Auffallend ist auch, dass offensichtlich heute im Zusammenhang mit der Wiener Türkenbelagerung der bekannte Held nur mehr Sobieski ist. Wobei ich keineswegs seine Verdienste aus christlich-österreichischer Sicht (die Osmanen werden das vielleicht anders sehen) schmälern möchte, aber für mich liegt die eigentliche Leistung hier bei denen, die die Verteidigung von Wien organisierten und denen es gelang, die Stadt immerhin bis 5 Minuten nach Zwölf zu halten, trotz Angriff, Lebensmittelknappheit, Seuchen etc.
Wäre der gute Sobieski (der übrigens auch Verbündete hatte) heute wirklich noch der Held, wenn Stadt nicht so lange gehalten wurde, bis eben das Ersatzheer endlich da war.:devil:
Ist übrigens recht interessant, dass der historische "Held" bei einer belagerten Stadt in der Geschichtswahrnehmung immer der (oder wenigstens ein) Anführer ist, der die Stadt sozusagen entsetzt hat, obwohl dieser Entsatz in den meisten Fällen nur deswegen überhaupt möglich war, weil die belagerte Stadt noch nicht eingenommen wurde.
Die Befestigungen scheinen aber noch unter Karl VI. recht bedeutend gewesen zu sein, wenn ich an einige Ansichten aus den 1720ern denke.
Deutlich nach der Belagerung von 1683 wurde Wien erneut bedroht, was während des Spanischen Erbfolgekrieges im Zuge der Kuruzenerhebung zum Bau der sogenannten "Linie" führte.
Linienwall ? Wikipedia
Das mit den von Dir genannten türkischen Einflüssen fand allerdings noch zeitgleich zur Türkengefahr statt. August der Starke selber zog in den 1690ern gegen die Türken ins Feld, die sowohl in Österreich als auch in Polen noch als reale Bedrohung empfunden wurden.
Der Linienwall (eine Stadtmauer zum Schutz der Wiener Vorstädte, sie war in etwa dort, wo heute die Wiener Gürtelstraße verläuft) wurde um erst Anfang des 18. Jahrhunderts errichtet, also ca. 20 Jahre nach der Wiener Türkenbelagerung. Zu diesem Zeitpunkt war die Bedrohung aus dem Osten noch keineswegs vorbei, auch wenn der Stadt Wien eine weitere Belagerung erspart blieb, und sich der Krieg allmählich aus Niederösterreich ins heutige Ungarn und auf den Balkan verlagerte.
Die "Entführung aus dem Serail" würde ich anders als ElQuijote einordnen. Das Thema dieser Oper ist ja eher noch eine reale Türkengefahr, die im Gewand der Berberpiraten auch noch wirklich vorhanden war. Man braucht nur mal die Zeitungen der Zeit (also vor 1781/82) anschauen. Als berüchtigte Seeräuber waren die "Türken" noch immer gefürchtet. Weder in "Constanze und Belmonte" von Bretzner oder "Die Entführung aus dem Serail" von Mozart oder den weiter zeitlich entfernt liegenden Opern "Les Indes Galantes" oder dem zeitlich näheren "La Caravane de Caire" kommen die Protagonisten so wirklich freiwillig zu den Osmanen. Vielmehr wird die real existierende Bedrohungskulisse als perfekter spannungsaufbauender Raum für die Handlung genutzt.
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Eine Oper wie "Die Entführung aus dem Serail" wurde ca. 100 Jahre nach der Belagerung von Wien uraufgeführt. Zu dieser Zeit hatte sich die damalige Welt doch bereits wesentlich verändert.
Davon aber abgesehen, hat die Oper von Mozart zwar einige positive Ansätze, aber sie ist z. B. keine "Verherrlichung" des "guten" Türken. Bassa Selim ist kein wirklicher Osmane, sondern ein Europäer und Renegat (also ein ehem. Christ), der durch Unrecht ins Osmanische Reich flüchten müsste (oder emigriert ist). Ein positives Element ist vielleicht, dass hier das Osmanische Reich immerhin auch als Zufluchtsort für zu Unrecht Verfolgte dargestellt ist und Bassa Selim auch gar nicht davon träumt, wieder seine alte Heimat zurückzukehren.