Spätes Zarenreich und der Wodka

Vermutlich hast Du da etwas missverstanden:

"Lief" bedeutet, dass ein erheblicher Teil der Staatseinnahmen im Gegensatz zu heute aus der Alkoholbesteuerung stammte, ergo ein in Relation beachtlicher Teil der Ausgaben über diese Besteuerung finanziert werden musste und konnte.

Die Relationen damals und heute sind nicht vergleichbar.
 
Gibt eine russische Studie von N.I. Gorskaja (("Swobodnij krestyjanin pered mirowim i wolostnim sudom (Mestnaja justizia v 1860-1880 gg), veröffentlicht wurde -unter anderem- im Rossijskaja istorija 2011.1., ab S. 28 bis 41)) über den lokale Justiztätigkeiten zwischen 1860 und 1880, der Funktionsfähigkeit der Dorfgemeinschaft und die Bezirksgerichte im bauerliche Sachen-Angelegenheiten wurde geprüft.

Nach Gorskaja im zeitgenössische Publizistik wurde überbetont die Bauern Trunkenheit, die im Widerspruch steht damit, dass wesentlich wenige solche Fälle beim Justizangelegenheiten gefunden wurde, als erwartet war.

((Die Soldaten kamen Großteils aus dem Schicht: Bauer, und ich kann es vorzustellen, dass -weil der geprüfte Zeit der Anfangs -und Folgezeit des 1861 -er Leibeigenschaft- und Boden(Agrar)reforms war, wo einige "Unstimmigkeiten" auch waren -, der Verhaltensmuster mit dem Trunkenheit eine gewisse Kontinuität zeigen könnte bis oder sogar über den Zeit P.A. Stolipins Reform (9. XI.1906).)
 
Nach Gorskaja im zeitgenössische Publizistik wurde überbetont die Bauern Trunkenheit, die im Widerspruch steht damit, dass wesentlich wenige solche Fälle beim Justizangelegenheiten gefunden wurde, als erwartet war.

Ob man den Zusammenhang zwischen Verbreitung und Justizfällen herstellen kann, erscheint mir fraglich.

Erstens ist zu fragen, ob das überhaupt stringent verfolgt wurde. Weiterhin könnte man bei einer großen Verbreitung und einer sozialen "Akzeptanz" davon ausgehen, dass das eben nicht verfolgt wird. Schließlich ist die Frage nach der Funktion der Justiz in weiten Teilen des Landes zu stellen.

In allen Fällen wäre die Analyse der Justizfälle nicht überraschend, und erlaubt dann keinen Rückschluss auf die Verbreitung.
 
Gibt eine russische Studie von N.I. Gorskaja (("Swobodnij krestyjanin pered mirowim i wolostnim sudom (Mestnaja justizia v 1860-1880 gg), veröffentlicht wurde -unter anderem- im Rossijskaja istorija 2011.1., ab S. 28 bis 41)) über den lokale Justiztätigkeiten zwischen 1860 und 1880, der Funktionsfähigkeit der Dorfgemeinschaft und die Bezirksgerichte im bauerliche Sachen-Angelegenheiten wurde geprüft.
ein kleiner Blick in die schöngeistige Literatur:
nachts da soff ich ohne Ende
tags streckt ich die Zunge raus
aus Dostojewski, die Dämonen (der Säufer Lebjadkin)
Dostojewskis Trinker (besser Säufer) entstammen in städtischem/kleinstädtischem Milieu der Unterschicht (zu welcher auch Kleinbürger, niedere Beamte etc. gezählt werden können) Dostojewski hat in seinen Romanen einige Trinker als Nebenfiguren

Bei Sologub, der kleine Dämon, befassen sich aus Bosheit Intellektuelle (Lehrer etc.) damit, absichtlich wie die Bauern zu saufen und randalieren dann (Mietwohnung verwüsten)

Bei Bely, die silberne Taube, findet sich das saufen ebenfalls in ländlicher Umgebung bei den Bauern

(angemerkt sei: der saloppe Begriff saufen meint hier das exzessive Schnaps- bzw Wodkatrinken)

immerhin, wohl infolge der Lektüre russ. Literatur, taucht mit Misstrauen betrachtet das Wodkatrinken auch in Thomas Manns Zauberberg auf: eine intrigante Lehrerin verdächtigt den russischen Gatten der Madame Chauchat, wie alle Russen dem Wutki verfallen zu sein

für den Beginn des 20. Jhs. berichtet Artur Rubinstein im ersten Teil seiner Autobiografie von Kaviar- und Wodkaexzessen in den ewas höheren Kreisen in Russland.
 
@oglokea

Das ist ein äußerst schwieriges statistisches und rechtshistorisches Problem.

Wie Du dem nachstehenden Link entnehmen kannst, trat dieses Phänomen nicht nur in Russland auf bzw. um genauer zu sein, wurde dieses Phänomen in der öffentlichen seinerzeitigen Diskussion wahrgenommen und rezeptiert.

Elendsalkoholismus ? Wikipedia

Ob es Alkoholismus als Massenphänomen auch schon vorher gab, aber nicht problematisiert wurde, ist wahrscheinlich nicht nur mir unklar,

Was die Strafverfahren angeht, bin ich mir nicht klar, ob sich Alkoholismus bzw. Straftaten unter Alkoholeinfluss in den Gerichtsakten bzw. der Kriminalitätsstatistik am Ende des 19. Jh. signifikant nachweisen lassen, da müßte man die Prozeßordnungen, Strafmilderungs- bzw.verschärfungen sich anschauen sowie, zumindest für Deutschland, einschlägige Urteile des Reichsgerichtes.

OT:

Mir ist es auch nicht ganz klar, ob Alkoholismus als soziales Phänomen erst ab dem 19. Jh. wahrgenommen wurde.

M.
 
...

für den Beginn des 20. Jhs. berichtet Artur Rubinstein im ersten Teil seiner Autobiografie von Kaviar- und Wodkaexzessen in den ewas höheren Kreisen in Russland.
Dankeschönfür die literarische Nachweis, Du hast Recht natürlich.

(Außerdem vor meine Auge "schwebt" jetzt der Bild von B. Jelzin...)

Ich habe selbe eine Buch von A. Rubinstein, "Erinnerungren"/Die frühen Jahren(1973. by Aniela Rubinstein, Eva Rubinstein Coffin, Alina R.....), habe schon sehr lange Zeit gelesen,wenn Du diese meinst, vielleicht könntest Du bitte der genau Abschnitt für mich zu nennen, über diese Wodkaexzessen?
Vielen Dank dafür.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Erinnerungren"/Die frühen Jahren
genau das meinte ich - da ich aber derzeit nicht zu Hause bin, kann ich es nicht nachschauen. Ich erinnere mich, dass Rubinstein davon erzählt, sehr weit nach Nordosten zu einem Konzert eingeladen gewesen zu sein, dass es dort anschließend in Eisblöcken (!) Kaviar gab und dass Unmengen von Wodka getrunken wurden. Das spielte sich noch vor dem ersten Weltkrieg ab.
 
@Melchior: habe die Linksinhalt durchgelesen, wenn ich entschieden sollte: auf wessen "Seite" ich mich tendiere, zur Pro/Engels usw. oder Kontra/G.Hirschfelder usw, ich halte es für mich nachvollziehbarer der "Kontra" Standpunkt.

Ja, es ist eine sehr schwerige Sache: z.B. ab welche Menge wird jemand "besoffen" sein, -weil es ist wirklich Wahr, dass viele Russen unmenge Wodka trinken können, ohne sich dabei "umzukippen".
Ich vermute, dass in GB auch viele Menschen Gin trinken können, mit dem selbe Effekt wie es bei den Russen gibt.
Es ist von mir fern, dass ich hier etwas veralgemeine, aber der ursprüngliche Thema war doch das: trinken-oder nicht trinken die Russen "zuviel".., und was ist diese "zuviel", ich denke: es ist sehr individuel.

Eigentlich kann ich das auch nachvollziehen, dass (nach dem Linksinhalt) beim schwere Arbeit die Menschen unter dem Arbeit getrunken haben.
Aber, dass desswegen sie -zB. beim Krupp der "Schnapsrotation" in eine zur Firma-"abhängige", und besser "in Hand sein" Situation sich geraten haben, dass halte ich unbegründet und unlogisch.

(Wenn wir schon ein wenig breitere Feld hier erwähnten, zur "Elendalkoholismus", oder Trunkenheit, in dem heutige Zeit auch viele Unbeschäftigte trinken, werden Alkoholiker, -ohne dabei schwere Arbeit zu tun.)
 
Welchen Wert Dostojewskis Romane als Quellen haben ist, schwer zu beurteilen.
Nein, eigentlich ist es sehr leicht zu beurteilen. Sie sind völlig wertlos, weil sie Romane sind.

1. Es handelt sich um Weltliteratur. Dostojewskis Romane haben auch das Russlandbild im Westen geprägt. Es ist daher durchaus denkbar, dass sich hier die Katze in den Schwanz beißt. Dostojewskis Romane sind viel mehr Ursache diverser Russland-Klischees und können nicht als Bestätigung herhalten.

2. In seinen Romanen beschreibt Dostojewski nicht gerade die nettesten Russen. Die Romanfiguren sind Ehebrecher, Verrückte, Perverse, Trinker, Mörder, Spieler, Gottesnarren, politisch Radikale usw.
Abweichend hiervorn erklärt der fiktive Autor in "Der Idiot" in diesem Roman würden Alltagsmenschen beschrieben, aber auch das mag Ironie sein. (Vielleicht fusst es auch nur auf der simplen Logik, dass Verlierer alltäglicher sind als Gewinner.) Das ändert nichts daran, dass es in Dostojewskis Werk nur so von Verrückten und armen Sündern wimmelt. Der naive Leser glaubt dann vielleicht, dies wäre die Beschreibung des wahren Russlands oder der russischen Seele.
 
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Vor allem war Vodka in der Armee das einzige Zahlungsmittel......Der einfache Soldat wurde in Vodka ausgezahlt! Daher hatten die baltischen Güter sich hauptsächlich auf die Herstellung von Vodka spezialisiert!
 
Neben Dostojewski gibt es ja noch andere Autoren, die das Leben in Russland in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg wiedergeben. Mir fällt der Name nicht mehr ein, ich meine, es war das Buch "Hiob", in dem 2 Brüder aus Galizien zur Musterung im Zug fahren und aus dem Fenster die Bauern auf den Feldern sehen. Einer sagte dann im Gespräch, er wolle auch wie die Bauern betrunken sein und mit den Mädchen da schlafen.

Ob Vodka bei den rauschenden Gelagen des Adels wirklich im Mittelpunkt stand, kann ich nicht beurteilen.

Aber in der Armee war Vodka sehr verbreitet und viele Bauern waren von früh bis abends nur besoffen. Das ist auch kein Klischee. Wein oder guten Kaffee usw. gabs halt nicht für die Leibeigenen im täglichen Angebot.
 
Neben Dostojewski gibt es ja noch andere Autoren, die das Leben in Russland in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg wiedergeben. Mir fällt der Name nicht mehr ein, ich meine, es war das Buch "Hiob", in dem 2 Brüder aus Galizien zur Musterung im Zug fahren und aus dem Fenster die Bauern auf den Feldern sehen. Einer sagte dann im Gespräch, er wolle auch wie die Bauern betrunken sein und mit den Mädchen da schlafen.

Ob Vodka bei den rauschenden Gelagen des Adels wirklich im Mittelpunkt stand, kann ich nicht beurteilen.

Aber in der Armee war Vodka sehr verbreitet und viele Bauern waren von früh bis abends nur besoffen. Das ist auch kein Klischee. Wein oder guten Kaffee usw. gabs halt nicht für die Leibeigenen im täglichen Angebot.

Hiob- Roman eines einfachen Mannes ist von Joseph Roth (Radetzkymarsch, Kapuzinergruft) und handelt von der Biographie eines Thoralehrers in einem Stetl im zaristischen Russland. Erschienen ist der Roman 1930, die Reduzierung des Inhalts auf sexuelle Eskapaden und Saufgelage ist aber ein bisschen eindimensional.
 
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