tejason
Aktives Mitglied
Integration und Unterdrückung
Auch von mir hier volle Zustimmung! Rom war ein sehr langlebiges Reich, dass im Rückblick vielleicht manches zu schnell auf die leichte Schulter genommen werden könnte, wenn man sich der zeitlichen Dimensionen nicht bewusst würde.
Wenn wir das römische Reich und seine unbestreitbaren Leistungen in Sachen Integration der unterworfenen Völker in sein politisches System (und sonstige „Ebenen“: Eben die antike Bildung & Konditionierung) betrachten, sollten wir nicht vergessen, dass dies erst die Frucht einer sehr langen Entwicklung darstellte. Diese Entwicklung war weder unblutig, noch ohne Verwerfungen geblieben und hatte in einigen Fällen wenigstens Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte gedauert! Bis zur „allgemeinen Verleihung der Bürgerrechte“ (Constitutio Antoniniana) mochte das (je nach Provinz & Gegend) viele, viele Generationen gedauert haben! – Kein Vergleich also mit der aktuellen „Integrationsdebatte in der BRD“ zum „Jahrestag 50 Jahre ‚Anwerbeabkommen zwischen der BRD und der Türkei‘“ zum 30.Oktober diesen Jahres!!
Rom war offen und bereit für Veränderungen: Es saugte geradezu die hellenistisch-griechische Kultur in sich auf, mit der es bereits während der Expansion in den Süden der italischen Halbinsel in Berührung gekommen war. Aber ebenso vehement lehnte es manche andere Kultur – oder wenigstens besondere Ausformungen derselben nachhaltig ab: Man erlaubte asiatische und ägyptische Götterkulte, konnte aber gegen missliebige Kulte grausam einschreiten. Beispiele seien hier der „Bacchanalienskandal“ des Jahres 186 v.Chr. oder das Verbot gegen die keltischen Druiden…
Aber Rom setzte immer die Eckpunkte alleine! Es unterwarf brutal fremde Völker, enteignete nach Gutdünken Einheimische um Kolonien oder Veteranensiedlungen anlegen zu können: Allein per Kriegsrecht! So wie Caesar die Aussage nachgesagt wird, dass der Sieger das Recht habe, dem Besiegten jedes beliebige Schicksal aufzuerlegen. Viele Bewohner wurden versklavt: Laut Plutarch hätten 1 Million Gallier die Eroberung durch Caesar nicht überlebt und eine weitere Million sei in die Sklaverei verkauft worden. In modernen Schätzungen finden sich auch höhere Zahlenangaben… Rom organisierte seine Eroberungen in Provinzen, bei denen die Einheimischen als „Peregrine“ (also Fremde - im eigenen Land!) galten, und die im Namen Roms von dort eingesetzten und endsandten Verwaltern beherrscht wurden. Diese Provinzstatthalter konnten eine nahezu unbeschränkte Gewalt über deren preregrine Bewohner ausüben. Ihre Hauptaufgabe war die Sicherstellung der Tribute an Rom, weshalb die Bürger römischen Rechts (wenigstens in Italien) für Jahrhunderte keine direkten Steuern mehr zu zahlen brauchten. Dabei kam es oft zu Übergriffen gegen Provinzbewohner, die ja beileibe nicht alle unterworfene, ehemalige Kriegsgegner gewesen waren, sondern auch gegenüber Gruppen, deren Status offiziell als „Verbündete“, oder „Freunde“ bezeichnet wurden! Ein provokantes Schlagwort erfasst die Situation der peregrinen Provinzbewohner sehr passend: Sie lebten unter einem "permanenten Besatzungsregime", durch das sie teils über Jahrhunderte zugunsten Roms ausgebeutet werden konnten! Dabei spreche ich hier nicht einmal über unterprivilegierte Gruppen wie etwa den Sklaven.
Aus dem Tatenbericht des Augustus, also einer authentischen Quelle von erster Ordnung, kann dieser Zustand durchaus abgelesen werden: Dort ist kaum einmal die Rede von den Provinzialen - nur von den nicht einmal ganz 5 Millionen Römern (Bürger römischen Rechts). Schätzungen gehen zu dieser Zeit von an die 40 Millionen Einwohnern des Imperiums aus. Penibel listete der erste römische Kaiser seine Wohltaten gegenüber dem römischen Volk auf, nicht aber woraus er diese finanzieren konnte. Nur einige Male nennt er die naheliegende Quelle seines persönlichen Reichtums ganz direkt, wenn er von Kriegsbeute schreiben lässt.
Res_gestae_divi_Augusti
Nun wird deutlicher für wen der Erfolg Roms wichtig war und wer an seiner Herrschaft profitierte. Aber es waren noch weniger, als jene „5 Millionen Römer“ dieser Zeit. Der normale, niedere Plebs (wie sie abfällig genannt wurden) hatte von den reichen Einkünften aus den Provinzen wenig mehr als vielleicht die Getreidespenden oder gesponserte Circusspiele… Die eigentlichen Nutznießer des römischen Herrschaftssystems waren die römischen Oberschichten, deren Loyalität und Mithilfe für die Funktionsfähigkeit- wie den Bestand des Imperiums unerlässlich waren. Hierbei handelte es sich reichsweit gesehen vor allem um die Angehörigen der beiden obersten Stände: Der Senatoren und der Equite-Ritterschaft. Lokal gesehen kamen noch die örtlichen Honoratioren hinzu. Allein dieser Schicht stand eine politische Karriere offen und damit die lukrativen Ämter des Reiches.
Diese Elite der römischen Gesellschaft war es, die gleichermaßen Kultur wie Staat prägte und ihn über Jahrhunderte hinweg aufrecht erhielt. Dazu benötigte es die von Reinecke in Post #3 bereits genannten Wirkmittel um es nach Innen wie nach Außen durchsetzen zu können. Das Selbstverständnis dieses Standes machte es ihnen zur Pflicht sich für "ihren" Staat einzusetzen und dort Ansehen und Karriere zu erwerben. Das schuf den Anreiz an andere Reichsbewohner es ihnen nachzueifern und in diesen Stand aufzurücken, was durch eine zweckorientierte "Durchlässigkeit" dieses Standes ermöglicht wurde und erwünscht war. Dies wollte ich nur kurz aufzeigen.:doc:
Ein weiterer wichtiger Punkt war die Fähigkeit Roms, seine Untertanen nach und nach zu integrieren: Rom verstand es, seine neuen Untertanen an sich zu binden, indem es ihnen scheibchenweise zusätzliche Rechte gewährte, letztlich manchmal das volle Bürgerrecht, sodass sich die Unterworfenen im Laufe der Zeit als Teilhaber der Herrschaft fühlen konnten...
Auch von mir hier volle Zustimmung! Rom war ein sehr langlebiges Reich, dass im Rückblick vielleicht manches zu schnell auf die leichte Schulter genommen werden könnte, wenn man sich der zeitlichen Dimensionen nicht bewusst würde.
Wenn wir das römische Reich und seine unbestreitbaren Leistungen in Sachen Integration der unterworfenen Völker in sein politisches System (und sonstige „Ebenen“: Eben die antike Bildung & Konditionierung) betrachten, sollten wir nicht vergessen, dass dies erst die Frucht einer sehr langen Entwicklung darstellte. Diese Entwicklung war weder unblutig, noch ohne Verwerfungen geblieben und hatte in einigen Fällen wenigstens Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte gedauert! Bis zur „allgemeinen Verleihung der Bürgerrechte“ (Constitutio Antoniniana) mochte das (je nach Provinz & Gegend) viele, viele Generationen gedauert haben! – Kein Vergleich also mit der aktuellen „Integrationsdebatte in der BRD“ zum „Jahrestag 50 Jahre ‚Anwerbeabkommen zwischen der BRD und der Türkei‘“ zum 30.Oktober diesen Jahres!!
Rom war offen und bereit für Veränderungen: Es saugte geradezu die hellenistisch-griechische Kultur in sich auf, mit der es bereits während der Expansion in den Süden der italischen Halbinsel in Berührung gekommen war. Aber ebenso vehement lehnte es manche andere Kultur – oder wenigstens besondere Ausformungen derselben nachhaltig ab: Man erlaubte asiatische und ägyptische Götterkulte, konnte aber gegen missliebige Kulte grausam einschreiten. Beispiele seien hier der „Bacchanalienskandal“ des Jahres 186 v.Chr. oder das Verbot gegen die keltischen Druiden…
Aber Rom setzte immer die Eckpunkte alleine! Es unterwarf brutal fremde Völker, enteignete nach Gutdünken Einheimische um Kolonien oder Veteranensiedlungen anlegen zu können: Allein per Kriegsrecht! So wie Caesar die Aussage nachgesagt wird, dass der Sieger das Recht habe, dem Besiegten jedes beliebige Schicksal aufzuerlegen. Viele Bewohner wurden versklavt: Laut Plutarch hätten 1 Million Gallier die Eroberung durch Caesar nicht überlebt und eine weitere Million sei in die Sklaverei verkauft worden. In modernen Schätzungen finden sich auch höhere Zahlenangaben… Rom organisierte seine Eroberungen in Provinzen, bei denen die Einheimischen als „Peregrine“ (also Fremde - im eigenen Land!) galten, und die im Namen Roms von dort eingesetzten und endsandten Verwaltern beherrscht wurden. Diese Provinzstatthalter konnten eine nahezu unbeschränkte Gewalt über deren preregrine Bewohner ausüben. Ihre Hauptaufgabe war die Sicherstellung der Tribute an Rom, weshalb die Bürger römischen Rechts (wenigstens in Italien) für Jahrhunderte keine direkten Steuern mehr zu zahlen brauchten. Dabei kam es oft zu Übergriffen gegen Provinzbewohner, die ja beileibe nicht alle unterworfene, ehemalige Kriegsgegner gewesen waren, sondern auch gegenüber Gruppen, deren Status offiziell als „Verbündete“, oder „Freunde“ bezeichnet wurden! Ein provokantes Schlagwort erfasst die Situation der peregrinen Provinzbewohner sehr passend: Sie lebten unter einem "permanenten Besatzungsregime", durch das sie teils über Jahrhunderte zugunsten Roms ausgebeutet werden konnten! Dabei spreche ich hier nicht einmal über unterprivilegierte Gruppen wie etwa den Sklaven.
Aus dem Tatenbericht des Augustus, also einer authentischen Quelle von erster Ordnung, kann dieser Zustand durchaus abgelesen werden: Dort ist kaum einmal die Rede von den Provinzialen - nur von den nicht einmal ganz 5 Millionen Römern (Bürger römischen Rechts). Schätzungen gehen zu dieser Zeit von an die 40 Millionen Einwohnern des Imperiums aus. Penibel listete der erste römische Kaiser seine Wohltaten gegenüber dem römischen Volk auf, nicht aber woraus er diese finanzieren konnte. Nur einige Male nennt er die naheliegende Quelle seines persönlichen Reichtums ganz direkt, wenn er von Kriegsbeute schreiben lässt.
Res_gestae_divi_Augusti
Nun wird deutlicher für wen der Erfolg Roms wichtig war und wer an seiner Herrschaft profitierte. Aber es waren noch weniger, als jene „5 Millionen Römer“ dieser Zeit. Der normale, niedere Plebs (wie sie abfällig genannt wurden) hatte von den reichen Einkünften aus den Provinzen wenig mehr als vielleicht die Getreidespenden oder gesponserte Circusspiele… Die eigentlichen Nutznießer des römischen Herrschaftssystems waren die römischen Oberschichten, deren Loyalität und Mithilfe für die Funktionsfähigkeit- wie den Bestand des Imperiums unerlässlich waren. Hierbei handelte es sich reichsweit gesehen vor allem um die Angehörigen der beiden obersten Stände: Der Senatoren und der Equite-Ritterschaft. Lokal gesehen kamen noch die örtlichen Honoratioren hinzu. Allein dieser Schicht stand eine politische Karriere offen und damit die lukrativen Ämter des Reiches.
Diese Elite der römischen Gesellschaft war es, die gleichermaßen Kultur wie Staat prägte und ihn über Jahrhunderte hinweg aufrecht erhielt. Dazu benötigte es die von Reinecke in Post #3 bereits genannten Wirkmittel um es nach Innen wie nach Außen durchsetzen zu können. Das Selbstverständnis dieses Standes machte es ihnen zur Pflicht sich für "ihren" Staat einzusetzen und dort Ansehen und Karriere zu erwerben. Das schuf den Anreiz an andere Reichsbewohner es ihnen nachzueifern und in diesen Stand aufzurücken, was durch eine zweckorientierte "Durchlässigkeit" dieses Standes ermöglicht wurde und erwünscht war. Dies wollte ich nur kurz aufzeigen.:doc: