Idistaviso

Dein Hinweis, dass im Harz eine Kontinuität der Besiedelung über 3.000 Jahre bestand, ist aber nicht die Antwort auf meine Frage. Nochmal, warum haben Deine Germanen auf dem Heidelberger Michelsberg Weihesteine aufgestellt? Das taten sie in der Germania Magna nicht. Können wir uns einigen, dass die Menschen - welche die Weihesteine aufgestellt haben - keine Germanen waren? Können wir dann auch einen Konsens finden, dass diese Menschen auch keine germanische Götter angebetet haben?

Was reitest Du eigentlich so auf den Heidelberger Weihesteinen herum? Die sind doch für das Thema Idistaviso und die Lokalisierung des Heiligen Hains ohne Belang. In Heidelberg wurde eine Michaelskapelle auf einem heidnischen Kultplatz errichtet, und der Hügel wird heute Heiligenberg genannt, Punkt.

Welche germanischen Götter meinst Du eigentlich? Tacitus berichtet, der Hain sei Herkules geweiht. Germanische Götternamen der Zeitenwende kennen wir nicht.


An wen wendet sich dieser Hinweis? Bedenke :winke: dass niemand hier dergleichen behauptet hat.

Du selber schriebst: "Nach 270 uZ wurden die agri decumates weitgehend durch ihre bisherigen Bewohner geräumt, sofern sie nicht massakriert worden waren."

Das mag sogar für das Dekumatland richtig sein, trifft aber wie gezeigt nicht für Südniedersachsen zu.

willst du ernsthaft suggerieren, dass es heute noch bei den "Nachfahren" der Cherusker weiter gepflegte cheruskische Traditionen gäbe?

Ja. Ein Beispiel ist der Feuerräderlauf von Lügde. Dieser uralte Brauch wurde im Zuge der Christianisierung zwar zum Osterräderlauf umdeklariert, besteht aber bis heute fort. Allerdings dürfte diese Tradition älter sein als der Cheruskername.

...vermutlich also...

Der Wall wurde nie näher untersucht und gilt daher offiziell als "vermutlich germanisch".


da ist jetzt eine neue Info: woher weißt du, dass die Kapelle Michael geweiht ist? seit wann ist das belegt? (zuvor hieß es deinerseits noch, dass die Kapellenruine vielleicht dem Michael geweiht sein könnte, man aber nichts in diesem Fall wisse)

Wir reden von zwei Heiligenbergen und zwei Kapellen. Eine Ruine am rechten Weserufer und eine erhaltene Michaelskapelle auf der anderen Seite, deren Errichtung am Ort eines heidnischen Kultplatzes durch Corveyer Mönche im 11. Jh. dokumentiert ist.

was aber nicht bedeutet, dass Hydra, Midgardschlange und Teufel automatisch identisch sind

Nein, natürlich nicht. Aber wenn Du einen christlichen Ersatz für Herkules oder Donar suchtest, wen würdest Du dann nehmen, lieber Sankt Martin oder vielleicht den Heiligen Nikolaus?
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo El Quijote,
was ist mit: "duo hostium agmina diversa fuga..." in Tac. ann II, Kapitel 17? Lese ich hier was falsch? Na gut, "Flucht" statt "fliehen".
Da die ursprüngliche Marschkolonne der Römer sich inzwischen (nach der Attacke der Cherusker auf die Bogenschützen) wie vorgesehen zur Schlachtordnung geformt hatte, kann doch das Hervorstürzen des germanischen Heeres aus dem Hochwald, offensichtlich in Richtung der Römer, nun wirklich nicht als Flucht bezeichnet werden. Solch ein Vorgehen bezeichnet man seit Beginn jeglicher Kriegsführung als Angriff!
Zwei Dinge hatte Arminius zu diesem Zeitpunkt erreicht:
1. Die Bogenschützen waren als einheitliche Kampftruppe vorerst ausgeschaltet,
2. Die Kavallerie der Römer war vom Schlachtfeld entfernt und kämpfte im Rücken der Cherusker - mit welchem Erfolg bleibt dahingestellt, sie taucht in Folgenden nicht mehr auf. Jedenfalls hat sie die Cherusker nicht vertrieben, die griffen selbstständig, wie offenbar geplant, den Marschzug an.
Arminius, bisher bekannt als Vertreter einer überfallartigen Guerillataktik aus der sichern Deckung heraus, nimmt hier die offene Feldschlacht mit einem großen römischen Heer an, aus welchem Grund auch immer.
Da ist es schwer vorstellbar, dass ein Mann seiner Fähigkeiten dafür keinen taktischen Plan hat.
Seine Cherusker stehen offenbar als erstes Treffen links der Römer (die die Weser auf der rechten Seite haben) auf einer Anhöhe, die übrigen Germanen stehen sichtlich in einem rechten Winkel, besetzen sowohl den linken Waldrand (mit den Bergen im Rücken) und sperren die Ebene in Richtung Weser, haben den Hochwald hinter sich.
Egal, in welche Richtung Germanicus den Kampf annimmt, hat er seitlich mit Angriffen zu rechnen. Das will er verhindern und lässt die Kavallerie die Cherusker seitlich angreifen und möglichst in den Rücken fassen, während sich das Heer zur Schlachtordnung formiert. Nun offensichtlich in Richtung des Hochwaldes. Nachdem Arminius das erkannt und inzwischen die Bogenschützen versehrt hat, gruppiert er seine Truppen so um, dass sie, nun alle den Hochwald (mit seinen vorbereiteten "Überraschungen") im Rücken oder sich darin befindend, die Legionen bekämpfen können. Dass dies mehrere Stunden dauerte, zeugt von einem harten Ringen. Schließlich brechen die Germanen infolge Dunkelheit den Kampf ab (ihr mögliches Ziel, den Römern ihre Stärke zu demonstrieren, haben sie immerhin erreicht) und ziehen sich zurück, sicher auch unter Opfern, denn Leichen und Waffen ziehen sich über 15 Meilen hin. Aus gutem Grund nennt Tacitus hier keine Zahlen, denn offenbar waren die Verluste der Germanen nicht so bedeutend, lediglich bei Einzelheiten schwelgt er nahezu (Ertrinkende, Baumflüchtlinge), ohne auch hier zahlenmäßig konkreter zu werden. Eigene Verluste werden am Rande heruntergespielt (neque cruenta nobis fuit).
Hier hat ein Wohlmeinender eine knapp gewonnende (?) Schlacht so dargestellt, dass dem Leser eine Vernichtungsschlacht vor Augen schwebt...
 
Ja. Ein Beispiel ist der Feuerräderlauf von Lügde. Dieser uralte Brauch wurde im Zuge der Christianisierung zwar zum Osterräderlauf umdeklariert, besteht aber bis heute fort. Allerdings dürfte diese Tradition älter sein als der Cheruskername.

Oder es handelt sich einfach um einen christlichen Brauch, der, nur weil er archaisch wirkt, willkürlich zurückdatiert wird? So wie der 1919 uraufgeführte Volkstanz, der Himmler beinahe als urgermanisch vorgeführt worden wäre?

Wenn man mal die Quellen, welche die Seite des für den Osterfeuerräderlaufs zuständige Vereinigung in Lügde zusammengetragen hat, um ihre lange Tradition zu behaupten sich anschaut, ließt man zunächst etwas von der Göttin Ostara, die ist uns allerdings nur aus Beda Venerabilis bekannt und es dürfte sich um eine pseudoetymologische, also falsche Rekonstruktion des bereits verchristlichten Monatsnamen (Eosturmonath-Ostermonat) handeln.
Dann wird etwas von Höhlenmalereien gefaselt (die möchte ich sehen, das wäre eine Revolution der Geschichtsschreibung und der Erfindung des Rades!)

Dann diese Behauptung:

784 feiert Karl der Große in Lügde das Weihnachtsfest. Der Überlieferung nach, soll er den heidnischen Brauch, den Feuerräderlauf zu Ehren der Frühlingsgöttin Ostara, nun zur Auferstehung Christi angeordnet haben. Nun spricht man vom -Osterräderlauf-.
Da Ostara nur in einer einzigen Quelle überhaupt genannt wird, nämlich Beda, welcher starb bevor Karl geboren wurde, kann es schon mal keine Quellen geben, in welcher Karl diese Lauf zu Ehren dieser Göttin anordnet.
Zum zweiten kann man a priori ziemlich sicher ausschließen, dass Karl der Große einen Brauch zu Ehren irgendeiner heidnischen Gottheit anordnete. Im Ggt.: Wenn überhaupt könnte man ein Verbot erwarten, etwa in den Capitularien.

Tatsächlich ist zu seinem Aufenthalt in Lügde nur folgendes überliefert:
Et celebravit natalem Domini iuxta Skidrioburg in pago Waizzagawi super fluvium Ambra in villa Liuhidi - Und er feierte die Geburt des Herren bei (der) Schieder(burg) im (Gau) Weißgau über dem Fluss Emmer im Dorf Lügde.

In einer anderen Quelle heißt es leicht abweichend: In castris super Ambram fluvium in pago Huettagoe iuxta castrum Saxonum, quod dicitur Skidroburg. In den Lagern über dem Fluss Emmer im (Gau) Weißgau, bei der sächsischen Burg, welcher Schieder(burg) genannt wird.

(Wobei das interessantes hieran noch der sprl. Befund ist, nämlich dass der Weißgau einmal altniederdeutsch und einmal althochdeutsch benannt wird.)
Von irgendwelchen Volksbräuchen ist hier weder positiv noch negativ die Rede.
Und so relativiert sich ganz allmählich das angeblich so hohe Alter der Osterfeuerräder.

Dann wird die Zerstörung des Kloster Lorschs im Jahre 1090 durch vom Berg heruntergerollte Feuerräder behauptet.
Soviel kann ich sagen: Von Lorsch bis zu den nächsten Bergen sind es ca. 3 km und die Feuerräder hätten zudem noch einen Altarm des Neckar überqueren müssen.
Wenn man sich die Stelle mal anschaut ließt man von einem anderen Brauch, der 1090 erstmals dokumentiert ist: Dem sogenannten Scheibenschlagen.
In den Lorscher Annalen ließt sich das so:
Anno etenim dominicae incarnationis 1090, evolutis ab exortu monasterii ipsius plus minus 326 annis, 12°. Kalendas Aprilis, repentino ac miserabili incendio tota Laureshamensis ęcclesia conflagravit, illasque regum ac principum nobiles et veteres operas et impensas, parietes auro argentoque pretextos, fornices marmore, ebore gemmisque interstinctos, preciosam purpurae copiosamque subpellectilem, omne denique quod pulchrum erat visu, cum circumpositis aedificiis edax flamma favillatenus absorbuit. Quae calamitas qualiter aut unde processerit, comperta a maioribus rerum fide, castigata brevitate succingamus.

Ipsa quam prediximus die vergente iam in vesperum, postquam exemplo carnalis Israel sedit populus manducare et bibere, et surrexerunt ludere, forte inter cetera ludorum exercitia discus, in extrema marginis hora ut solet accensus, militari manu per aera vibrabatur; qui acriori impulsu circumactus, orbicularem flammae speciem reddens, tam ostentui virium quam oculis mirantium spectaculi gratiam exhibet. Is a quodam non tam perniciter quam infeliciter tandem intortus, ad summum ęcclesiae fastigium imprudenti iactu evolavit, ubi inter tegulas et cariosos asseres artius insidens, animante vento fomitem incendio prebuit. Quid multa? Primo castellum, mirabili dolatura fabrefactum, in quo signa ęcclesiae dependebant, funibus exustis ne quis sonitu excitari posset, arripuit; dehinc totam superiorem fabricam, turres quoque cum porticibus flamma victrix obtinuit; ad extremum bulliente plumbi deliquio, cuius materiae omne tectum fuerat, subveniendi, ingrediendi vel quippiam exinde eruendi omnimodam abstulit facultatem. Erat tunc miseranda rerum facies, tot preclara tam ęcclesiae quam totius monasterii aedificia, tot insignia ornamenta repentina flammarum vastitate devorari, et plurimis absumptis pauca admodum vel manu collecta vel securi et ascia deiecta, summo sudore et periculo ex ipsis incendii globis vix liberari. Qualis tum calamitas, quae miseria, qui clamor, qui luctus, qui gemitus, quae suspiria lamentaque omnium fuerint, facilius est tacendo conicere, quam multa dicendo parum dicere .

Zunächst wird über die Zerstörung der Kirche lamentiert und der Verlust der Kunstschätze durch das "gefrässige Feuer", welches alles "bis zur Asche" zerstörte, bedauert, dann wird der Sachverhalt geschildert, wie es zu der Zerstörung kam und wie diese ablief und am Ende über das dem folgende Wehklagen berichtet. Von Feuerräderrollen ist hier nicht die Rede, sondern das Scheiben durch "kriegerische Hand" in die Luft geschleudert wurden. Das ganze im Rahmen eines Gelages, welches den Bericht von Exodus 32, 6 (Tanz um das Goldene Kalb) aufgreift.

Wir reden von zwei Heiligenbergen und zwei Kapellen. Eine Ruine am rechten Weserufer und eine erhaltene Michaelskapelle auf der anderen Seite, deren Errichtung am Ort eines heidnischen Kultplatzes durch Corveyer Mönche im 11. Jh. dokumentiert ist.
Dass sie am Ort eines heidnischen Kultplatzes errichtet wurde, ist eben nicht dokumentiert. Das rekonstruierst du durch Analogiebildung. Ich halte Analogiebildung für eine legitime Methode zur Hypothesenbildung aber das macht noch keine Fakten.
 
Oder es handelt sich einfach um einen christlichen Brauch, der, nur weil er archaisch wirkt, willkürlich zurückdatiert wird?

Wenn man sich anschaut, wo dieser Brauch heute noch gepflegt wird, stellt man fest dass es sämtlichst Gegenden sind, die ursprünglich zum keltischen Kulturkreis gehörten. Auch die Geschichte des heiligen Vincent von Agen spricht für einen alten keltischen Brauch:

"Vinzenz von Agen war der christlichen Legende nach Diakon und Märtyrer im 3. oder 4. Jahrhundert in Venetum nahe bei Agen in Südfrankreich. Der Überlieferung aus dem Jahre 550 nach machte er während einer Zeremonie des heidnischen Sonnenkultes, bei der ein Feuerrad verwendet wurde, das Kreuzzeichen und brachte damit das Feuer zum Erlöschen." [Wikipedia]


Dass sie am Ort eines heidnischen Kultplatzes errichtet wurde, ist eben nicht dokumentiert. Das rekonstruierst du durch Analogiebildung. Ich halte Analogiebildung für eine legitime Methode zur Hypothesenbildung aber das macht noch keine Fakten.

Du hast Recht. Der heidnische Kultplatz wird hier nur vermutet.
 
Und liest man sich so durch, was über Arminius und sein Heer geschrieben wurde, war das eher eine Guerilla-Armee.

Eben nicht. Tacitus berichtet ausdrücklich von einer rangierten Feldschlacht nach römischem Vorbild zwischen Arminius und Marbod im Jahr nach dem letzten Germanicus-Feldzug.

Dann kann man während der römischen Germanienfeldzüge eine Änderung der Bewaffnung von längeren Stoßlanzen hin zur Frame bei den Germanen feststellen.

Bezüglich Idistaviso beschreibt Tacitus die Germanische Taktik: Vorne große Schilde und lange Lanzen, dahinter Wurfgeschosse.

Nach der Errichtung des Tumulus für des Varus Legionen, lockt Arminius Truppen des Germanicus anscheinend in vorbereitete Stellungen.

Auch bei den Pontes longi stellen sich die Germanen dem Kampf, dem Caecina ausweichen muss.

Lange glaubte man der stereotypen Darstellung, nach der Arminius ein zwar intelligenter, aber unflexibler Barbar war. Dazu passte keine differenzierte Kriegführung. Es fällt auf, dass er sich durchaus zur Schlacht stellte, aber nur in für ihn günstigem Gelände. Wenn es nicht anders ging, griff er natürlich zu den Mitteln des Kleinen Krieges und rieb so z.B. die Varuslegionen auf. Aber auch das kann man nicht als Guerilla-Kriegführung betrachten: Es zogen keine kleinen Grüppchen umher, sondern die Aufgebote mehrerer Stämme.

Gerade mit der Kombination aus Kleinem Krieg und der Operation als Heer hat Germanicus Probleme gehabt: Sobald sich die Römer in einer Feldschlacht unter Opfern durchzusetzen beginnen, geben die Germanen einfach den Kampf auf und fliehen rechtzeitig, um die Kampfkraft zu erhalten. (Idistaviso/Angrivarierwall) Verfolgt man kleine Gruppen, steht man plötzlich einem Heer gegenüber. (Überfall nach dem Aufschichten des Tumulus.) Flieht man vor der gegnerischen Übermacht, wird man plötzlich von kleinen Gruppen überfallen, hat man sich vor solchen in Günstiges Gelände gerettet, steht da eine Armee. (Pontes Longi, Varusschlacht)

Es ist nur modern als Erklärung für militärisches Versagen auf assymetrische Kriegführung zu verweisen. Was in der US-Propaganda klappt, um eigene Fehler zu vertuschen, überträgt hier der geschäftstüchtige Historiker auf Arminius, um es mal böse zu formulieren. Nicht ganz so böse formuliert: Das ist dasselbe wie mit Karl dem Großen als 'Vater Europas'. Dank der Historiker kann allerdings heute nicht mehr behauptet werden, dass die Taktiken der assymetrischen Kriegführung neu seien, oder man nicht dagegen vorgehen könne, wie es beides bis vor ein paar Jahren zu hören war.
 
Zum zweiten kann man a priori ziemlich sicher ausschließen, dass Karl der Große einen Brauch zu Ehren irgendeiner heidnischen Gottheit anordnete. Im Ggt.: Wenn überhaupt könnte man ein Verbot erwarten, etwa in den Capitularien.

Ich denke, dass ist ein Missverständnis. Der in Lügde verantwortliche Verein schreibt "784 feiert Karl der Große in Lügde das Weihnachtsfest. Der Überlieferung nach, soll er den heidnischen Brauch, den Feuerräderlauf zu Ehren der Frühlingsgöttin Ostara, nun zur Auferstehung Christi angeordnet haben. Nun spricht man vom -Osterräderlauf-."
Chronologie
Karl habe also angeordnet den vormals heidnischen Brauch nun dem christlichen Osterfest und nicht mehr irgendwelchen paganen Göttern zu widmen.
Die vom Verein genannte "Überlieferung" als Quelle dieser Karlsgeschichte kann auch jünger als 200 Jahre sein. Solche Anekdoten sind aus Sicht des Stadtmarketings sicherlich sehr wünschenswert.
 
was ist mit: "duo hostium agmina diversa fuga..." in Tac. ann II, Kapitel 17? Lese ich hier was falsch? Na gut, "Flucht" statt "fliehen".

Ich dachte du bezögest dich auf das deducunt in Tac. ann. II, 16.
Die fuga ist hier allerdings nicht im Sinne einer Flucht zu verstehen, wie man Flucht im Lexikon beschreiben würde: Es sind ja nicht die Germanen die fliehen, sondern beide Armeen, die Germanen und die Römer, die sich aufeinanderstürzen (ruebant):
duo hostium agmina diversa fuga, qui silvam tenuerant, in aperta, qui campis adstiterant, in silvam ruebant - zwei feindliche Heere, in entgegengesetzer Flucht, welche den Wald besetzt hielten, stürzten auf die Lichtung, und welche sich auf den Wiesen postiert hatten, in den Wald.
Da die ursprüngliche Marschkolonne der Römer sich inzwischen (nach der Attacke der Cherusker auf die Bogenschützen) wie vorgesehen zur Schlachtordnung geformt hatte, kann doch das Hervorstürzen des germanischen Heeres aus dem Hochwald, offensichtlich in Richtung der Römer, nun wirklich nicht als Flucht bezeichnet werden. Solch ein Vorgehen bezeichnet man seit Beginn jeglicher Kriegsführung als Angriff!
Richtig, ein gegenseitiger Angriff, so und nicht anders ist Tacitus zu verstehen.

Zwei Dinge hatte Arminius zu diesem Zeitpunkt erreicht:
1. Die Bogenschützen waren als einheitliche Kampftruppe vorerst ausgeschaltet,
Das steht da nun nicht. Dort steht, dass Arminius sich auf die Bogenschützen gestürzt hatte, und diese wären zusammengebrochen (rupturus) wenn nicht (ni) die Hilfstruppen (Raetorum Vindelicorumque et Gallicae cohortes) sich dazwischengeworfen hätten (obiecissent).
2. Die Kavallerie der Römer war vom Schlachtfeld entfernt und kämpfte im Rücken der Cherusker - mit welchem Erfolg bleibt dahingestellt, sie taucht in Folgenden nicht mehr auf.
Von dem Einsatz der Kavallerie im Rücken der Germanen bis zur Flucht sind es wenige Sätze:
:rechts: Abordnung der Kavallerie
:rechts: Gutes Omen der acht Adler
:rechts: Befehl Germanicus' die Germanen anzugreifen
:rechts: gegenseitiger Angriff, die Kavallerie wird explizit erwähnt
:rechts: Fokussierung auf den gegnerischen Feldherren, der sich auf die Sagittarii stürzt, welche von den Hilfstruppen geschützt werden
:rechts: Arminius flieht vom Schlachtfeld - Chaukische Hilfstruppen helfen ihm dabei
:rechts: Das Gemetzel zum Ende der Schlacht.
Sich hier zu wundern, dass die Kavallerie nicht mehr explizit erwähnt wird, wird der Kürze der Schilderung nicht wirklich gerecht.

Jedenfalls hat sie die Cherusker nicht vertrieben, die griffen selbstständig, wie offenbar geplant, den Marschzug an.
Bist du noch bei Idistaviso - dann ein klares Nein - oder bereits beim Angrivarierwall?

Arminius, bisher bekannt als Vertreter einer überfallartigen Guerillataktik aus der sichern Deckung heraus, nimmt hier die offene Feldschlacht mit einem großen römischen Heer an, aus welchem Grund auch immer.
Da ist es schwer vorstellbar, dass ein Mann seiner Fähigkeiten dafür keinen taktischen Plan hat.
Auch ein Feldherr mit herausragenden taktischen und strategischen Fähigkeiten kann scheitern.


Seine Cherusker stehen offenbar als erstes Treffen links der Römer (die die Weser auf der rechten Seite haben) auf einer Anhöhe, die übrigen Germanen stehen sichtlich in einem rechten Winkel, besetzen sowohl den linken Waldrand (mit den Bergen im Rücken) und sperren die Ebene in Richtung Weser, haben den Hochwald hinter sich.
Egal, in welche Richtung Germanicus den Kampf annimmt, hat er seitlich mit Angriffen zu rechnen.
Woher nimmst du diese Angaben? Aus welchen Worten Tacitus'?

Schließlich brechen die Germanen infolge Dunkelheit den Kampf ab (ihr mögliches Ziel, den Römern ihre Stärke zu demonstrieren, haben sie immerhin erreicht) und ziehen sich zurück, sicher auch unter Opfern, denn Leichen und Waffen ziehen sich über 15 Meilen hin.
Es mag so sein, dass so das tatsächliche Schlachtgeschehen ausgesehen hat. Das ist aber nicht, was Tacitus schreibt. Die Angaben von der fünften Stunde bis zum Einbruch der Nacht (quinta ab hora diei ad noctem caesi) beziehen sich auf das Gemetzel an den Germanen nach der Schlacht. Das hat im Übrigen eine Parallele nach dem Sieg Caecinas über Arminius bei den pontes longi: auch hier verfolgen die angeblich siegreichen Römer die angeblich geschlagenen Germanen donec ira et dies permansit - solange bis Zorn und Tag zu Ende waren und kehren erst in der Nacht zurück (Tac. ann. I, 68)

Aus gutem Grund nennt Tacitus hier keine Zahlen, denn offenbar waren die Verluste der Germanen nicht so bedeutend, lediglich bei Einzelheiten schwelgt er nahezu (Ertrinkende, Baumflüchtlinge), ohne auch hier zahlenmäßig konkreter zu werden. Eigene Verluste werden am Rande heruntergespielt (neque cruenta nobis fuit).
Ich bin ja ganz bei dir, dass Tacitus einen kleinen Sieg aufbauscht. Aber er nennt eigentlich so gut wie nie konkrete Zahlen, das ist also kein Indiz für oder gegen irgendetwas und wird Tacitus nicht gerecht.
 
Hallo El Quijote,
zu Deinen im Folgenden kursiv geschriebenen Zeilen:

Die fuga ist hier allerdings nicht im Sinne einer Flucht zu verstehen, wie man Flucht im Lexikon beschreiben würde: Es sind ja nicht die Germanen die fliehen, sondern beide Armeen, die Germanen und die Römer, die sich aufeinanderstürzen (ruebant):
duo hostium agmina diversa fuga, qui silvam tenuerant, in aperta, qui campis adstiterant, in silvam ruebant - zwei feindliche Heere, in entgegengesetzer Flucht, welche den Wald besetzt hielten, stürzten auf die Lichtung, und welche sich auf den Wiesen postiert hatten, in den Wald.
Richtig, ein gegenseitiger Angriff, so und nicht anders ist Tacitus zu verstehen.


Hier gehe ich nicht mit! Mit den zwei feindlichen Heeren sind zwei germanische Kampfgruppen gemeint. Wären es Germanen (aus dem Wald ins Feld) und Römer (vom Feld in den Wald), dann liefen sie ja quasi aneinander vorbei, bzw. würden sich "durchströmen". Das alles ohne Kampf? Wäre es so, prallten sie in der Mitte aufeinander und die Schlachtentwicklung spielte den römischen Profis in die Hände! Legionen in voller Kampfordnung gegen Heerhaufen, so etwas kann Arminius nie im Leben geplant, geschwiege denn befohlen haben!
Ich will nicht glauben, dass Dein entsprechender obiger Satz ernsthaft gemeint ist! Du willst mich foppen:)
Nein, hier fand eine Umgruppierung zweier germanischer Heere statt. Die in und vor dem Hochwald stehenden Truppen stürmten in Richtung Römer vor, die die bisher an den Wäldern (der Hügel) -silvarum lese ich als Genitiv Plural, also sind andere Wälder als der Hochwald gemeint - die Flanke deckenden Truppen nehmen Stellung im Hochwald. So zumindest verstehe ich Tacitus.

Das steht da nun nicht. Dort steht, dass Arminius sich auf die Bogenschützen gestürzt hatte, und diese wären zusammengebrochen (rupturus) wenn nicht (ni) die Hilfstruppen (Raetorum Vindelicorumque et Gallicae cohortes) sich dazwischengeworfen hätten (obiecissent).

Ich habe nicht davon geschrieben, dass die Bogenschützen vernichtet wurden, sondern ausgeschaltet, also nur gehörig derangiert und zum sofortigen geordneten Weiterkämpfen nicht mehr fähig. Nur die Bogenschützen konnten den in den Baumkronen versteckten Germanen gefährlich werden (was ja auch später durch die herbeigerufenen Bogenschützen tatsächlich geschieht). Dieses Ziel wurde durch die Cherusker erreicht!

Von dem Einsatz der Kavallerie im Rücken der Germanen bis zur Flucht sind es wenige Sätze:
:rechts: Abordnung der Kavallerie
:rechts: Gutes Omen der acht Adler
:rechts: Befehl Germanicus' die Germanen anzugreifen
:rechts: gegenseitiger Angriff, die Kavallerie wird explizit erwähnt
:rechts: Fokussierung auf den gegnerischen Feldherren, der sich auf die Sagittarii stürzt, welche von den Hilfstruppen geschützt werden
:rechts: Arminius flieht vom Schlachtfeld - Chaukische Hilfstruppen helfen ihm dabei
:rechts: Das Gemetzel zum Ende der Schlacht.
Sich hier zu wundern, dass die Kavallerie nicht mehr explizit erwähnt wird, wird der Kürze der Schilderung nicht wirklich gerecht.


Die Reiterei wird nur mehrmals zu Beginn des Kampfes erwähnt, ab der Umgruppierung der Germanen tauchen sie nicht mehr auf!

Bist du noch bei Idistaviso - dann ein klares Nein - oder bereits beim Angrivarierwall?

Klares Ja, (Tac. ann II. Kap.17, erster Satz) Die Cherusker stürzen in wilden Ungestüm dem Feind entgegen! Erst danach wird römische Reiterei eingesetzt - mit dem sehr dünnen "Erfolg", die Cherusker noch mehr nach vorn zu treiben (von den Hügeln herabzudrängen)! Also auf dem Hügel Camping zu machen, hatten die sicher nicht vor...


Auch ein Feldherr mit herausragenden taktischen und strategischen Fähigkeiten kann scheitern.

Zustimmung! Schlimm ist es aber auch, einem mäßig Begabten überwältigende Siege zuzuschreiben.

Es mag so sein, dass so das tatsächliche Schlachtgeschehen ausgesehen hat. Das ist aber nicht, was Tacitus schreibt. Die Angaben von der fünften Stunde bis zum Einbruch der Nacht (quinta ab hora diei ad noctem caesi) beziehen sich auf das Gemetzel an den Germanen nach der Schlacht. Das hat im Übrigen eine Parallele nach dem Sieg Caecinas über Arminius bei den pontes longi: auch hier verfolgen die angeblich siegreichen Römer die angeblich geschlagenen Germanen donec ira et dies permansit - solange bis Zorn und Tag zu Ende waren und kehren erst in der Nacht zurück (Tac. ann. I, 68)

Jetzt bist Du wieder Tacitus auf den Leim gegangen :rofl:
Natürlich gab es keinen ernsthaften Kampf, schreibt er ja:
- Cherusker lässt man entkommen, deren Anführer macht sich mit Blut unkenntlich, der Feigling. Trotzdem ertrinken fast alle.
- die feindlichen Heere wissen vor Verwirrung nicht wo sie hinfliehen sollen,
- die Angsthasen klettern auf die Bäume im Hochwald (die erst sehr hoch die ersten Äste haben) und werden natürlich locker von den Bogenschützen abgeschossen, welch ein Vergnügen
- andere werden durch umstürzende Bäume erledigt, sogar die Natur kämpft für die Römer,
Da ist es naheliegend, dass das logischerweise von Beginn an ein Gemetzel war (wie sagte Kirk auf der Enterprise immer: "Das wird ein Spaß!")! (Ironie aus)

Ich bin ja ganz bei dir, dass Tacitus einen kleinen Sieg aufbauscht. Aber er nennt eigentlich so gut wie nie konkrete Zahlen, das ist also kein Indiz für oder gegen irgendetwas und wird Tacitus nicht gerecht.[/QUOTE]

Hier meinst Du sicher Opferzahlen, ansonsten legt er schon Wert auf Nennung der Truppenstärken etc. und wenn die geringe Zahl der gegnerischen Opfer nicht zum grandiosen Sieg passt, umschreibt er das geschickt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die fuga ist hier allerdings nicht im Sinne einer Flucht zu verstehen, wie man Flucht im Lexikon beschreiben würde: Es sind ja nicht die Germanen die fliehen, sondern beide Armeen, die Germanen und die Römer, die sich aufeinanderstürzen (ruebant):
duo hostium agmina diversa fuga, qui silvam tenuerant, in aperta, qui campis adstiterant, in silvam ruebant - zwei feindliche Heere, in entgegengesetzer Flucht, welche den Wald besetzt hielten, stürzten auf die Lichtung, und welche sich auf den Wiesen postiert hatten, in den Wald.
Richtig, ein gegenseitiger Angriff, so und nicht anders ist Tacitus zu verstehen.

Hier gehe ich nicht mit!
Das steht aber nun mal da, wörtlich, das habe ich mir ja auch nicht ausgesucht.


Mit den zwei feindlichen Heeren sind zwei germanische Kampfgruppen gemeint. Wären es Germanen (aus dem Wald ins Feld) und Römer (vom Feld in den Wald), dann liefen sie ja quasi aneinander vorbei, bzw. würden sich "durchströmen". Das alles ohne Kampf? Wäre es so, prallten sie in der Mitte aufeinander
Genau das ist es, was Tacitus beschreibt, zwei feindliche Armeen, die in entgegengesetzter Richtung (di|versa fuga) aufeinanderzustürmen (ruebant).


und die Schlachtentwicklung spielte den römischen Profis in die Hände! Legionen in voller Kampfordnung gegen Heerhaufen, so etwas kann Arminius nie im Leben geplant, geschwiege denn befohlen haben!
Was Arminius befohlen haben kann oder nicht, steht eigentlich nicht zur Debatte, sondern erst mal nur, was Tacitus schreibt, unabhängig davon, ob das der historischen Wahrheit entspricht oder nicht. Wir haben nur diese eine Quelle und mit der müssen wir eben arbeiten.
Im Übrigen, wenn du die Diskussion verfolgt hast, wird dir vielleicht aufgefallen sein, dass Tacitus für das darauffolgende Jahr ganz explizit schreibt, dass Arminius und Marbod, als sie im darauffolgenden Jahr gegeneinander Krieg führten, sich am römischen Vorbild orientierten: Die Germanen folgten den Feldzeichen und den Befehlen ihrer Offiziere, wie sie es sich bei den Römern abgeschaut hatten...
Nein, hier fand eine Umgruppierung zweier germanischer Heere statt. Die in und vor dem Hochwald stehenden Truppen stürmten in Richtung Römer vor, die die bisher an den Wäldern (der Hügel) -silvarum lese ich als Genitiv Plural, also sind andere Wälder als der Hochwald gemeint - die Flanke deckenden Truppen nehmen Stellung im Hochwald. So zumindest verstehe ich Tacitus.
Du liest korrekt einen Genitiv Plural. Warum übersetzt du diesen Genitiv Plural aber als Akkusativ oder Lokativ? Ein Genitiv gehört in eine Genitivgruppe, d.h. Er hat ein Bezugswort, welches nicht im Genitiv steht und welches der Genitiv nur näher bestimmt. Was hier zählt ist prima: Die erste Reihe silvarum, die erste Reihe der Wälder, die Waldränder oder Waldsäume.
Warum wird der Waldrand gesondert erwähnt? Weil Waldränder, gerade bei Laubwäldern, durch Gebüsch, welches am Waldrand genug Licht bekommt, im Sommer besonders dicht sind. Die Germanen waren hinter dem Waldrand postiert und somit für die Römer, die zwar wussten, dass sie da sind, unsichtbar. Die Römer wussten also nicht, wo sie mit dem Angriff zu rechnen hatten.

Das steht da nun nicht. Dort steht, dass Arminius sich auf die Bogenschützen gestürzt hatte, und diese wären zusammengebrochen (rupturus) wenn nicht (ni) die Hilfstruppen (Raetorum Vindelicorumque et Gallicae cohortes) sich dazwischengeworfen hätten (obiecissent).

Ich habe nicht davon geschrieben, dass die Bogenschützen vernichtet wurden, sondern ausgeschaltet, also nur gehörig derangiert und zum sofortigen geordneten Weiterkämpfen nicht mehr fähig.
Das steht da aber nicht. Das ist nur eine Möglichkeit aus dem sehr breiten Spielraum, den Tacitus seinen Lesern hier lässt. Die Spannbreite dieses Spielraums reicht von „die Cherusker stürzten sich auf die sagittarii und erschlugen diese, bis es den Hilfstruppen gelang, die Überlebenden zu retten“ bis „die Cherusker stürzten sich auf die sagittarii aber die Hilfstruppen konnten sich rechtzeitig dazwischenwerfen“.
Nur die Bogenschützen konnten den in den Baumkronen versteckten Germanen gefährlich werden (was ja auch später durch die herbeigerufenen Bogenschützen tatsächlich geschieht). Dieses Ziel wurde durch die Cherusker erreicht!
Damit setzt du voraus, dass Germanen von Anfang an in den Bäumen gesessen hätten. Tacitus schreibt allerdings etwas anderes, nämlich dass die Germanen sich nach der verlorenen Schlacht vor dem Gemetzel in die Bäume flüchteten. Ob ihm die Phantasie durchgeht oder er die Einzelfälle weniger Schlauberger generalisiert, lässt sich nicht mehr feststellen.
Die Reiterei wird nur mehrmals zu Beginn des Kampfes erwähnt, ab der Umgruppierung der Germanen tauchen sie nicht mehr auf!
Ich kann nur wiederholen, was ich bereits schrieb:
El Quijote schrieb:
Sich hier zu wundern, dass die Kavallerie nicht mehr explizit erwähnt wird, wird der Kürze der Schilderung nicht wirklich gerecht.
Es sind sechs kurze Sätze, welche den weiteren Schlachtverlauf einschließlich der Flucht von Arminius und Inguiomer beschreiben. Du stellst aber Forderungen an Tacitus' Schlachtbericht, als wäre das ein mehrseitiger Spiegelartikel.

Die Cherusker stürzen in wilden Ungestüm dem Feind entgegen! Erst danach wird römische Reiterei eingesetzt - mit dem sehr dünnen "Erfolg", die Cherusker noch mehr nach vorn zu treiben (von den Hügeln herabzudrängen)! Also auf dem Hügel Camping zu machen, hatten die sicher nicht vor...
Entkontextuaisiert ergibt sich hier Spielraum. Das Verb pro|ruperant scheint mir aber durch den Kontext auf seinen wörtlichen Sinn reduziert zu sein: Die Germanen stehen versteckt hinter dem Waldsaum (prima silvarum). Während die meisten der Germanen diszipliniert hinter diesem Waldsaum stehen und ihre Befehle erwarten, bricht ein einzelner Trupp (catervis) ungestümer Germanen hervor. Hier haben wir dann zwei Möglichkeiten:
1. dieser Trupp war undiszipliniert und wollte sich ohne Befehl auf die Römer stürzen, zeigte damit den Römern aber vorzeitig die Stellungen der Germanen an.
2. Es handelte sich um einen erlaubten Vorstoß, nämlich den Versuch, die Römer in den Wald zu locken, wie wir das aus mehreren Kontexten mit Arminius bereits kennen, eine Sonderform der Scheinflucht, die aus einem versprengten Trupp plötzlich eine Übermacht macht. Die Germanen brechen hervor, ein Trupp der Römer löst sich vom Heer, die Germanen fliehen zurück in den Wald und die Römer werden niedergemacht.

Jetzt bist Du wieder Tacitus auf den Leim gegangen :rofl:
Wieso sollte ich Tacitus auf den Leim gegangen sein? Ich gebe lediglich urteilsfrei wieder, was er schreibt und zeige, dass du willkürlich Fragmente des taciteischen Textes nimmst, um daraus Dinge zu konstruieren, die sich nicht durch Tacitus stützen lassen. Ob ich Tacitus das glaube, steht auf einem anderen Blatt. Aber es gibt Indizien dafür, die du benutzen könntest, um meine tatsächliche Haltung zur taciteischen Schlachtbeschreibung zu erkennen:
Es mag so sein, dass so das tatsächliche Schlachtgeschehen ausgesehen hat.
[…]
Das hat im Übrigen eine Parallele nach dem Sieg Caecinas über Arminius bei den pontes longi: auch hier verfolgen die angeblich siegreichen Römer die angeblich geschlagenen Germanen donec ira et dies permansit - solange bis Zorn und Tag zu Ende waren und kehren erst in der Nacht zurück (Tac. ann. I, 68)
[...]
Ich bin ja ganz bei dir, dass Tacitus einen kleinen Sieg aufbauscht.


El Quijote schrieb:
Ich bin ja ganz bei dir, dass Tacitus einen kleinen Sieg aufbauscht. Aber er nennt eigentlich so gut wie nie konkrete Zahlen, das ist also kein Indiz für oder gegen irgendetwas und wird Tacitus nicht gerecht.
Hier meinst Du sicher Opferzahlen, ansonsten legt er schon Wert auf Nennung der Truppenstärken etc. und wenn die geringe Zahl der gegnerischen Opfer nicht zum grandiosen Sieg passt, umschreibt er das geschickt.
Ich darf dich daran erinnern, was du geschrieben hast:
Aus gutem Grund nennt Tacitus hier keine Zahlen, denn offenbar waren die Verluste der Germanen nicht so bedeutend, lediglich bei Einzelheiten schwelgt er nahezu (Ertrinkende, Baumflüchtlinge), ohne auch hier zahlenmäßig konkreter zu werden. Eigene Verluste werden am Rande heruntergespielt (neque cruenta nobis fuit).
Aber vielleicht hast du ja ein paar Textstellen parat, wo Tacitus auf Truppenstärken oder Verlustzahlen eingeht, um deine Position zu stärken?
 
Hallo El Quijote,
Danke für Deine Ausführungen!
Zitat ElQ:
"Du liest korrekt einen Genitiv Plural. Warum übersetzt du diesen Genitiv Plural aber als Akkusativ oder Lokativ? Ein Genitiv gehört in eine Genitivgruppe, d.h. Er hat ein Bezugswort, welches nicht im Genitiv steht und welches der Genitiv nur näher bestimmt. Was hier zählt ist prima: Die erste Reihe silvarum, die erste Reihe der Wälder, die Waldränder oder Waldsäume.
Warum wird der Waldrand gesondert erwähnt? Weil Waldränder, gerade bei Laubwäldern, durch Gebüsch, welches am Waldrand genug Licht bekommt, im Sommer besonders dicht sind. Die Germanen waren hinter dem Waldrand postiert und somit für die Römer, die zwar wussten, dass sie da sind, unsichtbar. Die Römer wussten also nicht, wo sie mit dem Angriff zu rechnen hatten.
"

Als nicht in Latein Geschulter passieren mir tatsächlich Ungenauigkeiten. Mein Einschub (der Hügel) sollte keine Übersetzung sein, sondern damit wollte ich andeuten, dass mit den Waldrändern - wie Du richtig übersetzt - die mit normalen Büschen/Unterholz versehenen Wälder gemeint sind, die die seitlichen Hügel bedecken. Richtig stellst Du fest, dass an diesen Wäldern germanische Truppen stehen. Dann gibt es noch den Hochwald, vor/an dem eine weitere gemanisches Schlachtlinie die Ebene besetzt hält (Tac. ann. II, Kap. 16: campum et prima silvarum barbara acies tenuit). Soweit erstmal.

Dann werden explizit die Cherusker, stehend auf Anhöhen, erwähnt. Sie bilden offensichtlich einen eigenen Kampfverband, der, so meine Vermutung, sich den Römern am nahesten befindet, denn er greift zuerst in das Geschehen ein (mit einem besonderen Auftrag, denke ich. Warum sonst in dieser besonderen Position?)

Das römische Heer befindet sich immer noch in der beschriebenen Marschordnung, bereit, zur Gefechtsordnung umzuguppieren, genau jetzt stürmen die Cherusker los, offensichtlich allein. Zu welchem Zweck? Sonst hatte Arminius doch immer gewartet, bis die Truppen vorbei waren und hatte sich dann den Tross vorgenommen! Fast liest es sich wie ein Himmelfahrtskommando, aber es steht ein Auftrag dahinter - die Bogenschützen zu schwächen - was auch gelingt. Offensichtlich werden sie aus dem Kampfverband herausgezogen, denn am Schluss des Berichts schreibt Tacitus (admotis saggitariis) von "herbeigerufenen/herangeführten" Bogenschützen. Diese waren also nach ihrem Scharmützel mit den Cheruskern offenbar nicht mehr direkt am Kampfplatz, sonst müssten sie nicht extra herbeigeholt werden, nicht wahr?

Ob die Cherusker dann sofort flüchten, bleibt auch zweifelhaft, denn ihnen stellen sich, extra erwähnt, die rätischen, vindelizischen und gallischen Kohorten entgegen.
Dann beschreibt Tacitus erst das Verhalten des Arminius während des Durchbruchs, welcher ihm und Inguimerus - und damit wohl auch ihren Truppen - gelingt. Natürlich nicht durch die Schwäche der römischen Truppen, nein, (veräterische?) Chauken hätten ihn durchgelassen, so lässt Tacitus andere (Chronisten?) berichten. Nach dem Durchbruch können sie übrigens die Römer schlecht in Richtung Wald locken, sie befinden sich jetzt nahe der Weser. Kämpfen sie weiter, parallel zum römischen Heer oder fliehen sie über die Weser? Mehr erfahren wir nicht, denn anschließend berichtet Tacitus von den übrigen Germanen und deren "Vernichtung"

Vorher geschieht die Umgruppierung der germanischen Kampftruppen/Heere, nachdem klar ist, in welche Richtung Germanicus seinen Haupstoss unternimmt (die 8 Adler, sprich Legionen, lassen sich im Hochwald nieder). Die seitlich die Waldränder besetzenden Truppen sind dort nicht mehr nötig, eilen (wie vorher abgesprochen?) in den Hochwald und die vorher im/am Hochwald stehenden Germanen stürmen gegen die heranziehenden Legionen (von den Hilfstruppen wird dank der Cherusker nicht mehr viel übrig sein?) vor.

Klar, es liest sich verwirrend, was die Germanen, speziell die Cherusker so treiben. Doch nehme ich nicht an, dass Arminius, der seine Truppen tagelang vorher im heiligen Hain versammelte, den Kampfplatz aussuchte, anschließend seine Truppen kämpfen ließ, wie sie wollten. Er hatte diese Schlacht geplant und die Taktik festgelegt, die seine Truppen weitgehend befolgten! Grade Dein Hinweis, lieber El Quijote, dass ein Jahr später beide germanischen Heere ausdrücklich nach römischem Vorbild und offenbar römischer Disziplin kämpften, bestärkt mich in meiner Meinung.

Ansonsten kann ich mich nur weiter wiederholen. Wer glaubt denn ernsthaft, dass die Germanen ihr Heil auf der Flucht dadurch suchten, dass sie auf Bäume kletterten? Dieser hochstämmige Wald wird extra erwähnt, sogar die Adler fliegen dorthin. Ich glaube, dass dieser Wald in der Schlacht einige Bedeutung hatte, inklusive der zum Umstürzen vorbereiteten Bäume!
Nicht zuletzt ließ Germanicus möglicheweise (meine Vermutung!) sogar in/an diesem Wald den Erdhügel (für seine Toten?) mit der Anhäufung der Beutewaffen in der Art eines Trophäums errichten. Vielleicht erzürnte die "Entweihung" ihres heiligen Hains dann die Cherusker so stark, das sie, obwohl zur Flucht über die Elbe vorbereitet, mit Mann und Maus die Römer angriffen! Woher sonst kommt plötzlich dieser "Volkszorn"?
Aber dies sind nur meine Vermutungen...

Schnell noch einige Zahlenangaben von Tacitus (natürlich ohne römische und gegnerische Verluste!):

Tac. Ann. I, Kap. 56:
Germanicus übergibt nun vier Legionen, 5000 Mann Hilfstruppen und die in der Eile aufgebotenen Scharen diesseits des Rheins wohnender Germanen dem Caecina; er selbst setzt sich an die Spitze von ebenso vielen Legionen und der doppelten Zahl von Bundesgenossen,
Tac. Ann. I, Kap. 60:
Er schickte, damit der Krieg nicht an einem Punkt mit erdrückender Gewalt losbreche, um die Feinde zu teilen, den Caecina mit vierzig römischen Kohorten durch das Gebiet der Brukterer an die Ems, die Reiterei ließ er unter dem Präfekten Pedo durch die friesische Mark ziehen; er selbst brachte vier Legionen zu Schiff und fuhr mit ihnen über die Seen.
Tac. Ann. II, Kap. 25:
Er befiehlt dem Gaius Silius, mit 30.000 Mann zu Fuß und 3000 zu Pferd gegen die Chatten zu ziehen

Grüße
Ostfale
 
Zuletzt bearbeitet:
naja, Ostfale, Flucht über die Elbe sicher nicht, wenn die Schlacht an der Weser vermutet wird.
Da sind schleßlich noch Leine und die Okersümpfe dazwischen. Und an der Elbe sind denn schon Marbods "Reste" ...
Die Cherusker würden den Vorteil der "inneren Linien" aufgeben.

Wenn ich mir die Zahlen so ansehe..., und dann keinen Hufschuh nix???

Das Weser-Leinebergland ist ja an den "Straßen" archäologisch ziemlich erschlossen, gut, das ist die Strecke A7 um den Harz auch, und beide Routen sind dann doch vergleichsweise äußerst fundarm
 
Nein Wilfried,
Tacitus schreibt das selber mit dem Rückzug über die Elbe.
Man sollte sich auch von der Vorstellung verabschieden, dass die Cherusker noch weit westlich der Weser gehaust haben. Deren "Verlegung" bis zum Osning war doch nur nötig, damit Kalkriese zur Varusschlacht passt. Letztere fand, laut Quelle, "bei" den Cheruskern statt.
Da bin ich froh, dass sich Maelo mit seiner Holland-Theorie nicht durchgesetzt hat, sonst müssten die Armen noch weiter umziehen...
 
Richtig stellst Du fest, dass an diesen Wäldern germanische Truppen stehen. Dann gibt es noch den Hochwald, vor/an dem eine weitere gemanisches Schlachtlinie die Ebene besetzt hält (Tac. ann. II, Kap. 16: campum et prima silvarum barbara acies tenuit).

Ich begreife, dass du aus der Beschreibung des Waldes und der Erwähnung, dass die Germanen sich am Waldrand in der Schlachtlinie aufreihen zwei oder mehr Wälder machst, weil von der "ersten Reihe der Wälder" die Rede ist, wobei ich mir hier nicht sicher bin, ob der Genitiv Plural wirklich den Plural rechtfertigt (pone tergum insurgebat silva editis in altum ramis et pura humo inter arborum truncos. campum et prima silvarum barbara acies tenuit.)
Es ist jedenfalls nur von einer Schlachtlinie (acies) die Rede, zu erkennen an dem Verb, welches im Singular steht: tenuit (acies selbst lässt sich ja nicht so leicht unterscheiden, da Nom. Sg. und Nom. Pl. ident. sind (außerdem der Akk. Pl.)).
Franz Eckstein schreibt über Tacitus, dass eine seiner "Spracheigentümlichkeiten" die Verwendung des Genitivus partitivus sei, "auch wenn kein partitives Verhältnis vorliegt". Als Beispiel nennt er u.a. genau diese Stelle, prima silvarum, II, 16. (Eckstein, Franz: Tacitus. Annalen und Historien. B: Erläuterungen. Frankfurt 1960, S. 85, 86.)

Dann werden explizit die Cherusker, stehend auf Anhöhen, erwähnt. Sie bilden offensichtlich einen eigenen Kampfverband, der, so meine Vermutung, sich den Römern am nahesten befindet, denn er greift zuerst in das Geschehen ein (mit einem besonderen Auftrag, denke ich. Warum sonst in dieser besonderen Position?)
Möglich. Wobei sie ja eigentlich als einzige auf der Höhe stehen sollen, um die Römer von oben anzugreifen.

Das römische Heer befindet sich immer noch in der beschriebenen Marschordnung, bereit, zur Gefechtsordnung umzuguppieren, genau jetzt stürmen die Cherusker los, offensichtlich allein. Zu welchem Zweck? Sonst hatte Arminius doch immer gewartet, bis die Truppen vorbei waren und hatte sich dann den Tross vorgenommen! Fast liest es sich wie ein Himmelfahrtskommando, aber es steht ein Auftrag dahinter - die Bogenschützen zu schwächen - was auch gelingt.
Nein, das sind zwei verschiedene Aktionen. Wie gesagt, dieses Hervorbrechen - ob es ein Himmelfahrtskommando war oder Disziplinlosigkeit - wird nur von von einem einzelnen Trupp unternommen. Hier noch mal meine Ausführungen dazu:

Entkontextuaisiert ergibt sich hier Spielraum. Das Verb pro|ruperant scheint mir aber durch den Kontext auf seinen wörtlichen Sinn reduziert zu sein: Die Germanen stehen versteckt hinter dem Waldsaum (prima silvarum). Während die meisten der Germanen diszipliniert hinter diesem Waldsaum stehen und ihre Befehle erwarten, bricht ein einzelner Trupp (catervis) ungestümer Germanen hervor. Hier haben wir dann zwei Möglichkeiten:
1. dieser Trupp war undiszipliniert und wollte sich ohne Befehl auf die Römer stürzen, zeigte damit den Römern aber vorzeitig die Stellungen der Germanen an.
2. Es handelte sich um einen erlaubten Vorstoß, nämlich den Versuch, die Römer in den Wald zu locken, wie wir das aus mehreren Kontexten mit Arminius bereits kennen, eine Sonderform der Scheinflucht, die aus einem versprengten Trupp plötzlich eine Übermacht macht. Die Germanen brechen hervor, ein Trupp der Römer löst sich vom Heer, die Germanen fliehen zurück in den Wald und die Römer werden niedergemacht.

Erst später der Angriff unter der Führung des Arminius auf die Bogenschützen.

Offensichtlich werden sie aus dem Kampfverband herausgezogen, denn am Schluss des Berichts schreibt Tacitus (admotis saggitariis) von "herbeigerufenen/herangeführten" Bogenschützen. Diese waren also nach ihrem Scharmützel mit den Cheruskern offenbar nicht mehr direkt am Kampfplatz, sonst müssten sie nicht extra herbeigeholt werden, nicht wahr?
Das ist ein guter Punkt, admotis ist PPP.

Ob die Cherusker dann sofort flüchten, bleibt auch zweifelhaft, denn ihnen stellen sich, extra erwähnt, die rätischen, vindelizischen und gallischen Kohorten entgegen.
Von sofort steht da ja auch nichts.

Dann beschreibt Tacitus erst das Verhalten des Arminius während des Durchbruchs, welcher ihm und Inguimerus - und damit wohl auch ihren Truppen - gelingt.
Das sehe ich nicht so. Insofern kann ich auch den darauf aufbauenden Ausführungen nicht folgen.

Vorher geschieht die Umgruppierung der germanischen Kampftruppen/Heere, nachdem klar ist, in welche Richtung Germanicus seinen Haupstoss unternimmt (die 8 Adler, sprich Legionen, lassen sich im Hochwald nieder). Die seitlich die Waldränder besetzenden Truppen sind dort nicht mehr nötig, eilen (wie vorher abgesprochen?) in den Hochwald und die vorher im/am Hochwald stehenden Germanen stürmen gegen die heranziehenden Legionen (von den Hilfstruppen wird dank der Cherusker nicht mehr viel übrig sein?) vor.

Welchen Sinn sollte das haben? Zwei germanische Heeresteile wechseln die Plätze, nachdem die Römer schon die germanischen Schlachtreihen angreifen? (exclamat: "irent, sequerentur Romanas avis, propria legionum numina".) Nein, Germanicus gibt den Angriffsbefehl und die Römer in der Ebene greifen die Germanen am Waldrand an und gleichzeitig brechen die Germanen hevor, welche die Römer auf der Ebene angreifen. Das ist die duo hostium agmina diversa fuga. Zwei Heere fallen übereinander her.

Klar, es liest sich verwirrend, was die Germanen, speziell die Cherusker so treiben. Doch nehme ich nicht an, dass Arminius, der seine Truppen tagelang vorher im heiligen Hain versammelte, den Kampfplatz aussuchte, anschließend seine Truppen kämpfen ließ, wie sie wollten. Er hatte diese Schlacht geplant und die Taktik festgelegt, die seine Truppen weitgehend befolgten! Grade Dein Hinweis, lieber El Quijote, dass ein Jahr später beide germanischen Heere ausdrücklich nach römischem Vorbild und offenbar römischer Disziplin kämpften, bestärkt mich in meiner Meinung.

Im Beitrag zuvor hast du noch geschrieben, dass Arminius mit seinen "Heerhaufen" niemals "gegen Legionen in voller Kampfordnung" geschickt hätte. ;)
Auch ich gehe davon aus, dass Arminius den Kampfplatz mit Bedacht ausgesucht hat und eine sehr genaue Vorstellung von den Phasen dieser Schlacht hatte. Die aus dem Wald hervorbrechende caterva der Cherusker hat diesen Plan entweder durchkreuzt (Disziplinlosigkeit einzelner) oder sie gehörte zum Plan (wie oben ausgeführt), der dann aber offenbar nicht die gewünschte Wirkung erzielte. Oder doch?

Wer glaubt denn ernsthaft, dass die Germanen ihr Heil auf der Flucht dadurch suchten, dass sie auf Bäume kletterten? Dieser hochstämmige Wald wird extra erwähnt, sogar die Adler fliegen dorthin.
Gerade die Adler halte ich für eine Erfindung, fast eher des Germanicus der sich vor Tiberius und dem Senat rechtfertigte als des Tacitus, der diese Rechtfertigung dann den Senatsakten entnommen hat. Daher kann sogar eigentlich kein Argument sein.
Dass jemand ernsthaft daran glaubt, dass die Germanen in größeren Scharen auf die Bäume flohen, glaube ich ebenfalls nicht. Aber den einen oder anderen Schlauberger gibt es immer... Wenn Tacitus solche vereinzelten Aktionen dann generalisiert, kommen wir sehr schnell zu der vorliegenden Darstellung. Und spinnen wir die Geschichte mal weiter. Ein oder mehrere Schlauberger unter den Germanen sind auf Bäume geklettert, weil sie gedacht haben, sie würden dort nicht gesehen, wie auch immer ihnen das gelungen ist.
Natürlich wäre es ein leichtes, jemanden vom Baum runter zu schießen.
Aber die römischen Legionäre sind harte Kerle und so richtig sauer auf diese Germanen, die sich ihnen ständig in den Weg stellen, ihnen Schlachten aufzwingen und einfach nicht zu Untertanen werden wollen. Jetzt hat man ein paar Schlauberger, die glaubten, sich in den dichten Baumkronen verstecken zu können in die Enge getrieben. Effektiv und praktisch wäre es, sie aus ihrem Nest herauszuschießen. Aber man ist sauer und will seinen Spaß haben. Bis so ein Baum gefällt ist, vergeht viiiiiiiieeeel Zeit und mit jedem Schlag der Axt, wird die Angst des oben Sitzenden größer... Ich glaub schon, dass manch einer an so etwas Spaß gehabt hätte, insbesondere nach einer Schlacht.

Ich glaube, dass dieser Wald in der Schlacht einige Bedeutung hatte, inklusive der zum Umstürzen vorbereiteten Bäume!
Man muss Tacitus wirklich nicht alles glauben. Ihm nicht zu glauben oder kritisch mit seinen Ausführungen umzugehen bedeutet aber nicht, dass man den taciteischen Text in sein Gegenteil verkehren kann. Ausdrücklich sind es die Römer die Bäume fällen, weil vom Gemetzel geflohene Germanen darin sitzen. Das kann man für eine Räuberpistole halten oder für eigentlich unbedeutende Einzelfälle. Daraus lässt sich aber nicht konstruieren, die Germanen hätten Bäume angesägt, um sie auf die Römer stürzen zu lassen.

Danke für die Stellen mit den Zahlen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es mag ja sein, das vor dem Senat von Bäumefällenden Legionären erzählt wurde, aber, nach einer langen Schlacht hätte ich besseres zu tun als irgendwelche Bäume zu fällen, auf denen Germanen sitzen. Lager aufschlagen wäre ne Tat. Denn abends und vorallem "Nachts ist mit zunehmender Dunkelheit zu rechenen"
Zitat aus einer veralteten Truppendienstvorschrift der Bundeswehr.
 
Hm,
hier mein Übersetzungsversuch, der ohne Römer auskommt:
Tac. ann. II. Kap 17: "alios prorutae arbores adflixere." in Deutsch: "andere schädigten die umstürzenden Bäume."
Überhaupt kann ich hier keine Römer erkennen, wo hast Du die so plötzlich her um ihnen "ausdrücklich" diese Handlung zuzuschreiben?
Nein, hier beschreibt Tacitus, was wirklich geschah, nämlich dass Bäume umgestürzt sind. Von einem Hurrican berichtet er nicht, also sind die Bäume zum Sturz vorbereitet gewesen.
Frage. Wer hat von solcherart Handlung einen Vorteil?
1. Die Römer, die die Klettermaxen einfach runterschießen lassen oder auch am Fuße des Baumes ein kleines Feuerchen entfachen könnten (meine schmutzige Phantasie!)um genüßlich zuzusehen, wie der Germane brät (macht viel mehr "Spass" als Bäume fällen!)?
2. Die Germanen, die durch taktische Mittel (Hervorstürzen des einen Heeres auf die Ebene um kämpfend die Legionen in den Wald zu ziehen) den Römern eine Falle stellen und dann auf selbige die Bäume kippen zu lassen?
Tacitus schreibt nicht, wer die Bäume tatsächlich fällte. Das muss man aus seinen mageren Beschreibungen sicher erschließen. Damit zichtige ich ihn keineswegs der Unwahrheit, wenn ich diese Tat den Germanen aus gutem Grund zuschreibe!

Nun, letztlich streiten wir um des Kaisers Bart. Ich habe den Eindruck, Tacitus konnte beim besten Willen viele Tatsachen nicht verschweigen, raffte aber hier und da und übertrieb manches, damit "sein Liebling" Germanicus nicht allzu schlecht wegkommt, bzw diese Schlacht zum grandiosen Sieg wird.
Das dies nicht stimmt, wissen wir alle!
Woher sonst nimmt Arminius die Kampfkraft, den Germanicus kurze Zeit später am Angivarierwall derart zu beschäftigen, dass der mühsam eine Legion aus dem Kampf ziehen lässt, damit diese ein Lager errichtet. Trotzdem berichtet der Verfasser erneut von einem tollen Sieg.
Letztlich muss wieder General Winter, äh, die unberechenbare Natur herhalten, die dem Sieggewohnten mittels Flut und Ebbe den Großteil seiner Truppen und Schiffe vernichtet. Nur so läßt sich offenbar erklären, warum die Verluste (Zahlen nennt Tacitus wieder nicht aber die Beschreibung lässt das Schlimmste befürchten) derart fürchterlich waren.
Gut, dass der Germanien-Insider Tiberius die wahren Ursachen erkannte, dem Spuk anschließend ein Ende machte und den Germanicus in den nahen Osten abschob. Noch einen Pyrrhus brauchte Italien wohl nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bäume als Waffe ? Wie soll das gehen, dass man die angesägten Bäume Legionären auf den Kopp fallen lässt ? Umziehen mit nem Seil geht schlecht, die Germanen konnten vermutlich nicht genug Latein um zu sagen "lasst uns mal bitte mit dem Seil durch". Die hätten ja Richtung Römer ziehen müssen.
Umdrücken kann man auch vergessen.
 
Tacitus schreibt sogar von Ketten.
Frage, hast Du schonmal einen oder mehrere Bäume gefällt? Dann wirst Du wissen, dass man solch einen Baum zu fast zwei Dritteln durchhacken,-sägen kann und er steht trotzdem noch. Jetzt noch ein kleiner Zug (möglichst in Richtung des eingehackten Keils) oder Druck - und sieh da, der Baum stürzt in die (durch richtiges "Einkerben") gewünschte Richtung. Mach das mal mit einem Dutzend Bäumen auf 100m Breite und lass die gleichzeitig in eine Richtung umfallen (oder besser noch von mehreren Seiten) - da geht jede Ordnung verloren, auch beim diszipliniertesten Legionär. Wenn jetzt noch eine kampfkräftige Truppe auftaucht, diese Verwirrung auszunutzen, hätte die gute Chancen auf Erfolg, oder?
 
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