Veneter-Veneter...alles das selbe?

Sprich doch mal "Kh'aminata" mit Betonung der ersten Silbe....
Wenn ich das a der ersten Silbe betone, klingt es wie ein a.

Für den Primärumlaut wird kein "kch" benötigt.
Primärumlaut ? Wikipedia


Je nach dem, was man unter "alpenromanisch" versteht.
Das ist doch klar, was hier unter alpenromanisch zu verstehen ist:
Der romanische Dialekt, der vor mehr als 1000 Jahren im Inntal gesprochen wurde.
Ganz sicher nicht der moderne venezische Dialekt.

Über den modernen venezischen Dialekt brauchen wir in diesem Zusammenhang gar nicht zu diskutieren. Trotzdem noch ein paar Anmerkungen:

Venezisch (nicht Venetisch) in Trentiner Dialekt reicht schon. Hat die venetische Behauchung des "th" schön beibehalten.
Von Behauchung steht in dem Link nichts. Was hier beschrieben wird, ist ein sehr weiches d, kein aspiriertes "t(h)".

Und falls Du Belege dafür hast, dass hier etwas "beibehalten" wurde, bring bitte diese Belege.
Ich hatte schon mal in ähnlichem Zusammenhang geschrieben:

Ich schließe daraus, dass Du Dinge durcheinanderwirfst, die nichts miteinander zu tun haben.
Versuch doch bitte mal, sauber zu argumentieren und stelle einige indogermanische Wörter den entsprechenden venetischen Wörtern gegenüber. So in der Art, wie es El Quijote macht:

Und bzg. der hochdeutschen Lautverschiebung vergleiche mal
dove - Taube
drive - treiben
deaf - taub
love - Liebe
live/life - leben/Leben
Aus solchen Vergleichen kann man sinnvolle Schlussfolgerungen ziehen.
Einzelne Buchstaben, willkürlich aus irgendwelchen Wörtern herausgepickt, besagen nichts.

Von den anderen Diskussionsteilnehmern erwartest Du "Faktencheck" und "Qualitätssicherung".

Es wäre nett, wenn Du auch selber etwas mehr dazu beitragen würdest. Das ist vielleicht anstrengender, als immer neue Hypothesen rauszupusten, aber dann könnten wir uns ein paar unergiebige Nebenschauplätze sparen.

Die interessante Frage hier ist: Wann "erfanden" bzw. übernahmen die Römer die Namensbildung auf "-icus"/ "-icum"?
Schau doch einfach mal hier nach:
-icus - Wiktionary
 
Zu ein paar Nebenschauplätzen habe ich noch Anmerkungen.

Falls ich irgendwo falsch liegen sollte, bitte ich um Korrektur.

Am besten mit guten Belegen, bitte nicht mit neuen ungecheckten Hypothesen... :)


Ich will die Innsbruck-Diskussion jetzt hier abbrechen, und wieder zu den Venetern zurückkehren.

Gut. Die Argumente sind ja ausgetauscht. Ich fasse zusammen:

- Die Gründung der Marktsiedlung Innsbruck ist für 1180 belegt.

- Vor 1180 lässt sich der Name "Innsbruck" nicht belegen.

- Die deutsche Herleitung des Namens ist einwandfrei.

- Eine romanische Benennung ist für 1180 auszuschließen. (*Eonisbriga ist kein romanischer Name; die Romanisierung von "Eonisbriga" ergibt auch kein "Inspruck"...)

Eonisbriga - "Eonis" schön (und belegt!) schon spätromanisch lautverschoben zu "Iuns". Könnte z.B. die Hungerburg gewesen sein. Oder einfach nur der Felssporn, der den Andechsern die Siedlungserweiterung links des Inns unmöglich machte. Die ursprüngliche Marktsiedlung lag ausserhalb der Höttinger Gemarkung, trug also auch nicht deren Namen.

Ich nehme an, Du beziehst Dich auf diesen Text:

Zu dieser Zeit wurde in Hötting ein Markt errichtet, der seit 1180 urkundlich bezeugt ist. Die Gründung erfolgte in einer zu dieser Zeit üblichen Art und Weise: Dem bisherigen Dorf Hötting wurde ein Teil des Ortsgebietes entzogen und auf diesem ein Markt eingerichtet, wobei der alte Kern weiterhin als Dorf existierte und die Versorgung mit Lebensmitteln gewährleisten musste.
Innsbruck

Vom Höttinger Ortskern zum Innufer sind es etwa 300 Meter. Dazwischen befand sich der Markt. Ob der einen eigenen Ortsnamen bekam, weiß man nicht. Spekulationen darüber bringen nichts.


Apropos Markt:

Nordgermanisch "torg"/ balto-slawisch "trg" = Markt(-platz) ist unumstritten, gilt jedoch in beiden Fallen als entlehnt.

Das slawische *trъgъ = Markt ist unumstritten. (Balto-slawisch ist nicht gleich slawisch...)

Was von wo nach wo entlehnt wurde, ist aber doch ziemlich unsicher.


In jedem Fall ist allen Ortsnamen auf "terg", "turgi", "torg", "trg" gemeinsam, dass sie urbane Zentren benennen
Das ist nicht richtig. Es gibt (in Mähren) sogar Flurnamen mit diesem Namensbestandteil - da kann von "urbanen Zentren" keine Rede sein. Die Erklärung, dass dort früher Märkte auf freiem Feld abgehalten wurden, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, aber die Gleichung "t()rg"=urbanes Zentrum stimmt einfach nicht.

Richtig ist, dass in den antiken Quellen so gut wie keine Flurnamen oder Namen kleiner Dörfer zu finden sind. Da sind die "urbanen Zentren" stark überrepräsentiert, gelinde ausgedrückt. Die vielen antiken "Karpfenbäche" (gutes Vergleichsbeispiel!) sind dagegen in aller Regel nicht überliefert.
Daher lege ich Wert auf die Feststellung, dass der "-fenb-" Vergleich nicht auf "Achtklässler-Niveau" ist.
Auf unangemessenem Niveau war allenfalls Dein Tonfall:
Wenn Du hier ernstgenommen werden willst, solltest Du schleunigst aufhören, auf Achtklässler-Niveau (ich sage nur Karpfenbach = urbanes Zentrum) zu argumentieren!

beachte die römische Abkürzung "terg"
Die beachte ich. Ich beachte auch die römischen Abkürzungen "Imp", "Fl" und "Aug". Nur weiß ich nicht, was ich daraus folgern sollte. Dass "terg", "imp", "fl" und "aug" jeweils Wörter sein müssen, sicher nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sie haben von ihnen vermutlich den Namen geerbt:
(du verzeihst die fette Markierung)
und uns allen (dir mit deiner Akuratesse ganz besonders!) ist klar, dass damit nichts über einen Zusammenhang zwischen irgendwelchen (wir haben ja mindestens drei verschiedene) als venetisch bezeichneten Sprachen und slawischen Sprachen ausgesagt ist.

(das betrifft dich, @Sepiola, nicht)
In Quellen der römischen Antike und danach des Frühmittelalters tauchen in lat./spätlat. und gelegentlich auch in germ. Sprache zahlreiche Ethnonyme für den osteuropäischen Raum auf. Eines von den vielen spätantiken sind die mutmaßlich an der Weichsel zu lokalisierenden venedi, die später allerdings nicht mehr erwähnt werden.
Ansonsten legen antike Quellen nahe, dass es zu antiken Zeiten (!) verschiedene Gentes an verschiedenen, weit voneinander entfernten Orten gegeben hat, die als venedi bezeichnet wurden (in der Bretagne, an der Adria bis zum Alpenrand, an der Weichsel)

Es ist hierbei unseriös, zu behaupten, dass:
1. alle dieses venedi dieselbe Sprache gesprochen hätten
2. dass das slawische mit irgendeinem "venetisch" besonders direkt verwandt sei (und das ganz besonders angesichts der Tatsache, dass nicht einmal "weichselvenetischen" Sprachtrümmer existieren, zu schweigen von "weichselvenetischen" Quellen...)

Daran ändern aus dem Zusammenhang gerissene Spitzfindigkeiten über "Kemnat-Namen" auch nichts.

(freilich gab es mal Äußerungen a la venedi an der Weichsel sind ganz doll frühe Slawen um pseudonachzuweisen, dass die Slawen dort nicht im Frühmittelalter eingesickert seien, sondern schon immer da gewesen seien --- na, den Geist solcher überkommener Ansichten müssen wir hier sicher nicht breit treten...)
 
Venetische Runen

@EQ: Ich würde Barthinchirchin ja gerne mit Dir weiter diskutieren (insbesondere das "th") nur - nach Sepiolas berechtigten Ordnungsruf: Können wir das im Lautverschiebungs-Thread tun?

Runen ? Wikipedia
Runen waren vom 2. bis zum 14. Jahrhundert n. Chr. überwiegend für geritzte und gravierte Inschriften auf Gegenständen und auf Steindenkmalen in Gebrauch. Ihre Verbreitung zeigt von Anfang an einen deutlichen Schwerpunkt in Südskandinavien (einschließlich Jütlands). In den anderen Siedlungsräumen germanischsprachiger Völker ist nur eine dünne Streuüberlieferung zu finden, die außerdem mit dem jeweiligen Einzug des Christentums zum Ende kommt.(..)
Die Runen sind vermutlich weder unabhängig entstanden, noch sind sie von den Germanen als fertiges Schriftsystem übernommen worden, sondern wurden weitgehend eigenständig nach Vorbildern südeuropäischer Schriften entwickelt. Sie treten allerdings schon sehr früh als komplettes Alphabet mit 24 Buchstaben auf. (..)
Es werden drei Thesen zur Entstehung der Runenschrift vertreten:

Italisch-etruskische These
Das Vorbild der Runen soll ein nordetruskisches Alphabet sein bzw. aus dem Kreis der zahlreichen verschiedenen Alphabete Norditaliens und des Alpenraums (4. bis 1. Jahrhundert v. Chr.) genommen sein. (..)
Das stärkste Argument für die italisch-etruskische These sind die Buchstabenformen, der Schreibduktus und das Verfahren der Worttrennung durch Punkte. In keiner anderen Schrift finden sich so viele Übereinstimmungen mit einzelnen Runenzeichen. (..) Für diese These könnte auch sprechen, dass in den Runen, wie auch im Etruskischen und den Alpenschriften, homorgane Nasallaute vor Verschlusslauten oft nicht geschrieben werden. (..)

Lateinische These
Für diese These sprechen einzelne Übereinstimmungen von Zeichenformen (die jedoch auch einfach auf den gemeinsamen phönizischen Ursprung der Schriftsysteme zurückgeführt werden können). (..) Den genannten Ähnlichkeiten stehen jedoch bedeutende Unterschiede entgegen, die eher auf ein griechisches oder zumindest älteres italisches Alphabet als Ursprung schließen lassen.

Griechische These
Nur mehr wissenschaftsgeschichtlich relevant sind mehrere Versuche, die Entstehung der Runen den Goten im Schwarzmeergebiet (heutige Ukraine) zuzuschreiben. Vorbild soll hier entweder im 2./3. Jahrhundert n. Chr. eine ostgriechische Minuskelschrift oder ein archaisches griechisches Alphabet des 6. Jahrhunderts v. Chr. gewesen sein. Diese Thesen sind weitestgehend aufgegeben worden, denn die ältesten skandinavischen Runendenkmäler sind nach archäologischer Datierung bereits entstanden, bevor die Goten in Kontakt mit dem römischen Weltreich kamen. Auch aus sprachhistorischen (linguistischen) Gründen scheidet diese Auffassung aus: die älteste Runenreihe reflektiert eindeutig nordgermanische bzw. noch gemeingermanische und keine bereits ausdifferenzierten ostgermanischen Lautverhältnisse.
So weit, so klar: Alles spricht für norditalischen Ursprung der Runen. Dieser Ursprung lässt sich noch weiter konkretisieren: Das etruskische Alphabet bestand nämlich zunächst, wie das griechische Alphabet, aus 26 Buchstaben. Um 400 v. Chr. wurden Zeichen, die das Etruskische lautlich nicht benötigte (B, D, K, O, Q, X) eliminiert. Die meisten norditalienischen Alphabete reduzierten die Buchstabenzahl noch weiter - die von Magré und Bolzano auf 19, das von Lugano sogar auf 17 Zeichen. Venetisch jedoch fügte dem klassischen 20er etruskischen Alphabet ein dort gestrichenes Zeichen wieder hinzu: Das O, als griechisches Omega re-importiert und, wie es sich gehört, an das Ende des Alphabets gestellt. Eben dort befindet es sich auch im Futhark, dem frühen Runenalphabet. Ein weiterer Punkt ist, dass das klassische Etrurisch von rechts nach links geschrieben wurde, im Venetischen (wie bei den Runen) die Schreibrichtung jedoch frei blieb.

Der Weg vom Norditalischen zu den Runen führte also über das Venetische - aber sicher nicht direkt aus dem Veneto. Irgendwo muss die Schrift "überwintert" haben zwischen ihrem Verschwinden in Norditalien im 1.Jh. v.Chr. und dem Auftauchen im Ostseeraum knapp 200 Jahre später. Irgendwie musste der Weg dorthin überbrückt werden, und irgendwo mussten auch noch drei weitere Buchstaben den 21 venezischen hinzugefügt, und einige Lautwerte geändert werden.

Fangen wir mit dem Weg an: Westwärts ist unwahrscheinlich. Dort schrieben die Kelten in griechischer Schrift. Der meines Wissens östlichste Fund einer keltischen Inschrift in griechischer Schrift ist die Berner Zinktafel (allerdings erst 1.-2. Jh.n. Chr.). Nach der römischen Eroberung Galliens machte es wenig Sinn, im entsprechenden Kontaktbereich noch ein Regionalalphabet (welches norditalische Alphabete letztendlich waren) zu nutzen. Dies begriffen auch die Briten, die schon vor der römischen Eroberung ihre Münzen in lateinischen Buchstaben beschrifteten.
Nach Norden hin wurde es im 1. Jh. v. Chr. mit dem weitgehenden Abzug der Kelten (Räumung Manchings etc.) relativ menschenleer, und die nachfolgenden römischen Eroberungszüge waren sicherlich der Bewahrung und Weiterentwicklung einer neu übernommenen norditalischen Schrift nicht förderlich. Und wenn denn Marser, Cherusker etc. geschrieben hätten, dann doch wohl auf Latein (was sie dann auch taten, wie auf Bleibarren aus dem Sauerland nachzulesen ist).
Also ging es wohl Richtung Nordosten. Gern genannt als "Überwinterungsort" wird das Markomannen- bzw. Quadenreich. Aber die hatten für gut 150 Jahre ihren "modus operandi" mit den Römern gefunden, bezogen von dort ab und zu Könige, und, wie die Archäologie zeigt, noch so einiges mehr - warum also, wenn geschrieben wird, nicht gleich mit lateinischen Buchstaben.
Schließlich haben wir ein relativ gutes Bild davon, welche Germanen früh die Runen benutzten, nämlich zum einen die im westlichen Ostseeraum (erster Runenfund stammt aus Holstein), zum zweiten die Goten (in abgewandelter Form, und erst später belegt, aber übernommen, bevor sie gen Süden zogen). Dies spricht dafür, dass das Futhark irgendwo an bzw. nahe der Ostsee "überwinterte" bzw. sich dort aus norditalischen Buchstaben entwickelte. Pommern scheidet aus (um Christi Geburt fast unbesiedelt, erst ab 80 n. Chr. wieder von Westen her aufgesiedelt). Bleibt eigentlich nur der Weichselraum.
Nun fällt ja so ein Alphabet nicht vom Himmel, insbesondere nicht das Futhark, das quasi vollentwickelt "auftaucht". Da reicht es auch nicht, sich mal eben eine beschriftete Situle anzusehen und die Zeiechen von dort abzumalen. Irgendwer an der Weichsel, der mit norditalischen Schriften vertraut war, muss das System den Germanen vermittelt haben. Tja, wer kann das wohl gewesen sein?
 
Das ist doch klar, was hier unter alpenromanisch zu verstehen ist:
Der romanische Dialekt, der vor mehr als 1000 Jahren im Inntal gesprochen wurde.

Kleine Ergänzung: Im (oberen) Inntal wird heute noch ein alpenromanischer Dialekt gesprochen. Siehe hier:
Bündnerromanisch ? Wikipedia
Natürlich sind auch die heutigen bündnerromanischen Dialekte - nach Jahrhunderten der Auseinanderentwicklung - weder untereinander identisch noch mit dem vor weit mehr als 1000 Jahren im oberen und mittleren Inntal gesprochenen Alpenromanisch identisch.
Doch es gibt gemeinsame Charakteristika. Dazu gehört auch die Lautverschiebung t > d, die sich konkret im Wort "caminada" nicht nur rekonstruieren, sondern auch belegen lässt.


Venezisch (nicht Venetisch) in Trentiner Dialekt reicht schon. Hat die venetische Behauchung des "th" schön beibehalten. Die alte Behauchung des "kh" ist noch an Venezisch "xento" (hundert) sichtbar, selbst wenn der Laut selbst inzwischen wie "s" ausgesprochen wird.

Die Entwicklung von "centum" ("kentum" gesprochen) zu Formen wie "tschento", "sento" hat bereits im Lateinischen eingesetzt.

Im Spätlatein entwickelten sich die durch t und c bezeichneten Laute zunächst vor halbvokalischem (< prävokalischem ǐ/ĕ) von reinen Okklusiven zu dentalen bzw. palatalen Affrikaten. Ab dem 5. Jahrhundert ist eine entsprechende Assibilierung von c vor jedem e/i durch Schreibungen wie intcitamento statt incitamento oder dissessit statt discessit belegt. War im Rumänischen, Rätoromanischen, Normannischen, Picardischen und in weiten Teilen Italiens das Ergebnis dieses Lautwandels /ʧ/, so lautete es auf der Iberischen Halbinsel, Oberitalien und dem größten Teil der Galloromaniae /ʦ/; diese Affrikaten wurden im Laufe der Zeit in vielen Gegenden allgemein zu /s/, /θ/, /ʃ/ vereinfacht.
Romanische Palatalisierung ? Wikipedia

Mit der "Behauchung" hat die Palatalisierung nichts zu tun.

Wenn Du also für das Venezische (oder Alpenromanische) allen Ernstes eine Entwicklung postulierst, die unabhängig von der Romanischen Palatalisierung verlief, solltest Du dafür gute Belege bringen.
 
Wie weiter?

Im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung dieses Fadens halte ich folgende Hinweise für angebracht:

  1. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob und, wenn ja, wie, die diversen in der Antike genannten Veneter in Verbindung stehen. Hierzu schien es mir sinnvoll, von den am besten fassbaren Venetern, nämlich den adriatischen, auszugehen. Von diesen bekannt ist u.a. die Sprache (rudimentär), die Schrift, und Elemente der materiellen und sozialen Kultur (noch nicht hier diskutiert).
  2. In sprachlicher Hinsicht meint die Heidelberger Linguistin Gvozdanovic, lautliche Spezifika des Venetischen (nicht die Sprache an sich!) im Westslavischen und im Vannetais nachweisen zu können. Mir, und offenbar auch den meisten anderen Teilnehmern hier, fehlt der technische Hintergrund und auch Beherrschung der in Frage kommenden Sprachen, um Gvozdaonvics Argumente einzuordnen und zu bewerten.
  3. Die Tiroler Ortsnamensforschung hat einen ähnlichen Ansatz gewählt, und durch spezifische, nicht (gallo-)romanisch oder hochdeutsch zu erklärende Lautverschiebungen, eine "ostalpenindogermanische" Ortsnamensschicht in Tirol ermittelt, die u.a. mit Venetisch in Verbindung gebracht wird. Dieser neue Ansatz wurde bislang nicht in den Nachbarländern übernommen, insbesondere nicht in Deutschland (Udolph), wobei er aber langsam in die Schweizer Ortsnamensforschung Eingang zu finden scheint.
  4. Die Tiroler Ortsnamensforschung hat die "Venetisierung" weiter Teile Tirols, z.B. Vinschgau, Ötztal, Zillertal, mittleres Inntal zwischen Landeck und Brixlegg (ausgenommen der früh-bairische Abschnitt zwischen Zirl und Innsbruck) nachgewiesen. Ein venetischer Inschriftenfund bei Innsbruck-Ampass stützt diesen Befund. In den vorgenannten Gebieten deutet die Ortsnamensdichte auf geschlossenes Siedlungsgebiet. In anderen Gegenden muss mit vorromanischer Sprachdurchmischung (vor-indogermanische Sprachreste, etrurisch, "rätisch", Lokaldialekte, etc.) gerechnet werden. Keltische Überformung ist regional nicht auszuschliessen (vgl. z.B. das wohl keltische "briga" im Namen Brixlegg).
  5. Nördlich und westlich Tirols gibt es diverse Anzeichen venetischen Einflusses ("-icum"-Namen in der Schweiz bis nach Turicum/ Zürich, nicht-slawische "Wenden"-Namen, Flussnamen wie Lica/ Lech, etc.). Hier gab es in jedem Fall starke La tene-zeitliche keltische Überformung, ob je geschlossenes (paläo-)venetisches Siedlungsgebiet vorlag, ist fraglich. Jedoch halte ich es für plausibel (weder bewiesen, noch ohne neue archäölogische [Inschriften-]Funde beweisbar), dass die Toponyme Vindelizien, Lacus Venetus, wohl auch Vindonissa/Windisch, direkt auf die adriatischen Veneter zurückführbar sein können. Wenn diesbezüglich Konsens besteht, können wir weitere diesbezügliche Ortsnamensdiskussion in diesem Thread einstellen.
  6. Sofern Gvozdanovics These des Fortbestands venetischer lautlicher Spezifika stimmt, muss sich dies auch und gerade für das heutige Venezisch als geographischem Nachfolger des antiken Venetisch nachweisen lassen. Ich habe diesbezüglich erste, noch unsystematische Vorschläge gemacht, jedoch unglücklicherweise unterlassen, das vorgenannte Erkenntnisinteresse dabei offenzulegen.
Wir sind nun an dem Punkt angekommen, wo sich diverse Diskussionen überschneiden und teilweise verselbständigt haben:

  • Aus Fussnoten entstandene Debatten über einzelne Ortsnamen (Innsbruck, Kematen), die mit den Venetern absolut nichts zu tun haben, und eigentlich in folgenden Thread gehören:
    http://www.geschichtsforum.de/f35/germanische-landnahme-und-toponyme-49567/index2.html#post730946
  • Eine Diskussion über Geschwindigkeit und Ausmass der bairischen Landnahme in Tirol, die, so interessant sie an sich sein mag, hier ebenfalls nicht hingehört:
  • Diskussion über regionale Spezifika der hochdeutschen bzw. romanischen Lautverschiebungen. Diese Diskussion könnte hier ihren Platz finden, wenn sie dem oben unter (6) skizzierten Erkenntnisinteresse dient, d.h. sich auf die spezifischen lautlichen Spuren des Venetischen konzentriert. Mein Eindruck jedoch ist, dass der Großteil der Diskussion besser in folgendem Thread aufgehoben wäre:
    http://www.geschichtsforum.de/f83/hochdeutsche-lautverschiebung-28939/#post730542
Ich gestehe offen, dass ich an dieser Stelle nicht Moderator sein möchte, und keine klare Idee habe, wie wir es schaffen können, zu den Venetern zurückzukehren, ohne die anderen hier entstandenen, an sich ebenfalls spannenden Diskussionen "abzuwürgen". Mal eben 4-5 Beiträge in einen anderen Thread verlagern wird schwierig - dazu habe ich, aber auch andere hier, zu oft mehrere der o.g. Fragen "nebenbei" mit angerissen.
Meine Versuche des Themenwechsels ("breche Innsbruck-Diskussion hier ab") bzw. der angestrebte "reset" auf Veneter und Runenschrift sind ja offenbar verpufft. Stattdessen hat Sepiola gerade die nächsten (grundsätzlich auch interessanten) "Baustellen" aufgemacht mit den impliziten Fragen, wie weit sich alpen- bzw. galloromanische Lautwandlungen auf den ehemals ostalpenindogermanischen Sprachraum übertragen lassen, und ob der hochdeutsche "t"->"s" Wandel aus der Galloromania bzw. dem Ostalpenindogermanischen hervorging.

Ich bitte jetzt hier um Vorschläge, insbesondere seitens der scheinbar inzwischen demotivierten ehemaligen Mitdiskutanten (Dieter, silesia, Carolus etc.), wie wir hier wieder in die Spur kommen können. Bis dahin werde ich von weiteren inhaltlichen Beiträgen absehen, um das Chaos nicht noch weiter zu erhöhen.
 
Thread Resettet: La Renaissance de Venice!
Und das mit einer paralogischen These, die ihrer kurzschließenden Prüfung zu unterlegen sei: Die Hochdeutsche Lautverschiebung ging aus was hervor? Aus dem Gebiet, wahlweise ein gallorömischer Dialekt oder ein Ostalpenindogermanisch gesprochen wurde? Allein aus äthetischen Gründen wählte ich ersteres mithin als Grundlage eines möglichen Erkenntnisinteresses! Mit Shakespeare ließe sich sagen: "Viel Lärm um nichts."

Ich habe den Thread nicht ganz auf dem Schirm: Ist mit deiner neuen Thesenstruktur eigentlich die (ältere) illyroventische Lautverschiebung obsolet?
 
  1. In sprachlicher Hinsicht meint die Heidelberger Linguistin Gvozdanovic, lautliche Spezifika des Venetischen (nicht die Sprache an sich!) im Westslavischen und im Vannetais nachweisen zu können.
ist das wirklich so? tut sie das?

Sofern ich die entsprechenden Publikationen von Prof. Gvozdanovic richtig verstehe, dann geht es da um sprachliche Verwandschaften der hypothetischen keltischen und protoslawischen Sprachen innerhalb der hypothetischen indoeuropäischen Sprache(n) -- nirgendwo nennt Gvozdanovic weichselvenetische Wörter (wie auch? wir kennen keine)

Dass innerhalb der indoeuropäischen Sprachfamilie keltische, germanische, slawische, romanische Sprachen miteinander verwandt sind, ist ja nun nicht sonderlich neu - aber niemand, auch Gvozdanovic nicht, versteigt sich dazu, allen "Venedi" dieselbe Sprache zu attestieren.
 
3. Die Tiroler Ortsnamensforschung hat einen ähnlichen Ansatz gewählt, und durch spezifische, nicht (gallo-)romanisch oder hochdeutsch zu erklärende Lautverschiebungen, eine "ostalpenindogermanische" Ortsnamensschicht in Tirol ermittelt, die u.a. mit Venetisch in Verbindung gebracht wird.

So weit richtig, nur die Kelten verdienen schon eine eigene Erwähnung, nicht nur als "(Gallo)-Romanen".

Die "Differentialdiagnostik" zum Keltischen spielt nämlich die entscheidende Rolle bei der Einordnung vorrömischer Ortsnamen: Nur indogermanisch-vorrömische Namen, die nicht keltisch zu deuten sind, können als "ostalpenindogermanisch" identifiziert werden. (Anreiter, Chapman, Rampl, "Die Gemeindenamen Tirols", Innsbruck 2009)


4. Die Tiroler Ortsnamensforschung hat die "Venetisierung" weiter Teile Tirols, z.B. Vinschgau, Ötztal, Zillertal, mittleres Inntal zwischen Landeck und Brixlegg (ausgenommen der früh-bairische Abschnitt zwischen Zirl und Innsbruck) nachgewiesen.
Ich möchte hier um Klärung bitten, denn zur obigen Aussage Nr. 3 sehe ich einen gewissen Widerspruch.

Tiroler Ortsnamenforscher wie Peter Anreiter und Cristian Kollmann bezeichnen nicht-keltische, vorrömische Ortsnamen als "ostalpenindogermanisch".
Sie sprechen von Affinitäten zu venetischen oder illyrischen Sprachresten (siehe z. B. hier). Sie behaupten aber keine "Venetisierung".
Wenn zwischen Ostalpenindogermanisch und Venetisch eine engere verwandtschaftliche Beziehung besteht, heißt das ja nicht, dass diese beiden Sprachen miteinander identisch sind.

Ein Verfechter der "Venetisierung" ist Diether Schürr (aus dem hessischen Gründau, also wohl kein Tiroler). Der kritisiert aber die Tiroler Ortsnamenforscher Anreiter und Kollmann ziemlich heftig. (Z. B. "Zur Deutung Nordtiroler Ortsnamen: Tradition und Revision", Zeitschrift für romanische Philologie Band 124, Heft 3, 2008)
Allerdings finde ich (bisher) auch bei Schürr nicht die Behauptung einer "Venetisierung weiter Teile Tirols", vielmehr schreibt er z. B. hier (den Artikel hattest Du verlinkt):
Im Osttiroler Matrei wird man einen an nach Norden vorgeschobenen Veneterort sehen dürfen
Also: Wer genau hat nun die "Venetisierung weiter Teile Tirols" nachgewiesen, und wo kann man das nachlesen?



Keltische Überformung ist regional nicht auszuschliessen (vgl. z.B. das wohl keltische "briga" im Namen Brixlegg).
Da sehe ich einen gewissen Widerspruch zu Deiner obigen Aussage:
Dementsprechend werden auch Ortsnamen auf "ei(a)/ai(a)" (z.B. Aquileia, Matrei/ Brenner, Stubai) und "-igg/-egg" (z.B. Brixlegg/ Tirol) als ursprünglich venetisch gedeutet.
Ist Brixlegg nun keltisch oder venetisch?
Wenn "briga" keltisch, "-egg" aber venetisch wäre, dann wäre eher mit einer venetischen Überformung zu rechnen, nicht umgekehrt.

Auch an dieser Stelle bitte ich darum, die einzelnen Hypothesen mit Namen des Autors + Link/Literaturnachweis zu versehen.

EDIT: Die Kollmann-Aufsätze sind dummerweise oft in Publikationen mit bestimmter politischer Schlagseite zu finden. Kollmann ist leider nicht nur Ortsnamenforscher, sondern auch Politiker...
 
Zuletzt bearbeitet:
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ist das wirklich so? tut sie das?

Sofern ich die entsprechenden Publikationen von Prof. Gvozdanovic richtig verstehe, dann geht es da um sprachliche Verwandschaften der hypothetischen keltischen und protoslawischen Sprachen innerhalb der hypothetischen indoeuropäischen Sprache(n) -- nirgendwo nennt Gvozdanovic weichselvenetische Wörter (wie auch? wir kennen keine)
Ja, das tut sie. Darauf habe ich bisher knapp zehn Mal verwiesen, und Du hast es ebenso oft ignoriert. Deine Reduktion von Sprache auf Wörter ist unglaublich naiv - da mag ich noch nicht einmal von Achtklässler-Niveau reden. Zwei lexikalische Entsprechungen von Venetisch und Slawisch nennt Gvozdanovic - zum einen das bereits ausführlich diskutierte terg/ trg, zum anderen das Wort für Tod bzw. Tote (jeweils verwandt zum lateinischen mortuus, aber nicht über griechische oder gotische Vermittlung ins Slawische erklärbar).

Wenn wir von Zehntklässler-Niveau reden wollen: Mein Sohn, der sich gerade auf seinen anstehenden Polen-Austausch vorbereitet, fragte mich gestern, wieso sich Polnisch und Französisch so ähnelten. Auf meine Frage, was er damit meine, verwies er auf gleiche Pronomina in beiden Sprachen. Ich habe das Thema mit ihm nicht weiter vertieft. Bei Gvodzanovic findet sich auch nichts dazu. Sie beschreibt v.a. Prinzipien wie Synkope und Apokope (Silbenwegfall), Lenisierung und Palatisierung, die Venetisch, Westslawisch und das Vannetais teilen. Was die Palatisierung angeht, ist auffällig, dass sie sehr ausgeprägt in zwei Unterfamilen der indoeuropäischen Sprachen auftritt, nämlich den slawischen und den goidelischen Sprachen. Gvodzanovic zeichnet u.a. den Palatisierungsprozess im Slawischen detailliert nach, und verweist auf entsprechende Besonderheiten des Westslawischen, die mit Merkmalen des Venetischen korrespondieren.
Palatalisierung ? Wikipedia
 
So weit richtig, nur die Kelten verdienen schon eine eigene Erwähnung, nicht nur als "(Gallo)-Romanen".

Die "Differentialdiagnostik" zum Keltischen spielt nämlich die entscheidende Rolle bei der Einordnung vorrömischer Ortsnamen: Nur indogermanisch-vorrömische Namen, die nicht keltisch zu deuten sind, können als "ostalpenindogermanisch" identifiziert werden. (Anreiter, Chapman, Rampl, "Die Gemeindenamen Tirols", Innsbruck 2009)
Das ist richtig. Allerdings hatte ich den von mir bereits verlinkten Quellen (Wikipedia-Artikel zu Tiroler Orstnamen, etc.) entnommen, dass keltische Ortsnamen in Tirol so gut wie nicht zu finden sind. Falls Du abweichende Informationen hast, nehme ich diese mit Interesse zur Kenntnis.
Ist Brixlegg nun keltisch oder venetisch?
Wenn "briga" keltisch, "-egg" aber venetisch wäre, dann wäre eher mit einer venetischen Überformung zu rechnen, nicht umgekehrt.
In der Tat. Das Wörtchen "wohl" (vor "keltisch") hatte ich bewusst eingefügt. Auf die Gefahr hin, hier ein neues Fass aufzumachen: Ich habe vor einiger Zeit in einem anderen Forum länger mit einem französischen Keltologen korrespondiert, der die Meinung vertrat, "briga" sei kein typisch keltischer Namensbestandteil, weil er in weiten Teilen des keltischen Siedlungsraums nicht auffindbar sei. Keltisch hätte mit "bona" und "dunum" bereits zwei sehr produktive Wurzeln für "Burg" bzw. "Stadt" gehabt, für eine dritte Wurzel "briga" fehle der Bedarf. Zudem sei etymologisch die Parallele zu keltisch "briwa"=Brücke schwer erklärbar.
Kleines Lexikon der Namen und Wörter keltischen Ursprungs - Bernhard Maier - Google Books
"briga" findet sich gehäuft lediglich in zwei Regionen. Dies ist zum einen der westliche Alpenraum (Bregenz, Brig, Bourg-St. Maurice, etc.). Die dort siedelnden Gruppen wurden auf dem Tropäum Alpium nicht als Kelten, sondern als Brixenten, Briganer etc. bezeichnet. Die zweite Konzentration ist in Keltiberien (Braga, Celtobriga etc.). Wenn man nun dazu noch die offenbare venetische Überformung von Brixlegg betrachtet, kommt man potentiell in Zeit- bzw. Ortsnamensschchichten aus der vor-, bestenfalls proto-keltischen mittleren Bronzezeit. Dies ist nicht als Hypothese meinerseits zu verstehen, sondern lediglich als Verweis darauf, dass "briga" spezielle Probleme birgt, die wir hier eigentlich nicht weiter diskutieren sollten (OT).
Ich möchte hier um Klärung bitten, denn zur obigen Aussage Nr. 3 sehe ich einen gewissen Widerspruch.

Tiroler Ortsnamenforscher wie Peter Anreiter und Cristian Kollmann bezeichnen nicht-keltische, vorrömische Ortsnamen als "ostalpenindogermanisch".
Sie sprechen von Affinitäten zu venetischen oder illyrischen Sprachresten (siehe z. B. hier). Sie behaupten aber keine "Venetisierung".
Wenn zwischen Ostalpenindogermanisch und Venetisch eine engere verwandtschaftliche Beziehung besteht, heißt das ja nicht, dass diese beiden Sprachen miteinander identisch sind.
Also: Wer genau hat nun die "Venetisierung weiter Teile Tirols" nachgewiesen, und wo kann man das nachlesen?
Berechtigte Nachfrage. Hier hatte ich meine vorherige Argumentation stark, und teilweise unzulässig, verkürzt.
http://www.geschichtsforum.de/730224-post168.html (ab der Mitte).
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass ostalpenindogermanische "Paläo-Veneter" Anfang des 1. Jahrtausend v. Chr. von Tirol aus nach Süden vorstiessen. Möglicherweise als "zweite Welle", nachdem Eisen das Tiroler Kupfer verdrängte; eine "erste Welle" ab dem 15. Jhd. v. Chr. mag zur Herausbildung der italischen Sprachen geführt haben. Die Ostindogermanen verdrängten bzw. assimilierten nicht-indogermanische Bevölkerungsgruppen südlich der Alpen. Venetisch mag insbesondere euganeisches Substrat augenommen haben, und sich dadurch von dem in Nordtirol gesprochenen Paläo-Venetisch unterschieden haben. Wie stark solches Substrat war, und wie weit sich dadurch Tiroler Paläo-Venetisch von "echtem" Venetisch unterschied, weiß niemand. Euganeisch ist gar nicht, Venetisch lediglich als Trümmersprache überliefert.
Es gibt diverse Anzeichen für intensiven eisenzeitlichen Kontakt zwischen Venetern und Tirol, einschließlich des bereits erwähnten venetischen Inschriftenfunds bei Innsbruck-Ampass. [Ob dies die gleiche Inschrift wie die in anderen Publikationen erwähnte Inschrift bei Hall/ Tirol ist, oder es sich bei letzterer um einen separaten Fund handelt, konnte ich nicht ermitteln.] Insofern möchte ich die Aussage präzisieren:

  1. Die Ortsnamenskunde hat paläo-venetische (Oaidg A) Prägung weiter Teile Tirols nachgewiesen,
  2. Intensive eisenzeitliche Kontakte Tirols zum venetischen Sprachraum, und die Nutzung venetischer Schrift und Sprache rund um Innsbruck sind archäologisch belegt,
  3. Für nenneswerte Keltisierung Tirols liefert die Ortsnamenskunde kaum Anhaltspunkte.
EDIT: Die Kollmann-Aufsätze sind dummerweise oft in Publikationen mit bestimmter politischer Schlagseite zu finden. Kollmann ist leider nicht nur Ortsnamenforscher, sondern auch Politiker...
Siehst Du dadurch Kollmanns Glaubwürdigkeit in Frage gestellt? Was ich von/über seine Ortsnamensforschung gelesen habe (nicht viel), deutet nicht auf stereotype Germanisierung, sondern auf Betonung der regionalen Eigenständigkeit, insbesondere in Abgrenzung zu italienischen Interpretationen der Mussolini-Zeit. Dies ist erstmal legitim, scheint auch technisch fundiert. Über Kollmanns politische Schlußfolgerungen maße ich mir kein Urteil an, dazu bin ich mit der Situation Südtirols zu wenig vertraut.
 
Hinweis der Moderation

Die Abkühlphase ist beendet, der Thread wieder eröffnet. Viel Spaß bei der weiteren Diskussion.
 
  1. Die Tiroler Ortsnamensforschung hat die "Venetisierung" weiter Teile Tirols, z.B. Vinschgau, Ötztal, Zillertal, mittleres Inntal zwischen Landeck und Brixlegg (ausgenommen der früh-bairische Abschnitt zwischen Zirl und Innsbruck) nachgewiesen.
Also: Wer genau hat nun die "Venetisierung weiter Teile Tirols" nachgewiesen, und wo kann man das nachlesen?

Die Ortsnamenskunde hat paläo-venetische (Oaidg A) Prägung weiter Teile Tirols nachgewiesen

Eigentlich hast Du Deine Aussage nur umformuliert, ohne sie inhaltlich wesentlich zu ändern (laut Wiki ist "Paläo-Veneter" nur eine andere Bezeichung für "Veneter").
Meine Frage bleibt: Wer genau hat nun die "paläo-venetische Prägung weiter Teile Tirols nachgewiesen"?, und wo kann man das nachlesen?

Soweit ich mich in die Literatur eingelesen habe (Peter Anreiter, Cristian Kollmann, Diether Schürr, Christian Chapman, Gerhard Rampl) verwendet auch niemand den Ausdruck "Paläo-Venetisch", zumindest nicht für ostalpenindogermanisch.


Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass ostalpenindogermanische "Paläo-Veneter" Anfang des 1. Jahrtausend v. Chr. von Tirol aus nach Süden vorstiessen.
Selbe Frage: Wer geht "grundsätzlich" davon aus, und wo kann man das nachlesen?

Auf die Gefahr hin, hier ein neues Fass aufzumachen
Ich bin nicht dafür, hier noch mehr Fässer aufzumachen, die erneut von den Venetern wegführen.

Siehst Du dadurch Kollmanns Glaubwürdigkeit in Frage gestellt?
Nein, sonst würde ich ihn erst gar nicht zitieren. Ich will es nur möglichst vermeiden, Seiten mit parteipolitischer Schlagseite zu verlinken.

EDIT:
Die angebliche "Venetisierung" des Ötztals wundert mich besonders.
Zum Ötztal schreibt Peter Anreiter ("Breonen, Genaunen und Fokunaten, Innsbruck 1997", S. 123):
"Die Suche nach vorrömischen Namen im Ötztal ist nicht gerade von Erfolg gekrönt; die Namenlandschaft ist dominant bairisch."
"Der Großteil des Tales muß in vorbairischer Zeit nahezu menschenleer gewesen sein."
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Abkühlphase ist beendet, der Thread wieder eröffnet. Viel Spaß bei der weiteren Diskussion.
...steht zu hoffen, dass kurze Einfrostung positive Folgen zeitigt...
ob die weitere Diskussion Spaß macht, kann ich nicht beurteilen - ja ich kann sogar nichts neues beitragen, sondern muss mich wiederholen: es ist nach wie vor inakzeptabel, die aremoricanischen Veneti (welche zu den Kelten zählen*)), die antiken Veneter des Adria-Alpenraums**) und die "Weichsel-Veneter"***) in einen Topf zu werfen; der einzige Topf, in den sie hineinpassen, ist der der zufälligen Namensgleichheit/ähnlichkeit in antiken lat. und griech. sowie in spätantiken lat./griech. Quellen.

Es gab zeitweilig, geprägt von nationalistischen Interessen, die unkritische Gleichsetzung "Weichsel-Venedi = Wenden = Slawen" - es ist offensichtlich, dass dahinter slawophile Interessen stehen (a la hurra, die Venedi an der Weichsel, zeitweilig mal von irgendwelchen Gotenkönigen besiegt, sind Wenden/Slawen und ergo sind die Gebiete, wo diese Wenden=Venedi hausten, urslawische Heimat) Aber davon hat sich dankenswerterweise ein Großteil der osteuropäischen Historiker und Sprachhistoriker verabschiedet. --- ich denke, dass wir diese Mottenkiste ad acta legen können. Man weiß schlichtweg nicht, ob der Name Wenden (für slawische Bevölkerung/en im Frühmittelalter) von (Weichsel)Venedi stammt - kann sein, muss nicht sein, bleibt offen. Was man aber weiß, wenn denn schon partout Slawen in die Veneterdiskussion eingebracht werden, ist folgendes: dass einige Ethnonyme slaw. Gentes anfänglich nichtslawische Gruppen benannten: da wären die Protobulgaren, die Anten und die (Weichsel)Venedi zu nennen:Die Goten: von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts ... - Herwig Wolfram - Google Books Hier erläutert quellengestützt der Gotenpapst****) Wolfram :) sehr gründlich, wie es um den Namen "Vinitarius" (Wendenbesieger) in der origo gotica bestellt ist. Um das abzukürzen (man kanns ja nachlesen) : die im 4./5. Jh. von den Goten besiegten Veneti (falls es so einen Sieg überhaupt gab) waren keine Slawen. Ermanarichs und Vinitarius mögen diverse Venedi und Anti besiegt haben, aber diese waren noch nicht slawisch. Erst um den aktuellen Zeithorizont*****) von Cassiodor und Iordanes herum tauchen erstmals Zusammenstellungen wie Anten, Wenden, Sclavenen für slaw. Völker als Novum (!!) auf. Vorher gibt es keine eindeutigen Quellen zu slaw. Gentes. Und damit stehen Sprachvergleiche zwischen keltischen, ostalpenindogermanischen, adriavenetischen und mindestens 600 Jahre späteren proto-westlawischen Sprachen auf äußerst wackeligen Füßen. (Muss ich nochmals erwähnen, wie viele Jahrhunderte zwischen der antiken Erwähnung der Weichselvenedi und der slaw.Landnahme liegen?)

Das referiert auch Gvozdanovic kurz zu den Weichselvenetern (also die Quellenlage) und ihr Aufsatz prüft eine Hypothese (ob es nachweisliche Verbindungen zw. diversen Venedi-Sprachen und protowestslawischen bzw. protoslaw. Sprache gibt) Die Crux dabei ist, dass weichselvenetische Sprachtrümmer gänzlich fehlen, dass auch für die Region keine frühmittelalterlichen oder gar antiken Orts- und Flurnamen******) vorliegen

...jetzt wage ich auch mal das spekulieren:
in der Antike scheint es an der Ostsee und Weichsel eine Bevölkerung gegeben zu haben, die Venedi genannt wurde; diese Venedi scheinen weder germanische noch baltische Gentes gewesen zu sein. Im Zuge der slaw. Landnahme des 6.-7. Jhs. wurden diese slawisiert. Der Venedi-Name blieb als Fremdbezeichnung bzw. wurde kollektiv von den germanischen Nachbarn, die sich territorila und staatlich gefestigt hatten (Merowinger, Karolinger, Salinger), auf die unruhigen neuen Nachbarn übertragen. Aber dieser "Wenden"-Name für slaw. Nachbarn (eine Fremdbezeichnung! nachlebend in Orstnamen wie Windisch-Bohra und Deutschen-Bohra) hat absolut nichts mit aremoricanischen und Adria-Venetern zu tun

...und um das spekulieren wieder zu verlassen: ich bin nicht davon zu überzeugen, dass mittelalterliche Ortsnamen im Alpenraum (die fürs Mittelalter interessant sind) uns - egal wie detailliert sie untersucht werden - Auskunft über aremoricanische, adriatische und "weichselige" Vened/ti erteilen können.
__________
*) das schreibt auch Prof. Gvozdanovic, Heidelberg, in einem Aufsatz, der sich mit einer Hypothese befasst
**) von denen man immerhin Sprachzeugnisse hat, welche sie deutlich vom keltischen Sprachzweig trennen
***) in der Antike mehrmals ohne Zuordnung erwähnt - später (Spätantike, Frühmittelalter) tauchen erneut aber sporadisch osteuropäische Veneti in den Quellen auf, allerdings gut 500 Jahre nach Tacitus
****) das ist nicht abfällig gemeint: Wolfram ist für die historische Ethnpographie der Goten derzeit schlichtweg die Instanz
*****) vgl. Wolfram, die Goten, zu Cassiodor & Iordanes
******) diskutiert werden die wenigen vorhandenen antiken latinisierten/graecisierten Namen
 
Zuletzt bearbeitet:
es ist nach wie vor inakzeptabel, die aremoricanischen Veneti (welche zu den Kelten zählen*)), die antiken Veneter des Adria-Alpenraums**) und die "Weichsel-Veneter"***) in einen Topf zu werfen; der einzige Topf, in den sie hineinpassen, ist der der zufälligen Namensgleichheit/ähnlichkeit in antiken lat. und griech. sowie in spätantiken lat./griech. Quellen.
Jetzt abgesehen von den Unterschieden in den Sprachen: Hat schon jemand versucht, bei diesen 3 Venetern genetische Gemeinsamkeiten festzustellen? Unter Umständen ginge das heute noch unter den heute lebenden Bewohnern dieser Landstriche.

Begründung: Wenn es heute möglich ist, anhand genetischer Unterschiede (die weiter vererbt wurden) festzustellen, welche Wege meine persönlichen Vorfahren auf der Wanderung „out of Africa“ genommen haben, dann dürfte es auch möglich sein festzustellen, ob diese 3 Gruppen eine nur für sie typische Wurzeln haben.

Beispiel: [FONT=&quot]
Migraciones_humanas_en_haplogrupos_de_ADN-Y.PNG


[FONT=&quot]PS: Es gibt bessere [FONT=&quot]und genauere Schaubilder als das oben gezeigt[FONT=&quot]e - zum Beispiel dieses aus dem Genographic-project:
GENOGRAPHIC_Spain-Maternal-Map-FINAL1.jpg
[/FONT][/FONT][/FONT][/FONT]
[/FONT]
 
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...steht zu hoffen, dass kurze Einfrostung positive Folgen zeitigt...
Ich sehe mit Freude, dass Du begonnen hast, Dich mit Gvozdanovic auseinanderzusetzen.
...jetzt wage ich auch mal das spekulieren:
in der Antike scheint es an der Ostsee und Weichsel eine Bevölkerung gegeben zu haben, die Venedi genannt wurde; diese Venedi scheinen weder germanische noch baltische Gentes gewesen zu sein. Im Zuge der slaw. Landnahme des 6.-7. Jhs. wurden diese slawisiert. Der Venedi-Name blieb als Fremdbezeichnung bzw. wurde kollektiv von den germanischen Nachbarn, die sich territorila und staatlich gefestigt hatten (Merowinger, Karolinger, Salinger), auf die unruhigen neuen Nachbarn übertragen. Aber dieser "Wenden"-Name für slaw. Nachbarn (eine Fremdbezeichnung! nachlebend in Orstnamen wie Windisch-Bohra und Deutschen-Bohra) hat absolut nichts mit aremoricanischen und Adria-Venetern zu tun
Daran ist nichts spekulativ. Dem Befund kann ich hundert Prozent zustimmen, was die "Wenden-Namen für slaw. Nachbarn" angeht, Gvozdanovic erwähnt ja den merowingischen Chronist Fredericus Scholasticus, der 27 mal die Wenden (Winidi) erwähnt, und drei mal die Sclavi cognomenti Winidi. Daraus folgert sie:
This asymmetry is a clear indication of the fact that Slavs and Veneti were distinct and hierarchically different: the Veneti were perceived as superordinate.
Die Frage, der Gvozdanovic dann nachgeht, ist, ob (a) die Winidi (baltischen Veneter) ursprünglich (wann immer das war) adriatisches Venetisch gesprochen haben, und (b) bei ihrer Übernahme des Slawischen im Gegenzug auch selbst sprachliche Eigenheiten an dieses weitergegeben haben.​
Die Crux dabei ist, dass weichselvenetische Sprachtrümmer gänzlich fehlen, dass auch für die Region keine frühmittelalterlichen oder gar antiken Orts- und Flurnamen) vorliegen.​
Sagen wir "fast keine Ortsnamen". Der Deutsche Orden hat den einen oder anderen alt-prussischen Namen übernommen, das Beispiel des früh beurkundeten Chelmno (vgl. lat. culmen) hatte ich auch genannt. Aber im Grunde stimmt der Befund. Deshalb greift Gvozdanovic ja auch zu linguistischen Methoden, und überprüft, ob die bekannten Lautwandlungen des Slawischen aus dem Venetischen heraus teilweise erklärbar sind. Sie bejaht dies, aber, wie gesagt, mir fehlt das linguistische Handwerkszeug, um ihre Argumentation nachzuprüfen.
Auf das Vannetais wendet sie den gleichen Ansatz an. Hier liegt die Sachel für sie insofern anders, als sie adriatisches Venetisch als nah mit dem Keltischen verwandt ansieht (über den Grad der Verwandschaft kann man sicher streiten, ich persönlich sehe da auch einige Unterschiede). Insofern hat sie keine Probleme damit, hypothetisch aus Adria-Venetern hervorgegangene armorikanische Veneter zu den Kelten zu zählen. Und in der Tat zeigt ja das Noricum, dass adriatische Veneter problemlos "keltisierbar" waren. In jedem Fall meint sie auch im Vannetais nicht-lexikalische Spuren des Venetischen nachweisen zu können.
Und damit stehen Sprachvergleiche zwischen keltischen, ostalpenindogermanischen, adriavenetischen und mindestens 600 Jahre späteren proto-westlawischen Sprachen auf äußerst wackeligen Füßen.
Jein. Die vergleichende Sprachwissenschaft hat durchaus auch Verwandschaften zwischen heutigen europäischen Sprachen und dem fast 4.000 Jahre älteren Sanskrit nachweisen können; auch die europäische Hydronomie bewegt sich in entsprechenden Zeitschichten. Das heutige Deutsch und Gotisch trennen knapp eineinhalb Jahrtausende. Dass die Materiallage besser sein könnte, steht ausser Frage. Dass Sprachvergleiche nur ein Indiz liefern können, und weitere Indizien aus anderen Disziplinen dazu kommen müssen, ist ebenfalls klar.
Ich bin nicht davon zu überzeugen, dass mittelalterliche Ortsnamen im Alpenraum (die fürs Mittelalter interessant sind) uns - egal wie detailliert sie untersucht werden - Auskunft über aremoricanische, adriatische und "weichselige" Vened/ti erteilen können.
Können sie auch nicht. Aber sie können uns Auskunft darüber geben, wie zuverlässig Gvozdanovics Methode ist - als Gegentest. Wenn aus den venetischen Lautgesetzen heraus heutige Tiroler Ortsnamen (nach über 2.000 Jahren) erklärbar sind, hat Gvozdanovics Methode durchaus Potential.
Darüber hinaus ging es mir zunächst darum, ein paar weitere "Veneter" (konkret Vindeliker und den "lacus Venetus") von der Liste zu nehmen. Diesbezüglich halte ich inzwischen einen direkten Bezug zu den adriatischen Venetern für plausibel.
Schließlich geht es ja auch darum, die Hypothese einer möglichen Migration adriatischer Veneter an die Weichsel und in die Bretagne zu prüfen. Wenn sich da, über Bernstein- und Zinnhandel hinaus, Verbreitungsspuren ableiten lassen, wird die Sprachverbreitung plausibler.
 
Zuletzt bearbeitet:
...jetzt wage ich auch mal das spekulieren:
in der Antike scheint es an der Ostsee und Weichsel eine Bevölkerung gegeben zu haben, die Venedi genannt wurde; diese Venedi scheinen weder germanische noch baltische Gentes gewesen zu sein.

Daran ist nichts spekulativ.
Dass die Venedi weder germanische noch baltische Gentes gewesen sein sollen, ist immerhin schon mal ordentlich spekuliert. Sowohl eine germanische wie eine baltische Zugehörigkeit gehören zu den diskutablen Möglichkeiten.

Tacitus rechnet die Venedi eher zu den Germanen (wenn er auch eine Zugehörigkeit zu den Sarmaten für möglich hält.
Auch eine baltische Zugehörigkeit ist keineswegs auszuschließen:
Aufgrund seiner geografischen Angaben wird heute angenommen, dass Ptolemaios' mit Venedai einen baltischen Stamm bezeichnete
Veneter (Weichsel) ? Wikipedia

Augusto schrieb:
Die Frage, der Gvozdanovic dann nachgeht, ist, ob (a) die Winidi (baltischen Veneter) ursprünglich (wann immer das war) adriatisches Venetisch gesprochen haben
So stellt Gvozdanović die Frage überhaupt nicht. Sie fragt, ob es da eine mögliche Ähnlichkeit gibt.
Gvozdanović schrieb:
In the absence of direct evidence on the language of East European Veneti, we can only turn to the language of Northern Adriatic Veneti and ask the question of a possible similarity.

Augusto schrieb:
Hier liegt die Sachel für sie insofern anders, als sie adriatisches Venetisch als nah mit dem Keltischen verwandt ansieht (über den Grad der Verwandschaft kann man sicher streiten, ich persönlich sehe da auch einige Unterschiede).

Hier macht sie doch eine ziemlich klare Ansage: Sie identifiziert Nordadriatisches Venetisch als eine Varietät des Keltischen:

Our analysis has reached exactly this conclusion concerning areal phenomena shared between Venetic and Italic with the result that Northern Adriatic Venetic occupies an intermediate position on the traditional classificatory parameters, but belongs to the Celtic type on the basis of the phonological patterning (including lenition in the consonant system based on the tense vs, lax opposition). This fact, combined with morphology which can be identified as Celtic, leads to the conclusion that Northern Adriatic Venetic was a variety of Celtic which was subject to areal common developments with Italic in the phonology and the lexicon, but remained entirely Celtic in the grammar.
Angenommen,
Gvozdanović läge richtig (das müsste mal ein Keltologe überprüfen), dann ergibt sich, dass Ostalpenindogermanisch strikt vom Venetischen getrennt werden muss.
Denn wie ich schon schrieb:
Die "Differentialdiagnostik" zum Keltischen spielt nämlich die entscheidende Rolle bei der Einordnung vorrömischer Ortsnamen: Nur indogermanisch-vorrömische Namen, die nicht keltisch zu deuten sind, können als "ostalpenindogermanisch" identifiziert werden.
 
Eigentlich hast Du Deine Aussage nur umformuliert, ohne sie inhaltlich wesentlich zu ändern (laut Wiki ist "Paläo-Veneter" nur eine andere Bezeichung für "Veneter").
Welchem Wiki? Aber es stimmt, der Begriff ist nicht gerade präzise. Die angelsächsische Literatur beschreibt damit u.a. die Este-Kultur vor Erscheinen der venetischen Schriftlichkeit, Italiener grenzen damit teilweise die alten Veneter von den heutigen Venezianern ab, etc.
Soweit ich mich in die Literatur eingelesen habe (Peter Anreiter, Cristian Kollmann, Diether Schürr, Christian Chapman, Gerhard Rampl) verwendet auch niemand den Ausdruck "Paläo-Venetisch", zumindest nicht für ostalpenindogermanisch.
Ist denn "ostalpenindogermanisch" nicht eine Erfindung Kollmanns, während Anreiter von "breonisch" bzw. dem "Ostalpenblock" spricht. Da geht es bei allen scheinbar noch etwas kreuz und quer.
Schürr spricht von venetisch, weil er auch diese, durch ihre Sprache und Schrift fassbar, meint. Seine Belege (Matrei, Pustertal, jetzt Fritzens und der Innsbrucker Raum) hatte ich ja mehrfach verlinkt.
Ich habe den Begriff "(paläo-)venetisch" gewählt, weil mir bei den "ostalpenindogermanischen" bzw. "breonischen" Ableitungen nicht immer klar ist, ob die Autoren sie auf die belegte venetische Phase (ab 7. Jh. v. Chr.) beziehen, oder sie bereits als spätbronzezeitlich ansehen. Für einige der in Frage kommenden Orte, insbesondere im alten Tiroler Kupfergebiet um Brixlegg/ Schwaz, ist Siedlungskontinuität schon ab dem 13. Jh. v. Chr. belegt bzw. wahrscheinlich. Aber vielleicht hast Du noch mal Gelegenheit, in das schlaue Buch von Anreiter e.a. zu schauen - Wörgl, Stans, Schlitters wären diesbezüglich u.a. interessant, weiter westlich Imst und Zams.
Die angebliche "Venetisierung" des Ötztals wundert mich besonders.
Zum Ötztal schreibt Peter Anreiter ("Breonen, Genaunen und Fokunaten, Innsbruck 1997", S. 123):
"Die Suche nach vorrömischen Namen im Ötztal ist nicht gerade von Erfolg gekrönt; die Namenlandschaft ist dominant bairisch."
"Der Großteil des Tales muß in vorbairischer Zeit nahezu menschenleer gewesen sein."
Interessant. Ich fand folgende Besprechung aus 2006:
http://www.namenkundliche-informationen.de/pdf/98/reviews/NI 98_2010_Winkler.pdf
Peter Anreiter (Innsbruck) legt einen Aufsatz über „Tiroler Namenlandschaften“ vor, in dem er einen Üerblick über die vielfätigen Probleme dieses Gebietes gibt. (..)
Einen Sonderfall der Tiroler Namenlandschaften stelle das Ötztal dar, in dem siedlungshistorisch einmalige onymische Verhältnisse herrschen: dort finden sich am Taleingang vorrömische Namen neben deutschen, während im hinteren Abschnitt auffällig viele romanische Namen zu finden sind.
Mich würde aus gegebenem Anlass natürlich besonders interessieren, was Anreiter zu Vent im Ötztal zu sagen hat. [Die vorbairische Menschenleere scheint für das mittlere Tal übrigens zuzutreffen. Pollenanalysen zu Folge wurde es erst im 12. Jhd. aufgesiedelt. Dass dort vor den Baiern schon Menschen lebten, wissen wir allerdings auch, dank Ötzi].​

Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass ostalpenindogermanische "Paläo-Veneter" Anfang des 1. Jahrtausend v. Chr. von Tirol aus nach Süden vorstiessen.
Selbe Frage: Wer geht "grundsätzlich" davon aus, und wo kann man das nachlesen?
EIgentlich jeder, der nicht an illyrische oder trojanische Abstammung der Veneter glaubt. Ich hatte weiter oben einen längeren Aufsatz verlinkt (Kollmann?), wo es z.B. heisst:
Vortrag
Auf jeden Fall ist für die Bronzezeit eine Verdichtung der Bevölkerung zu verzeichnen, und es spricht nichts dagegen, dass spätestens jetzt mindestens zwei indogermanische Völker und somit Sprachen auch im Tiroler Raum und imweiteren Sinne im Ostalpenraum wohl von Norden her kommend Fuß fassten. Teile davon könnten nach Italien weitergewandert sein, und deren Sprache könnte dann die Grundlage für die italischen Sprachen gebildet haben, aus denenals wichtigste das Lateinische hervorging. Jener Anteil, der jedoch im Ostalpenraum und somit auch in Tirol verblieb und sich dort entfaltete, wird traditionell unter Veneter und Illyrer subsumiert. Durch diese Terminologie besteht jedoch eine Verwechslungsgefahr, und zwar mit den eigentlichen Venetern, deren Sprache in vorgeschichtlicher Zeit im östlichen Oberitalieninschriftlich belegt ist, und den eigentlichen Illyrern, die auf dem Balkan beheimatet waren.
Ezwas ausführlicher steht die Geschichte z.B. hier (S. 31 ff):
The Beginnings of Rome: Italy and Rome from the Bronze Age to the Punic Wars ... - Tim Cornell - Google Books
Kurzgefasst (und weil copy-paste nicht funktioniert): Am Ende der Bronzezeit (mediterrane Datierung, also um 1200 v. Chr.) findet ein markanten Kulturbruch auf der italienischen Halbinsel statt. Die vorherigen, relativ uniformen Kulturen (Terramare in der Po-Ebene, Appenin-Kultur südlich davon) verschwinden sehr plötzlich. Im Falle der Terramare Kultur kommt es zum kompletten Siedlungsabbruch. Die Gründe sind unklar, jedoch ist der Bruch etwa zeitgleich zu krisenhaften Erscheinungen anderswo (Seevölkersturm, Untergang des Hethither-Reichs, Zerstörung von Troja VIIa, Schlacht an der Tollense etc.).
Terramare-Kultur ? Wikipedia
Die nachfolgenden Kulturen zeigen stark abweichende Siedlungsmuster. Bis etwa zum Tiber tauchen nun Brandurnenbegräbnisse auf. Der Bezug zur mitteleuropäischen (danubischen) Urnenfeldernkultur ist unübersehbar. Strittig ist eigentlich nicht, ob es Einwanderung über die Alpen nach Italien gab, sondern nur deren Ausmass. Anders formuliert: Bildete die neu entstehende Proto-Villanova-Kultur eine Untergruppe der Urnenfelder-Kultur, oder eine lediglich stark durch diese beeinflusste eigene Kulturgruppe?
Urnfield culture - Wikipedia, the free encyclopedia
Weitere Fragen richten sich auf die Einwanderungswege (Drau, Brenner, Schweizer Alpen), und darauf, wie weit die Urnenfeldkultur bereits proto-keltisch war, oder eigene/ andere linguistische Züge (Ostalpenindogermanisch) trug. Schließlich scheint es noch ein paar Forschungslücken zur frühen Eisenzeit in Venetien zu geben - die (paläo-)venetische Este-Kultur tritt erst Anfang des ersten vorchristlichen Jahrtausends in Erscheinung.
Este-Kultur ? Wikipedia

Um der Nachfrage nach DNA-Analysen nachzukommen, und nebenbei das "Illyrer-Thema" abzuhandeln: Die dominierende yDNA-Haplogruppe in Venetien ist R1b. Wie Anhang 1 zeigt, ist diese jedoch in ganz Westeuropa dominierend (und nicht nur dort) - insofern braucht es eine feinere Auflösung. Deutlich wird jedoch, dass die Haplogruppe über die Alpen, und nicht aus Illyrien nach Italien vordrang. [R1b scheint im iranischen Hochland entstanden zu sein, und wird, wie die "Brudergruppe" R1a, gerne mit den Indoeuropäern in Verbindung gebracht. Der Ansatz ist etwas problematisch, wie Blicke auf die Yoruba, Basken, oder auch die Ojibve - alle mit mit hoher R1b-Konzentration - zeigen.]
Etwas feinere Auflösungen bieten die zwei folgenden Karten mit der sog. "italo-keltischen" Unterfamilie S28, und der sog. "kelto-germanischen" Unterfamilie S 21. Beide Untergruppen haben sich etwa in der Bronzezeit in Mitteleuropa entwickelt. [Neben diesen gibt es noch eine Vielzahl anderer europäischer und außereuropäischer Untergruppen, die aber in Norditalien kaum vorkommen]. Deutlich wird aus beiden Karten, dass es keine "Massenbewegung" aus Venetien heraus an die Weichsel bzw. in die Bretagne gab. Allerdings sei, zur Verdeutlichung der Maßstäbe, auf die Galater verwiesen, die sich zwar schwach aber deutlich auf der zweiten Karte abzeichnen.
Wer jetzt frohlockt: "Nichts italo-keltischen an der Weichsel" - ich musste die Karten nehmen, die ich kriegen konnte, und die haben manchmal Lücken. Folgende Studie ausgewählter polnischer Regionen zeigte für die Unterfamilie S 28 (dort bezeichnet als U152) knapp 3% Häufigkeit in Kurpie, also Nordostpolen (Figure 1). In den anderen untersuchten polnischen Regionen (Kaschubien, Kociewie) konnte diese Untergruppe nicht nachgewiesen werden. M.a.W: Italo-keltische genetische Spuren sind in Nordostpolen etwa gleich gut nachzuweisen wie in Galatien. Jeder mache aus dieser Information, was er will.
European Journal of Human Genetics - Contemporary paternal genetic landscape of Polish and German populations: from early medieval Slavic expansion to post-World War II resettlements
Für klare genetische Nachweise bedarf es einer weit aus tieferen Aufgliederung auf einzelne, verhältnismäßig seltene Untergruppen. Abbildung 4 ist ein solches Beispiel, dass zwar zu den Venetern an Weichsel und Atlantik nichts beiträgt, aber z.B. Leute interessieren könnte, die sich mit den Sueben beschäftigen:winke:. Spezielle Analysen zu den Venetern sind mir auf solcher Auflösungsebene leider nicht bekannt.
Erschwerend kommt hier dazu, dass sich aus Brandurnen kaum prähistorische DNA extrahieren lässt. Würden wir das genetische Profil der antiken adriatischen Veneter kennen, liesse sich sicherlich leichter nach möglichen genetischen Spuren anderswo suchen..​
 

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