Gedärme und andere Ausscheidungen

Neddy

Aktives Mitglied
Ist zwar keine direkte Debatte zu Kriegsschauplätzen, die ich hier anzetteln möchte, hat aber doch was mit der Kombination aus Krieg und dem Örtchen zu tun. (Womit ich mir u. a. auch erhoffe, mal wieder den marinehistorischen Anteil zielgerichtet zu beleben :winke:). Warnung für alle Zartbesaiteten: Es handelt sich um einen eher unappetitlichen Themenkomplex und wer noch nicht gegessen hat, liest auf eigene Gefahr weiter...

Ich habe im Frühling angefanden,
Carsten Jensen: Wir Ertrunkenen (Roman!)
zu lesen. Anfangs geht's dabei um das Gefecht bei Eckernförde Gefecht bei Eckernförde ? Wikipedia .

Was in meinem kranken Hirn hängengeblieben ist: Früh im Gefecht bzw. kurz davor sollen sich die Gedärme der dänischen Seeleute mal eben von selbst entleert haben. Es wird vom Autor Wert darauf gelegt, dass es sich bei diesen zum allergrößten Teil nicht um Veteranen, sondern um zum Kriegsdienst gezogene Handelsschiffsmatrosen ohne Gefechtserfahrung handelt. Es wird jedenfalls in der Folge ausführlich geschildert, wie sehr die Decks stanken und die Dänen in ihrer eigenen Sch... mit voller Büx kämpften.

Auch in der angelsächsischen Unterhaltungsliteratur scheint dieses Thema in letzter Zeit stärker in den Vordergrund zu rücken. Aufgefallen ist es mir im Film "Der Adler der neunten Legion" und in den Römerromanen von Anthony Riches. Das ist jetzt alles andere als eine saubere Statistik aber ich habe eine (subjektive!) Feststellung und ein paar Fragen:

Zur Feststellung: Ich habe (ohne Norman Mailer und Konsorten wirklich gelesen zu haben) den Eindruck, dass das "Kotzen" und "Sich die Hosen voll machen" insbesondere eingangs einer Schlacht oder während des nervenzerfetzenden Wartens in der jüngsten Populärliteratur stärker thematisiert wird.
Falls das stimmt: Könnte diese Thematik zum größeren Komplex bezüglich eines Wandels von der "Heldengeschicht(en)sschreibung" (Feldherr ganz hinten und ohne große Gefahr für die eigene Gesundheit und deswegen ganz cool) hin zu einer mehr auf den kleinen Mann fokussierten Literatur gehören?

Zu den Fragen: Ich halte das ganze für ganz und gar nicht unrealistisch. "Sich vor Angst die Hosen vollmachen" oder einem "geht der K...upferstift" sind mit Sicherheit nicht ohne Grund sprichwörtlich geworden. Was mich aber verblüfft ist, dass sämtliche von mir gelesenen Quellen sich in dieser Hinsicht vollkommen ausschweigen. Mein Schwerpunkt liegt bei der Seefahrt des 18./19. Jahrhunderts und geht quer über alle Schichten. Gewalttätigkeiten gab es in der Zeit mehr als genug und nicht jeder der Beteiligten war ein Stoiker oder ein Held. Dass man sich selbst natürlich in Brief und Erinnerungen keine Blöße geben will, ist sicherlich nachvollziehbar. Aber auch wo weniger sympathische Zeitgenossen geschildert werden, werden die zwar gerne schon mal der Feigheit geziehen, aber die oben geschilderte Panikreaktion bleibt aus.

Gibt es andere Quellenbereiche aus anderen Epochen, wo so etwas thematisiert wird? Lässt sich ein Zusammenhang zur Kampfesweise ziehen: Nahkampf schlimmer als Fernkampf oder egal? Wann lassen die Muskeln los? Eher während des Wartens oder wenn's los geht? Oder sogar erst (oder nochmal) gegen Ende, wenn die eigene Seite sich in der beginnenden Niederlage auflöst? Macht es einen Unterschied, ob man in enger Formation oder aufgelockert zugange ist?
Oder sollte ich einem Topos aufgesessen sein, den erst moderne Romanautoren im Kampf gegen die mittlerweile ziemlich ausgelutschten Topoi Blut und Sperma hinzuerfunden oder mangels Quellen hinzuspekuliert haben?
 
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würdest du Norman Mailers Roman "The Naked and the Dead" als Quelle gelten lassen? Am Anfang, bei der Landung auf der fiktiven Insel Anopopei wird genau dieser Vorgang, das sich vor Angst unkontrolliert in die Hose scheißen, beschrieben. Die Nackten und die Toten ? Wikipedia
Ich hab das Buch zwar seit Jahren hier liegen, aber nie mehr als die ersten paar Seiten gelesen. Ich bin mit Mailer nicht wirklich vertraut, vermute aber, dass hier allerhand unangenehme Dinge fließen. Ich sehe mich halt nicht in der Lage, ob Mailer eine frühe realistische Schilderung wählte, um seine Leserschaft mal auf den Pott zu setzen, oder womöglich eher in drastischer Übertreibung provozieren wollte. Frage wäre also: wie realitätsnah ist Mailers (analog Jensens) Schilderung?
 
Neddy,

ich find das Thema schon interessant.
Und die Redensweise "der scheisst sich in die Hose" soll ja meinen, dass jemand schreckliche Angst hat.
Mir scheint es naheliegend anzunehmen, dass ein Mensch in Todesangst verminderte Kontrolle über seine Ausscheidungen hat.
Ich kann mich auch erinnern, als ein Sanitäter angesichts eines sterbenden Patienten sagte: "Oh Gott, der hat ja schon eingebrunst" (Wasser gelassen).
Wie das genau ist, man müsste einen (Notfall)Mediziner im Forum haben.
'Hilfe!, befindet sich ein Arzt im Publikum?'

Es ist auch naheliegend anzunehmen, dass die Häufigkeit von Berichten des "Einscheissens", weit unter der Häufigkeit des letzteren lagen und liegen.

Grüße hatl
 
I
Zu den Fragen: Ich halte das ganze für ganz und gar nicht unrealistisch. "Sich vor Angst die Hosen vollmachen" oder einem "geht der K...upferstift" sind mit Sicherheit nicht ohne Grund sprichwörtlich geworden. Was mich aber verblüfft ist, dass sämtliche von mir gelesenen Quellen sich in dieser Hinsicht vollkommen ausschweigen. Mein Schwerpunkt liegt bei der Seefahrt des 18./19. Jahrhunderts und geht quer über alle Schichten. Gewalttätigkeiten gab es in der Zeit mehr als genug und nicht jeder der Beteiligten war ein Stoiker oder ein Held. Dass man sich selbst natürlich in Brief und Erinnerungen keine Blöße geben will, ist sicherlich nachvollziehbar. Aber auch wo weniger sympathische Zeitgenossen geschildert werden, werden die zwar gerne schon mal der Feigheit geziehen, aber die oben geschilderte Panikreaktion bleibt aus.
bzgl. des 18. und 19. Jhs. ist anzumerken, dass die Deskription wie auch Thematisierung einiger körperlicher Vorgänge (urinieren, defäzieren, sei es freiwillig oder unfreiwillig) als unschicklich*) verpönt war. Zwar gab es allerlei Metaphern, aber eine direkte Nennung fiel nicht nur der Zensur sondern auch der Selbstzensur zum Opfer (Heinses Ardinghello weist einige sehr drastische sexuelle Beschreibungen auf, die Heinse aber nicht publizierte)

Dass sich Darm und Blase bei Hinrichtungen entleeren, war wohl schon immer der Fall - aber weder bei Störtebecker noch bei Marie Antoinette wird das eigens erwähnt. Dass die Leute allerdings bei Hinrichtungen recht genau zuschauten, legen Legenden wie die von der Herkunft der Alraunen oder auch Sprichwörter wie mit des Seilers Tochter Hochzeit halten nahe...

Wenn ich mich richtig entsinne, finden sich in Remarques im Westen nichts Neues ein paar Textstellen, die das sich unfreiwillig besudeln und andere Angstreaktionen nennen (aber ich hab die Textstellen nicht parat) - vermutlich tauchen Beschreibungen solcher Vorgänge erst mit dem literarischen Naturalismus gegen Ende des 19. Jhs. auf.

Ob nun speziell in neueren historischen Romanen, seien sie der Unterhaltungsliteratur zugehörig oder literarisch ambitionierter, gehäuft (pardon für den Wortwitz) Beschreibungen des "Angstschiss"**) auftauchen, dürfte sich mutmaßlich mit der Nennung und gar Deskription von Sexualität in der Literatur vergleichen lassen: drastisch und ausführlich taucht das erst im 20. Jh. nach dem ersten Weltkrieg auf - die Tabuisierung innerhalb der Veröffentlichungen scheint erst ab da im Bereich der schriftlichen Publikation aufgehoben zu sein (im Gegensatz zur Malerei)

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*) wir wissen nicht, ob und wann und wo sich Rinaldo Rinaldini oder Old Shatterhand, Gretchen oder Faust, Fürst Myschkin oder Effie Briest entleerten: die zuständigen Autoren erwähnen es nicht. Allerdings in Grimmelshausens Simplicissimus gibt es ein paar satirisch-komische Szenen, die damit zu tun haben.
**) da fällt mir gerade ein: in der Reihe der Wikingerromane von Bernward Cornwell grassiert das geradezu endemisch
 
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Die Meisten werden doch schon erlebt haben, dass sie kurz vor prenzligen Situationen ,wie Prüfungen oder d.gl. plötzlich noch einmal aufs Örtchen mussten. Vielen Bühnenkünstlern geht das vor jedem Auftritt so. Um wieviel heftiger muss sich der Darm erst melden, wenn es ums eigene Leben geht. Der Verdauungstrakt führt ein ziemliches, nur teilweise vom Gehirn gesteuertes Eigenleben und ist deshalb nur bedingt ,bewusst steuerbar.
 
bzgl. des 18. und 19. Jhs. ist anzumerken, dass die Deskription wie auch Thematisierung einiger körperlicher Vorgänge (urinieren, defäzieren, sei es freiwillig oder unfreiwillig) als unschicklich*) verpönt war. [...] Allerdings in Grimmelshausens Simplicissimus gibt es ein paar satirisch-komische Szenen, die damit zu tun haben.

Im 15. - 17. Jahrhundert war das Skatologische ein beliebtes Motiv in der Unterhaltungsliteratur, Gargantua und Pantagruel, Flöhhatz, Eulenspiegel..., bevor dann eben die von dir beschriebene "Prüderie" einsetzte.
 
Mir fällt zu diesem Thema noch ein anderer Aspekt ein: Die Entsorgung. In Gettysburg wurde das immer wieder als großes Problem dargestellt. Man hatte es nicht nur mit einer Unmenge an gar nicht oder unzureichend bestatteten Leichen zu tun, sondern auch mit den Ausscheidungen von rund 200.000 Soldaten und etwa ebensovielen Pferden. Das führte laut dem Audioguide, den wir uns geleistet haben, zu einem erheblichen hygienischen Problem. Wie dieses Problem gelöst wurde oder ob es zu weiterführenden Problemen wie Ruhr- oder Choleraausbrüchen führte, wurde nicht explizit erwähnt.

In den Kriegsgefangenenlagern des WK II ergaben überquellende Latrinen immer wieder Probleme, vor allem mit Ruhrerkrankungen der POWs.
 
... sondern auch mit den Ausscheidungen von rund 200.000 Soldaten und etwa ebensovielen Pferden. Das führte laut dem Audioguide, den wir uns geleistet haben, zu einem erheblichen hygienischen Problem. Wie dieses Problem gelöst wurde oder ob es zu weiterführenden Problemen wie Ruhr- oder Choleraausbrüchen führte, wurde nicht explizit erwähnt.

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Das dürfte einer der Gründe sein, warum im amerikanischen Bürgerkrieg mehr Soldaten an Krankheiten starben, als durch Feindeinwirkung. Im Krimkrieg war es ähnlich.
 
Das dürfte einer der Gründe sein, warum im amerikanischen Bürgerkrieg mehr Soldaten an Krankheiten starben, als durch Feindeinwirkung. Im Krimkrieg war es ähnlich.

Sicher ein nicht zu vernachlässigender Punkt. An den verschiednen Schauplätzen zeigten die Verantwortlichen immer wieder die medizinische Betreuung der Verwundeten auf. Demnach lag die Wahrscheinlichkeit eine Amputation (bei den massiven Gewebeschädigungen der großen Infanteriekaliber meist die einzige Behandlungsmöglichkeit) bei rund 80%. Die anschließende Infektion überlebten allerdings nur ca. 10%. Einen Hauptgrund für die hohe Infektionsrate stellte die nicht erfolgende Desinfektion des Operationsbestecks dar. Die Chirurgen benutzten die gleiche Säge einfach immer weiter und trugen so die Bakterien munter weiter. Sie wussten es einfach nicht besser.

OT: Übrigens fand die überwiegende Anzahl der Operationen unter Betäubung statt. Meist mit Chloroform oder massiver Morphiumgabe, ggf. auch Alkohol in größeren Mengen. Sogar unter Gefechtsbedinungen.
 
Frage wäre also: wie realitätsnah ist Mailers (analog Jensens) Schilderung?

Wir hatten hier vor einiger Zeit mal ein Thema zu den Stresssituationen von Bomberbesatzungen (stundenlange Einsätze, Flakbeschuss etc.). Hier wäre es wohl naheliegend, an Windeln o.ä. zu denken. Obwohl es zu den "psychological disorders" eine Reihe von Darstellungen gibt, finde ich aber nichts Ähnliches zu dem naheliegenden "Problem", was man wohl durch Windeln gelöst hätte.

Weiß jemand, wie die Kombianzüge für die Besatzungen ausgestattet waren? Oder gibt es Memoiren, die dazu etwas aussagen?
 
Sicher ein nicht zu vernachlässigender Punkt. An den verschiednen Schauplätzen zeigten die Verantwortlichen immer wieder die medizinische Betreuung der Verwundeten auf. Demnach lag die Wahrscheinlichkeit eine Amputation (bei den massiven Gewebeschädigungen der großen Infanteriekaliber meist die einzige Behandlungsmöglichkeit) bei rund 80%. Die anschließende Infektion überlebten allerdings nur ca. 10%. Einen Hauptgrund für die hohe Infektionsrate stellte die nicht erfolgende Desinfektion des Operationsbestecks dar. Die Chirurgen benutzten die gleiche Säge einfach immer weiter und trugen so die Bakterien munter weiter. Sie wussten es einfach nicht besser.

OT: Übrigens fand die überwiegende Anzahl der Operationen unter Betäubung statt. Meist mit Chloroform oder massiver Morphiumgabe, ggf. auch Alkohol in größeren Mengen. Sogar unter Gefechtsbedinungen.


Die Entdeckungen, die Ende der 1850er Jahre Ignaz Semmelweiß in Wiener Spitalen machte, wurden leider erst Jahre später anerkannt. Zwei grundlegende Probleme der Blutverlust und die Sepsis stand die damalige Medizin noch weitgehend machtlos gegenüber, und die Verletzungen, die Granatsplitter und Minniegeschosse verursachten, konnten auch geübtere Chirurgen leicht überfordern. Es herrschte auf beiden Seiten ein Mangel an qualifizierten Medizinern und Pflegepersonal. Viele Militärärzte waren kompetent allein auf dem Gebiet der Amputation, und mancher war stolz darauf, wieviele Amputationen er innerhalb einer bestimmten Zeitspanne durchführen konnte, und zahlreiche Zeugnisse des Bürgerkrieges berichten davon, dass manche eine blutbesudelte Schürze mit Stolz trugen, als Zeugnis ihrer Kunst. Auf beiden Seiten waren Lazarette gefürchtet, und manche Soldaten zogen es vor auf eigene Faust ihr Glück bei Verwundungen auf dem Schlachtfeld zu suchen. Immerhin waren zumindest die Nordstaaten in der Schmerzbekämpfung besser ausgestattet. Mit der gerade erfundenen Injektionsspritze und Morphin ließen sich Schmerzen besser bekämpfen, als mit Laudanum (Opiumtinktur), das nur oral verabreicht werden konnte. es kam vor, dass Soldaten entweder zu wenig bekamen und schmerzen litten oder aber auch schon mal ein Patient versehentlich eine Überdosis bekam und starb. In operationsälen Experimentierte man mit Essiglösungen und manche ärzte kochten Instrumente ab. mit Morphin gingen abgänge in Lazaretten erheblich zurück, und der Süden baute im verlauf des Krieges Mohn an, um Analgetika zu gewinnen. Viele Patienten und viele Ärzte und Schwestern gewöhnten sich allerdings daran und wurden Morphinisten.
 
Sicher ein nicht zu vernachlässigender Punkt. An den verschiednen Schauplätzen zeigten die Verantwortlichen immer wieder die medizinische Betreuung der Verwundeten auf. Demnach lag die Wahrscheinlichkeit eine Amputation (bei den massiven Gewebeschädigungen der großen Infanteriekaliber meist die einzige Behandlungsmöglichkeit) bei rund 80%. Die anschließende Infektion überlebten allerdings nur ca. 10%. Einen Hauptgrund für die hohe Infektionsrate stellte die nicht erfolgende Desinfektion des Operationsbestecks dar. Die Chirurgen benutzten die gleiche Säge einfach immer weiter und trugen so die Bakterien munter weiter. Sie wussten es einfach nicht besser.

OT: Übrigens fand die überwiegende Anzahl der Operationen unter Betäubung statt. Meist mit Chloroform oder massiver Morphiumgabe, ggf. auch Alkohol in größeren Mengen. Sogar unter Gefechtsbedinungen.

Ich meinte eigentlich nicht die Verwundeten sondern die Todesfälle durch Krankheiten allgemein. Ruhr, Cholera und andere Krankheiten haben Tausende von ansonsten gesunden Soldaten hinweggerafft. Und es ist m.E. bemerkenswert, dass dieses bei den Kriegen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders ausgeprägt ist.

Zumindest ist es mir nicht aufgefallen, dass in den Napoleonischen Kriegen proportionell so viele Abgänge durch Krankheiten erfolgten, wie im Amerikanischen Bürgerkrieg, dem Krimkrieg oder den Italienischen Feldzügen Napoleons III.

Ich vermute, der wichtigste Faktor war die Cholera, die 1830 von den Russischen Armee in Polen eingeschleppt wurde und damals viele Opfer auch in dem preussischen Observationskorp forderte, darunter auch Gneisenau und Clausewitz. Diese Krankheit verbreitete sich danach weltweit und trat bei jedem Konflikt mit auf.

Auch 1866 starben über 3.000 Mann in der preussischen Armee daran.
 
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Ich vermute, der wichtigste Faktor war die Cholera, die 1830 von den Russischen Armee in Polen eingeschleppt wurde und damals viele Opfer auch in dem preussischen Observationskorp forderte, darunter auch Gneisenau und Clausewitz. Diese Krankheit verbreitete sich danach weltweit und trat bei jedem Konflikt mit auf.

Nicht nur bei Konflikten, auch generell in Friedenszeiten: Armeen mehrerer Länder waren Highways für die Cholera-Erreger, so insbesondere die britische oder eben auch die russische.

Jede der Pandemien seit 1817 ging vom Ganges-Delta aus, und bereits die erste erreichte auch den Süden Russlands über die Handelswege. Diese Handelswege waren ein Grund, neben den Armeen und den Auswanderer-Schiffsrouten.
Third cholera pandemic (1852?60) - Wikipedia, the free encyclopedia
 
Wir hatten hier vor einiger Zeit mal ein Thema zu den Stresssituationen von Bomberbesatzungen (stundenlange Einsätze, Flakbeschuss etc.).

Dazu Nachtrag aus der Publikation "Psychological Disorders in Flying Personell" - Air Ministry 3139, S. 36ff.

Die dortigen statistischen Reihenuntersuchungen verzeichnen häufiges Erbrechen, Durchfall ("Vomiting", Dyspepsia, Diarrhoea etc.) ausschließlich vor dem Flug "bis zum Einstieg in die Flugzeuge", ausdrücklich nicht aber danach und während der Flüge. "It disappears once they are on board".

Vielleicht findet sich aber zu diesen Beispielsfällen noch mehr.
 
Weiß jemand, wie die Kombianzüge für die Besatzungen ausgestattet waren? Oder gibt es Memoiren, die dazu etwas aussagen?

wiki sagt zB zu B-17 - Bomberbesatzungen :

Schutzkleidung

Durch die teilweise offenen Waffenstände benötigten die Besatzungsmitglieder spezielle Ausrüstung, um den in großen Flughöhen herrschenden Klimabedingungen trotzen zu können. Über einem wollenen Unterzeug trug jeder einen elektrisch beheizten Overall. Dann folgte die Uniform, über die eine mit Schaffell gefütterte Fliegerkombination (inklusive der legendären USAAF-Bomberjacke Modell „B-3“) gezogen wurde. Dazu wurde ein Brust- und Rückenpanzer getragen, der aus einem dichten Kettenhemd bestand, das vom Hals bis zum Becken reichte und das gegen Flaksplitter und MG-Geschosse schützen sollte. Die Besatzungen trugen hohe Schaffellstiefel, grellgelbe Schwimmwesten, Fallschirme und dicke elektrisch beheizte Handschuhe. Den Kopf schützten eine warme Mütze und gegebenenfalls ein Flakhelm aus Stahl. Derart bekleidet konnten sich die Besatzungsmitglieder kaum noch bewegen, daher wurde besonders die schwere Schutzkleidung von vielen Besatzungen nur während Einsatzphasen unter drohendem Flak-Beschuss an- und danach wieder abgelegt.
Bei der Ausführung von Tätigkeiten wie Erster Hilfe und Reparaturen an den Geräten mussten die Handschuhe abgelegt werden. Hier zählte jede Sekunde, da die Temperatur im ungeheizten Rumpf des Flugzeugs bei großen Flughöhen weit unter dem Gefrierpunkt lag. Erfrierungen waren häufig, und nicht selten verloren Besatzungsmitglieder dadurch Finger.

Erst als der Motorflug in die Höhen über 10 000 m vorstieß wurde das
Problem noch speziellerer Fliegerkleidung als zum Kälteschutz und der
Benutzung von Sauerstoffmasken akut.

Mit der Entwicklung solcher Druckanzüge begann man in den 30er Jahren
in fast allen Luftfahrt betreibenden Länder zB Frankreich , Italien , USA,
Deutschland, Spanien,Rußland usw.

Von Windeln, Bordtoiletten usw erfährt man nichts :still:
 
bevor dann eben die von dir beschriebene "Prüderie" einsetzte.
du hast Prüderie eigens in Anführungszeichen gesetzt, da stimme ich zu!

ich frage mich schon eine ganze Weile, ob es wirklich sowas wie "Prüderie" oder gar "Tabuisierung" ist, dass die Ausscheidungsvorgänge (seien sie alltäglich oder unfreiwillig) überwiegend quasi ausgeblendet bzw. nicht weiter erwähnt werden. Einerseits kennt nahezu jede Sprache eine Fülle an Vokabeln für diese Vorgänge, andererseits erfahren wir nirgendwo, ob Winnetou oder Werther beim kacken Schwierigkeiten hatten und auch im 20/21. Jh. erfahren wir nicht, wie sich James Bond oder Tatort-Kommissarin Lena Odenthal auf dem Topf verhalten. Allerdings erfahren wir noch eine ganze Menge anderer Angelegenheiten über Spione ihrer Majestät oder Tatort-Kommissare/innen nicht: haben die Schweißfüße? Intimgeruch? leiden die unter Inkontinenz?

und sodann stellt sich die Frage: sind wir darauf angewiesen, zu wissen, ob Effie Briest vielleicht unten rum unangenehm roch oder Old Shatterhand keine sauberen Füße hatte?

in der "Hochliteratur" des 20. Jh. gibt es amüsante Textstellen, z.B. die Untersuchungen und Philosophien einer klerikalen Lehrerin über die Nachttopfinhalte ihrer Zöglinginnen =) was besagte Lehrkraft zu der Vermutung führt, dass Männer insgesamt überwiegend Hartstühler seien und dass es ein besonderes Zeichen der Gottgefälligkeit sei, so zu kacken, dass man kein Toilettenpapier zum säubern benötige --- jaja, das findet sich in einem Nobelpreisroman: Gruppenbild mit Dame von Heinrich Böll

ich mutmaße: das Themengebiet war und ist literarisch eher unergiebig, einfach weil es - banal, alltäglich, uncharakteristisch ist (daran ändert der momentane Hype in Sachen Feuchtgebiete letztlich auch nichts (was da steht, findet sich schon bei Arno Schmidt))

verbleibt - in der Sprache, in der Volkssprache ohnehin reichlich vorhanden (!) - die unfreiwillige Entleerung: sie scheint oft genug stattgefunden zu haben, sodass muffensausen und Angstschiß und vor Angst in die Hosen machen zu idiomatischen Wendungen geworden sind.
 
Vielleicht findet sich aber zu diesen Beispielsfällen noch mehr.

Die hier zitierte Publikation umfasst ein Tagebuch von 25 Einsätzen, und wie vermutet scheint das auch mal vorgekommen zu sein:

"Carl had peeled off his outer coveralls, but it didn’t help much. He was right about one thing: he did stink! Off he went to where I presume he had a table to himself. True, his charisma that day left something to be desired, but he had lived through unbelievable hours in one of the storied Flying Fortresses of World War II, known as Tinker Toy. Nothing had gone smoothly or as planned that frantic September day for Carl R. Shutting. Yet there he was, alive and uninjured, and back on friendly soil. So what else really mattered? He could have his clothes cleaned."

Comer, John: Combat Crew, 1988.
 
Kein Krieg, aber eine für das betroffene Individuum noch bedrohlicher erscheinende Situation, die Folter.
In Folterprotokollen habe ich z.B. noch nicht lesen können, dass Delinquenten während der Tortur ihr großes Geschäft erledigten. Wäre sicher vermerkt worden. Gerade bei Hexenprozessen, wo man auf jede Kleinigkeit achtete. Bei Hinrichtungen habe ich in diese Richtung ebenfalls noch nichts gehört. Es kam wohl eher beim Hängen zum Samenerguss.
 
Bei Hinrichtungen habe ich in diese Richtung ebenfalls noch nichts gehört.
es gibt ein bestürzendes Buch eines Mediziners (Titel und Autor müsste ich nachschauen, habs vor ca. 4-5 Jahren gelesen) über die physischen Vorgänge bei den gängigen Hinrichtungsweisen (woran stirbt der Delinquent, wie lange dauert das, was geschieht da alles usw.) u.a. werden dort beim elektrischen Stuhl Darm- und Blasenentleerung beschrieben.
 
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