der Provinzbewohnerinnen (mit Kopfhaut) sammelten

Ich glaube, dass nach einer "kurzen" Phase des Widerstandes die Provinzbevölkerung im Nordwesten die Vorteile des RI schätzten. Anders war dies sicherlich im Osten des Imperiums, wo man viele der oben von mir genannten Errungenschaften schon kannte bzw. die Römer diese von dort übernommen oder geklaut (zum Beispiel die vielen Kunstwerke) hatten.
 
Das mag einer unter vielen Gründen gewesen sein. Aber mit der Interpretation bzw. einfachen Übertragung in die Antike wäre ich da vorsichtig.

Das ist richtig. Der Untergang war mindestens so komplex wie der Aufstieg Roms.

Der einfachste Grund für den Untergang ist: Die Germanen waren schuld! Dieser plakativen, eindimensionalen Antwort kann man nur schwerlich widersprechen.
Aber auch wenn die Germanen jetzt zahlreicher, besser gerüstet und organisiert waren - was sie imho auch den Römern verdankten - und mit den militärisch überlegenen Hunnen (u.a. assymetrischer Kompositbogen mit perfekt ausgebildeter Reiterei) im Rücken und trotz eines 2-Fronten-Kriegs mit den Sassaniden, sowas hätte ein 50 Millionen Imperium locker wegstecken müssen.

Da gabs also noch zahlreiche innere Ursachen. Auch wenn ein Heather das herunterspielt. Eine solche wirtschaftliche Supermacht, kann man gar nicht erobern. Es sei denn, man hätte mehrfach sehr viel Glück und krasse Fehlentscheidungen auf römischer Seite, oder die Wirtschaft ist ausgeblutet und steht bereits auf tönernen Füssen. Diese beiden Ansätze werden ja gerade nach Erscheinen von Heathers Buch wieder intensiv diskutiert. Ich glaube, es war Beides.

Ausserdem gibts zum Untergang schon einen langen und aufschlußreichen Thread. Die umgekehrte Frage nach dem Erfolgsrezept der Römer ist aber nicht weniger spannend. Und einige ihrer Erfolgsfaktoren mögen am Ende zu Sargnägeln geworden sein.
 
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sieht man nach dem Limesfall. Horden von Germanen zogen plündernd und vergewaltigend durchs Land, dazu waren unsere germanische Vorfahren noch Skalpjäger, welche die Haare der Provinzbewohnerinnen (mit Kopfhaut) sammelten
wirklich?

...also sorum muss mans auch mal sehen: die waren schon arg geplagt, die Römer - Weibsvolk skalpierende Germanen, schädeldeformierende Hunnen - - dagegn sind sie sieben Plagen ja pille-palle... kein Wunder, dass die Römer Sachen wie z.B. die Hyperboräer etc. für möglich hielten, viel schlimmer können die ja auch nicht sein :rofl::rofl:

Spaß beiseite: gibt es eine Quelle, die glaubwürdig von dieser Skalpierei berichtet? womöglich gar nach der aufgegebenen Rheingrenze?
 
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oder die Wirtschaft ist ausgeblutet und steht bereits auf tönernen Füssen. Diese beiden Ansätze werden ja gerade nach Erscheinen von Heathers Buch wieder intensiv diskutiert. Ich glaube, es war Beides.
ist für die Zeit nach Theodosius (letzter Kaiser beider Reichsteile) denn nicht klar, dass die Wirtschaft der weströmischen Hälfte teils im Eimer war, teils durch Misswirtschaft ruiniert war?
auf jeden Fall standen keine durchtrainierten und gut besoldeten Legionen mehr an den Grenzen des Westreichs, stattdessen etliche Foederaten und barbarische (germanische) Kontingente, welche zu bezahlen man Mühe hatte. Bezahlt man einen angeworbenen barbarischen General und seine Truppen nicht, dann wenden die sich flugs gegen die säumige Soldstelle... :grübel:
 
Bezahlt man einen angeworbenen barbarischen General und seine Truppen nicht, dann wenden die sich flugs gegen die säumige Soldstelle... :grübel:

Bezahlt man römische Legionen nicht, dann passiert im Zweifelsfall das Gleiche; das müssen keine Barbaren sein. Die Barbaren waren angeblich billiger und teilweise sogar besser und für die Legionen fand man eh keine Rekruten mehr? Da lief dann aber was gehörig schief. Die interessante Frage ist doch, wo war die leistungsfähige römische Wirtschaft geblieben? Warum blieben die Steuereinnahmen aus? Angeblich soll Rom ja schon zu Zeiten Trajans pleite gewesen sein. Ohne die Plünderung Dakiens und Mesopotamiens wären das harte Zeiten geworden für den "größten Kaiser aller Zeiten".

Aber um zum Thema zurückzukommen. War nicht gerade die leistungsfähige römische Wirtschaft und das funktionierende Steuersystem mit dem ein gut ausgebildetes und ausgerüstetes stehendes Heer unterhalten werden konnte ein großer Erfolgsfaktor des Imperiums? Wann brach hier die Basis weg und vor allem warum? Was genau meint Misswirtschaft?
 
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Aber um zum Thema zurückzukommen. War nicht gerade die leistungsfähige römische Wirtschaft und das funktionierende Steuersystem mit dem ein gut ausgebildetes und ausgerüstetes stehendes Heer unterhalten werden konnte ein großer Erfolgsfaktor des Imperiums? Wann brach hier die Basis weg und vor allem warum? Was genau meint Misswirtschaft?
...es wirkt recht modern: die Mittel, ein großes spätantikes Heer, welches die Rhein-Donaugrenze zuverlässig schützt, waren vorhanden - aber sie standen für so ein projekt nicht zur Verfügung... zur Misswirtschaft allgemein in der Spätantike zählte, dass die schwerreichen Latifundienbesitzer kaum steuerlich zur Kasse gebeten wurden: und es gab Senatorenfamilien, deren Vermögen als durchaus bill-gates-mäßig bezeichnet werden kann. Wenn ich mich richtign erinnere, hat H. Wolfram das ausgerechnet (das Reich und die Germanen).

vermutlich geriet nach und nach das Steuerwesen in Schieflage, da sich die Vermögenden den Pflichten entzogen - die nächsten darunter wurden prompt so sehr belastet, dass sie das auch nicht mehr leisten konnten (Kurialenproblem, z.B. bei Demandt Spätantike besprochen)
...aber nagel mich da bitte nicht fest: ich erwähne das nur aus vager Erinnerung, und da ich derzeit nicht daheim bin, kann ich es nicht nachlesen.

...noch eine galgenhumorige Idee: dass in der Spätantike das röm. Heer zunehmend quasi "aus Billiglohnländern" rekrutiert wurde, rächte sich irgendwann... mir fällt noch ein, irgendwo gelesen zu haben, dass verglichen mit Senatoreneinkommen/vermögen die Stillhaltezahlungen an z.B. Attila gar nicht so hoch waren; auch soll in der Spätphase die Westhälfte nur noch ein Zehntel der Einnahmen der Osthälfte erreicht haben (wobei zu bemerken ist, dass die Senatorengehälter im Ostreich weit niedriger gewesen sein sollen)
 
Aber um zum Thema zurückzukommen. War nicht gerade die leistungsfähige römische Wirtschaft und das funktionierende Steuersystem mit dem ein gut ausgebildetes und ausgerüstetes stehendes Heer unterhalten werden konnte ein großer Erfolgsfaktor des Imperiums? Wann brach hier die Basis weg und vor allem warum? Was genau meint Misswirtschaft?

Darüber ist schon viel Tinte geflossen. Die Wirtschaftshistorie setzt bei Symptomen an, wie zB Inflation, von der Quellen berichten und die in dem Verfall des Edelmetallgehaltes gesehen wird.

Die Finanzprobleme bekam man jedenfalls über lange Zeiträume nicht in den Griff: als Ursachen werden (rückgeschlossene) Probleme in der "Handelsbilanz" gesehen (Importüberschüsse vorwiegend aus dem Osten), aber auch in der Summe wohl gigantische Zahlungen, die als Tribute gegenüber Randmächten über Jahrzehnte geleistet wurden, um die Grenzen zu sichern. Im Prinzip hatte man lange gezahlt, um Einmärsche abzuwenden. Über 100 Jahre wird das die Wirtschaftskraft des Römischen Reiches aufgezehrt haben. Dazu kamen die Probleme im Inneren, die in ähnlicher Weise wirkten.
 
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