Das Selbstbestimmungsrecht der Völker war in Mitteleuropa die reinste Farce ..
Nicht nur in Mitteleuropa. Die "Reißbrettgrenze" zwischen Syrien und Irak, die mindestens seit der Antike bestehende Kommunikationsräume im Euphrat-Tigris-Raum zerschneidet, ist einer der Gründe für den Aufstieg des "Islamischen Staats". Die den Kurden auch von den Briten versprochene eigene Staatlichkeit steht bis heute aus. Was für Mitteleuropa und den zweiten Weltkrieg gilt, ist in vielerlei Weise übertragbar auf die heutigen Probleme im Nahen Osten, auch auf den Kaukasus seit den späten 1980ern. Wobei die Formel "Selbstbestimmung = Staatlichkeit" sich zwar als effektives Mittel zur Promotion ethnischer Säuberungen erwiesen hat, aber mehrheitlich weder der poltischen Emanzipation noch der wirtschaftichen Entwicklung der betroffenen "Völker" sonderlich zuträglich war. Europa hat sich nicht grundlos für das multinationale/ multiethnische Kooperationsmodell der EU entschieden, das tendenziell - bei allen jeweiligen politisch-institutionellen Unterschieden und Schwächen - auch schon Österreich-Ungarn, dem Zaren- und Osmanischen Reich inhärent war.
Wilson hätte sicher wirtschaftlichen und finanziellen Druck auf seine störrischen Partner ausüben können, denn deren Schulden gegenüben den USA waren beträchtlich.
Interessanter Aspekt! Bei Wilson scheinen generell Intentionen, Proklamationen und Aktionen nicht unbedingt kongruent gewesen zu sein: Persönlicher Rassismus vs. "Selbstbestimmungsrecht der Völker" vs. Interventionismus in Lateinamerika; Frauenwahlrecht und Stärkung gewerkschaftlicher Rechte vs. massive Einschränkung der Meinungsfreiheit nach Kriegseintritt; "He kept us out of the war" im Wahlkampf 1916, und Kriegseintritt kurz danach, etc.
Dein Punkt passt ins Muster. (Innen-)politisch scheint er mir schwer erklärbar. Da gibt es einen
Paul Moritz Warburg, Wilsons finanzpolitischer Berater, einer der Architekten der Fed und Board Governor (bis August 1918), sowie ein Gründungsvater des
Council on Foreign Relations. Paul M. Warburg dürfte über das "financial leverage" der USA bestens informiert gewesen sein. Sein Bruder
Max Warburg ist Mitglied der deutschen Delegation in Versailles, und verlässt die Verhandlungen in Protest über die für ihn unannehmbaren Bedingungen. Kaum vorstellbar, dass die Brüder nicht miteinander geredet (telegraphiert) haben, und Paul M. Warburg nicht sein ganzes, sicherlich nicht unerhebliches politisches Gewicht zu Gunsten deutscher Interessen in die Waagschale geworfen hat. Wenn er damit nicht durchdrang...
Wilson ist, auch und gerade in den USA, wegen der vorbeschriebenen Inkongruenzen einer der am kontroversesten diskutierten US-Präsidenten. Mag sein, dass von qualifizierter Seite schon ein Psychogramm seiner Persönlichkeit angefertigt wurde Falls nicht, wäre dies vielleicht an der Zeit.
Die Geburtshilfe für Hitler war die Inflation, der Steigbügelhalter die massive Wirtschaftskrise, die deutsche Inflation wiederum Folge des finanziellen Zusammenbruchs durch die gigantische Kriegsverschuldung. Reparationen wirkten zu dem Zeitpunkt makroökonomisch kaum, womit sich nun die Wirtschaftshistoriker intensiv beschäftigt haben.
Zweifacher Widerspruch (auf die Gefahr, OT zu geraten): Die Geburtshilfe war die "Dolchstoßlegende", und die wäre ohne den "Diktatfrieden von Versailles" wohl kaum entstanden bzw. weitaus weniger breitenwirksam geworden. Hitlers Popularitätsgewinne resultierten nicht aus Geldwertstabilität, sondern aus der "Lösung der Sudetenfrage", dem "Anschluß", und seiner "Heim ins Reich"-Politik.
Der "Steigbügelhalter" Weltwirtschaftskrise war keine Weltwirtschaftskrise. Es war eine amerikanische Wirtschaftskrise, die durch Kündigung amerikanischer Kredite an Deutschland, und dessen nach wie vor hoher Reparationsbelastung zur deutschen Wirtschaftskrise wurde, und dann auf andere Länder, insbesondere Kanada, Lateinamerika, Frankreich und Großbritannien, ausstrahlte. Die Wirtschaft der Sovietunion wuchs, China, Indien, Korea und die Phillipinen blieben praktisch unberührt, ebenso Schweden (4,5% Wachstum 1930, 3% Schrumpfung 1931). Japan erlebte eine kurzfristige Delle, die weder im Ausmaß (7-10% Schrumpfung) noch in ihrer Dauer (Wachstum wieder ab 1931) mit der Krise in den USA und West-/Mitteleuropa vergleichbar war; diese Delle erreichte mit 1-2 Jahren Verzögerung Indonesien und Malaysia. Die Welt ist größer als Nordamerika und West-/Mitteleuropa.
Social Democracy for the 21st Century: A Post Keynesian Perspective: The Great Depression in 9 Asian Nations: Real GDP Data