Ehemündigkeit Spätmittelalter

ShadowHunter

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Servus,
ich hätte da mal eine Frage zum Eherecht im Spätmittealter. Genauer geht's um den Fall der Margarete "Maultasch" von Tirol.
Ich habe gelesen, dass Frauen mit 12, Männer mit 14 Jahren ehemündig waren, nach kirchlichem Recht.
Habe nun hier aber einen Fall, bei dem die Ehe zwischen einer 12-jährigen und einem erst 8-jährigen gestiftet wird. Alles in hochadeligen Kreisen.
Kommt sowas im Spätmittelalter häufig vor oder ist sowas ein Ausnahmefall?
Wenn ja, wie reagierte die Kirche darauf? War denen das egal?
Versteh ich das richtig, wenn es heißt "die Ehe wird vollzogen", dass dann schlichtweg Sex gemeint ist? Oder hat das auch etwas mit der Heirat zu tun?

Danke!
 
Versteh ich das richtig, wenn es heißt "die Ehe wird vollzogen", dass dann schlichtweg Sex gemeint ist? Oder hat das auch etwas mit der Heirat zu tun?

Eine geschlossene Ehe, die nicht vollzogen wird, ist auch für die Kirche, die unter dem Motto "Seid fruchtbar und vermehret euch" Ehen schließt, ein Scheidungsgrund. Also ja.
 
Die Frage, warum da eine 12-jährige einen 8-jährigen heiraten durfte, ohne dass es irgendwelche Widersprüche seitens der Kirche gab, ist sehr "einfach" zu beantworten.

Diese Eheschließung war von höchstem politischen Interesse. Der Kaiser verheiratete seinen Sohn mit der Tochter eines einflussreichen Reichsfürsten, der es sogar zum Titularkönig gebracht hatte. Und dieses Mädchen sollte von ihrem Vater zumindest eine reiche und strategisch wichtige Grafschaft erben.

Wie gesagt: Höchste Politik. Und dass, sobald es um diese geht, Gesetze (oder gar moralische Vorstellungen) nicht mehr zählen, haben wir gerade erst wieder gesehen. :D
 
also kann man sagen, dass der ganze Adel sich eigentlich rausgesucht hat, welche Punkte im Kirchenrecht er (einigermaßen) berücksichtigen wollte und welche nicht?
Einerseits gaben die ja kaum was auf Kirchenbann, Interdikt oder das Mindestalter der Verheirateten.. andererseits muss der Erbe kirchenrechtlich anerkannt sein, sprich ein Bastard kann nicht erben?
 
Normalerweise wurde um einen kirchlichen Dispens angesucht, also eine Ausnahmegenehmigung des zuständigen Bischofs oder des Papstes. Vor allem der örtliche Bischof hatte oft nicht den Mumm, nein zu den Wünschen mächtiger Adliger zu sagen - oder er wollte es auch gar nicht, weil er im Gegenzug etwas für sich oder die Kirche herausschlagen konnte. Beim Papst hing es vor allem von politischen Erwägungen ab, ob er den Dispens gewährte, wenngleich es auch Fälle hoher Standfestigkeit gab, z. B. als Papst Nikolaus I. dem lothringischen König Lothar II. trotz der Zustimmung der regionalen kirchlichen Autoritäten und trotz einer Belagerung Roms die Scheidung und Wiederverheiratung verweigerte.

Im Fall von Margarete Maultasch gab es jedoch keinen Dispens.
 
Ob er angefragt wurde weiß ich nicht genau, aber Kaiser Ludwig der Bayer, also der Schwiegervater Margaretes hatte STreit mit dem Papst. Deswegen schien es aussichtslos, dass die Ehe anerkannt wird und damit auch die Kinder legitime Erben wären. Später wurde die Ehe dann neu geschlossen bzw. anerkannt, aber nur weil Luxemburg bzw. später Habsburg vermittelt haben.

Dann hätte ich noch eine andere Frage, die jetzt nich direkt zu dem Thema gehört.
Die Margarete war ja ab 1361 Witwe. Der Sohn übernahm dann daraufhin die Herrschaft. Aber auch er starb nur 2 Jahre später, 1363. Ursprünglich hat Tirol Margarete geerbt, ihrem Vater gehörte es, der Mann heiratete sozusagen nur ein.
Ist es normal, dass Margarete dann die Herrschaft übernimmt, obwohl ja eigentlich eine Generation (die ihres Sohnes, der ja der Dynastie des Mannes angehört) dazwischen liegt?
Wär es nicht normal gewesen, wenn Margarete einfach in irgendeinen Witwensitz abgeschoben worden wäre und Wittelsbach, die Dynastie ihres Mannes, das Land übernommen hätte?
 
Dem salischen Gesetz zufolge wäre sie imho überhaupt nicht berechtigt gewesen. Es spricht für ihre Durchsetzungsstärke und vielleicht auch die Lehenstreue ihrer Lehensnehmer, dass sie sich durchsetzen konnte.
 
Die Margarete war ja ab 1361 Witwe. Der Sohn übernahm dann daraufhin die Herrschaft. Aber auch er starb nur 2 Jahre später, 1363. Ursprünglich hat Tirol Margarete geerbt, ihrem Vater gehörte es, der Mann heiratete sozusagen nur ein.
Ist es normal, dass Margarete dann die Herrschaft übernimmt, obwohl ja eigentlich eine Generation (die ihres Sohnes, der ja der Dynastie des Mannes angehört) dazwischen liegt?
Wär es nicht normal gewesen, wenn Margarete einfach in irgendeinen Witwensitz abgeschoben worden wäre und Wittelsbach, die Dynastie ihres Mannes, das Land übernommen hätte?

Im Jahr 1349 wurde die Ehe zwischen Margarete und Johann rechtskräftig geschieden, sodass Johann von Luxemburg-Böhmen nach Margaretes Tod 1363 keinen Anspruch auf Tirol erheben konnte. Da Margaretes Sohn Meinhard III. sowie ihr zweiter Ehemann Ludwig vor ihr gestorben waren, gab es keine Leibeserben. Die Dynastie war damit ausgestorben, sodass Tirol an den erbrechtlich nächsten Verwandten fallen musste. Das war Rudolf IV. von Habsburg, dem sie 1363 die Regierungsgewalt übergab. Rudolfs Großmutter Elisabeth war eine Tiroler Prinzessin, die sich mit Albrecht von Österreich vermählt hatte.

Nach dem Erbrecht stand Mrgarete ein Leibgedinge zu, das sie im heutigen Bezirk Wien-Margareten fand. Die Tiroler müssen so sehr an Margarete gehangen haben, dass der neue Herr, Graf Rudolf IV., Margarete untersagte, Tirol noch einmal zu betreten.

Wie so häufig gab es Erbstreitigkeiten. Die Wittelsbacher leiteten aus Margaretes Ehe mit dem ersten Ehemann Ludwig von Bayern-Brandenburg ein Nachfolgerecht in Tirol ab, konnten sich aber trotz eines militärischen Einfalls nicht durchsetzen.

Margaretes Sohn Meinhard III. regierte nur von 1361-63. Er war in dieser kurzen Zeit mit der Niederschlagung von Adelsrevolten beschäftigt, sodass er sicher froh war, seine verwitwete Mutter als tatkräftige Verwalterin in der Residenz zu haben.
 
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Die Dynastie war damit ausgestorben, sodass Tirol an den erbrechtlich nächsten Verwandten fallen musste. Das war Rudolf IV. von Habsburg, dem sie 1363 die Regierungsgewalt übergab. Rudolfs Großmutter Elisabeth war eine Tiroler Prinzessin, die sich mit Albrecht von Österreich vermählt hatte.

Aber eigentlich war Margarete doch nach der Heirat mit Ludwig dem Brandenburger eine wittelsbachische Fürstin und Meinhard ein wittelsbachischer Prinz. Wäre es da dann nicht eher "normal" für diese Zeit gewesen, wenn sie Tirol an Wittelsbach übergeben hätte? (auch wenn Meinhard III. mit einer Habsburgerin verheiratet war)
Die Verbindung zu Habsburg über diese Elisabeth ist ja schon über ein paar Ecken. Wieso hat da der Kaiser nicht einfach irgendwas gesagt von wegen heimgefallenes Reichslehen und es dann neu vergeben? Oder ist der Gedanke Blödsinn?

Hätte sie nicht einfach auch selbst die Herrschaft über Tirol übernehmen können? Also theoretisch. Praktisch wollten natürlich Habsburg oder Wittelsbach dort jemanden etablieren, am besten so früh wie möglich. Oder?
Für eine erneute Heirat war sie wohl einfach schon zu alt, vermute ich mal, oder?
 
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Aber eigentlich war Margarete doch nach der Heirat mit Ludwig dem Brandenburger eine wittelsbachische Fürstin und Meinhard ein wittelsbachischer Prinz. Wäre es da dann nicht eher "normal" für diese Zeit gewesen, wenn sie Tirol an Wittelsbach übergeben hätte?

Das Mittelalter hielt an dem überlieferten Grundsatz fest, dass die Blutsverwandten des Erblassers die berufenen Erben sind. Das war in diesem Fall allerdings nicht ganz eindeutig, sodass sowohl Habsburg als auch Wittelsbach Ansprüche erhoben.

Der letzte Tiroler Graf Meinhard III. hatte mit Margarete eine Schwester Rudolfs IV. von Österreich geheiratet. Die Großmutter dieses Rudolfs, Elisabeth, war eine Tiroler Prinzessin, die sich mit Albrecht I. von Österreich vermählt hatte. Auf diese Verwandtschaft gründeten die Habsburger ihre Ansprüche.

Wie du schon richtig gesagt hast, war die Erbfolge zumindest anfechtbar. Immerhin war der Vater Meinhards III., Ludwig von Bayern-Brandenburg, ein Wittelsbacher, sodass diese ebenfalls Anspruch auf Tirol erhoben. Stephan II. von Bayern-Landshut marschierte in Tirol ein, konnte aber in der Schlacht bei Ötting keine Entscheidung erzwingen. Somit kam es 1369 zum Frieden von Schärding, in dem Bayern gegen eine finanzielle Abfindung auf Tirol verzichtete. Einige Gerichte wie Kufstein und Kitzbühel blieben allerdings bei Bayern.

Der Erbstreit um Tirol ist lediglich ein Beispiel für zahlreiche ähnliche Auseinandersetzungen im Reich, die nicht selten auch zu Kriegen führten, wie z.B. im Jülisch-Klevischen-Erbfolgekrieg Jülich-Klevischer Erbfolgestreit ? Wikipedia . Bei verwickelten Erbstreitigkeiten war es zuweilen Ansichtssache, welcher Erbe dem Erblasser am nächsten gestanden hatte, wobei Juristen der gegenerischen Parteien dicke Gutachten verfassten. Im Fall Tirols hatten die Wittelsbacher nach meiner Meinung mindestens die gleichen Erbrechte wie Habsburg, sodass schließlich die mächtigere Partei den Streit entschied.

Hätte sie nicht einfach auch selbst die Herrschaft über Tirol übernehmen können? Also theoretisch. Praktisch wollten natürlich Habsburg oder Wittelsbach dort jemanden etablieren, am besten so früh wie möglich. Oder?
Für eine erneute Heirat war sie wohl einfach schon zu alt, vermute ich mal, oder?

Es gab im Heiligen Römischen Reich, wo das Salische Gesetz galt, keine weibliche Erbfolge. Margarete Maultasch hätte sich also nach dem Tod ihres Sohnes nicht zur regierenden Gräfin Tirols aufschwingen können. Was es allerdings häufg eintrat waren Frauen, die als Regentinnen für unmündige Söhne das Land verwalteten.

Ausnahmen davon bildeten Fälle, wo ein Herrscher ausdrücklich den Kaiser und andere Mächte darum bat, eine weibliche Erbfolge zuzulassen. Auf diese Weise war ja Margarete Maultasch selbst mit Einwilligung des Kaisers zur Erbnachfolge gekommen, allerdings übernahm die Regierung Tirols ihr Mann Johann von Luxemburg-Böhmen.
 
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Habe nun hier aber einen Fall, bei dem die Ehe zwischen einer 12-jährigen und einem erst 8-jährigen gestiftet wird. Alles in hochadeligen Kreisen.

Wurden die beiden in diesem Alter tatsächlich verheiratet, oder wurde ihre Ehe lediglich von ihren Vätern vereinbart? Das wäre meines Erachtens ein Unterschied.

Im Mittelalter wurden die Ehen der Kinder häufig schon während ihres Kinderalters vereinbart, bsw. zum Zwecks eines politischen Bündnisses, wobei die kirchliche Trauung erst begangen wurde, sobald die Verlobten das Mündnigkeitsalter erreicht hatten. Ein Beispiel dazu wäre Jakob I. von Aragón, der bereits als Säugling mit der Gräfin von Urgell und dann als Zweijähriger mit einer Tochter Simons de Montfort verlobt wurde, ohne das diese Ehen jemals tatsächlich zustande gekommen waren.
 
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