Das Römerlager Aliso

Zwingend nicht. Aber logisch schon. Das an der Lippe belagerte Kastell wird entsetzt, dann werden zwischen dem Kastell Aliso und dem Rhein die Dammwege angelegt (was vermutlich nur bedeutete, dass Schäden ausgebessert wurden, wäre jedenfalls durchaus üblich Ausbesserungsarbeiten zum Herrscherlob als Neubauten auszuzeichnen).
Aber selbst wenn man deinen Annahmen nun folgen würde, dass erst ein an der Lippe gelegenes Kastell entsetzt wurde und dann auf dem Rückweg zwischen Aliso und dem Rhein zwischen letzterem und dem Rhein Wege ausgebessert/neu angelegt wurden, wäre Aliso logischerweise ein an der Lippe liegendes Kastell, da die Lippe der Hauptaufmarschweg war.
Ein Problem vor welches der Text uns stellt ist, dass es im klass. Latein keine Artikel gibt, wir also nicht unterscheiden können zwischen "ein Kastell" und "das Kastell". Lediglich emphatische Wendungen (nicht zu verwechseln mit Empathie) mit Demonstrativpronomen (hic, haec, hoc; ille, illa, illud; iste, ista, istud...) könnten hier Klarheit verschaffen. Nur diesen Gefallen tun uns die Geschichtsschreiber nicht immer, weil sie ja schwerlich voraussehen konnten, was aus ihren Texten versucht werden würde herauszulesen. "Ein Kastell" wie in der von dir benutzten ÜS oder "das Kastell" wie bei Sontheimer, beides ist grammatisch gleichermaßen aus dem lateinischen Text vertretbar. Wenn man das belagerte Kastell und Aliso gleichsetzt, was nur logisch ist, dann wäre die Sontheimersche ÜS die bessere Wahl. Je nachdem welcher ÜS man aber den Vortritt lässt, "ein Kastell" oder "das Kastell", es ist eine Vorinterpretation des Textes.
Und dann ist ja Tacitus' Bericht nicht isoliert. Es gibt die bekannte Stelle bei Cassius Dio, wo ein Lager am Zusammenfluss von Lupias und Elison erwähnt wird. Die Gleichsetzung von beiden als bewiesen gelten zu lassen, wäre sicher zu positivistisch, aber sie ist zumindest sehr naheliegend.
 
Aber selbst wenn man deinen Annahmen nun folgen würde, dass erst ein an der Lippe gelegenes Kastell entsetzt wurde und dann auf dem Rückweg zwischen Aliso und dem Rhein zwischen letzterem und dem Rhein Wege ausgebessert/neu angelegt wurden, wäre Aliso logischerweise ein an der Lippe liegendes Kastell, da die Lippe der Hauptaufmarschweg war.

Für die Lokation von Aliso haben natürlich zuerst einmal militärische Aspekte eine Rolle gespielt. Für die Funktion der Garnison waren schnelle Kommunikationswege zum Rhein wichtig, im Kriegsfall auch dass schnelle Nachführen von weiteren Truppen vom Rhein, sowohl von Xanten (Vetera) als auch von Neuss (Novaesium), Aliso lag also an einem Verkehrsknotenpunkt der Straßen vom Rhein in die westfälische Bucht. Diese Überlegung wird auch durch die Aussage von Cassius Dio gestützt, dass die Germanen, als während der Belagerung von Aliso das Gerücht aufkam, Tiberius sei mit einem Heer im Anmarsch, die Anmarschwege (also Mehrzahl) im Auge behielten.

Eine weitere wichtige Rolle haben logistische Aspekte gespielt, das Lager musste ja auch betrieben werden, kurze Nachschubwege waren daher wichtig. Da für den Betrieb eines Legionslagers hauptsächlich Ersatzteile und Lebensmittel benötigt werden, und zumindest die Lebensmittel nach 10 bis 15 Jahren der Okkupation mit großer Sicherheit vor Ort produziert wurden, war also auch für die Versorgung eines Legionslagers ein Standort direkt am Hellweg in der Nähe der Hellwegbörden, also dort wo der Großteil der Lebensmittel aufgrund der sehr guten Bodenqualität produziert wurde, ideal. Allerdings mussten bisweilen auch schwere Versorgungsgüter transportiert werden, was per Schiff sehr viel einfacher war als über den Landweg. Eine relative Nähe zur Hauptwasserstraße der westfälischen Bucht, der Lippe, war also auch wichtig.

Ebenfalls wichtig zu Präzisierung des Standorts von Aliso ist die Berücksichtigung der Anforderungen der zivilen Siedlung. Da das Imperium Romanum eine Agrargesellschaft war, waren die meisten seiner Bürger in der Landwirtschaft tätig, was dann auch für Aliso galt. Umso mehr, falls in Aliso auch Veteranen angesiedelt wurden, denen nach dem Ende ihrer Dienstzeit auch ein Stück Land zugeteilt wurde.
Da also die meisten Einwohner von Aliso in der Landwirtschaft tätig waren, wurde Aliso auch dort angelegt, wo diese Menschen ihre Felder bestellt haben. Um Aliso herum mussten also für die Landwirtschaft gut geeignete Böden vorhanden sein. Dieses war wie oben schon erwähnt in den Lössgebieten der Hellwegbörde der Fall, die nach denen der Wetterau besten Böden des Imperiums aufwiesen, und nicht in der sumpfigen Lippeniederung.

Aliso hat also mit großer Sicherheit an einem Verkehrsknotenpunkt in der Hellwegbörde gelegen, der allerdings auch nicht zu weit von der Lippe entfernt war.


Je nachdem welcher ÜS man aber den Vortritt lässt, "ein Kastell" oder "das Kastell", es ist eine Vorinterpretation des Textes.

An der Stelle wo das Lippe-Kastell erwähnt wird ist es aber noch völlig kontextlos. Nach der Erwähnung des Kastells berichtet Tacitus erst noch über die Flucht der Belagerer, das Geiselnahme der Fürstenfamilie, das Wiederherstellen des Drusus Altars, die Parade, und dann erst wird Aliso erwähnt. Wegen des fehlendes Kontexts kann "ein Kastell" meiner Meinung nach nur die richtige Übersetzung sein. Wenn man es an der Stelle im Text mit "das Kastell" übersetzen wollte, kann das eigentlich nur bedeuten, dass Aliso das einzige Kastell an der Lippe war, und jeder Leser genau wusste, auf welches Kastell Tacitus sich bezieht. Außerdem würde der Text dann auch irgendwie suggerieren, dass der Varus Grabhügel und der Drusus Altar in unmittelbarer Nähe von Aliso gelegen hätten, was ja auch nicht sein kann.
 
Allerdings mussten bisweilen auch schwere Versorgungsgüter transportiert werden, was per Schiff sehr viel einfacher war als über den Landweg. Eine relative Nähe zur Hauptwasserstraße der westfälischen Bucht, der Lippe, war also auch wichtig.

Eben! Umso mehr verwundert, dass du Aliso von der Lippe weg verlegen willst.

Ebenfalls wichtig zu Präzisierung des Standorts von Aliso ist die Berücksichtigung der Anforderungen der zivilen Siedlung. Da das Imperium Romanum eine Agrargesellschaft war, waren die meisten seiner Bürger in der Landwirtschaft tätig, was dann auch für Aliso galt. Umso mehr, falls in Aliso auch Veteranen angesiedelt wurden, denen nach dem Ende ihrer Dienstzeit auch ein Stück Land zugeteilt wurde.

Also die Cannabae des Lagers Vetera I lagen direkt an einem Seitenarm des Rheins und waren wohl weniger eine landwirtschaftlich orientierte Siedlung als vielmehr Stapelplatz und Händlersiedlung bzw. Siedlung der (illegalen) Familien der Soldaten (Heiratsverbot für römische Soldaten). Ob es überhaupt viele Veteranen in/um Aliso gab, ist dabei - bei einer Dienstzeit von 25 Jahren - völlig unklar.

Da also die meisten Einwohner von Aliso in der Landwirtschaft tätig waren,

Was eben pure Spekulation ist und nicht unbedingt zu den wirtschaftlichen Kerntätigkeiten der Cannabae gehörte

Dieses war wie oben schon erwähnt in den Lössgebieten der Hellwegbörde der Fall, die nach denen der Wetterau besten Böden des Imperiums aufwiesen, und nicht in der sumpfigen Lippeniederung.

Ich zitiere mal vom LWL: "Die natürliche Fruchtbarkeit der Böden, ausgedrückt in Ertragsmesszahlen in Relation zu den besten Böden Deutschlands in der Magdeburger Börde (=100), erreicht östlich der Ems, im nördlichen und auch weitgehend im westlichen Münsterland nur Werte unter 33, im Kernmünsterland zwischen 33 und 64 sowie in den Börden des Hellweggebietes über 64 (bis um 80 in der Soester Börde)."

Ergo: Die natürliche Fruchtbarkeit ist zwar tatsächlich in den Gebieten südlich der Lippe am Höchsten, besonders im Raum Soest, aber sie ist anderswo, nördlich der Lippe, nicht wesentlich schlechter. Unter der Annahme, dass Aliso neben Lager auch eine landwirtschaftliche Siedlung gewesen wäre - wovon wir aus oben genannten Gründen aber überhaupt nicht so zwingend ausgehen müssen, wie du suggerierst -, spräche also überhaupt nichts dagegen, dass diese Siedlung auch sonstwo an der Lippe gelegen hätte.

An der Stelle wo das Lippe-Kastell erwähnt wird ist es aber noch völlig kontextlos. Nach der Erwähnung des Kastells berichtet Tacitus erst noch über die Flucht der Belagerer, das Geiselnahme der Fürstenfamilie, das Wiederherstellen des Drusus Altars, die Parade, und dann erst wird Aliso erwähnt.
Das ist zwar so nicht ganz falsch, aber auch nicht richtig: Wenn du dir den Text noch mal genau ansiehst, verwebt Tacitus zwei Handlungsstränge, den Handlungsstrang um den Entsatz des Lippekastells um Germanicus und den Handlungsstrang um Silius:

„Während nun die Schiffe zusammengezogen wurden, ließ der Caesar den Legaten Silius mit einer leichtbewaffneten Truppe einen Einfall in das Chattenland machen; er selbst führte auf die Nachricht, ein an der Lippe angelegtes Kastell werde belagert, sechs Legionen dorthin. Doch konnte weder Silius wegen plötzlicher Regengüsse etwas anderes ausrichten, als ein wenig Beute zu machen und des Chattenfürsten Arpus Frau und Tochter zu entführen, noch gaben dem Caesar die Belagerer Gelegenheit zum Kampf, da sie auf die Kunde von seinem Anrücken auseinandergelaufen waren. Sie hatten jedoch den kürzlich für die Legionen des Varus errichteten Grabhügel und einen alten, für Drusus erbauten Altar zerstört. Germanicus stellte den Altar wieder her und führte zu Ehren des Vaters persönlich an der Spitze der Legionen eine feierliche Parade an; den Grabhügel zu erneuern schien nicht zweckmäßig. Schließlich wurde das ganze Gebiet zwischen dem Kastell Aliso und dem Rhein durch neue Heerstraßen und Dammwege erschlossen und gesichert.“

Wenn du die Handlungsstränge des Textes also entwebst, dann kann von einem "erst noch" gar keine Rede mehr sein.

Wegen des fehlendes Kontexts kann "ein Kastell" meiner Meinung nach nur die richtige Übersetzung sein. Wenn man es an der Stelle im Text mit "das Kastell" übersetzen wollte, kann das eigentlich nur bedeuten, dass Aliso das einzige Kastell an der Lippe war, und jeder Leser genau wusste, auf welches Kastell Tacitus sich bezieht.
Das ist so unmöglich nicht. Aliso war ja das einzige Kastell, welches nach der Varusschlacht noch in römischer Hand verblieben war. (Vgl. Cassius Dio: "Die Barbaren nahmen alle Befestigungen (erýmata) außer einer in Besitz"). Insofern ist es durchaus im vertretbaren Rahmen, dass es zu diesem Zeitpunkt, 16 n. Chr. tatsächlich nur eine Garnison an der Lippe gab, es also für jeden Leser klar war, dass es sich um Aliso handelte.

Außerdem würde der Text dann auch irgendwie suggerieren, dass der Varus Grabhügel und der Drusus Altar in unmittelbarer Nähe von Aliso gelegen hätten, was ja auch nicht sein kann.

Mit dem Altar des Drusus dürfte nicht die Tropeia Drusi gemeint sein. Es handelt sich bei dem Satz mit der Zerstörung aber um einen Einschub im Plusquamperfekt. Dass der Altar in der Nähe des Lagers gelegen haben dürfte, ist dabei relativ klar, wo sonst, wenn nicht an einem Ort, wo die Legionen ihren Feldherren, den Germanicus (wir sprechen ja heute von seinem Sohn als Germanicus, aber der Vater hatte diesen Titel als Erster und wahrscheinlich von allen späteren Trägern dieses Titels als "Verdientester"), den Stiefsohn des Kaisers (und Bruders von dessen inzwischen amtierenden Nachfolger) verehren konnten? Man kann nun auch fragen, warum Germanicus es als nicht zweckmäßig ansah, den tumulus wiederzuerrichten. Vielleicht einfach deshalb, weil er nicht sooo nah war? (Ich will allerdings, auch wenn die Supermärkte bald das Weihnachtsgebäck in die Auslagen legen, meine Spekulatiusbäckerei an dieser Stelle wieder schließen.)
 
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Was eben pure Spekulation ist und nicht unbedingt zu den wirtschaftlichen Kerntätigkeiten der Cannabae gehörte

Ich denke dass Zivilisten in Aliso lebten ist unstrittig, die antiken Quellen berichten ja auch von Frauen und Kindern und unbewaffneten Männern, die bei der Flucht aus Aliso dabei waren. Die Frage ist aber, überwiegte bei Aliso der militärische oder der zivile Charakter? Siedelten sich die Zivilisten um ein Legionslager herum an (Cannabae), oder war Aliso eine geplante zivile Stadtgründung, in die man auch eine Garnison integrierte? Die Hellwegbörde hätte optimale Voraussetzungen für Agrarstädte geboten.

Ergo: Die natürliche Fruchtbarkeit ist zwar tatsächlich in den Gebieten südlich der Lippe am Höchsten, besonders im Raum Soest, aber sie ist anderswo, nördlich der Lippe, nicht wesentlich schlechter. Unter der Annahme, dass Aliso neben Lager auch eine landwirtschaftliche Siedlung gewesen wäre - wovon wir aus oben genannten Gründen aber überhaupt nicht so zwingend ausgehen müssen, wie du suggerierst -, spräche also überhaupt nichts dagegen, dass diese Siedlung auch sonstwo an der Lippe gelegen hätte.

Eben, je Soest desto besser: http://www.umweltbundesamt.de/boden-und-altlasten/boden/bilder/300daten_karten_buek5000.pdf

Im Münsterland sind die Bodenqualitäten teilweise auch relativ gut. Nur direkt an der Lippe eben nicht, schon gar nicht bei Haltern. Natürlich hat man sicher auch vor 2000 Jahren schon trockene Sandböden bestellen können, auf Lössböden ist und war der Anbau aber sehr viel effektiver. Es wird ja niemand direkt an der Lippe Landwirtschaft betreiben wollen, wenn er 20 km weiter in der Hellwegbörde mit dem gleichen Aufwand den doppelten Ertrag erzielt.
Die Frage bleibt, wie zivil war Aliso. Je größer der Anteil der zivilen Bevölkerung, desto wichtiger war das landwirtschaftliche Potential der Umgebung von Aliso. Je mehr Waldgirmes, desto Soest, sozusagen.


Wenn du die Handlungsstränge des Textes also entwebst, dann kann von einem "erst noch" gar keine Rede mehr sein.

Das Entweben muss man dann aber auch erst mal so hinkriegen. Wenn der Leser vor 2000 Jahren genau so unbedarft gewesen wäre wie es heute bin, hätte er das garantiert nicht richtig verstanden. Wieso sagt Tacitus nicht ganz am Anfang, dass Aliso gemeint ist? Dann wäre alles klar gewesen. Wieso drückt er das so kompliziert aus, wenn er Aliso mit dem Lippe-Kastell meint?
 
Ich denke dass Zivilisten in Aliso lebten ist unstrittig, die antiken Quellen berichten ja auch von Frauen und Kindern und unbewaffneten Männern, die bei der Flucht aus Aliso dabei waren. Die Frage ist aber, überwiegte bei Aliso der militärische oder der zivile Charakter?

Eigentlich ist das keine Frage. Die antiken Quellen sprechen von Aliso als castra oder castellum. Sie benutzen militärische Begriffe, nicht solche aus der Zivilverwaltung (municipium, oppidum, vicus...)
Die Hellwegbörde hätte optimale Voraussetzungen für Agrarstädte geboten.

Hätte...


Im Münsterland sind die Bodenqualitäten teilweise auch relativ gut. Nur direkt an der Lippe eben nicht, schon gar nicht bei Haltern.

Gut, dass du Haltern erwähnst, fast hätte ich vergessen, dass es ja in der tat nachgewiesene Lager an der Lippe gibt und Haltern ein ganz heißer Kandidat für Aliso ist... [/ironie off]
Welche Schlussfolgerung ziehen wir daraus, dass ein bedeutendes Lager wie Haltern - egal ob Aliso oder nicht - in einer Umgebung liegt, die in ihrem Nahbereich nicht so geeignete Böden aufweist?

Die Frage bleibt, wie zivil war Aliso.

Wie gesagt, wenn man die Quellen liest, stellt sich die Frage eigentlich nicht. S.o. Cannabae sind eben keine Landwirtschaftssiedlungen und gehören zu Lagern dazu.

Das Entweben muss man dann aber auch erst mal so hinkriegen. Wenn der Leser vor 2000 Jahren genau so unbedarft gewesen wäre wie es heute bin, hätte er das garantiert nicht richtig verstanden. Wieso sagt Tacitus nicht ganz am Anfang, dass Aliso gemeint ist? Dann wäre alles klar gewesen. Wieso drückt er das so kompliziert aus, wenn er Aliso mit dem Lippe-Kastell meint?
Zwei Handlungsstränge mit zwei Subjekten, nämlich Silius und Germanicus, deren Handlungen klar voneinander abgetrennt sind. Was ist denn daran kompliziert? :confused:
 
Dass der LWL aus einem starken Argument, nämlich dass eine Reihe von Indizien für die Gleichsetzung Halterns mit Aliso sprechen, in der Außendarstellung eine Tatsache macht, schmeckt mir auch nicht.
 
Dass der LWL aus einem starken Argument, nämlich dass eine Reihe von Indizien für die Gleichsetzung Halterns mit Aliso sprechen, in der Außendarstellung eine Tatsache macht, schmeckt mir auch nicht.

Hm, ich kenne da einen Fundplatz in der Nähe von Bramsche, wo das wohl ebenfalls der Fall ist.
Scheint Programm zu sein.
Ein Schelm wer dabei böses denkt...:winke:

aber das ist wohl zu off topic.
Würde sich wohl lohnen mal einen Thread zu dieser Thematik neu zu eröffnen.

Zum Thema:
Zur betreffenden Tacitus Stelle:

Wir lesen von ein an der Lippe angelegten Kastell.
Hört sich an, als ob es sich um irgendein Kastell handelt, bzw. erst kürzlich oder neu angelegt.
Wenn es sich um Aliso gehandelt hat, warum wird der Name in diesem Zusammenhang nicht erwähnt?
Erst dann, eigentlich in einem anderen Zusammenhang taucht der Name Aliso auf.

Ich bin mir keinesfalls sicher, daß es sich hier um das gleiche Kastell handelt.
 
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Zum Thema:
Zur betreffenden Tacitus Stelle:

Wir lesen von ein an der Lippe angelegten Kastell.

Das lesen wir in einer Übersetzung, aber El Q. hat ja schon darauf hingewiese, dass die Textstelle auch mit "das an der Lippe angelegte Kastell" übersetzt werden kann.



[...]
Ein Problem vor welches der Text uns stellt ist, dass es im klass. Latein keine Artikel gibt, wir also nicht unterscheiden können zwischen "ein Kastell" und "das Kastell". Lediglich emphatische Wendungen (nicht zu verwechseln mit Empathie) mit Demonstrativpronomen (hic, haec, hoc; ille, illa, illud; iste, ista, istud...) könnten hier Klarheit verschaffen. Nur diesen Gefallen tun uns die Geschichtsschreiber nicht immer, weil sie ja schwerlich voraussehen konnten, was aus ihren Texten versucht werden würde herauszulesen. "Ein Kastell" wie in der von dir benutzten ÜS oder "das Kastell" wie bei Sontheimer, beides ist grammatisch gleichermaßen aus dem lateinischen Text vertretbar. Wenn man das belagerte Kastell und Aliso gleichsetzt, was nur logisch ist, dann wäre die Sontheimersche ÜS die bessere Wahl. Je nachdem welcher ÜS man aber den Vortritt lässt, "ein Kastell" oder "das Kastell", es ist eine Vorinterpretation des Textes.
Und dann ist ja Tacitus' Bericht nicht isoliert. Es gibt die bekannte Stelle bei Cassius Dio, wo ein Lager am Zusammenfluss von Lupias und Elison erwähnt wird. Die Gleichsetzung von beiden als bewiesen gelten zu lassen, wäre sicher zu positivistisch, aber sie ist zumindest sehr naheliegend.

Hört sich an, als ob es sich um irgendein Kastell handelt, bzw. erst kürzlich oder neu angelegt.

Wann das Kastell angelegt wurde, läßt sich aus dem Text nicht entnehmen.

Wenn es sich um Aliso gehandelt hat, warum wird der Name in diesem Zusammenhang nicht erwähnt?
Erst dann, eigentlich in einem anderen Zusammenhang taucht der Name Aliso auf.

guter Punkt: eigentlich würde man erwarten, dass zuerst das belagerte Kastell namentlich genannt wird, und dann erst später darauf zurückgreifend das "Castrum" erscheint. Andererseits wird Aliso als einziges Kastell benannt, das nach der Varusschlacht gehalten werden konnte. Oder aber wäre hier besser "castrum" mit "Lager" zu übersetzen?:grübel:


Ich bin mir keinesfalls sicher, daß es sich hier um das gleiche Kastell handelt.

nihil certum est.
 
guter Punkt: eigentlich würde man erwarten, dass zuerst das belagerte Kastell namentlich genannt wird, und dann erst später darauf zurückgreifend das "Castrum" erscheint. Andererseits wird Aliso als einziges Kastell benannt, das nach der Varusschlacht gehalten werden konnte. Oder aber wäre hier besser "castrum" mit "Lager" zu übersetzen?:grübel:

Das ist genau der Punkt, den ich meinte!:winke:

Wenn das belagerte Kastell wirklich Aliso war, warum wird es nicht namentlich genannt?

Ich denke, man sollte dieses Kastell unabhängig von der Varusschlacht betrachten und eher (und evt. ausschließlich) den Germanicus Feldzügen zuordnen. Germanicus benötigte sicherlich eine erneuerte Infrastruktur für seine Feldzüge.

Warum sollte Germanicus 15 n.Chr. nicht ein neues Kastell an der Lippe (zusätzlich zum bestehenden Aliso) angelegt haben im Hinblick auf den Feldzug 16 n.Chr.? Er wird ein solches Kastell schon aus Gründen des Nachschubs benötigt haben.Und er wusste wohl, daß es einen erneuten Feldzug ins Innere von Germanien geben würde. Diese Praxis war offensichtlich bei den Römern völlig normal, vgl. hierzu den Bau des Lagers Anreppen durch Tiberius. Auch dieser wußte offensichtlich im Herbst des Jahres 4 n.Chr., daß ein erneuter Feldzug im darauffolgenden Jahr nötig war.
 
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Weil sich das Gerücht hartnäckig hält, dass Aliso an der Lippe lag: das hat Tacitus so explizit nicht erwähnt. Er schreibt:

"Während nun die Schiffe zusammengezogen wurden, ließ der Caesar den Legaten Silius mit einer leichtbewaffneten Truppe einen Einfall in das Chattenland machen; er selbst führte auf die Nachricht, ein an der Lippe angelegtes Kastell werde belagert, sechs Legionen dorthin. Doch konnte weder Silius wegen plötzlicher Regengüsse etwas anderes ausrichten, als ein wenig Beute zu machen und des Chattenfürsten Arpus Frau und Tochter zu entführen, noch gaben dem Caesar die Belagerer Gelegenheit zum Kampf, da sie auf die Kunde von seinem Anrücken auseinandergelaufen waren. Sie hatten jedoch den kürzlich für die Legionen des Varus errichteten Grabhügel und einen alten, für Drusus erbauten Altar zerstört. Germanicus stellte den Altar wieder her und führte zu Ehren des Vaters persönlich an der Spitze der Legionen eine feierliche Parade an; den Grabhügel zu erneuern schien nicht zweckmäßig. Schließlich wurde das ganze Gebiet zwischen dem Kastell Aliso und dem Rhein durch neue Heerstraßen und Dammwege erschlossen und gesichert."


Wenn in einem fiktiven sowjetischen Bericht im Mai 45 gestanden hätte:

"... unterzeichnete General Schukow die Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Auf die Nachricht, dass die Wehrmacht in einer Stadt an der Elbe noch Widerstand leistet, führte Schukow eine Division der Weißrussischen Front dorthin und zerschlug den Widerstand; im Rahmen der Kämpfe konnte ein ranghoher deutscher General festgenommen werden. Anschließend [unausgesprochen: zurück in Berlin] ließ Schukow die Zerstörungen der Straße zwischen Berlin und der Oder beseitigen."

In diesem Bericht wären wichtige Handlungen und wichtige Orte erwähnt worden. Der Name von irgendeiner Kleinstadt an der Elbe hätte die russischen Leser nicht interessiert. Und bei diesem Bericht wäre trotzdem niemand auf die Idee gekommen, dass Berlin an der Elbe lag.



Aliso lag dort, wo es kostengünstig (z. B. bei Getreide Mix aus lokaler Versorgung und Versorgung über die Lippe) und flexibel (z. B. dringend benötigte Waffenersatzteile) zu versorgen war, und von wo aus die Legionen schnell zu ihren Einsatzorten marschieren konnten. Ein Verkehrsknotenpunkt in der Hellwegbörde, der von Novaesium und Vetera gleichermaßen gut zu erreichen war, und von dem aus die Legionen schnell in Unruhegebiete marschieren konnten (die potentiell eher östlich als westlich von Aliso lagen), war also die ideale Lokation für Aliso.


Wir können auch noch mal unabhängig von potentiell verwirrenden Ortsangeben betrachten, was die antiken Quellen zur Funktion von Aliso sagen, war es ein Flottenstützpunkt an einem Fluss oder ein strategischer Ort an einem Wegeknotenpunkt.
Wenn Aliso an einem Fluss lag, müsste in den Quellen relativ häufig vom Hafen und von Booten zu lesen sein.
Wenn Aliso an einem Wegeknotenpunkt lag müsste relativ häufig von Straßen zu lesen sein.


Boot:

-


Straße:

- Tacitus: "wurde das ganze Gebiet zwischen dem Kastell Aliso und dem Rhein durch neue Heerstraßen und Dammwege erschlossen und gesichert"

- Dio: "behielten die Anmarschwege scharf im Auge"

- Paterculus: "bahnten sie sich mit dem Schwerte die Rückkehr zu den ihrigen" (da die Germanen keine Flotte hatte auch eher entlang einer Straße)
 
Wo? Eigentlich schreibt er doch nur, dass am Zusammenfluss der Flüsse Lupias und Elison ein Kastell angelegt wurde. Dass das Kastell nach dem Fluss Elison Aliso genannt wurde, es sich also bei diesem Kastell um Aliso handelte, schreibt er eigentlich nicht, das kann man nur mutmaßen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Du hast zwar mit deiner Kritik, dass es nicht zwingend gegeben ist, dass dass castellum Lupiae flumini mit dem castellum Alisonem identisch ist, Recht, aber wirst zugeben müssen, dass das vom Gesamtkontext her ziemlich unwahrscheinlich ist, dass hier zwei verschiedene Lager benannt werden: Das Lippekastell wird belagert, im Zuge der Belagerung werden Landmarken zerstört, Germanicus entsetzt das Lippekastell und im Anschluss werden zwischen dem Kastell Aliso und dem Rhein die Wege erneuert. Es ist nur logisch, selbst wenn man nur die Tacitus-Stelle hätte, dass man das belagerte Kastell an der Lippe und das Kastell Aliso gleichsetzt. Zudem haben wir eben nicht nur Tacitus. Bei Cassius Dio finden wir folgendes:
...ὥστε τὸν Δροῦσον ἀντικαταφρονήσαντα αὐτῶν ἐκεῖ τε ᾗ ὅ τε Λουπίας καὶ ὁ Ἐλίσων συμμίγνυνται φρούριόν τί σφισιν ἐπιτειχίσαι,...
Wo Lippe und Elison zusammenfließen... Ist natürlich auch kein abschließender Beweis dafür, dass es sich um die gleichen Lager bzw. Örtlichkeiten für Lager handelt, aber zumindest sehr, sehr naheliegend.

Aliso lag dort, wo es kostengünstig (z. B. bei Getreide Mix aus lokaler Versorgung und Versorgung über die Lippe) und flexibel (z. B. dringend benötigte Waffenersatzteile) zu versorgen war, und von wo aus die Legionen schnell zu ihren Einsatzorten marschieren konnten.
Und die kostengünstigste Versorgung funktionierte wie?

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Ein Verkehrsknotenpunkt in der Hellwegbörde, der von Novaesium und Vetera gleichermaßen gut zu erreichen war, und von dem aus die Legionen schnell in Unruhegebiete marschieren konnten (die potentiell eher östlich als westlich von Aliso lagen), war also die ideale Lokation für Aliso.
Nur um das richtig zu verstehen: Du verwirfst einen aus den Quellen her naheliegenden Lokalisationsort für Aliso, nämlich an der Lippe, der deinen eigenen Ausführungen zufolge (kostengünstig über die Lippe zu versorgen) logisch wäre, zu Gunsten eines völlig hypothetischen Ortes, für den es keinerlei Anhaltspunkte gibt?

Wenn Aliso an einem Fluss lag, müsste in den Quellen relativ häufig vom Hafen und von Booten zu lesen sein.
Wenn Aliso an einem Wegeknotenpunkt lag müsste relativ häufig von Straßen zu lesen sein.
Grau ist alle Theorie... Abgesehen davon haben wir gar keine so häufigen Erwähnungen.

- Dio: "behielten die Anmarschwege scharf im Auge"
Natürlich. Die Legionäre marschierten. Die Römerstraße an der Lippe ist auch archäologisch nachgewiesen.

- Paterculus: "bahnten sie sich mit dem Schwerte die Rückkehr zu den ihrigen" (da die Germanen keine Flotte hatte auch eher entlang einer Straße)
Wie gesagt, eine Römerstraße entlang der Lippe ist nachgewiesen. Prahmen bieten keinerlei Schutz gegen Beschuss, sind langsam und müssen gesegelt oder getreidelt werden. Also selbst dann, wenn man sie zur Verfügung hätte, nicht unbedingt das geeignete Fluchtmittel.
 
Wo? Eigentlich schreibt er doch nur, dass am Zusammenfluss der Flüsse Lupias und Elison ein Kastell angelegt wurde. Dass das Kastell nach dem Fluss Elison Aliso genannt wurde, es sich also bei diesem Kastell um Aliso handelte, schreibt er eigentlich nicht, das kann man nur mutmaßen.

Hast recht, die Gleichung Elison-Aliso ist naheliegend, aber nicht zwingend.
 
Einerseits mussten Massengüter wir Korn oder Olivenöl günstig nach Aliso tranportiert werden können. Hier bot sich der Tranport über die Lippe an.

Andererseits mussten Ersatzteile oder Truppenkontingente Aliso schnell erreichen. Dies geschah natürlich über Straßen. Legionäre wurden nicht in Novaesium in Prahmen gesetzt, um dann über Vetera und die Lippe nach Alsio geschippert zu werden. Die setzten bei Novaesium über den Rhein und bewegten sich dann direkt über Straßen nach Aliso.

Vergleich es mit heute. Ein Automobilwerk muss natürlich an das Schienennetz angeschlossen sein, um kostengünstig Materialien beziehen zu können. Das Werk muss aber auch an das Autobahnnetz angeschlossen sein, um flexibel Materialien beziehen zu können. So ein logistischer Mix aus Effizienz und Flexibilität war natürlich auch für den Betrieb von Aliso genau das richtige.
Und wenn wir mal davon ausgehen dass 2 Jahrzehnte nach Beginn der Okkupation das meiste Korn lokal bezogen wurde, war es natürlich um so günstiger, Aliso nah an die Getreideproduktionsgebiete zu legen. Dies galt um so mehr falls Aliso eine bedeutende zivile Komponente hatte.

Und zu guter letzt: Aliso musste vor allen Dingen eine strategische Funktion erfüllen. Da es sich ja nun doch irgendwie herauskristallisiert dass Aliso nicht in Haltern lag, und wir mit Haltern also schon ein Lager an der Lippe hatten, war es die Funktion von Aliso, die Hellwegbörde zu kontrollieren. Und dies ging natürlich von einem Ort in der Börde besser als von der Lippe aus.


Mein Tipp: Aliso lag in Unna, und Beckinghausen war der Hafen von Aliso.
 
Einerseits mussten Massengüter wir Korn oder Olivenöl günstig nach Aliso tranportiert werden können. Hier bot sich der Tranport über die Lippe an.

Andererseits mussten Ersatzteile oder Truppenkontingente Aliso schnell erreichen. Dies geschah natürlich über Straßen. Legionäre wurden nicht in Novaesium in Prahmen gesetzt, um dann über Vetera und die Lippe nach Alsio geschippert zu werden. Die setzten bei Novaesium über den Rhein und bewegten sich dann direkt über Straßen nach Aliso.

Vergleich es mit heute. Ein Automobilwerk muss natürlich an das Schienennetz angeschlossen sein, um kostengünstig Materialien beziehen zu können. Das Werk muss aber auch an das Autobahnnetz angeschlossen sein, um flexibel Materialien beziehen zu können. So ein logistischer Mix aus Effizienz und Flexibilität war natürlich auch für den Betrieb von Aliso genau das richtige.
Und wenn wir mal davon ausgehen dass 2 Jahrzehnte nach Beginn der Okkupation das meiste Korn lokal bezogen wurde, war es natürlich um so günstiger, Aliso nah an die Getreideproduktionsgebiete zu legen. Dies galt um so mehr falls Aliso eine bedeutende zivile Komponente hatte.

...

M.E. siehst Du das aus einer ahistorischen Perspektive. Was für Ersatzteile brauchte denn eine Römische Legion? Die kompliziertesten Gerätschaften die diese mit sich führten, waren die Ballisten und die konnte jede Feldschmiede reparieren, so wie auch die Bolzen dafür. Die haben keine Ersatzläufe für das MG 42 angefordert oder Leuchtmunition für die Vorfeldüberwachung.

Und wurden damals in Germanien bereits Getreidesorten gepflanzt, die die Römer konsumiert hätten? Lebten die Germanen nicht überwiegend von Hirse und die Römer von Weizen? Ich denke eine Lage am Fluss um den Proviant per Prahm zu liefern, ist plausibel, der Rest ist Spekulation.
 
M.E. siehst Du das aus einer ahistorischen Perspektive. Was für Ersatzteile brauchte denn eine Römische Legion? Die kompliziertesten Gerätschaften die diese mit sich führten, waren die Ballisten und die konnte jede Feldschmiede reparieren, so wie auch die Bolzen dafür. Die haben keine Ersatzläufe für das MG 42 angefordert oder Leuchtmunition für die Vorfeldüberwachung.

Aber es wird ja auch nicht jede Legion dezentral ihre Ausrüstung selbst hergestellt haben, oder?


Und wurden damals in Germanien bereits Getreidesorten gepflanzt, die die Römer konsumiert hätten? Lebten die Germanen nicht überwiegend von Hirse und die Römer von Weizen?

Nun war der lokalen germanischen Bevölkerung der Handel nicht unbekannt. Gegen entsprechende Bezahlung haben die auch Weizen angebaut. Vorstellbar ist auch, dass Rom als Abgabe Weizen verlangt hat.


Ich denke eine Lage am Fluss um den Proviant per Prahm zu liefern, ist plausibel, der Rest ist Spekulation.

Wie ist dann aber Hedemünden versorgt worden? Mit Prahmen rheinabwärts und dann über Nordsee und Weser/Werra?
Wie ist Novaesium versorgt worden? Mit Prahmen aus Italien über Mittelmeer, Atlantik, Nordsee, und dann rheinaufwärts?
Das war natürlich nicht so, die Versorgung erfolgte über den Landweg. Roms Macht begründete sich auf Straßen, ein Fluss war nice to have.
 
Das war natürlich nicht so, die Versorgung erfolgte über den Landweg. Roms Macht begründete sich auf Straßen, ein Fluss war nice to have.

Aus der Sicht eines Historikers, der sich auf Quellen und archäologische Befunde stützt, sieht das etwas anders aus:

"Die frühe Kaiserzeit ist gekennzeichnet von einem eindeutigen Missverhältnis zwischen den Regionen, in denen große römische Heere konzentriert waren, und den Möglichkeiten ihrer Versorgung. So war das Straßensystem an der Peripherie des Reiches bis in die Anfänge der claudischen Zeit noch sehr unzureichend ausgebaut. Um die agrarische Leistungsfähigkeit in den Grenzregionen war es in der Regel nicht viel besser gestellt. Somit muss die längerfristige Ansammlung ganz enormer Truppenmassen in diesen Bereichen gewaltige logistische Probleme verursacht haben, zumal wenn hier äußerst verlustreiche Abnutzungs- und Eroberungskriege geführt wurden.
...
Da bereits Caesar im Gallischen Krieg seinen Getreidenachschub nach Möglichkeit auf dem Wasserweg heranführen ließ, dürfen wir unterstellen, dass sich Augustus bei dem Entschluss, dem Germanenproblem in Gallien durch eine exzentrische Positionierung der Legionen beizukommen, über die künftige zentrale Bedeutung der Versorgungsschifffahrt völlig im Klaren war. Es war illusorisch, mit Maultieren oder den nur beschränkte Last befördernden Fuhrwerken jener Zeit nennenswerte Mengen über längere Zeit zu befördern.
...
Der Umstand, dass vom Rhein aus mit der Mosel und den mit der Waal vernetzenden Flusssystemen von Maas und Schelde mehrere Versorgungslinien in Richtung der Überschussregionen im westlichen Hinterland ausstrahlten, dürfte seine Haltung bekräftigt haben. Um diesen Verkehr zu erleichtern, wurden in der Folgezeit sogar Baumaßnahmen eingeleitet, die das Gewässerregime nachhaltig zum Wohle der Schifffahrt beeinflussen sollten.
...
Die Funktion der Wasserläufe als Haupttransportadern wird auch durch die von Augustus getroffenen Standortentscheidungen ersichtlich. Fast alle neu eingerichteten Militärlager befanden sich in unmittelbarer Nähe des Rheinufers."

Heinrich Konen, Die Bedeutung und Funktion von Wasserwegen für die römische Heeresversorgung an Rhein und Donau in der frühen und hohen Kaiserzeit
In: Rom auf dem Weg nach Germanien (Mainz 2008)
 
Andererseits mussten Ersatzteile oder Truppenkontingente Aliso schnell erreichen. Dies geschah natürlich über Straßen. Legionäre wurden nicht in Novaesium in Prahmen gesetzt, um dann über Vetera und die Lippe nach Alsio geschippert zu werden. Die setzten bei Novaesium über den Rhein und bewegten sich dann direkt über Straßen nach Aliso.
Wenn Aliso an der Lippe lag, warum sollten sie dann von Neuss aus dorthin marschiert sein? Du setzt immer viel zu viel aus deiner Phantasie voraus. Wenn Aliso nicht an der Lippe lag, weil es nicht mit dem castellum Lupiae flumini adpositum identisch ist (wobei die Identifikation der beiden Lager miteinander doch die wahrscheinlichere Variante ist), dann haben wir überhaupt keine Anhaltspunkte für seine Lage und es wäre noch verwegener einen Ort zu benennen, von wo aus die Legionäre dorthin marschiert sein mögen.
Die Prahmen waren Gütertransportschiffe. Sie dienten nicht zum Transport von Truppen. Die waren zu Fuß schneller. Wie gesagt, Prahmen wurden gesegelt bzw. getreidelt.

Da es sich ja nun doch irgendwie herauskristallisiert dass Aliso nicht in Haltern lag, und wir mit Haltern also schon ein Lager an der Lippe hatten, war es die Funktion von Aliso, die Hellwegbörde zu kontrollieren. Und dies ging natürlich von einem Ort in der Börde besser als von der Lippe aus.
Das ist reine Spekulation. Egal, ob Haltern Aliso war, oder nicht!

In Unna ist bisher kein Römerlager nachgewiesen. Deine Identifikationsversuche eines Römerlagers in Unna vor einigen Jahren beruhten auf einer modernen Straßenführung, in der du das Spielkartenformat der Römerlager wiedererkennen wolltest. Willst du diese Diskussion wirklich neu auflegen?!
 
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